Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 III 52



97 III 52

13. Auszug aus dem Entscheid vom 22. Juli 1971 i.S. X. Regeste

    Art. 92 Ziff. 3 SchKG. Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen (Auto).

    Befand sich der Schuldner im Zeitpunkt der Arrestlegung in gekündigtem
Arbeitsverhältnis, so kommt es darauf an, ob er ohne eigenen Wagen
konkret die Möglichkeit hatte, in der Nähe seines Wohnortes eine seinem
erlernten Berufe entsprechende neue Stelle zu finden, ohne dass er wegen
des fehlenden Fahrzeugs eine Lohneinbusse in Kauf nehmen musste.

    Die tatsächlichen Verhältnisse sind auch dann von Amtes wegen
abzuklären, wenn der Schuldner selber ungenügende Angaben geliefert hat
(Erw. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Erwägungen (gekürzt)

Erwägung 1

    1.- Gegenstand des Rekurses ist die Frage, ob der Rekurrent als
Bauingenieur (Statiker) auf das von ihm benützte Personenauto zur Ausübung
seines Berufes angewiesen ist, ob der Wagen für seine berufliche Tätigkeit
im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG notwendig sei. Bei der Beurteilung
dieser Frage ist grundsätzlich auf die Verhältnisse abzustellen, die
im Zeitpunkt des Arrestvollzuges bestanden haben (BGE 82 III 107 Erw. 3
mit Hinweisen, 83 III 33). Zu jener Zeit war der Rekurrent bei der Firma
A. in B. als Ingenieur angestellt, befand sich allerdings in gekündigter
Stellung (Kündigung durch die Arbeitgeberin). Somit ging er im massgebenden
Zeitpunkt einem unselbständigen Erwerb nach. Dass er sich später während
vier Monaten als freierwerbender Bauingenieur betätigte, ist rechtlich
unerheblich, und auch auf die gegenwärtigen Arbeitsverhältnisse bei der
Firma C. kann es nicht entscheidend ankommen.

    Hingegen ist zu berücksichtigen, dass der Rekurrent im Zeitpunkt der
Arrestlegung in gekündigtem Anstellungsverhältnis stand und ungeachtet
des Ausgangs des Arrestverfahrens einen neuen Arbeitsplatz suchen
musste. Es stellt sich demnach weniger die Frage, ob er durch den Entzug
des persönlichen Motorfahrzeugs die bisherige Stelle verloren hätte,
als vielmehr die, ob er ohne ein solches eine neue Beschäftigung als
unselbständig Erwerbender finden konnte, die seinem erlernten Berufe
entsprach und ihm ein genügendes Einkommen sicherte. Der Rekurrent
bestreitet dies.

Erwägung 2

    2.- Die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der
Frage der Unpfändbarkeit von Gegenständen gemäss Art. 92 SchKG von
Bedeutung sind, haben die Aufsichtsbehörden - allenfalls mit Hilfe der
Betreibungsämter - von Amtes wegen abzuklären (BGE 89 III 34, 91 III
59, beide mit Hinweisen). Vom Untersuchungsprinzip darf auch dann nicht
abgegangen werden, wenn der Schuldner selber ungenügende Angaben geliefert
hat (BGE 86 III 50, 91 III 59). In dieser Hinsicht sind die Erwägungen des
BGE 84 III 20 ungenau (nicht veröffentlichter Entscheid i.S. Äschlimann
vom 27. Januar 1966, Erw. 2).

    Im vorliegenden Falle enthält der angefochtene Entscheid keine
genügend konkreten Feststellungen, die ein abschliessendes Urteil
über die Frage der Kompetenzqualität des arrestierten Personenwagens
erlaubten. Zur Anstellung des Rekurrenten bei der Firma A. führt die
kantonale Aufsichtsbehörde aus, es lasse sich nicht annehmen, der Entzug
des Autos hätte für den Rekurrenten den Verlust der Stelle oder eine
Schmälerung des Lohnes zur Folge gehabt. - Abgesehen davon, dass diese
Feststellung sehr unbestimmt ist, kann ihr - wie vorn in Erwägung 1
ausgeführt wurde - auch deshalb keine entscheidende Bedeutung zukommen,
weil sich der Rekurrent im massgebenden Zeitpunkt bei der Firma A. bereits
in gekündigtem Arbeitsverhältnis befand.

