Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 244



97 II 244

36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. September 1971
i.S. Lehmann und Mitbeteiligte gegen The Northern Assurance Company Ltd.
Regeste

    Motorfahrzeughaftpflicht und Versicherung.

    Art. 75 SVG, Strolchenfahrten.

    Haftet der Halter nach Abs. 1 dieser Bestimmung, so hat der Geschädigte
im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht
unmittelbar gegen den Versicherer (Erw. I).

    Der Halter haftet nach Art. 75 Abs. 1 SVG, wenn eine "Person, für
die er verantwortlich ist," das Fahrzeug zum Gebrauch entwendet hat
(Erw. II/3a).

    Der Halter haftet für seine Hausgenossen im Sinne des SVG nur,
wenn und soweit er ihnen das Motorfahrzeug zur Verfügung hält, es ihnen
überlässt oder durch sie Betriebsfunktionen ausüben lässt (Erw. II/3b).

    Der Halter hat nur für solchen Schaden einzustehen, der mit
dem Betrieb des Fahrzeugs ursächlich zusammenhängt, zu dem er eine
Hilfsperson beigezogen oder zu dem er einem anderen die Führung des
Fahrzeugs überlassen hat (Erw. II/3c).

    Entwendung zum Gebrauch (Erw. II/4).

    Der Halter ist für jedes Verschulden verantwortlich, das mit der
Entwendung des Fahrzeuges ursächlich zusammenhängt (Erw. III/1).

    Scheitern des Entlastungsbeweises im konkreten Fall (Erw. III/2).

Sachverhalt

    A.- E.H., geb. 12. August 1948, lebte mit seinen Eltern in
Hausgemeinschaft in einer Wohnung, die sich im Erdgeschoss des Hauses
X in Regensdorf befindet. Im Kellergeschoss des gleichen Häuserblockes
verfügte sein Vater M.H., geb. 1923, über eine Garage, in der er
seinen Personenwagen verwahrte. Die Schlüssel zur Garage und zum Fahrzeug
versorgte Vater H. immer in der Tasche seines Rockes, und diesen hängte er
normalerweise im Korridor der Wohnung auf. Dort entnahm E.H. am Sonntag,
den 29. August 1965 gegen 08.30 Uhr oder etwas später, als seine Eltern
noch schliefen, der Rocktasche seines Vaters die erwähnten Schlüssel. Er
benützte sie, um sich den in der Garage stehenden Wagen zum Gebrauch
anzueignen. Er fuhr über Wettingen-Baden-Brugg gegen die Passhöhe des
Bötzberges. In Unterbötzberg/Stalden, wo er sich ungefähr um 09.30
Uhr befand und mit einer Geschwindigkeit von 80-90 km/h gefahren sein
will, verlor er in einer leichten Linksbiegung die Herrschaft über das
Fahrzeug. Er geriet auf die linke Seite der Strasse und stiess mit zwei
aus entgegengesetzter Richtung kommenden Personenwagen zusammen. Die
Insassen des vorderen Wagens, Werner Lehmann und dessen Ehefrau, wurden
schwer verletzt. Frau Lehmann erlag in der Folge ihren Verletzungen.

    B.- Am 30. Juli/10. August 1970 traf Werner Lehmann, geb. 1929,
für sich und als gesetzlicher Vertreter seiner Kinder Werner, geb.
1952, und Helena Judith, geb. 1955, mit der Firma "The Northern Assurance
Company Limited, London, Direktion Zürich, F. Gilgen AG", bei der M.H. als
Motorfahrzeughalter gegen Haftpflicht versichert war, eine Vereinbarung. Er
einigte sich mit ihr, durch das Bundesgericht gemäss Art. 41 lit. c OG
entscheiden zu lassen, ob die Unfallfahrt "als Strolchenfahrt im Sinne
des Art. 75 SVG zu qualifizieren sei" und ob Werner Lehmann sen. über die
Schadenersatz- und Genugtuungsbeträge hinaus, welche die "Northern" ihm
und seinen Kindern für den Fall der Verneinung dieser Frage zu schulden
anerkannte, Fr. 10 000.-- als "Teuerungsausgleich" zu fordern habe.

    C.- Mit Klage vom 15. Dezember 1970 stellten Werner Lehmann
sen. (Kläger 1), Werner Lehmann jun. (Kläger 2) und Helena Judith Lehmann
(Klägerin 3) beim Bundesgericht gegen "The Northern Assurance Company
Limited, London, Direktion Zürich F. Gilgen AG" die Rechtsbegehren:

    "1.  Die Beklagte sei zu folgenden Leistungen zu verurteilen:
1. Zahlung von Fr. 84 703.15 zuzüglich 5% Zins seit 1. Januar 1968 an
den Kläger 1;

    2.  Zahlung von Fr. 12 100.-- zuzüglich 5% Zins ab 1. Januar 1968 an
den Kläger 1 zu Handen des Klägers 2;

    3.  Zahlung von Fr. 12 100.-- zuzüglich 5% Zins ab 1. Januar 1968 an
den Kläger 1 zu Handen der Klägerin 3;

    4.  Zahlung folgender unvererblicher Invaliditätsrenten ab 1. Januar
1971, zahlbar in zwei hälftigen Raten, halbjährlich zum voraus, jeweils
auf den 2. Januar und den 1. Juli zahlbar:

