Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 V 100



96 V 100

29. Urteil vom 22. September 1970 i.S. Schweiz. Unfallversicherungsanstalt
gegen X. und Versicherungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 67 Abs. 3 KUVG: Über die Haftung der SUVA für Wagnisse.

    -  Kriterien zur Beurteilung der Wagnisfrage (Präzisierung der
Rechtsprechung).

    - Wagnischarakter eines Höhlentauchunternehmens, das mangelhaft
vorbereitet und durchgeführt wurde.

Sachverhalt

    A.- X, geboren 1935, unternahm am späten Nachmittag des 3.  September
1966 zusammen mit fünf Kameraden im Quellgebiet der Orbe einen Tauchausflug
nach dem unterirdischen Lac du Silence. Das zu diesem führende Höhlensystem
fällt nach dem Eingang stark ab und verläuft alsdann in einer Wassertiefe
von 8-12 m. In horizontaler Richtung sind etwa 80 m zurückzulegen.

    X und der ebenfalls aus der Gegend stammende P. hatten schon früher in
dieser Höhle getaucht. Sie beabsichtigten, diese ihren Kameraden C., L. und
W. zu zeigen, die sie erst seit kurzem kannten und mit welchen sie sich
am Morgen zu gemeinsamen Tauchübungen im Lac de Joux getroffen hatten. Der
sechste Taucher wurde auf dem Wege zur Orbequelle zum Mitkommen eingeladen.

    X verwendete entgegen dem Ratschlag seiner Kameraden, welche mit
Pressluftgeräten ausgerüstet waren, einen Sauerstoffapparat. Diesen hatte
er am 31. August von L. ausgeliehen, dem er erklärte, von der Feuerwehr her
sei er im Umgang mit Kreislaufgeräten vertraut. Mit dem geborgten Apparat,
dessen Handhabung er sich von L. hatte erklären lassen, unternahm er am
1. sowie am Morgen des 3. September Tauchübungen, die ohne Zwischenfall
verliefen.

    Für die Exkursion zum Lac du Silence wurde eine Zweiergruppe, bestehend
aus L. und W., gebildet, welche vorauszuschwimmen hatte. Die übrigen
Taucher folgten in einer Vierergruppe. Da X und P. den Verlauf der Höhle
eingehend geschildert hatten, wurde beschlossen, zunächst auf das Auslegen
eines sogenannten Ariadnefadens, welcher den Rückweg aus einem verzweigten
Höhlensystem zu sichern bestimmt ist, zu verzichten. Nachdem die Taucher
eine Strecke von 50 bis 60 m zurückgelegt hatten, entstand anscheinend
eine Unsicherheit über den einzuschlagenden Weg; jedenfalls wurde das
Zeichen zur Umkehr gegeben. Danach muss eine Panik entstanden sein: Jeder
Taucher suchte den Ausgang auf eigene Faust. P. fand diesen erst nach einem
Umweg. Dort fehlte X. Die sogleich zurückschwimmenden C. und L. fanden
ihn nach etwa 40 bis 50 m leblos auf dem Bauche liegend, das Gesicht dem
Ausgang zugewandt, in einer vom Messgerät angezeigten Tiefe von 6 bis 9
m. Das Sauerstoffgerät trug er noch ordnungsgemäss, und an diesem fand
sich kein Defekt. Bevor er X zum Ausgang bringen konnte, musste L. einen
an dessen Gurt befestigten Strick durchschneiden, welcher sich am Boden
verfangen hatte. C. verlor den Anschluss, gelangte zum Lac du Silence,
verirrte sich auf dem Rückweg und musste von L. geholt werden. Der um 18
Uhr 35 eintreffende Arzt stellte den Tod des X durch Ersticken fest. Auf
dem Gesicht fand sich helles Blut aus Mund und Nase.

    Eine Autopsie wurde nicht angeordnet.

    Die amtliche Untersuchung wurde am 17. November 1966 eingestellt,
da eine strafbare Handlung nicht vorliege und X allein für seinen Unfall
verantwortlich sei.

