Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 V 129



96 V 129

35. Auszug aus dem Urteil vom 8. September 1970 i.S. Bundesamt für
Sozialversicherung gegen Haltinner und Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen Regeste

    Art. 23 Abs. 1 IVG und Art. 21 Abs. 3 IVV: Bemessung der Taggelder.

    Wird die Taggeldleistung an einen Versicherten gekürzt, weil er
während der Eingliederung teilweise erwerbsfähig wird, so erstreckt sich
die Kürzung auch auf die Betriebszulage.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Die Taggelder der Invalidenversicherung werden gemäss Art. 23 Abs. 1
IVG als Haushaltungsentschädigungen, Entschädigungen für Alleinstehende,
Kinder-, Unterstützungs- und Betriebszulagen ausgerichtet. Für die
einzelnen Taggeldarten gelten die gleichen Anspruchsvoraussetzungen wie
für die entsprechenden Entschädigungen und Zulagen gemäss Bundesgesetz
über die Erwerbsausfallentschädigungen an Wehr- und Zivilschutzpflichtige
(EOG). Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVV sind für die Bemessung der Taggelder
und die Ermittlung der Unterstützungszulagen die Bestimmungen der
Vollzugsverordnung zum EOG (= EOV) sinngemäss anwendbar.

    Im direkten Anwendungsbereich des EOG und der EOV wird die
Betriebszulage in keinem Falle gekürzt. Das ergibt sich aus der
Zweckbestimmung der Betriebszulage. Wer Militärdienst leistet, muss
seinen Arbeitsplatz verlassen und hat, neben dem Erwerbsausfall, für
die während der dienstlichen Abwesenheit weiterlaufenden Betriebskosten
aufzukommen. Das gilt auch für den vollständig erwerbsunfähigen Invaliden
während der Dauer der Eingliederungsmassnahmen. Daher erhält auch er das
nach den gleichen Regeln wie für den Wehrpflichtigen bestimmte Taggeld
und insbesondere auch die Betriebszulage ungekürzt, solange er nicht
wieder in seinem Betrieb tätig sem kann.

    Eine wesentlich andere Rechtslage besteht jedoch in den Fällen,
in denen während der Eingliederung eine beschränkte Erwerbstätigkeit
möglich ist und ein Erwerbseinkommen erzielt wird. In solcher Lage ist
das Taggeld einschliesslich Eingliederungszuschlag gestützt auf Art. 21
Abs. 3 IVV zu kürzen. Da nach dem Gesetzeswortlaut die Taggelder als
Haushaltungsentschädigungen, Entschädigungen für Alleinstehende, Kinder-,
Unterstützungs- und Betriebszulagen ausgerichtet werden (Art. 23 Abs. 1
IVG), besteht keine Veranlassung, die Betriebszulage von der Kürzung
auszunehmen, weil auch sie einen Bestandteil des gesetzlich umschriebenen
Taggeldes bildet. So wurde auch im Zusammenhang mit der Revision
des IVG, die am 1. Januar 1968 in Kraft trat und eine loprozentige
Taggelderhöhung brachte, dieser Zuschlag auch auf die Betriebszulage
gewährt. Dagegen wurde diese Erhöhung bei den Eingliederungszuschlägen,
die als Sonderleistungen der Invalidenversicherung aufgefasst wurden,
nicht angewendet. Die gleiche Gesetzesrevision bestimmte aber, dass
das Taggeld unter den entsprechenden Voraussetzungen einschliesslich des
Eingliederungszuschlages zu kürzen sei. Daher bleibt keinem Zweifel Raum,
dass an eine Ausnahme hinsichtlich der Betriebszulage nicht gedacht
worden ist. Zweck der erwähnten Ordnung ist es, dem in Eingliederung
befindlichen Versicherten das Erwerbseinkommen zu ersetzen, das er ohne
Invalidität gehabt hätte; daher sollen die aus Erwerbseinkommen während
der Eingliederung und gekürztem Taggeld erzielten Einkünfte keine diesen
Ersatz übersteigende Überversicherung ergeben. Die Verhältnisse eines
in Eingliederung befindlichen Invaliden lassen sich nicht mehr mit
denen eines Dienstpflichtigen vergleichen, sobald der Invalide wieder
teilweise im Betrieb mitarbeiten kann. Es ist somit gerechtfertigt,
die Betriebszulage uneingeschränkt in die Taggeldkürzung gemäss Art. 21
Abs. 3 IVV einzubeziehen.