    Totalrente pro Jahr: 1971: Fr. 8 520.--

    1972: Fr. 9 403.--

    1973: Fr. 10 286.--

    1974: Fr. 11 069.--

    1975: Fr. 10 708.--

    1976: Fr. 10 267.--

    1977: Fr. 9 768.--

    1978-1994 je: Fr. 9 768.--

    5.  Zahlung von Fr. 10 000.-- an den Kläger 1 als Teuerungsausgleich
auf den sub 1.4 hievor geltend gemachten Rentenzahlungen.

    Eventualiter seien die sub 1.4 hievor geltend gemachten Rentenzahlungen
nach dem Landesindex der Konsumentenpreise zu indexieren, bis zu einem
summenmässigen Gesamtbetrag der nach Landesindex zu leistenden Zahlungen
von Fr. 10 000.--.

    2.  Es sei festzustellen, dass es sich bei den vorstehend
unter Rechtsbegehren 1.1 bis 1.5 geltend gemachten Ansprüchen um den
Direktschaden der Klägerschaft handelt, von welchem die Leistungen der
SUVA bereits in Abzug gebracht worden sind, und es sei festzustellen,
dass die Regressansprüche der SUVA gegenüber der Beklagten ausdrücklich
vorbehalten bleiben.

    Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führte in der Antwort
und in der Vorbereitungsverhandlung vom 25. März 1971 aus, die Vereinbarung
vom 30. Juli/10. August 1970 habe dahin als ergänzt zu gelten, dass die
Beklagte auch die Forderung von Fr. 10 000.-- gemäss Klagebegehren 1.5
nur noch mit dem "Einwand der Strolchenfahrt" bestreite.

    Anderseits liessen die Kläger in der Vorbereitungsverhandlung das
Rechtsbegehren 2, das auf eine schon unter Ziffer 2.6 der Vereinbarung vom
30. Juli/10. August 1970 getroffene "Feststellung" ausgegangen und von der
Beklagten in der Antwort für den Fall der Verneinung der Strolchenfahrt
anerkannt worden war, als überflüssig fallen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    I. Art. 75 SVG versteht unter "Strolchenfahrten" (s. Randtitel und
Abs. 3) alle Fahrten, die von einer nicht berechtigten Person mit einem
"zum Gebrauch entwendeten" Motorfahrzeug ausgeführt werden. Wer das
Fahrzeug zum Gebrauch entwendet hat, haftet für den Schaden, den es
verursacht, wie ein Halter (Abs. 1 Satz 1), und wer es führt, obschon er
zu Beginn der Fahrt weiss, dass es zum Gebrauch entwendet wurde, haftet
für die auf dieser Fahrt verursachten Schäden solidarisch mit (Abs. 1
Satz 2). Von dieser den Entwender und den Führer treffenden Haftung
ist jene des Motorfahrzeughalters zu unterscheiden. Dieser haftet für
die durch Strolchenfahrten entstehenden Schäden mit, ausgenommen "wenn
er beweist, dass weder er noch eine Person, für die er verantwortlich
ist, die Entwendung zum Gebrauch schuldhaft ermöglicht hat" (Abs. 1 Satz
3). Haftet der Halter, so hat der Geschädigte im Rahmen der vertraglichen
Versicherungsdeckung auch ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den
Haftpflichtversicherer des Halters (Art. 65 SVG).

    Die Beklagte kann also an sich selbst dann haften, wenn die Fahrt
vom 29. August 1965 eine Strolchenfahrt war. Sie kann nur dann nicht
belangt werden, wenn sie den Beweis erbracht hat, dass weder der Halter
M.H. noch eine Person, für die er verantwortlich war, die Entwendung des
Fahrzeuges zum Gebrauch schuldhaft ermöglicht hat. Indem die Parteien
in der Vereinbarung vom 30. Juli/10. August 1970 die vom Bundesgericht
zu entscheidende Rechtsfrage darin sahen, "ob die Unfallfahrt als
Strolchenfahrt im Sinne von Art. 75 SVG zu qualifizieren sei" (Ziff. 1),
und indem sie ausführten, der Kläger beschränke den Prozessstoff "auf die
Frage der Strolchenfahrt" (Ziff. 2.7), drückten sie sich ungenau aus. Legt
man die Vereinbarung als Ganzes vernünftig aus, so wollten die Parteien
nicht nur entscheiden lassen, ob die Unglücksfahrt eine Strolchenfahrt
war, sondern auch, ob die Beklagte die weiteren ihr nach Art. 75 Abs. 1
SVG obliegenden Entlastungsbeweise erbracht habe. Die Beklagte hat sich
denn auch im vorliegenden Prozess bemüht, diese Beweise zu erbringen,
und die Kläger haben es unternommen, sie zu widerlegen.

    In diesem Umfange hat das Bundesgericht im Sinne von Art. 41 lit. c
OG als angerufen zu gelten.