    B.- Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei der X als
Zeichner im Architekturbüro F. obligatorisch gegen Unfall versichert war,
lehnte mit Verfügung vom 3. November 1966 jede Leistung ab: Angesichts der
Umstände, unter welchen der Tod eingetreten sei, entfalle ihre Haftung. Da
die Witwe des X am 27. Oktober 1966 krankheitshalber ebenfalls verstorben
war, wurde die Ablehnungsverfügung dem Vormund der 1957 geborenen einzigen
Tochter Brigitte zugestellt.

    C.- Nachdem die Vormundschaft an den Wohnsitz des Vormundes übertragen
worden war, liess dieser beim Versicherungsgericht Bern Klage gegen die
SUVA einreichen mit den Anträgen, die Verfügung vom 3. November 1966
aufzuheben und die SUVA zu verpflichten, der Klägerin Brigitte X die
gesetzliche Kinder- und die ihrer Mutter zustehende Witwenrente vom
3. September bis 31. Oktober 1966, die Vollwaisenrente ab 1. November
1966 und eine Bestattungsentschädigung von Fr. 500.-- auszurichten. Zur
Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Unfall hätte sich ohne
das Mitverschulden der übrigen Taucher nicht ereignet.

    Demgegenüber vertrat die SUVA die Auffassung, die ungenügende
Vorbereitung und das Verwenden des Sauerstoffgerätes hätten das Unternehmen
zum ausgesprochenen Wagnis gemacht.

    Das Versicherungsgericht des Kantons Bern veranlasste zunächst
eine technische Expertise durch S., Inhaber eines Unternehmens für
Tauch- und Unterwasserarbeiten. Dieser vertrat die Auffassung, wohl
berge das Tauchen mit Sauerstoffgeräten zusätzliche Gefahren, doch habe
sich X in Gesellschaft dreier weiterer Taucher sicher fühlen dürfen. Die
Zusammensetzung der Gruppe mit drei Ortskundigen und drei "Neulingen" komme
dem Idealfall nahe. Er verneinte sowohl den Wagnistatbestand wie auch grobe
Fahrlässigkeit. Bei der mündlichen Beantwortung von Ergänzungsfragen gab
er u.a. folgendes zu Protokoll: "Generell betrachtet ist ein Höhlenausflug
ein schwerer Tauchausflug. Der von X und den andern Beteiligten ausgeführte
Ausflug istinnerhalb des Höhlentauchens ein leichter (nicht grosse Distanz,
Tiefe nicht gross, Höhle bekannt)". Ferner: "Schon wenn zwei Taucher mit
Sauerstoffgeräten tauchen, ist das Risiko geringer, als wenn einer allein
mit einem Pressluftgerät taucht. Noch geringer ist das Risiko, wenn einer
mit einem Sauerstoffgerät in Begleitung mit einem mit Pressluftgerät
taucht."

    Der ebenfalls gerichtlich bestellte medizinische Experte,
Prof. Dr. C. vom Pathologischen Institut der Universität Bern, gelangte
zum Schluss, die Todesursache könne medizinisch weder auf Grund des
Berichtes über die ärztliche Legalinspektion noch unter Berücksichtigung
des Unfallherganges gemäss den Zeugenaussagen festgestellt werden. Einzig
eine Autopsie hätte möglicherweise gestattet, die Todesursache mit
genügender Wahrscheinlichkeit abzuklären.

    Auf Grund dieser Expertenmeinungen verneinte das Versicherungsgericht
den Tatbestand des Wagnisses. Da sich die Todesursache nicht mehr
feststellen lasse, könne auch der erforderliche adäquate Kausalzusammenhang
zwischen dem Tode und einer diesem Tauchunternehmen inhärenten besonderen
Gefahr nicht mit Wahrscheinlichkeit dargetan werden. Da die SUVA sich
bewusst nicht auf die nach Art. 98 Abs. 3 KUVG mögliche Kürzung berufe
und auch keinen entsprechenden Eventualantrag gestellt habe, könne
dahingestellt bleiben, ob die vorgekommenen Unterlassungen allenfalls
als grobe Fahrlässigkeit zu werten wären, zumal mangels ungeklärter
Todesursache auchjeder Kausalzusammenhang zwischen grober Fahrlässigkeit
und Tod sich nicht dartun lasse. Mit Entscheid vom 20. Oktober 1969 hiess
es die Klage mit Ausnahme des Antrages auf Verzinsung der von der SUVA
zu erbringenden Leistungen gut und überband dieser auch die Gerichts-
und Anwaltskosten.

