Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 733



96 I 733

111. Auszug aus dem Urteil vom 20. November 1970 i.S. X. gegen
Eidg. Finanz- und Zolldepartement. Regeste

    Auskunfterteilung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vom 16. Okt.
1948 zwischen der Schweiz und Schweden (DBAS).

    1.  Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschwerdeentscheid
des Eidg. Finanz- und Zolldepartementes, wonach auf Grund des
Doppelbesteuerungsabkommens mit Schweden der zuständigen schwedischen
Behörde eine Auskunft zu erteilen ist (Erw. 1).

    2.  Die Auskunftspflicht der Schweiz gegenüber Schweden nach Art. 10
Abs. 2 DBAS (Erw. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Das Königliche Finanzministerium, Stockholm, ersuchte die
Eidg. Steuerverwaltung (EStV) am 11. Oktober 1966 gestützt auf das
Doppelbesteuerungsabkommen vom 16. Oktober 1948 zwischen der Schweiz
und Schweden (DBAS) um Auskunft über die Verwendung von Lizenzgebühren
und Provisionen, welche die in der Schweiz domizilierte Firma X. in den
Jahren 1959 bis 1964 von der schwedischen Firma Y. aus Schweden erhalten
habe. Es bestünden Anzeichen dafür, dass die schwedische Firma unter der
Bezeichnung Lizenzgebühren Gewinne steuerfrei von Schweden in die Schweiz
überwiesen habe. Ohne das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz hätten
die Lizenzgebühren an X. in Schweden der Einkommenssteuer unterlegen.
Möglicherweise liege ein Abkommensmissbrauch vor.

    B.-- Die EStV hat festgestellt, dass X. nach Vertrag 90% der von
Y. eingehenden Zahlungen an eine Firma mit Sitz in einem Drittstaat
weiterleiten musste, und dass X. dieser vertraglichen Verpflichtung in
den Jahren 1959 bis 1962 nachgekommen ist, während im Jahre 1963 nichts
mehr weitergeleitet wurde. Am 23. Juni 1967 eröffnete die EStV X., sie
beabsichtige das Ergebnis ihrer Abklärungen, ergänzt um Erwägungen zur
Anwendbarkeit des BRB vom 14. Dezember 1962 betreffend Massnahmen gegen
die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen
des Bundes, in drei Punkte zusammengefasst den schwedischen Behörden
mitzuteilen. Nachdem sich X. gegen eine Auskunfterteilung ausgesprochen
hatte, entschied die EStV am 1. April 1969 gestützt auf Art. 10 Abs. 2 DBAS
und unter Berufung auf Ziff. 5 des Paraphierungsprotokolls vom 2. November
1964, die beabsichtigte Auskunft zu erteilen. Dies bestätigte sie auf
Einsprache von X. am 15. Sept. 1969. Das Eidg. Finanz- und Zolldepartement
hat die gegen den Einspracheentscheid der EStV gerichtete Beschwerde von
X. am 28. Mai 1970 abgewiesen.

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt X.,
der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der EStV zu untersagen,
die in Aussicht genommenen Auskünfte dem schwedischen Finanzministerium
zu erteilen.

    Das Eidg. Finanz- und Zolldepartement beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand der Anfechtung ist ein Beschwerdeentscheid des Eidg.
Finanz- und Zolldepartements vom 28. Mai 1970. Die Zulässigkeit
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beurteilt sich somit nach Art. 97
ff. OG in der auf den 1. Oktober 1969 in Kraft gesetzten Fassung vom
20. Dezember 1968. Verfügungen der Departemente des Bundesrates sind
nach Art. 98 lit. b OG grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbar. Keine der in Art. 99 bis 102 OG aufgezählten Ausnahmen trifft
auf den vorliegenden Fall zu. Der angefochtene Entscheid ist insbesondere
keine Verfügung auf dem Gebiete der inneren oder äusseren Sicherheit
des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen
auswärtigen Angelegenheiten im Sinne von Art. 100 lit. a OG. Zwar lässt
sich dies nicht schon deshalb ausschliessen, weil hier Einzelinteressen
im Spiele sind. Art. 100 lit. a OG stellt aber einen eigentlichen
Vorbehalt zugunsten der politischen Gewalt dar. Regierungsakte wie andere
wesentlich politische Entscheide der Verwaltung auf diesem Gebiete sollen
der Prüfung durch das Verwaltungsgericht des Bundes entzogen bleiben
(vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau
der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde, BBl 1965 II 1306, Sten.Bull. NR
1967 S. 36). Die Verfügung des Eidg. Finanz- und Zolldepartements, welche
in Anwendung des schweizerisch-schwedischen Doppelbesteuerungsabkommens
ergangen ist, ist weder ein eigentlicher Regierungsakt noch sonst
wesentlich politischer Natur.

    Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach zulässig.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 10 Abs. 2 DBAS können sich die obersten
Verwaltungsbehörden der beiden Vertragsstaaten in Fällen von
Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des
Abkommens verständigen. In dieser Vorschrift erblicken die Vorinstanzen die
rechtliche Grundlage für die beabsichtigte Auskunfterteilung. Aus ihrem
Wortlaut allein ergibt sich aber nicht ohne weiteres, dass die Schweiz
im vorliegenden Falle zur Auskunft verpflichtet ist. Ob dies zutrifft,
ist auf dem Wege der Auslegung zu ermitteln.

    Unbestrittenermassen enthält Art. 10 Abs. 2 DBAS keine allgemeine
Amtshilfezusage der Schweiz an Schweden. Die Schweiz hat es immer
abgelehnt, sich in Doppelbesteuerungsabkommen allgemein zur Leistung
von Amtshilfe in Fiskalsachen zu verpflichten. Sie konnte dabei
auf den Zweck solcher Abkommen verweisen, der auf die Vermeidung
internationaler Doppelbesteuerung beschränkt ist. Anderseits setzt die
vertragsgemässe Anwendung des Abkommens gewisse Auskünfte voraus. Aus
dem Vertragsschluss selbst erwächst den Vertragsstaaten die Pflicht
zu loyaler Anwendung der Vertragsbestimmungen. Insbesondere sind sie
einander verpflichtet, Missbräuche des Abkommens zu verhindern und dafür
zu sorgen, dass die Abkommensvorteile nur jenen Personen zukommen, die
nach dem Vertragswillen darauf Anspruch haben. Jeder Vertragsstaat muss
sich aber überdies vergewissern können, dass das Abkommen nicht zu seinen
Lasten missbraucht wird. Die Frage nach dem Missbrauch des Abkommens ist
die Frage nach seiner vertragsgemässen, richtigen Anwendung. Stellt sie
sich, so können Schwierigkeiten oder Zweifel tatsächlicher oder rechtlicher
Natur den betroffenen Vertragsstaat daran hindern, zur richtigen Lösung
zu gelangen. In dieser Lage muss er vom andern Vertragsstaat Auskünfte
erhalten können. Der Sinn des Abkommens erweist, dass das in Art. 10 Abs. 2
DBAS vorgesehene Verständigungsverfahren auch diesem Zwecke dienen soll. Im
Rahmen des Verständigungsverfahrens nach Art. 10 Abs. 2 DBAS können die
obersten Verwaltungsbehörden der beiden Vertragsstaaten somit voneinander
auch die zur Verhinderung von Missbräuchen und zur richtigen Anwendung
des Abkommens notwendigen Auskünfte verlangen. Solche Auskünfte brauchen
sich ihrem Zweck entsprechend entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin
nicht auf die Darstellung von Rechtsauffassungen zu beschränken, sondern
können auch einen konkreten Sachverhalt betreffen. Diese Auslegung von
Art. 10 Abs. 2 DBAS entspricht der schweizerischen Auffassung zu allen
Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes (vgl. Botschaft des Bundesrates zum
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Schweden vom 13. Juli
1965, BBl 1965 II 703). Würde die Schweiz Auskünfte zur Vermeidung von
Abkommensmissbräuchen verweigern, so würde sie praktisch Missbräuche
schützen. Damit aber würde sie den sinnvollen Fortbestand der Abkommen
gefährden.

Erwägung 3

    3.- Lizenzgebühren aus Schweden an im Ausland wohnhafte Personen
unterliegen nach schwedischem Recht grundsätzlich der schwedischen
Einkommensteuer. Nach Art. 2 Abs. 1 des Schlussprotokolls zu Art. 2 DBAS
werden aber Lizenzgebühren nur im Wohnsitzstaate des Empfängers besteuert.
Lizenzgebühren, die von Schweden an einen Empfänger mit schweizerischem
Wohnsitz fliessen, unterliegen deshalb der schwedischen Einkommenssteuer
nicht. Nur diese staatsvertragliche Regelung verbietet somit den
schwedischen Behörden, Lizenzgebühren, welche Y. der Beschwerdeführerin
vergütet, in Schweden zu besteuern. Bevor sie die Beschwerdeführerin der
schwedischen Einkommenssteuer unterwerfen konnten, mussten sie deshalb
prüfen, ob nicht die im Abkommen vorgesehene Steuerentlastung zur Anwendung
komme. Damit stellte sich ihnen aber die Frage der richtigen Anwendung
des Abkommens, zu deren Lösung nach Art. 10 Abs. 2 DBAS die Schweiz durch
Auskünfte beizutragen hat. Die EStV ist deshalb grundsätzlich verpflichtet,
dem Auskunftsgesuch stattzugeben.