Erwägung 1

    II.1.- Die Kläger halten Art. 75 SVG auf die Fahrt vom 29. August 1965
nicht für anwendbar, weil M.H. für seinen Sohn "verantwortlich" sei, da er
ihm gestattet, ja ihn geradezu veranlasst habe, das Fahrzeug regelmässig
aus der Garage zu holen oder in diese hineinzustellen und es zu diesem
Zwecke auf privatem Boden jeweilen etwa 5 m weit zu führen. Sie berufen
sich auf OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht II/2 S. 493, 573 ff.,
KELLER, Haftpflicht im Privatrecht S. 248, 250 f. und BGE 77 II 58 ff.

Erwägung 2

    II.2.- (Beweiswürdigung)

    Es ist deshalb davon auszugehen, dass E.H. vor dem 29. August 1965
wiederholt im Einverständnis seines Vaters dessen Personenwagen aus der
Garage auf den privaten Vorplatz hinaus geführt und ihn vom Vorplatz in
die Garage zurückgestellt hat, wobei er sich jeweilen zu diesem Zwecke an
das Steuer setzte. Ob er sich des Motors bediente oder nur die Schwerkraft
des Wagens ausnützte, mag offen bleiben.

Erwägung 3

    II.3.- a) Das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr
schloss die Haftung des Halters aus, wenn das Motorfahrzeug ohne dessen
Verschulden "von einem Dritten eigenmächtig verwendet wurde" (Art. 37
Abs. 5). Es sprach vom "eigenmächtigen, vom Halter nicht verschuldeten
Gebrauch durch einen Dritten" (Art. 55 Abs. 1). Nicht als Dritte im
Sinne dieser Bestimmungen galten "die Personen, deren sich der Halter zum
Betriebe des Motorfahrzeuges bedient oder die es mit seiner Einwilligung
führen" (Art. 37 Abs. 6).

    Nach Art. 75 SVG entfällt dagegen grundsätzlich die Haftung des Halters
nicht, wenn ein Dritter das Fahrzeug eigenmächtig verwendet, sondern wenn
es "zum Gebrauch entwendet" wird. Daher befasst sich diese Bestimmung
nicht mit dem Begriff des "Dritten". Sie sagt auch nicht ausdrücklich,
die Fahrt einer Person, für die der Halter "verantwortlich ist", könne
von vornherein keine Strolchenfahrt sein. Art. 75 Abs. 1 Satz 3 bestimmt
nur, um der Haftung zu entgehen, müsse der Halter beweisen, dass nicht
nur er selber, sondern auch keine Person, für die er verantwortlich
ist, die Entwendung zum Gebrauch schuldhaft ermöglicht habe. Daraus
ergibt sich jedoch, dass der Halter haftet, wenn eine "Person, für die
er verantwortlich ist", das Fahrzeug zum Gebrauch entwendet hat. Denn
wer das Fahrzeug selber entwendet, hat die Entwendung verschuldet. Sein
Verschulden ist zum mindesten ebensoschwer, wie wenn er die Entwendung
- absichtlich oder fahrlässig - einem Dritten ermöglicht hätte. Das
Gesetz kann dem (schuldlosen) Halter nicht erlauben wollen, sich auf den
Befreiungsgrund der Strolchenfahrt zu berufen, wenn eine Person, für die
er verantwortlich ist, selber das Fahrzeug entwendet hat, während es ihn
haften lässt, wenn eine solche Person die Entwendung durch einen Dritten
schuldhaft ermöglicht hat.

    b) Damit ist nicht gesagt, dass der Halter schlechthin hafte, wenn
der Entwender des Motorfahrzeuges eine Person ist, für die der Halter auf
Grund irgendwelcher Normen unter gewissen Voraussetzungen verantwortlich
ist. Das SVG versteht in Art. 75 Abs. 1 wie in den Art. 58 Abs. 2, 59
Abs. 1, 61 Abs. 2 und 71 Abs. 1 unter den Personen, für die der Halter
"verantwortlich ist", nur solche, deren Verhalten ihn nach dem Sinne dieses
Gesetzes seiner Haftung als Halter des schadenstiftenden Motorfahrzeuges
nicht enthebt. Art. 63 Abs. 2 und 63 Abs. 3 lit. a sprechen deutlicher von
"Personen, für die er nach diesem Gesetz verantwortlich ist". Deshalb kann
der Halter sich unter Berufung auf Art. 75 SVG an sich z.B. auch befreien,
wenn ihm das Fahrzeug von einer Person entwendet wurde, die im Sinne des
Art. 333 ZGB sein unmündiger Hausgenosse war.