    D.- Mit rechtzeitig eingereichter Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beantragt die SUVA Aufhebung des kantonalen Urteils und Bestätigung der
Ablehnungsverfügung, eventualiter Kürzung der zugesprochenen Leistungen um
mindestens 50% gemäss Art. 98 Abs. 3 KUVG. Sie beanstandet insbesondere,
dass im angefochtenen Urteil die Stellungnahme des Präsidenten der
Fédération Romande de Plongée und des Groupe de Plongée et Sauvetage
du Lac de Joux nicht gewürdigt wurde. Dieser hatte gegenüber dem
Untersuchungsrichter und in einem Presseartikel der Tauchergruppe X das
Ausserachtlassen elementarer Vorsichtsmassnahmen vorgeworfen und auf die
besondere Gefährlichkeit der Sauerstoffgeräte hingewiesen.

    Die Klägerin und Beschwerdebeklagte lässt auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auf Bestätigung des vorinstanzlichen
Entscheides antragen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das angefochtene Urteil ist nach dem Inkrafttreten des
Bundesgesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gefällt worden, welches
zahlreiche Artikel des OG neu ordnet. Im vorliegenden Fall bestimmt
sich daher die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts nach
Art. 132 rev. OG. Danach kann es den angefochtenen Entscheid auch auf
Unangemessenheit überprüfen, ist an die Feststellung des Sachverhalts
nicht gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten
oder Ungunsten hinausgehen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 67 Abs. 3 KUVG ist die SUVA befugt,
aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse von der Versicherung der
Nichtbetriebsunfälle auszuschliessen. Von dieser Befugnis hat sie
in einem Verwaltungsratsbeschluss vom 31. Oktober 1967, welcher
einen solchen vom 11. Juni 1942 ersetzt, Gebrauch gemacht. Dieser
enthält eine abschliessende Aufzählung bestimmter Tatbestände,
die schlechthin als aussergewöhnliche Gefahren zu gelten haben, so
z.B. die Beteiligung an Raufereien und Schlägereien, die Teilnahme
an Unruhen, Vergehenshandlungen. Ebenfalls von der Versicherung der
Nichtbetriebsunfälle ausgenommen werden die Wagnisse. Die Umschreibung
des Wagnisbegriffes ist im neuen Verwaltungsratsbeschluss im wesentlichen
in unveränderter Form aus dem früheren übernommen worden. Darnach gelten
als Wagnisse Handlungen, durch die sich ein Versicherter wissentlich einer
besonders grossen Gefahr aussetzt, welche durch die Handlung selbst, die
Art ihrer Ausführung oder die Umstände, unter denen sie ausgeführt wird,
gegeben sein oder in der Persönlichkeit des Versicherten liegen kann.

    Diese Umschreibung des Wagnisbegriffes ist in der Praxis des Eidg.
Versicherungsgerichts mehrfach überprüft worden. Das Gericht gelangte dabei
zum Schluss, es könne ihr zugestimmt werden, wenn unter "besonders grosser
Gefahr" eine unmittelbar drohende - d.h. eine akute - Gefahr verstanden
werde und wenn zugleich ein ins Kühne bis Verwegene gehender Charakter des
Unternehmens vorhanden sei. Ob eine Gefahr als akut, ihr wissentliches
Aufsuchen als verwegen zu gelten hat, hängt - je nach den konkreten
Umständen - bald mehr von äusseren Faktoren, bald mehr von den Fähigkeiten
und Eigenschaften der handelnden Personen ab. Die Praxis hat versucht,
Kriterien zu finden, welche es erlauben sollen, das Verhältnis dieser
beiden Elemente des Wagnisbegriffes losgelöst von der jeweiligen Situation
zu beurteilen. So wurde beispielsweise erklärt, die Gefährlichkeit
einer Klettertour sei nicht aus der Sicht des in Frage stehenden
Versicherten, sondern aus derjenigen eines Durchschnittskletterers zu
prüfen (vgl. Maurer, Recht und Praxis, 2. Aufl., S. 149 f. und 159
f.; Oswald, Das Wagnis als nichtversicherte Unfallgefahr, in SZS 1958
S. 209 ff.; EVGE 1961 S. 267 und 1966 S. 140). Eine echte Garantie
rechtsgleicher Behandlung vermag diese Betrachtungsweise aber nicht
zu bieten: Man kann die gleiche Handlung oder das gleiche Unternehmen,
ausgeführt von verschiedenen Personen ganz verschiedener Eigenschaften,
zu verschiedenen Zeiten und unter ganz anders gearteten Verumständungen,
rechtlich kaum je gleich qualifizieren (vgl. auch Volken, Das Wagnis im
schweiz. Unfallversicherungsrecht, S. 23 ff.). Zu fragen ist vielmehr,
ob und welche besonderen Fähigkeiten, Eigenschaften und Vorkehren benötigt
werden, um das Risiko einer konkreten Gefahrssituation auf ein vertretbares
Mass herabzusetzen, und alsdann zu prüfen, ob die handelnden Personen diese
Voraussetzungen im massgeblichen Zeitpunkt erfüllten. Hierbei mögen die
durchschnittlichen Anforderungen an eine Person, die sich regelmässig in
eine vergleichbare konkrete Gefahrssituation begibt, als Massstab gelten.

