Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 72



96 I 72

13. Urteil vom 6. Februar 1970 i.S. Mäder gegen Eidg. Steuerverwaltung
Regeste

    Warenumsatzsteuer: Fall eines Graphikers, der steuerfrei bezogene
Negative für die Herstellung von Drucksachen verwendet und nachher
den Kunden zusammen mit diesen Erzeugnissen gegen Entgelt abgibt. Die
Verwendung der Negative in seinem Betrieb wird als Eigenverbrauch
besteuert.

Sachverhalt

    A.- Walter Mäder betreibt in Gümligen ein graphisches
Atelier. Seit dem 1. Januar 1955 ist er als Grossist im Register der
Warenumsatzsteuerpflichtigen eingetragen.

    Eine von der Eidg. Steuerverwaltung (EStV) im Jahre 1967 durchgeführte
Kontrolle ergab, dass er Strich- und Rasternegative gegen Abgabe der
Grossistenerklärung umsatzsteuerfrei bezogen, für die Herstellung von
Druckerzeugnissen verwendet und den Kunden zusammen mit diesen Produkten
ohne gesonderte Rechnungsstellung abgegeben hatte. Die EStV nahm an, er
habe die Negative im Eigenverbrauch verwendet, und forderte daher von ihm
für die Jahre 1962-1966 und das erste Halbjahr 1967 Warenumsatzsteuern
nach. Sie wies seine Einsprache am 23. Juli 1969 ab.

    B.- Walter Mäder erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die darin bestätigte
Steuerforderung unbegründet zu erklären. Es wird geltend gemacht,
der Beschwerdeführer habe die in Frage stehenden Negative nicht "anders
verwendet als zum Wiederverkauf oder als Werkstoff" (Art. 16 Abs. 1 WUStB);
Eigenverbrauch liege daher nicht vor.

    Die Negative seien jeweils für die Ausführung eines einzigen
Druckauftrages eigens angefertigt worden und schliesslich, "als Teil des
Endproduktes", ins Eigentum des Bestellers übergegangen. Sie seien daher
nicht als Werkzeuge, sondern als Werkstoffe zu betrachten.

    Auf jeden Fall müsse angenommen werden, dass der Beschwerdeführer sie
zum Wiederverkauf verwendet habe. Die EStV bestreite dies nur deshalb,
weil er den Kunden für die Negative nicht gesondert Rechnung gestellt
habe. Dieser Standpunkt sei unrichtig. Der Beschwerdeführer entrichte
die Warenumsatzsteuer auf dem ganzen Rechnungsbetrag, somit auch für die
Negative. Es sei belanglos, ob der Preis der Negative in den Rechnungen
ausgeschieden oder in einem Gesamtbetrag eingeschlossen werde. Der
Warenumsatzsteuerbeschluss schreibe die getrennte Rechnungsstellung
nicht vor, ebensowenig das Merkblatt Nr. 40 der EStV. Indem die EStV den
Grossisten, der für die "Wiederverkaufsware" gesondert Rechnung stellt,
besser behandle als denjenigen, der pauschal fakturiert, schaffe sie
eine durch nichts gerechtfertigte Ungleichheit und treibe überspitzten
Formalismus. Würde ihrer Auffassung gefolgt, so hätte der Beschwerdeführer
die Warenumsatzsteuer zweimal zu entrichten, im Widerspruch zum Prinzip
der Einphasensteuer.