    OFTINGER vertritt nicht eine andere Auffassung, wenn er auf S. 493
seines Haftpflichtrechts "vorab die Familienangehörigen des Halters, denen
er das Fahrzeug zur Verfügung hält", zu den Personen zählt, für die der
Halter verantwortlich ist, und auf S. 573 die Personen, die "für den Halter
Betriebsfunktionen ausüben oder denen er das Fahrzeug sonst überlassen
hat (die Chauffeure, Familienangehörigen usw.)" grundsätzlich nicht als
Strolchenfahrer betrachtet. Der Halter ist für das, was seine Hausgenossen
tun, nicht schlechthin im Sinne des SVG verantwortlich, sondern er haftet
für sie nur, wenn und soweit er ihnen das Motorfahrzeug zur Verfügung hält,
es ihnen überlässt, durch sie Betriebsfunktionen ausüben lässt. OFTINGER
behält denn auch auf S. 493 die Fälle von Strolchenfahrten ausdrücklich
vor. Er unterscheidet deutlich zwischen der Haftpflicht als Halter und
jener als Familienhaupt. Erstere ersetzt seines Erachtens zwar die
letztere, doch greift die Haftung als Familienhaupt Platz, wenn die
Voraussetzungen der Haftung als Halter entfallen. Das kann zutreffen,
wenn ein Hausgenosse eine Strolchenfahrt unternimmt. OFTINGER sagt auf
S. 584, je nach Sachlage könne auch Haftung eines Familienhauptes für
den vom Strolchenfahrer als einem Hausgenossen verursachten Schaden in
Betracht fallen. Auf S. 568 Anm. 534 führt er ferner aus, Hausgenossen des
Halters, die keine im Zusammenhang mit dem Betrieb des Motorfahrzeuges
stehende Funktionen ausübten, seien Dritte, deren Verhalten den Halter
gemäss Art. 59 Abs. 1 SVG entlasten könne, und Haftung für sie bestehe
nicht nach SVG, sondern nach gemeinem Recht, Art. 55, 101 OR, 333 ZGB usw.

    Auch KELLER (aaO) kann nicht deutlich eine andere Auffassung entnommen
werden. Er führt auf S. 250 zwar aus, wenn der Strolch eine Person sei,
für die der Halter verantwortlich ist, habe dieser keine Möglichkeit,
sich von der Haftung zu befreien. Er fügt bei, solche Personen seien in
erster Linie die unmündigen Hausgenossen. Damit will er aber wohl nur
sagen, in erster Linie könne der Halter in die Lage kommen, für unmündige
Hausgenossen verantwortlich zu sein, wenn sie ihm den Wagen zum Gebrauch
entwendeten. Dass er für ihr Verhalten als Strolche immer als Halter hafte,
nämlich wegen seiner Stellung als Familienhaupt, behauptet KELLER nicht.

    c) Zieht der Halter zum Betriebe des Motorfahrzeuges eine Hilfsperson
bei (vgl. Art. 58 Abs. 4 SVG und OFTINGER aaO S. 491 Ziff. 1) oder
überlässt er das Fahrzeug jemandem zur selbständigen Führung (vgl.
OFTINGER aaO S. 493 Ziff. 2), so ist er für Schaden aus dem Verhalten
dieser Personen verantwortlich. Der im Haftpflichtrecht allgemein geltende
Grundsatz, dass der Schaden mit dem haftungsbegründenden Sachverhalt
ursächlich zusammenhangen muss, zieht jedoch seiner Verantwortung eine
Grenze. Der Halter haftet nicht für allen Schaden, den die erwähnten
Personen irgend einmal mit seinem Fahrzeug verursachen mögen, sondern nur
für Schaden, der mit jenem Betriebe ursächlich zusammenhängt, zu dem er
eine Hilfsperson beigezogen oder zu dem er einem anderen die Führung des
Fahrzeuges überlassen hat (vgl. für das alte Recht BGE 77 II 180 Erw. 1).

    So ist z.B. der Halter, der sich regelmässig durch seine Ehefrau
Zeichen geben lässt, wenn er von verdeckter Stelle auf die Strasse hinaus
fährt, verantwortlich, wenn sie diese Aufgabe unrichtig ausübt. Er
haftet dagegen nicht, wenn sie, ohne dass ihn ein Verschulden trifft,
sein Fahrzeug zum Gebrauch entwendet und damit Schaden stiftet, denn
es fehlt am ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrer erwähnten üblichen
Hilfsfunktion und dem Schaden.

    Auch haftet z.B. der Halter, der seinem Sohne regelmässig mit dem Wagen
zur Schule zu fahren erlaubt, für den Schaden, den das Fahrzeug auf dem
Schulweg verursacht. Er haftet auch, wenn der Sohn, statt von der Schule
auf kürzestem Wege nach Hause zu fahren, einen nicht bewilligten Abstecher
macht und dabei einen Unfall verursacht. Der ursächliche Zusammenhang
zwischen dem bewilligten Gebrauch und dem Schaden liegt vor. Es kann
übrigens auch nicht gesagt werden, der Sohn habe den Wagen entwendet,
denn er war ihm anvertraut, als er den Abstecher machte. Dagegen liegt
eine Strolchenfahrt vor, wenn der gleiche Sohn den Wagen während der
Schulferien entwendet, um damit eine Reise zu unternehmen. Für den Schaden,
den das Fahrzeug auf dieser Reise verursacht, haftet der an der Entwendung
schuldlose Vater als Halter nicht.

