Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 94



96 I 94

18. Verfügung des Instruktionsrichters vom 16. Februar
1970 i.S. Eidgen. Militärdepartement gegen Bernold und
Eidgen. Schätzungskommission des VI. Kreises. Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Enteignungssachen; Art. 115, 108
OG: Anforderungen an die Begründung; Voraussetzungen für die Ansetzung
einer Nachfrist.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegen den Entscheid der Eidg. Schätzungskommission des VI. Kreises
vom 26. November/9. Dezember 1969 hat der Enteigner mit Eingabe vom 22.
Januar 1970 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie enthält die Begehren
des Beschwerdeführers und ein Gesuch um Ansetzung einer Nachfrist gemäss
Art. 108 Abs. 3 rev. OG. Das Gesuch wird damit begründet, dass die dem
Entscheid zugrunde liegende Begutachtung von den in der Anleitung für die
Schätzung landwirtschaftlicher Heimwesen und Liegenschaften aufgestellten
Grundsätzen über die anzuwendende Methode abweiche, was die Ausarbeitung
der Beschwerdebegründung ohne gründliches Studium der Akten, zu denen noch
weitere Urkunden beizuziehen seien, verunmögliche. Es sei deshalb nicht
möglich gewesen, eine den Anforderungen von Art. 108 rev. OG genügende
Begründung mit den entsprechenden Beweisanträgen einzureichen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 115 OG in Verbindung mit Ziff. III
der Übergangsbestimmungen bestimmt sich das Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen der Eidg.
Schätzungskommissionen, welche nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1.
Oktober 1969) getroffen wurden, nach den Art. 104 bis 109 dieses Gesetzes.
Nach Art. 108 OG hat die Beschwerde die Begehren, deren Begründung mit
Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder
seines Vertreters zu enthalten (Abs. 2). Fehlen die Beilagen oder lässt
die Begründung die nötige Klarheit vermissen, so ist dem Beschwerdeführer
eine kurze Nachfrist zur Behebung des Mangels anzusetzen, mit Androhung
des Nichteintretens (Abs. 3).

    a) Die in Enteignungssachen geltenden Vorschriften über die Begründung
der Beschwerde weichen damit von der bisherigen Ordnung von Art. 77
EntG ab. Während danach die Weiterziehung durch schriftliche Eingabe
an den Präsidenten der Schätzungskommission zu erklären war und nicht
begründet zu werden brauchte, bedarf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
einer schriftlichen Begründung. Deren notwendiger Inhalt ergibt sich
aus Art. 104 OG. Es ist darzulegen, dass Bundesrecht verletzt, oder
der massgebende Sachverhalt unrichtig oder unvollständig festgestellt
wurde oder die Würdigung unangemessen sei. Die Rechtsprechung hat
hieran schon bisher keine sehr strengen Anforderungen gestellt (BGE 85
I 291, 87 I 84, 89 I 282). Sie hat als genügend angesehen, dass der
Beschwerdebegründung entnommen werden kann, was der Beschwerdeführer
verlangen und auf welche Tatsachen er sich berufen will. Der Gesetzgeber
hat nicht beabsichtigt, diese Rechtsprechung zu verschärfen. Das würde
sich angesichts der Art einzelner Beschwerden, die von den Parteien
häufig ohne Zuzug eines Rechtskundigen erhoben werden, wie insbesondere
der Beschwerden an das Eidg. Versicherungsgericht, auf die das Verfahren
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anwendbar ist (Art. 132 in Verbindung
mit Art. 103 bis 114), auch nicht rechtfertigen.

    b) Fehlt allerdingsjede Begründung, so ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten (BGE 89 II 221).

    Ist bloss ihr Sinn unklar, d.h. mehrdeutig oder ist kein vernünftiger
Sinn erkennbar, so setzt der Richter eine kurze Nachfrist zur Klarstellung
(Art. 108 Abs. 3 OG).

    Dies bedeutet, dass die Nachfrist nicht dazu dienen kann, die Frist
zur Beschwerdebegründung zu verlängern, d.h. eine inhaltlich ungenügende
Rechtsschrift zu ergänzen. Die beschwerdeführende Partei kann daher auch
keinen Anspruch auf Fristansetzung haben. Sie erwirbt insbesondere einen
solchen nicht dadurch, dass sie eine unvollständige Begründung einreicht.

    Die Begründung, welche das Militärdepartement seinen Begehren gab,
ist zwar sehr knapp, besteht sie doch in einem einzigen Satz, aber nicht
unklar. Es ist aus ihr ersichtlich, dass eine Verletzung von Vorschriften
des Bundesratsbeschlusses über die Schätzung landwirtschaftlicher Heimwesen
und Liegenschaften (AS 51, 1287) gerügt werden will. Diese Rüge ist,
auch wenn nicht gesagt wird, worin die Verletzung liegen soll, oder dass
der Erlass auf das Enteignungsverfahren anwendbar sei, unmissverständlich.

    Die Voraussetzungen für die Ansetzung einer Nachfrist im Sinn von
Art. 108 Abs. 3 OG sind nicht gegeben.

Entscheid:

                      Demnach wird verfügt:

    Das Gesuch, dem Enteigner im Sinn von Art. 108 Abs. 3 OG eine Nachfrist
anzusetzen, wird abgewiesen.