Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 III 105



97 III 105

22. Auszug aus dem Entscheid vom 2. Dezember 1971 i.S. B. Regeste

    Art. 10 SchKG.

    In einer Betreibung des Kantons gegen Dritte haben kantonale Beamte
nicht schon deshalb in den Ausstand zu treten, weil sie Angestellte
des Betreibungsgläubigers sind. Eine Ausstandspflicht wäre höchstens
dann anzunehmen, wenn der mit der Betreibung befasste Beamte in einem
besonders engen Verhältnis zur staatlichen Stelle stünde, von der die
Betreibung ausgeht.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    In zwei Betreibungen des Staates Bern gelangte der Betreibungsschuldner
mit einer Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde und stellte
die Anträge, die Angestellten des Betreibungsamtes 2, Bern, und der
andern bernischen Betreibungsämter hätten, da sie Angestellte des
Betreibungsgläubigers seien (Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG), für die
fraglichen Betrei bungshandlungen in den Ausstand zu treten.

    Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen des Kantons
Bern verneinte das Vorhandensein eines Ausstandsgrundes.

    Das Bundesgericht weist den vom Betreibungsschuldner er hobenen
Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    1., 2. - ...

Erwägung 3

    3.- Der Rekurrent beruft sich auf Art. 10 Abs. 1 Ziffer 3 SchKG,
wonach ein Beamter oder Angestellter "in Sachen einer Person, deren
... Angestellter er ist", keine Amtshandlungen vornehmen darf. Der
Rekurrent vertritt die Auffassung, in den fraglichen Betreibungen, in
denen es um Kostenforderungen des Staates Bern ging, hätten weder die
Beamten und Angestellten des Betreibungsamtes Bern noch die Mitglieder
der kantonalen Aufsichtsbehörde handeln dürfen, da die einen wie die
andern Angestellte des Kantons Bern, also des Betreibungsgläubigers, seien.

    Die in Art. 10 SchKG vorgesehene Ausstandspflicht gilt nach der in der
Literatur herrschenden Meinung auch für Vertreter und Bevollmächtigte (und
somit wohl auch für Angestellte) juristischer Personen des privaten und
öffentlichen Rechts (JAEGER, Kommentar, N 8 zu Art. 10 SchKG; FAVRE, Droit
des poursuites, 2. Aufl., S. 39; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 51 N 23). Zu
letzteren gehört an sich auch der Staat. Nun ist es aber völlig undenkbar,
dass ein kantonaler Beamter schon dann in den Ausstand zu treten hätte,
wenn es sich um die Betreibung irgendeiner Forderung des betreffenden
Kantons handelt, mit deren Inkasso er sonst in keiner Weise etwas zu
tun hat. Sonst könnten nämlich solche Betreibungen, wie die Vorinstanz
zutreffend bemerkt, überhaupt nicht mehr ordnungsgemäss durchgeführt
werden. Denn der Stellvertreter des Betreibungsbeamten, an den die Sache
nach Art. 10 Abs. 2 SchKG im Falle des Ausstandes zu übermitteln wäre
(bzw. der Ersatzmann, der für das Mitglied der kantonalen Aufsichtsbehörde
einzuspringen hätte), befände sich in keiner andern Stellung als der
ordentliche Beamte selber (FAVRE, S. 32/33 sub Ziffer 1 B; GAMSER,
Die Organisation des Betreibungs- und Konkursamtes, Diss. Bern 1906,
S. 42/43). Auch er müsste, wollte man der Auffassung des Rekurrenten
folgen, in den Ausstand treten. Das kann aber vernünftigerweise nicht
der Sinn des Gesetzes sein. Es würde übrigens auch niemandem einfallen,
von einem Richter zu verlangen, er müsse in den Ausstand treten, wenn eine
Forderung des Staatswesens im Streite liegt, in dessen Dienst er steht.

    Eine Ausstandspflicht im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Ziffer 3 SchKG wäre
somit höchstens dann anzunehmen, wenn der mit der Betreibung befasste
Beamte in einem besonders engen Verhältnis zu jener staatlichen Stelle
stünde, von der die Betreibung ausging (was denkbar wäre im Falle eines
nebenamtlichen Betreibungsbeamten, der hauptberuflich der Inkassostelle
vorsteht, die die Betreibung für den Staat einleitete; vgl. BLUMENSTEIN,
aaO). Ein solches ausserordentliches Verhältnis wird im vorliegenden Falle
jedoch weder bezüglich der Beamten und Angestellten des Betreibungsamtes
Bern noch bezüglich der Mitglieder der kantonalen Aufsichtsbehörde be
hauptet. Der Rekurs ist daher unbegründet.