    Auf Grund dieser Überlegungen wäre auch der Sachverhalt, der dem
unter der Herrschaft des MFG gefällten bundesgerichtlichen Urteile vom
8. Februar 1951 i.S. Alpina-Versicherungs-AG gegen Schatzmann zugrunde
lag (BGE 77 II 58), heute gleich zu beurteilen wie damals. Der Inhaber
einer Autoreparaturwerkstatt hatte den von ihm gehaltenen Personenwagen
seinem nicht führungsberechtigten Sohne und technischen Leiter des
Geschäftes allgemein zum Gebrauch auf dem Werkstattareal zur Verfügung
gestellt, ihm dagegen das Fahren ausserhalb dieses Areals verboten und
den Kontaktschlüssel in Verwahrung genommen, aber eines Abends nach
der Rückkehr von einer Fahrt den Wagen auf Weisung des Sohnes vor der
Garage stehen gelassen, worauf der Sohn ihn mit einem nachgemachten
Kontaktschlüssel gebraucht und auf der öffentlichen Strasse einen Unfall
verursacht hatte. Das Bundesgericht entschied, durch die Ermächtigung,
den Wagen auf dem Areal der Werkstatt in Betrieb zu setzen und zu führen,
habe sich der Halter seines Sohnes zum Betrieb des Fahrzeuges bedient,
was ausschliesse, den Sohn als Dritten im Sinne des Art. 37 Abs. 6
MFG anzusehen. Daher wurde der Versicherer des Halters für den Schaden
haftbar erklärt. Unter der Herrschaft des Art. 75 SVG müsste der Richter
argumentieren, der Gebrauch des Wagens auf der öffentlichen Strasse hange
ursächlich damit zusammen, dass der Halter seinem Sohne allgemein den
Gebrauch auf dem Werkstattareal gestattet und ihm zu diesem Zwecke den
Wagen ein für allemal anvertraut hatte; der Sohn habe am Wagen Gewahrsam
gehabt, weshalb nicht eine Entwendung, sondern nur eine Überschreitung
der erteilten Ermächtigung zum Gebrauch vorliege. Es verhält sich in
einem solchen Falle ähnlich wie beim vorerwähnten Beispiel, wo der Sohn
auf dem Schulwege einen durch die Ermächtigung des Vaters nicht gedeckten
Abstecher macht.

Erwägung 4

    II.4.- Der heute zu beurteilende Tatbestand liegt anders. Indem
M.H. den Wagen wiederholt durch seinen Sohn aus der Garage auf den
Vorplatz führen oder von diesem in die Garage zurückstellen liess, weil
er, der Vater, als invalider Mann im Freien besser ein- und aussteigen
konnte, übertrug er dem Sohne nur Hilfsfunktionen, die den vom Vater
beabsichtigten bzw. ausgeführten Fahrten dienten. Er überliess den
Wagen nicht dem Sohne zu eigenem Gebrauch, selbst wenn der Vater beim
Herausholen oder Versorgen des Wagens nicht immer anwesend gewesen sein
sollte. Hätte sich bei diesen Vorgängen ein Unfall ereignet, so wäre der
Vater als Halter haftbar geworden. Das gleiche träfe vielleicht zu, wenn
der Sohn die ihm übertragene Hilfsfunktion zur Ausführung einer über den
erhaltenen Auftrag hinausgehenden Fahrt missbraucht hätte. Der auf einer
solchen Fahrt entstandene Schaden stände wohl in ursächlichem Zusammenhang
mit der Beiziehung des Sohnes als Hilfsperson, und es könnte diesem wohl
auch nicht vorgeworfen werden, er habe den Wagen "entwendet". E.H. hat
indessen den Unfall vom 29. August 1965 nicht auf einer Fahrt verursacht,
die mit den Aufträgen des Vaters zusammengehangen hätte. Er benützte
nicht die ihm vom Vater übertragene Hilfsfunktion, um mit dem Wagen weiter
wegzufahren, als der Auftraggeber es wünschte, sondern verschaffte sich
ohne dessen Wissen und Willen die Schlüssel zur Garage und zum Wagen,
um eine eigene Fahrt zu unternehmen. Er brach den väterlichen Gewahrsam
am Fahrzeug, entwendete dieses zum Gebrauch. Die Unglücksfahrt war eine
Strolchenfahrt im Sinne des Art. 75 SVG.>

