Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 III 121



97 III 121

28. Entscheid vom 13. Juli 1971 i.S. Finanz und Bau AG und Wohnbau Süd
Aktiengesellschaft. Regeste

    Konkurs; erste Gläubigerversammlung; Bestellung des
Gläubigerausschusses (Art. 235 ff. SchKG).

    1.  Art. 235 Abs. 3 SchKG. Die Vertretung einer grossen Zahl
von Gläubigern durch die gleiche Person an der Gläubigerversammlung
ist zulässig, sofern kein Stimmenkauf vorliegt und die Interessen der
Gläubiger nicht mit denjenigen des Gemeinschuldners vermengt werden. Die
Vollmacht zur Vertretung darf auch mit Weisungen für die Stimmabgabe an
der Gläubigerversammlung verbunden werden (Erw. 4).

    2.  Bei der Entscheidung über eine Beschwerde betreffend Bestellung
und Zusammensetzung des Gläubigerausschusses hat die Aufsichtsbehörde ihr
eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Gläubigerversammlung zu
setzen. Das Bundesgericht kann in diesem Zusammenhang nur prüfen, ob die
Aufsichtsbehörde ihr Ermessen überschritten oder missbraucht habe (Erw. 5).

    3.  Aus Art. 237 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG folgt, dass in den
Gläubigerausschuss möglichst nur solche Gläubiger aufzunehmen sind, die
zum Gemeinschuldner personell keine Verbindungen haben, damit die Gefahr
von Interessenkollisionen ausgeschaltet werden kann (Erw. 6).

Sachverhalt

                      Gekürzter Tatbestand:

    A.- Am 2. März 1971 wurde über die Firma Modul AG in Basel der Konkurs
eröffnet. Zu den zahlreichen Gläubigern gehören auch die Schweizerische
Kreditanstalt sowie die Firmen Finanz und Bau AG und die Wohnbau Süd
Aktiengesellschaft. Diese beiden Firmen sind die Gläubiger mit den grössten
Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin. Die erste Gläubigerversammlung
fand am 5. Mai 1971 statt. Dabei wurde ein Gläubigerausschuss bestellt,
dem Emil Elliker, Max Scherrer und Rolf Weber angehören. Elliker und
Weber stehen der Schweizerischen Kreditanstalt nahe, während Scherrer
die Gläubiger mit kleineren Forderungen vertritt. Drei weitere Kandidaten
für eine Wahl in den Gläubigerausschuss, nämlich Rolf Lutz, Angestellter
der Finanz und Bau AG, Gabriel Tomek, Verwaltungsrat der Wohnbau Süd
Aktiengesellschaft, und W. von Rohr, wurden nicht gewählt. Ein Antrag
von Rolf Lutz auf Bestellung eines fünfköpfigen Gläubigerausschusses
wurde verworfen.

    B.- Die beiden Firmen Finanz und Bau AG und Wohnbau Süd
Aktiengesellschaft erhoben je eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde
über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt. In
diesen Beschwerden stellten sie die Anträge, der Beschluss der ersten
Gläubigerversammlung vom 5. Mai 1971 sei aufzuheben, soweit er die
personelle Zusammensetzung des Gläubigerausschusses auf drei Personen
beschränke; die Anzahl der Gläubigervertreter im Gläubigerausschuss sei
auf fünf Personen zu erhöhen; der Gläubigerausschuss sei mit Gabriel
Tomek und Rolf Lutz zu ergänzen.

    Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerden mit gleichlautenden
Entscheiden vom 9. Juni 1971 ab. Sie hielt eine Erhöhung der Mitgliederzahl
des Gläubigerausschusses für sachlich nicht gerechtfertigt. Insbesondere
erachtete sie aber eine Ergänzung des Ausschusses mit Vertretern der
beschwerdeführenden Firmen als nicht opportun oder angemessen, da diese
Firmen mit der Gemeinschuldnerin eng verbunden seien.