Erwägung 3

    3.- Diese allgemeine Umschreibung des Wagnisbegriffes belässt einen
Ermessensraum, in welchem vom sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt
aus schützenswerte ausserbetriebliche Tätigkeiten nicht als ausgeschlossen
zu gelten brauchen. Dabei darf der Zusammenhang mit der einheitlichen
ratio legis des Art. 67 Abs. 3 KUVG nicht vernachlässigt werden. Eine
Gefahr erscheint daher unter dem Gesichtspunkte des Wagnisses dann als
"besonders gross" oder "akut", wenn ihr - auch im Bereich einer an
sich gefährlichen, aber infolge ihres Wertes von der Versicherung nicht
ausgeschlossenen Tätigkeit - ein Risiko aneignet, dessen Übernahme der
Gesamtheit der Versicherten nach dem Grundgedanken des zweiten Satzes von
Art. 67 Abs. 3 KUVG nicht mehr zugemutet werden kann. Die Ausscheidung
muss demnach letzten Endes auf einer vernünftigen Abwägung zwischen
dem schützenswerten Mass einer Betätigung und dem Gesamtinteresse der
Versicherten beruhen (vgl. EVGE 1961 S. 273 f.).

Erwägung 4

    4.- In einem im Feuille d'avis de la vallée de Joux am 7.  September
1966 erschienenen Artikel hat der Präsident der Fédération Romande de
Plongée den Tauchsport als nicht gefährlicher als etwa das Schwimmen
oder Reiten bezeichnet, sofern bloss in einer dem Können des Tauchers
angemessenen Tiefe und unter Verwendung eines Pressluftgerätes im Rahmen
einer Tauchergruppe und unter Beobachtung von deren Disziplin getaucht
werde. In seiner polizeilichen Einvernahme führte er aus, das Höhlentauchen
werde als an sich schwierig und gefährlich betrachtet; es müsse erfahrenen
Tauchern vorbehalten bleiben.

    Der Experte S. äussert sich wie folgt: "Das Tauchen ist ein Sport,
der bei Beachtung der Vorschriften nicht gefährlicher ist als andere
Sportarten, die mit technischen Hilfsmitteln arbeiten... Es ist beim
heutigen Stand der Taucherei jedem gesunden Menschen (Lunge, Herz,
Ohren) möglich, diesen Sport ohne Gefahr auszuüben und dies beinahe ohne
Berücksichtigung seines Alters... Höhlentauchen ist ein Spezialgebiet,
das nur von guten, durchtrainierten Tauchern und in gut eingespielten
Gruppen betrieben werden soll. Die psychische Belastung ist sehr gross;
einwandfreies Zusammenspiel der Taucher ebenso wichtig wie die gegenseitige
Rücksichtnahme. Der natürliche Fluchtweg des Tauchers, der Aufstieg zur
Oberfläche, ist versperrt. Dunkelheit, Kälte und unbekannter Verlauf des
Höhlensystems erschweren den Einsatz. Um die Kenntnisse der Hydrologie und
der Speläologie voranzutreiben, sind die Einsätze von Tauchern in Höhlen
notwendig. Der Verlauf von Höhlen kann zum Teil nur durch das Durchtauchen
von Siphonen ermittelt werden, und die Eigenarten dauernd durchflossener
Höhlen können nur mit dem Tauchgerät an Ort und Stelle studiert
werden, Für unsere Kenntnisse der unterirdischen Wasserreserven und für
Voruntersuchungen bei bestimmten Bauprojekten sind diese Forschungen von
äusserster Wichtigkeit. Für den Sporttaucher ist die Höhlentaucherei eine
Möglichkeit, in unseren Gegenden noch Neuland zu erforschen".