Erwägung 1

    III.1.- Was die Frage betrifft, ob der Halter die Entwendung des
Fahrzeuges zum Gebrauch schuldhaft ermöglicht hat, ist die Rechtslage heute
gleich wie nach Art. 37 Abs. 5 MFG. Wie nach dem alten Recht genügt unter
Art. 75 SVG jedes für die Entwendung des Fahrzeuges ursächliche Verschulden
des Halters, um dessen Haftung fortbestehen zu lassen, auch das leichteste
(BGE 77 II 63, 83 II 82; SJZ 51 129 Nr. 93; STREBEL N. 221 zu Art. 37 MFG;
PORTMANN, Strolchenfahrt und Strolchenfahrtenversicherung nach Art. 55
MFG S. 44; gleich für das deutsche Recht FLOEGEL/HARTUNG, 18. Auflage,
Anm. 13 S. 876 zu § 7 StVG). Da die Haftung des Halters für Schaden aus
dem Betrieb des Motorfahrzeuges die Regel und seine für unverschuldete
Strolchenfahrten vorgesehene Befreiung die Ausnahme ist, mit der das
Gesetz dem Halter ein wenig entgegenkommt, sind an die Sorgfalt, mit der
er der Entwendung des Fahrzeuges zum Gebrauch vorzubeugen hat, strenge
Anforderungen zu stellen (OFTINGER 578; SJZ 57 152 Nr. 36). Strenge ist
namentlich auch angezeigt, weil Strolchenfahrten häufig von Personen
unternommen werden, die zur sorgfältigen Führung eines Motorfahrzeuges
nicht ausgebildet oder charakterlich unfähig sind. Wenn der Halter
schuldhaft einer solchen Person die Entwendung des Fahrzeuges ermöglicht,
setzt er mittelbar Dritte hoher Gefahr für Leib und Leben aus. Daher hat
nach Gesetz der Halter zu beweisen, dass ihn kein Verschulden treffe.

    Im übrigen hängt das Verschulden nicht davon ab, wie üblicherweise
   der Entwendung von Motorfahrzeugen vorgebeugt wird (SJZ
39 114 Nr. 17, 51 128 Nr. 93). Vom Halter muss verlangt werden, dass er
alle Sorgfalt anwende, die ein vorsichtiger Mensch unter den besonderen
Umständen des Falles hätte walten lassen und auch dem Halter persönlich
zugemutet werden konnte.

Erwägung 2

    III.2.- a) Die Entwendung des Personenwagens des M.H. wurde dadurch
möglich, dass dessen Sohn der Tasche des im Korridor hangenden Rockes
des Vaters die Schlüssel zur Garage und zum Fahrzeug entnehmen konnte,
während die Eltern noch schliefen. E.H. will sie dort nicht gesucht haben,
sondern nur zufällig auf sie gestossen sein, weil er den Rock des Vaters
mit dem daneben hangenden und gleich aussehenden eigenen Rock, dem er
etwas entnehmen wollte, verwechselt habe. Ob diese Behauptung Glauben
verdient, kann offen bleiben. Der angebliche Zufall, der zum rechtswidrigen
Entschlusse des Sohnes geführt haben soll, ist zum Entscheid der Frage,
ob der Vater die Ausführung dieses Entschlusses fahrlässig ermöglicht
habe, bedeutungslos.

    b) Vater H. verwahrte die Schlüssel zur Garage und zum Wagen immer in
seiner Rocktasche und hängte den Rock normalerweise im Korridor auf. Dass
E.H. am 29. August 1965 die Schlüssel dort behändigen konnte, ist also
nicht einem Missgeschick zuzuschreiben, das dem Vater einmal unterlaufen
wäre und je nach Umständen vielleicht entschuldigt werden könnte. Der
Vater wollte vor dem Sohne die Schlüssel gar nicht verbergen. Er will
zum Sohne Zutrauen gehabt haben. Den Schlüssel zur Garage hätte er ihm
denn auch ohne weiteres übergeben, wenn der Junge sein Motorfahrrad dort
hätte versorgen wollen, wie der Vater es ihm schon oft und erfolglos
befohlen hatte.

    c) Der Chevrolet-Wagen des M.H. hatte ein automatisches Getriebe. Der
Besitzer hatte wegen seiner Invalidität den Wagen ferner so umgebaut,
dass die Fahrt nach Belieben des Führers statt mit den Füssen von Hand
beschleunigt oder verlangsamt werden konnte. Die Bedienung des Fahrzeuges
war somit sehr einfach.

    E.H. kannte und beherrschte sie, obschon er keinen Fahrunterricht
genossen hatte. Er hatte sie seinem Vater und anderen Führern des Wagens
abgeschaut. Er besass und führte seit der Vollendung seines vierzehnten
Altersjahres ein Motorfahrrad, begeisterte sich jedoch für Motorwagen
und wünschte sehnsüchtig, das Fahrzeug des Vaters zu führen. Dieser
wusste das. Er sagt, sein Sohn habe die Vollendung des achtzehnten
Altersjahres kaum erwarten können, um den Führerausweis für Personenwagen
zu erwerben. Am 29. August 1965 war dieser Wunsch noch nicht erfüllt,
weil E.H. erst knapp das siebzehnte Altersjahr vollendet hatte.

