Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 88



96 I 88

16. Urteil des Kassationshofes vom 13. April 1970 i.S. Walther gegen
Eidg. Oberzolldirektion und Kantonsgericht Schaffhausen. Regeste

    Art. 49 Ziff. 3 StGB; 100 lit. f OG.

    Der Entscheid auf Umwandlung einer nichtbezahlten Busse in Haft kann
nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

Sachverhalt

    A.- Am 16. Mai 1968 verfällte die Eidg.  Oberzolldirektion Hans-Rudolf
Walther wegen Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss über die
Warenumsatzsteuer in eine Busse von Fr. 291.60. Die Strafverfügung
wurde dem Gebüssten am 1. Juni 1968 schriftlich eröffnet und erwuchs mit
unbenutztem Ablauf der Einsprachefrist in Rechtskraft.

    B.- Auf Begehren der schweiz. Zollverwaltung wandelte das
Kantonsgericht Schaffhausen die Busse, für welche Walther erfolglos
betrieben worden war, am 13. November 1969 als uneinbringlich in 29
Tage Haft um. Walther, der zuvor vom Kantonsgericht zur Stellungnahme
aufgefordert worden war, hatte sich mit Eingabe vom 20. September 1969
dahin vernehmen lassen, es sei von einer Umwandlung der Busse abzusehen,
da es ihm nach den Umständen nicht möglich gewesen sei, sie zu bezahlen.

    C.- Walther ficht den Beschluss des Kantonsgerichtes vom 13. November
1969 mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Er beantragt, der
Beschluss sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung macht er geltend, dass er zwar
der Aufforderung des Kantonsgerichtes, zum Begehren der Zollverwaltung
Stellung zu beziehen, nachgekommen sei, dass er jedoch erwartet habe,
es werde ihm noch Gelegenheit geboten werden, in die Akten Einsicht zu
nehmen und zum umstrittenen Punkt der schuldlosen Nichtbezahlung allfällige
Beweisanträge zu stellen. Im weitern habe er damit gerechnet, sich an einer
Hauptverhandlung mündlich rechtfertigen und durch einen Anwalt verteidigen
lassen zu können. Diese Erwartung habe sich nicht erfüllt. Es sei ihm
das Recht auf Akteneinsicht und auf Teilnahme an einer Hauptverhandlung
verweigert worden. Für den Fall aber, dass nach kantonalem Recht bei
Umwandlung von Bussen ein ordentliches Gerichtsverfahren nicht stattfinden
könne, müsse er auf seinem Standpunkt beharren, dass von der Vorinstanz
auf den Einwand der schuldlosen Nichtbezahlung der Busse nach Art. 49
Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht "genügend eingetreten worden sei", was eine
Rechtsverletzung darstelle.

    D.- Die Eidg. Oberzolldirektion beantragt in ihrer Vernehmlassung
vom 23. März 1970, es sei auf das Rechtsmittel nicht einzutreten, weil
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Falle nicht gegeben
und die Eingabe als Nichtigkeitsbeschwerde verspätet sei.

    Das Kantonsgericht Schaffhausen hat sich u.a. mit dem Hinweis darauf
vernehmen lassen, dass die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs
nach Art. 32 ff. Schaffhauser StPO mit dem ausserordentlichen Rechtsmittel
der Beschwerde beim Obergericht hätte angebracht werden können.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorbringen des Beschwerdeführers laufen zur Hauptsache auf
die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs hinaus, so wenn Walther
geltend macht, es sei ihm die Akteneinsicht und die Teilnahme an einer
Hauptverhandlung verweigert worden, an welcher er sich mündlich hätte
rechtfertigen und durch einen Anwalt verteidigen lassen können. Verstösse
gegen Art. 4 BV können, wie alle Verletzungen von Bundesrecht (Art. 104
lit. a OG), mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht
werden, sofern die sachliche Zuständigkeit des Bundesgerichtes als
Verwaltungsgerichtshof überhaupt gegeben ist (GYGI, Verwaltungsrechtspflege
und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 133 N. 3.2). Diese Voraussetzung ist,
wo verfassungsmässige Rechte in Frage stehen, erfüllt, wenn die gerügte
Verletzung mit einer Sache zusammenhängt, die an sich nach den Vorschriften
der Art. 97 ff. OG Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen
Beschwerdeverfahrens sein könnte (GYGI, aaO, S. 133 N. 3.2 und S. 134
N. 3.4).