    Auf Grund dieser überzeugenden Ausführungen darf festgestellt werden,
dass sowohl der Tauchsport im allgemeinen wie auch das Höhlentauchen
im besonderen zu den an sich schützenswerten Betätigungen gehören. Im
vorliegenden Fall bleibt somit nur noch zu prüfen, ob X im Rahmen des
Höhlentauchens ein besonders grosses Risiko eingegangen sei.

Erwägung 5

    5.- Die Erkundung der Quellen der Orbe stellt nach dem Präsidenten
der Fédération Romande de Plongée ein Höhlentauchunternehmen mittlerer
Schwierigkeit dar: Das Wasser sei absolut klar, die Strömung gering;
es gebe ausreichend Platz für die Bewegung. Es brauche hingegen eine
sorgfältige Vorbereitung für Taucher, welche die Örtlichkeiten nicht
gründlich kennen. Unerlässlich sei die Bestimmung eines verantwortlichen
Chefs, die Bildung von Zweierequipen, das Auslegen des Ariadnefadens und
das Mitführen von wenigstens zwei Ersatzatemgeräten.

    Der Experte zählt eine ganze Reihe von Verhaltensmassregeln auf,
die beim Tauchen zu beachten sind, so

    "Tauche nie allein,
   atme ruhig und regelmässig, vermeide jede Panik, halte Verbindung mit
   dem Mittaucher, verlasse das Wasser, wenn Du kalt hast, tauche nie,
   wenn Du erkältet bist, die Oberfläche ist in Richtung der

    Luftblasen,
   tauche nur mit vertrautem Material, beachte Tiefe und Tauchzeit,
   tauche nicht mit Angstgefühl.

    Tollkühnheit, Unzuverlässigkeit und

    Leichtsinn vertragen sich mit dem

    Tauchsport nicht..."

    Wer taucht, muss sich bewusst sein, dass unter Wasser eine völlig
neue, für den nur ungenügend geübten Taucher sofort gefährliche Situation
beginnt. Diese Gefahr hält sich nur so lange in verantwortbarem Rahmen,
als sämtliche Vorsichtsmassnahmen getroffen sind.

    Gegen diese offenbar "eisernen Regeln" des Tauchsportes haben
die Exkursionsteilnehmer, insbesondere aber X, in mehrfacher Hinsicht
verstossen.

    a) Entgegen wiederholter Warnungen - generell durch den Präsidenten
seiner Tauchervereinigung, wenn auch bloss mündlich, und unmittelbar
vor dem Eintauchen durch mehrere Exkursionsteilnehmer - benutzte X das
Sauerstoffgerät. Der Experte stellte fest, dass seine Ausbildung daran
dürftig war. X hat damit ohne Zweifel gegen die Regel verstossen, wonach
nur mit vertrautem Material zu tauchen ist.

    Besonders schwer wiegt der Verstoss gegen diese Regel aber gerade
wegen der Verwendung des Sauerstoffgerätes überhaupt. Die Fédération
Romande de Plongée erlaubt das Tauchen mit reinem Sauerstoff nur auf Grund
einer besondern und schriftlichen Bewilligung. Der Präsident führt aus,
sie könne nur erteilt werden, wenn der Taucher zuvor einen Spezialkurs
absolviert habe. Einschränkend fügt er bei, die Fédération habe eine
solche Spezialbewilligung noch nie erteilt und werde sie wahrscheinlich
auch nie erteilen. Auch aus der vom Experten S. zitierten Literatur ergibt
sich eindeutig, dass Fachkreise von der Verwendung von Sauerstoffgeräten
abraten. Wenn Militär und Polizei sie bei gewissen Einsätzen verwenden,
so mag das im Rahmen einer durch Disziplin und Training verbundenen Gruppe
gerechtfertigt erscheinen, heisst aber noch lange nicht, dass solche
Geräte auch in die Hände von Sporttauchern gehören. Dabei mag die Frage
offenbleiben, ob das verwendete Sauerstoffgerät geeignet war, bis zu 10
m oder tiefer zu tauchen. S. führt diesbezüglich aus: "Die Gefährlichkeit
des Sauerstoffes bei Veratmung unter erhöhtem Druck führte zur Aufstellung
von Tiefen- und Zeitbeschränkungen. Die Angaben in diesen Tabellen ändern
von Autor zu Autor und tragen zur bestehenden Verwirrung bei. Einzelne
Tabellen sind nach Aussage von Tauchärzten sogar lebensgefährlich".