    Wie bereits ausgeführt wurde, holte E.H. den Wagen öfters mit Wissen
und auf Wunsch des Vaters aus der Garage heraus oder schob ihn in diese
zurück. Im Frühjahr oder Sommer 1965 - nach der Darstellung des Sohnes
zwei bis drei Monate, nach der Aussage des Vaters dagegen etwa sechs Monate
vor dem Unfall - eignete er sich das Fahrzeug einmal zum Gebrauche an,
als es im Freien stand und der Vater zwar den Zündschlüssel entfernt, das
Zündschloss aber so gestellt hatte, dass der Motor ohne diesen Schlüssel
angelassen werden konnte (sog. Garage-Stellung, die ermöglichen soll,
einen in einer Kollektivgarage untergebrachten Wagen ohne Zündschlüssel
zu verstellen). E.H. fuhr damals mit dem Fahrzeug in Regensdorf auf
der öffentlichen Strasse herum. Vor der aargauischen Kantonspolizei
gab er am 30. August 1965 an, er habe etwa 2 km zurückgelegt. In der
Vorbereitungsverhandlung schätzte er die Strecke nur noch auf 60-70 m und
bestritt, vor der Polizei die erwähnte Angabe gemacht zu haben. Sein Vater
redet sogar nur von 30-40 m, nachdem er vor dem Sachbearbeiter Danuser
der Beklagten am 15. Februar 1966 noch von "einigen hundert Metern"
gesprochen hatte. Es besteht jedoch kein Anlass, an der Richtigkeit der
ursprünglichen Aussage des Sohnes zu zweifeln. Von einem Fehler in der
Protokollierung kann nicht die Rede sein, denn E.H. bestätigte damals
handschriftlich, er habe das Protokoll "selbst" gelesen. Näher liegt
die Annahme, die beiden H. erinnerten sich heute, sechs Jahre nach dem
Vorfall, nicht mehr recht oder versuchten ihn bewusst zu beschönigen. Im
Jahre 1965 will Vater H., der durch einen Dritten telephonisch von ihm
Kenntnis erhalten hatte, ihn durchaus ernst genommen haben. Er will dem
Sohne damals ins Gewissen geredet und ihm das Ehrenwort abgenommen haben,
dass er nie mehr solche Fahrten unternehmen werde.

    Dass der Sohn den Wagen des Vaters vor dem 29. August 1965 noch weitere
Male auf der öffentlichen Strasse geführt habe, steht nicht fest. Auf
einer Fahrt vom Sommer 1965, die sein Freund Grendene im Einverständnis von
Vater H. mit diesem Wagen in seiner Begleitung ausführte, sass E.H. zwar am
Reiseziel Wettingen am Steuer, als er auf Grendene wartete. Es ist jedoch
nicht bewiesen, dass er auf dieser Fahrt den Wagen geführt habe. Hätte er
es getan, so bliebe übrigens noch offen, ob der Vater davon Kenntnis hatte.

    d) Berücksichtigt man die dem Vater bekannte Neigung E.H.'s zum
Führen seines Wagens und die Tatsache, dass der Junge sich einmal gegen
den Willen des Vaters mit dem Wagen auf die öffentliche Strasse begeben
hatte, so ist nicht entschuldbar, dass der Vater die Schlüssel zur
Garage und zum Wagen in seiner Rocktasche liess, wenn er den Rock im
Korridor aufzuhängen pflegte. Er hätte sie in ständiger Obhut behalten
sollen, z.B. in seiner Hosentasche und nachts in seinem Schlafzimmer. Es
genügte nicht, dem Sohn das "Ehrenwort" abzunehmen, er werde den Wagen
nicht mehr gebrauchen. E.H. war nicht ein musterhaft ausgeglichener
und zuverlässiger Bursche, auf dessen Charakterfestigkeit der Vater
hätte vertrauen dürfen. Das Gegenteil traf zu. E.H. hatte schon in der
Schule gewisse Schwierigkeiten wegen ungenügenden Durchhaltewillens. Seine
Unausgeglichenheit beschäftigte den Vater sehr. E.H. war "kein Engel". Auch
bei der beruflichen Ausbildung fehlte es ihm an Ausdauer. Die Lehre als
Radiotechniker, die er im April 1964 im Geschäft des Vaters begann, gab
er mangels Freude am Beruf und wegen Schwierigkeiten in der Gewerbeschule
um Weihnachten 1964 auf. Nachdem er einen Berufsberater befragt hatte,
trat er zu Ostern 1965 in einem Hotel in Wettingen probeweise eine
Lehre als Koch an. Sie befriedigte ihn aber wiederum nicht und führte
zu Anständen mit dem Küchenchef. Nach kurzer Zeit lief er davon, kehrte
dann aber wieder zurück. Auf 5. August 1965 wurde E.H. entlassen. Sein
Lehrmeister Marti war mit ihm nicht zufrieden. Als Zeuge erklärte Marti
allerdings in der Vorbereitungsverhandlung, er habe über seinen Charakter
keine Feststellungen gemacht. Gegenüber dem Zeugen Büchi hatte er sich
dagegen anfangs Januar 1966 dahin geäussert, E.H. sei nachts bis zu später
Stunde herumgestrolcht und habe anderen Tags in der Küche wenig geleistet;
erzieherische Fehler der Eltern hätten ihn zum Nichtsnutz gemacht,
sein Vater habe ihm zuviel Taschengeld gegeben, was ihn erst recht zu
einem unseriösen Lebenswandel verleitet habe. Diese Angaben verdienen
Glauben. Vater H. selber hat im November 1965 vor dem Jugendanwalt bezeugt,
sein Sohn habe sich gegen ihn aufgebäumt und sich als Opfer von Schikanen
ausgegeben; mit dem Sackgeld sei er nicht sparsam umgegangen; von den
Fr. 10.-, die der Vater ihm jeden Freitag gegeben habe, habe er am Montag
regelmässig nichts mehr besessen. Einmal wurde E.H. gebüsst, weil er mit
dem Motorfahrrad ohne Kontrollschild gefahren war. Wahrscheinlich erst
nach dem Unglück vom 29. August 1965 wies der Vater ihn einer Psychologin
zu, damit sie ihn über die weitere Berufswahl berate. Den Bericht,
den sie erstattet habe, findet er angeblich nicht mehr auf. Im November
1965 sagte er vor dem Jugendanwalt aus, sie habe E.H. als noch kindlich
bezeichnet. Die Bemühungen, einen Beruf zu erlernen, bereiteten dem Sohne
weiterhin Schwierigkeiten. Nach der Entlassung aus der Kochlehre arbeitete
er einige Zeit bei einem Baumeister als Zeichner. Ein Jahrlang besuchte er
ferner die Schule "Minerva", in der er jedoch schwänzte. Dann versah er in
einem Rationalisierungsinstitut eine Stelle als Planzeichner. Schliesslich
eröffnete er ein "Tonstudio". Früher hätte er Musiker werden wollen. Sein
Vater wäre damit einverstanden gewesen, wenn er ein klassisches Instrument
erlernt hätte. E.H. spielte indessen Guitarre.