    C.- Gegen diese Entscheide führen die beiden Firmen Finanz und Bau AG
und Wohnbau Süd Aktiengesellschaft Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie verlangen, die Beschlussfassung und
die Wahlen der ersten Gläubigerversammlung seien als gesetzesverletzend,
unter Beeinträchtigung der freien Willensbildung zustandegekommen und
unangemessen aufzuheben; die Anzahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses
sei auf fünf Personen zu erhöhen; in den Gläubigerausschuss von fünf
Personen seien ergänzend Gabriel Tomek, Präsident des Verwaltungsrates
der Firma Wohnbau Süd Aktiengesellschaft, und Rolf Lutz, Delegierter des
Verwaltungsrates der Firma Finanz und Bau AG, als Vertreter dieser beiden
wichtigen Gläubiger oder andere Personen zu wählen.

    Zur Begründung bringen sie u.a. vor, die Vertretung an der
Gläubigerversammlung sei nicht ordnungsgemäss ausgeübt worden. Einzelne
Gläubiger hätten einen weitergehenden Einfluss auf die Bildung
des Gesamtwillens nehmen können, als ihnen das Gesetz zubilligen
wollte. Dadurch seien vorab die Interessen der Bank und der kleinen
Gläubiger befriedigt worden, während die Interessen der Gläubiger mit den
grossen Forderungen vernachlässigt worden seien. Im Gläubigerausschuss
sollten aber alle Gläubigergruppen angemessen vertreten sein. Da auch
die Aufsichtsbehörde für diese Vertretung nicht besorgt gewesen sei,
könne ihr der Vorwurf der Willkür und damit der Rechtsverletzung nicht
erspart werden.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist die Rekurse ab, soweit
darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    1., 2., 3. - ...

Erwägung 4

    4.- Die Rekurrentinnen machen geltend, eine freie Willensbildung
sei an der ersten Gläubigerversammlung nicht möglich gewesen, weil eine
grosse Zahlvon Gläubigern durch die gleichen Personen vertreten worden
sei und diese Vertreter einen unverhältnismässig grossen Einfluss auf die
Entscheidungen hätten nehmen können. Der Wortlaut der Vollmachten habe
zufolge bindender Weisungen über die Stimmabgabe eine freie Entscheidung
verunmöglicht, und die Vertreter hätten sich teilweise nicht an die ihnen
erteilten Weisungen gehalten.

    a) Das Gesetz beschränkt die Vertretung von Gläubigern an der
Gläubigerversammlung in keiner Weise, sondern sieht eine solche Vertretung
vielmehr ausdrücklich vor (Art. 235 Abs. 3 SchKG). Die Bevollmächtigung
ist allerdings nur gültig, wenn kein Stimmenkauf vorliegt und die
Interessen der Gläubiger nicht mit jenen des Gemeinschuldners vermengt
werden (BGE 96 III 104 ff. Erw. 2 b). Ein Stimmenkauf ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts gegeben, wenn ein Gläubiger von einem
andern die Bevollmächtigung zur Vertretung im Konkursverfahren durch die
Zusicherung "besonderer Vorteile" erwirkt (BGE 86 III 100 Erw. 5). Von
den Rekurrentinnen wird nichts Derartiges geltend gemacht. Unter Vorbehalt
dieser Ausnahmen erscheint es jedoch als zulässig, dass sich eine grosse
Zahl von Gläubigern durch die gleiche Person an der Gläubigerversammlung
vertreten lässt. Auch wenn ein solcher Vertreter dank der Vielzahl seiner
Stimmen einen grossen Einfluss auf die Entscheidungen nehmen kann,
ist darin gleichwohl nicht eine unzulässige Behinderung der freien
Willensbildung der Gläubigerversammlung zu erblicken. Es entspricht
vielmehr dem Willen der Vollmachtgeber, dass ihr Stimmrecht durch den
gleichen Vertreter ausgeübt und dadurch entsprechend wirkungsvoll zur
Geltung gebracht werde.