    b) Die Taucher hatten auf das Auslegen des Ariadnefadens verzichtet,
weil X und P. sich als ortskundig ausgegeben hatten. In Wirklichkeit
stellte sich aber heraus, "qu'ils étaient aussi perdus que nous".

    Der Ariadnefaden erwies sich im vorliegenden Fall in Anwendung der
vom Experten S. dargelegten Grundsätze als unerlässlich. Zwei oder drei
Teilnehmer, darunter X, wollten die Beschaffenheit der Höhle gekannt haben,
für die andern war das Unternehmen neu. Aber gerade die Ortskundigen
versagten. Offenbar waren ihnen die Örtlichkeiten zuwenig bekannt. Also
hätten sie den Ariadnefaden unter allen Umständen auslegen müssen, sagt
doch auch S., dass nur in bekannten Höhlen ohne Verzweigungen darauf
verzichtet werden könne. Den Aussagen der Mittaucher muss entnommen werden,
dass sie sich ausgerechnet in Verzweigungen verirrten. Dass S. dennoch
glaubte, im vorliegenden Fall hätte auf diese Vorsichtsmassnahme verzichtet
werden können, ist unverständlich.

    c) Unter den gegebenen Umständen verwundert es nicht, dass das
eingetreten ist, was unter Wasser, vor allem aber in Höhlen, unbedingt
vermieden werden muss, nämlich der Ausbruch einer Panik. Hier zeigt sich,
dass die Teilnehmer, obwohl anscheinend taucherisch gut ausgebildet,
gar nicht oder doch ganz ungenügend aufeinander eingespielt waren. Es
scheint, dass keiner dem andern mehr vertraute. Jeder strebte dem Ausgang
zu und achtete nur noch auf sich. Insbesondere darin liegt der schlüssige
Beweis, dass diese Equipe dem fraglichen Tauchunternehmen nicht gewachsen
war. Tollkühnheit, Unzuverlässigkeit und Leichtsinn, nach dem Experten
die grössten Gefahren beim Tauchen, müssen allen Teilnehmern und auch X
zum Vorwurf gemacht werden.

Erwägung 6

    6.- Die Frage, ob X ein Wagnis beging, ist somit zu bejahen.
Unbestritten steht auch fest, dass sein Erstickungstod im Zusammenhang
mit diesem Unternehmen eingetreten ist. Die SUVA braucht unter diesen
Umständen den Nachweis dafür nicht zu erbringen, dass der Schaden
die Folge einer ganz bestimmten Einzelhandlung oder eines bestimmten
Einzelgeschehens ist. Vielmehr ist das Wagnis als Ganzes zu betrachten
(vgl. Maurer, aaO, S. 150 f.). Es kann mithin nicht darauf ankommen,
ob der tödliche Ausgang dem Sauerstoffgerät, dem Umstand, dass X sich
in Steinen oder Felsen verfing, einem Schock oder einer andern Ursache
zugeschrieben werden muss. Demzufolge gereicht die Unterlassung einer
Autopsie der SUVA nicht zum Nachteil.

Erwägung 7

    7.- Unter diesen Umständen braucht nicht untersucht zu werden, ob
den Teilnehmern des Unternehmens und insbesondere X auch der Vorwurf der
Grobfahrlässigkeit gemacht werden könnte. Wagnis und Fahrlässigkeit stehen
sich nicht alternativ gegenüber (vgl. Maurer, aaO, S. 152 f.).

    Ebenfalls erübrigen sich Beweisergänzungen...

Entscheid:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird das kantonale Urteil aufgehoben und
die Verfügung vom 3. November 1966 wiederhergestellt.