    Dagegen ist wichtig zu wissen, ob der Schuldner ohne eigenen
Wagen konkret die Möglichkeit hatte, in der Nähe seines Wohnortes
(den zu wechseln ihm nicht zugemutet werden kann) eine neue Stelle als
Bauingenieur (Statiker) zu finden, ohne dass er wegen des fehlenden
Fahrzeugs eine Lohneinbusse in Kauf nehmen musste (wobei sowohl die
Einsparung an Autokosten als auch der Ausfall an Spesenentschädigungen
für Geschäftsfahrten mit dem Privatwagen und allfällige Auslagen
für andere Transportmittel vom Wohn- zum Arbeitsort in Rechnung zu
stellen sind). Zu diesen Punkten hat die Vorinstanz keine klaren
Feststellungen getroffen. Zwar erwähnt sie eine Umfrage bei "15
namhaften Ingenieurbüros in acht deutschschweizerischen Kantonen...",
die ergeben habe, dass in neun der angefragten Büros kein Geschäftsauto
zur Verfügung stehe und die angestellten Ingenieure den eigenen Wagen
benützten, in drei weiteren Büros gleiches in 95-99% der Fälle zutreffe
und in den restlichen drei Büros die "meisten" angestellten Ingenieure
den Geschäftswagen verwendeten. Daraus schliesst die Vorinstanz, dass
das eigene Auto bei der Stellenbewerbung wohl Vorteile bieten dürfte,
dass jedoch nicht feststehe, dass der Rekurrent ohne ein solches keinen
gleichwertigen Arbeitsplatz fände. Allein diese Feststellung, die sich
zusätzlich auf einige summarische Auskünfte des städtischen Arbeitsamtes
und des kantonalen Arbeitsinspektorates stützt, ist rein negativer Art
und ohne positiven Aussagewert. Insbesondere geht aus ihr nicht hervor,
ob der Rekurrent auf dem Platze B. (einschliesslich der näheren,
vom Schuldner ohne Auto erreichbaren Umgebung) konkret die Möglichkeit
hatte, ohne eigenen Wagen eine seiner Ausbildung entsprechende Stelle zu
finden. Die Vorinstanz sagt nicht und aus den Akten ist nicht ersichtlich,
wieviele der angefragten Ingenieur-Büros sich in B. befinden und welche
Antworten von diesen erteilt wurden. Es ist aber durchaus möglich, dass
die Verhältnisse hier anders sind als in den übrigen, für den Rekurrenten
nicht in Betracht fallenden Städten und Kantonen.

    Würde festgestellt, dass auch in B. und Umgebung Arbeitsplätze
für Bauingenieure (Statiker) offenstehen, die keinen Privatwagen
voraussetzen, müsste weiter abgeklärt werden, ob der Rekurrent mit
der Annahme einer solchen Stelle nicht eine wesentliche Lohneinbusse
erlitte; denn wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, kann dem bis unter
den Notbedarf gepfändeten Schuldner keine Schmälerung des Einkommens
zugemutet werden. Sollte sich herausstellen, dass in der Region B. für
den Rekurrenten keine reale Aussicht besteht, ohne eigenen Wagen eine
ausreichend entlöhnte Stelle als Statiker zu finden, müsste dies zum
Schlusse führen, dass das Auto für ihn ein notwendiges Berufswerkzeug im
Sinne von Art. 92 Abs. 3 SchKG darstellt.

    Da die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz für die
Beurteilung dieser Frage nicht ausreichen und gemäss den gemachten
Ausführungen der Ergänzung bedürfen, sind die Akten in Anwendung von
Art. 81 und 64 Abs. 1 OG an die kantonale Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.