    b) Entgegen der Auffassung der Rekurrentinnen muss es auch als zulässig
betrachtet werden, eine Vollmacht zur Vertretung eines Gläubigers an der
Gläubigerversammlung dahin einzuschränken, dass dem Vertreter Weisungen
für seine Stimmabgabe erteilt werden. Dadurch kann ein Gläubiger, der an
der Versammlung nicht persönlich teilnehmen kann oder will, seinen Willen
gezielter zur Geltung bringen, als wenn er die zu treffenden Entscheidungen
vollumfänglich seinem Vertreter überlässt. Es kann sich allerdings in der
Versammlung eine Situation ergeben, die eine von den Weisungen abweichende
Stimmabgabe nahelegt. Ob der Vertreter unter solchen Umständen berechtigt
sein soll, von den ihm erteilten Weisungen abzuweichen, ist eine Frage
des internen Verhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem.

    Im Text der im vorliegenden Fall erteilten Vollmachten wird
der Vertreter ermächtigt, den fraglichen Gläubiger an der ersten
Gläubigerversammlung zu vertreten und insbesondere der Wahl einer aus
einem Vertreter des Konkursamtes Basel-Stadt und Emil Elliker bestehenden
Konkursverwaltung sowie der Wahl eines aus Max Scherrer, Rolf Weber
und W. von Rohr bestehenden Gläubigerausschusses zuzustimmen. Aus den
Worten "... und insbesondere der Wahl... zuzustimmen" ist nicht auf
eine starre Bindung an die genannten Nominationen zu schliessen und die
eher geringfügige Differenz zwischen der Vollmacht und dem Ergebnis
der Gläubigerversammlung - dem Gläubigerausschuss gehören Elliker,
Scherrer und Weber an - als durch den Vollmachtstext noch gedeckt zu
erachten. Indessen braucht diese Frage nicht abschliessend geprüft
zu werden, da in der Unterlassung einer Anfechtung der Beschlüsse und
Wahlen durch die Vollmachtgeber eine stillschweigende Genehmigung einer
über die Schranken der Vollmacht eventuell hinausgehenden Stimmabgabe der
Vertreter erblickt werden kann. Jedenfalls können die Rekurrentinnen, die
an diesem Vertretungsverhältnis nicht beteiligt sind, die Gültigkeit der
von der Gläubigerversammlung getroffenen Entscheide nicht einfach unter
Berufung auf die Diskrepanz zwischen der Stimmabgabe der Vertreter und
dem Wortlaut der Vollmacht anfechten. Sie müssten vielmehr dartun können,
dass die Ausübung des Stimmrechts durch die Vertreter dem Willen der
Vollmachtgeber tatsächlich nicht entsprach und von diesen auch nachträglich
nicht etwa genehmigt wurde. Einen solchen Nachweis zu führen, haben
die Rekurrentinnen aber nicht einmal versucht. Die Vorinstanz hat die
Stimmabgabe durch die Gläubigervertreter daher mit Recht als in allen
Teilen gültig betrachtet.

Erwägung 5

    5.- Die Rekurrentinnen verlangen die Erhöhung der Zahl der Mitglieder
des Gläubigerausschusses von drei auf fünf und rügen die Abweisung dieses
Antrages durch die Vorinstanz als Rechtsverletzung. Richtig ist, dass
die kantonale Aufsichtsbehörde die Bestellung und die Zusammensetzung des
Gläubigerausschusses auch auf deren Angemessenheit hin zu prüfen, d.h. ihr
eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Gläubigerversammlung zu
setzen hatte (BGE 86 III 123 Erw. 2 mit Verweisungen). Die Vorinstanz
hat die Erweiterung des Gläubigerausschusses aus zwei Gründen als
unangemessen betrachtet: Einmal war sie der Auffassung, dass die damit
verbundenen Mehrkosten sich im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger
nicht rechtfertigen würden, und sodann machte sie die Überlegung, dass
höchstens eine Ergänzung des Gläubigerausschusses durch Vertreter der
Rekurrentinnen in Betracht fallen könnte, eine solche jedoch aus andern
Gründen nicht in Frage komme. Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz ihr
Ermessen weder überschritten noch missbraucht, was vom Bundesgericht, das
gemäss Art. 19 Abs. 1 SchKG nur im Falle von Rechtsverletzung einschreiten
kann, allein zu prüfen ist. Es ist tatsächlich nicht einzusehen, welche
gewichtigen Interessen für eine Erweiterung des Gläubigerausschusses auf
fünf Mitglieder sprechen könnten, wenn die Aufnahme von Vertretern der
Rekurrentinnen nicht in Betracht fallen sollte. Was diesbezüglich in den
Rekursschriften ausgeführt wird, lässt die Ermessensausübung durch die
Vorinstanz in keiner Weise als willkürlich erscheinen.