    An einem solchen Sachzusammenhang zwischen dem gerügten Verstoss gegen
Art. 4 BV und einer Bundesverwaltungsstreitsache fehlt es im vorliegenden
Fall. Nach Art. 100 lit. f OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unzulässig gegenüber Verfügungen auf dem Gebiete der Strafverfolgung.
Darunter fallen nach der Entwicklungsgeschichte dieser Bestimmung
alle Verfügungen auf dem Gebiete des Strafrechtes - und zwar auch des
Verwaltungsstrafrechtes - sowie des Strafverfahrens, die nicht den
Strafvollzug betreffen (BBl 1965 II 1309 ff.); es ist nicht Sache der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, Lücken des Rechtsschutzes auf dem Gebiete
des Strafverfahrens zu schliessen (Prot. Komm. NatR vom 17./18. Januar
1966, S. 41 Votum Imboden). Da nach ständiger Rechtsprechung des
Kassationshofes der vom Richter ausgehende Beschluss, mit welchem eine
Busse in Haft umgewandelt wird, keine Vollzugsmassnahme, sondern einen
das Bussenurteil ergänzenden materiellen Entscheid darstellt (BGE 74 IV
60 mit Verweisungen), kann das Verfahren, das zu diesem Entscheid führt,
seinerseits kein Vollzugsverfahren sein. Dann aber können auch diesem
Verfahren anhaftende Mängelnicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wegen Verletzung von Art. 4 BV gerügt werden.

Erwägung 2

    2.- Ist demnach die Eingabe des Beschwerdeführers vom 6. Januar
1970 als Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig, so kann sie als
staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden, sofern sie den
formellen Anforderungen der Art. 87 ff. OG genügt; denn eine unrichtige
Bezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht (BGE 71 III 195, 92 II 132).

    Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ist
gemäss Art. 87 OG erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln
Gebrauch gemacht worden ist. Dazu gehört nach feststehender Rechtsprechung
auch die Ergreifung ausserordentlicher kantonaler Rechtsmittel, mit
denen die gerügte Verfassungsverletzung geltend gemacht werden kann (BGE
90 I 204, 89 I 126 mit Verweisungen). Im vorliegenden Falle hätte der
Beschwerdeführer die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss
Art. 32 ff. Schaffhauser StPO innert 10 Tagen, nachdem ihm der Beschluss
des Kantonsgerichtes bekanntgegeben worden war, mit dem ausserordentlichen
Rechtsmittel der Beschwerde beim kantonalen Obergericht anbringen
können. Das hat er nicht getan. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist
daher insoweit mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht
einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Walther macht schliesslich noch eine Verletzung von Art. 49
Ziff. 3 Abs. 2 StGB geltend. Auch mit diesem Vorbringen ist er nicht
zu hören. Die genannte Rüge hätte mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den
Kassationshof des Bundesgerichtes erhoben werden müssen (BGE 74 IV 60),
die jedoch weder mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch mit der
staatsrechtlichen Beschwerde in einer einzigen Eingabe vereinigt werden
kann (BGE 89 IV 27). Abgesehen davon wäre die vom 6. Januar 1970 datierte
Rechtsschrift als Nichtigkeitsbeschwerde ohnehin verspätet, nachdem der
Beschluss des Kantonsgerichtes dem Beschwerdeführer am 5. Dezember 1969
eröffnet worden ist.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.