    e) Die Beklagte versucht das Vertrauen, das Vater H.  seinem Sohne
entgegenbrachte, damit zu entschuldigen, Massnahmen gegen die Entwendung
der Schlüssel und des Wagens hätten das Familienleben "zur Sau" werden
lassen. Damit meint sie offenbar, der Sohn hätte sich gegen solche
Massnahmen gesträubt und Auftritte in der Familie verursacht.

    Ein wohlerzogener und verständiger Sohn, der das zum Erwerb des
Führerausweises vorgeschriebene Alter noch nicht erreicht hat, verübelt es
indessen dem Vater nicht, wenn dieser ihm den Zugriff auf die Schlüssel
zur Garage und zum Wagen verunmöglicht. Nur ein auf vorzeitige Führung
des Wagens erpichter, unzuverlässiger Bursche, wie E.H. einer war,
kann sich gegen eine solche Vorsichtsmassnahme des Vaters auflehnen und
dadurch die Harmonie des Familienlebens stören. Gegenüber einem solchen
Sohne hat der Vater aber ganz besonders Anlass, nicht nachzugeben. Seine
Pflicht, Strolchenfahrten durch ein charakterlich nicht geeignetes und
in der Führung und sicheren Beherrschung des Wagens nicht ausgebildetes
Kind zu verhüten, geht einem guten Einvernehmen mit diesem vor. Das Leben
und die Gesundheit der Strassenbenützer sind wichtiger als der Wunsch des
Vaters, Erziehungsschwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. M.H. war ein zu
nachsichtiger Erzieher.

    Die Auffassung der Beklagten, die sichere Verwahrung der Garage- und
Wagenschlüssel durch den Vater hätte nur die pubertäre Lust des Sohnes
geweckt, sie zu suchen und zu finden, entschuldigt ersteren ebenfalls
nicht. Pubertäre Lust des Jünglings, den Wagen zu entwenden, erfordert
geradezu eine Verwahrung der Schlüssel, die deren Behändigung verunmöglicht
oder ganz erheblich erschwert. Von einem Vater wird z.B. auch verlangt,
dass er trotz der Neigung und Triebe der Kinder, ja gerade wegen derselben,
eine Handfeuerwaffe vor ihnen sicher verwahre.

    M.H. hat nicht alles getan, was objektiv möglich war und ihm nach
den Umständen zugemutet werden konnte, um der Entwendung des Wagens
vorzubeugen. Er hat diese im Sinne des Art. 75 Abs. 1 SVG schuldhaft
ermöglicht.

    Die Klage ist daher gutzuheissen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Beklagte hat dem Kläger Werner Lehmann, geb. 1929, zu zahlen:

    a) Fr. 84'703.15 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1968;

    b) eine vom 1. Januar 1971 an laufende und je zur Hälfte am 2. Januar
und 1. Juli jeden Jahres zum voraus zahlbare unver erbliche Rente von
jährlich:

    Fr.  8'520.-- für 1971;

    Fr.  9'403.-- für 1972;

    Fr. 10'286.-- für 1973;

    Fr. 11'069.-- für 1974;

    Fr. 10'708.-- für 1975;

    Fr. 10'267.-- für 1976;

    Fr.  9'768.-- für 1977 bis 1994.

    c) Fr. 10'000.--.

    2.- Die Beklagte hat dem Kläger Werner Lehmann. geb. 1952,
Fr. 12'100.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1968 zu zahlen.

    3.- Die Beklagte hat der Klägerin Judith Lehmann, geb. 1955,
Fr. 12'100.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1968 zu zahlen.