Erwägung 6

    6.- Das Hauptinteresse der Rekurrentinnen ist offensichtlich darauf
gerichtet, im Gläubigerausschuss selber vertreten zu sein, wie sie dies
in ihrem Rechtsbegehren unter Bezeichnung ihrer Vertreter verlangen. Sie
machen geltend, die Ablehnung dieses Begehrens durch die Vorinstanz beruhe
auf willkürlichen Annahmen.

    Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, dass als Vertreter
der Gemeinschuldnerin Herbert Krall, Verwaltungsratspräsident, und Rudolf
Tissot, Verwaltungsrat und Direktor, einvernommen wurden. Tissot habe aber
beide Beschwerden an die Vorinstanz unterzeichnet, woraus geschlossen
werden müsse, dass dieser auch bei den Rekurrentinnen eine massgebende
Stellung einnehme. Krall sei seinerseits Verwaltungsrat der Wohnbau Süd
Aktiengesellschaft. Das letzte Domizil der Gemeinschuldnerin habe sich an
demjenigen der beiden Rekurrentinnen befunden. Unter diesen Umständen sei
keinerlei Gewähr gegeben, dass Tissot und Krall nicht über alle Beschlüsse
und alle im Gläubigerausschuss besprochenen Details orientiert würden,
wenn Lutz und Tomek diesem angehören würden. Ferner bestehe die Gefahr,
dass Tissot und Krall durch ihre Mittelsmänner im Ausschuss ihren Einfluss
auf die zu treffenden Entscheidungen ausüben könnten.

    Diese Überlegungen der Vorinstanz sind durchaus vertretbar und
somit nicht willkürlich. So durfte die Vorinstanz vor allem auf die
personellen Verflechtungen zwischen den Organen der Rekurrentinnen und
der Gemeinschuldnerin massgebend abstellen. Diese Verflechtungen werden
in den Rekursen nicht etwa bestritten, sondern unter Hinweis auf die
Verschiedenheit der Rechtssubjekte und die Unbefangenheit der als Vertreter
vorgeschlagenen Personen als unmassgeblich bezeichnet. Gemäss Art. 237
Abs. 3 Ziff. 1 SchKG hat der Gläubigerausschuss die Konkursverwaltung
zu beaufsichtigen. Daraus ergibt sich, dass in den Gläubigerausschuss
nur Vertreter solcher Gläubiger aufgenommen werden sollten, die zum
Gemeinschuldner personell möglichst keine Verbindungen haben, damit
die Gefahr von Interessenkollisionen ausgeschaltet werden kann. Im
vorliegenden Fall durfte die Aufsichtsbehörde ohne Willkür annehmen, dass
diese Gewähr bei der Aufnahme von Vertretern der Rekurrentinnen in den
Gläubigerausschuss nicht bestehe. Für eine solche Annahme spricht unter
anderem die in den Beschwerden an die Vorinstanz enthaltene Zugabe, Herbert
Krall übe auf die Generalversammlung und damit auch auf den Verwaltungsrat
der beiden Rekurrentinnen einen erheblichen Einfluss aus. Herbert Krall
war aber gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der Gemeinschuldnerin und
musste als solcher dem Konkursamt gegenüber Rede und Antwort stehen. Damit
ist die Gefahr von Interessenkollisionen recht anschaulich gemacht. Die
Vorinstanz hatte also gute Gründe, von einer Aufnahme von Vertretern der
Rekurrentinnen in den Gläubigerausschuss abzusehen.