    C.- Die EStV beantragt die Abweisung der Beschwerde, eventuell die
Rückweisung der Angelegenheit zur Ergänzung der Untersuchung und zu
neuem Entscheid.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 8 Abs. 1 lit. a WUStB ist steuerpflichtig,
wer als Grossist im Inland Waren liefert oder im Eigenverbrauch
verwendet. Eigenverbrauch liegt gemäss Art. 16 Abs. 1 WUStB u.a. dann vor,
wenn der Grossist Waren, die er steuerfrei bezogen hat (lit. a), "anders
verwendet als zum Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige
Herstellung von Waren". Der Beschwerdeführer ist Grossist. Er hat die
Strich- und Rasternegative, um die es sich handelt, steuerfrei bezogen
und im eigenen Betrieb zur gewerbsmässigen Herstellung von Drucksachen
verwendet. Das ist nicht bestritten. Der Streit geht darum, ob die
Negative zum Wiederverkauf, oder als Werkstoff, oder aber "anders"
verwendet worden sind.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 18 WUStB gelten als Werkstoffe die Rohstoffe und
Zwischenerzeugnisse, die in die hergestellten Waren übergehen oder bei der
Herstellung abfallen, ferner die Stoffe, welche für die Energieerzeugung
oder für ähnliche Zwecke bei der Herstellung aufgebraucht werden oder
dabei abfallen. Entsprechend dieser Umschreibung hat das Bundesgericht
die Werkstoffeigenschaft solchen Stoffen und Erzeugnissen zuerkannt,
die irgendwie im Endprodukt aufgehen oder bei dessen Herstellung abfallen
(BGE 71 I 186, 73 I 165 u.a.m.).

    Bezüglich der Klischeefabrikation und verwandter Produktionszweige
wurde in BGE 74 I 515 eine Unterscheidung eingeführt. Zunächst wurde
festgestellt, dass Vorlagen, Negative, Matern und dgl. nicht ins Endprodukt
übergehen, sondern selbständig gebraucht werden. Daraus schloss das
Bundesgericht, dass sie im allgemeinen nicht als Werkstoffe anzusehen
seien, besonders dann nicht, wenn sie mehrmals verwendet werden,
der Herstellung einer Mehrzahl von Abzügen, Klischees usw. dienen.
Eine Ausnahme wurde jedoch zugestanden für den Fall, dass ein Negativ
oder eines der anderen Hilfsprodukte zur Herstellung eines einzigen
oder einiger weniger Abzüge eigens angefertigt wird. Das Gericht führte
aus, dass solchenfalls das Hilfsprodukt schon selber "die Ware in einem
Vorstadium der Herstellung" sei, was sich darin zeige, dass das Vorprodukt
"unter Umständen" mit der Ware abgeliefert werde.

    Diese Unterscheidung, auf die der Beschwerdeführer sich beruft,
ist indessen kritisiert worden (K. AMONN, Der Eigenverbrauch in
der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Berner Diss. 1957, S. 52;
W. WELLAUER, Die eidgenössische Warenumsatzsteuer, S. 226 Nr. 372). Das
Bundesgericht ist darauf in BGE 94 I 72 ff. zur früheren Rechtsprechung
zurückgekehrt. Es hat in diesem Entscheid, der insbesondere die bei
der Herstellung künstlicher Gebisse verwendeten Gipsmodelle betrifft,
die Ausnahme für Vorlagen, die nur ein einziges Mal (oder nur einige
wenige Male) verwendbar sind, aufgegeben mit der Begründung, dass das
Modell auch bei nur einmaliger Verwendung nicht ins Endprodukt eingeht,
noch davon abfällt. An dieser Auffassung ist festzuhalten; sie entspricht
der gesetzlichen Ordnung.

    Während es in BGE 74 I 515 um die Negative ging, die der
Klischeefabrikant zur Herstellung von Klischees benötigt, handelt es
sich im vorliegenden Fall um Negative, die dem Drucker zur Fabrikation
von Drucksachen dienen. Es ist nicht dasselbe, aber ein ähnliches
Problem. Auch dazu gibt es Präjudizien. Schon in einem Entscheid
vom 26. Mai 1944 hat das Bundesgericht erklärt, dass die Klischees,
die der Drucker zur Illustration einer Zeitschrift verwendet, nicht
Werkstoffe sind, weil sie weder ins Druckerzeugnis eingehen, noch bei
dessen Herstellung abfallen (ASA Bd. 13 S. 137). Dasselbe wurde für eine
besondere Art von Negativen - Lithographiesteine und Zinkdruckplatten -
in einem Urteil vom 12. Juni 1952 ausgeführt (ASA Bd. 21 S. 153). Immer
wieder ist betont worden, dass die Werkstoffeigenschaft nicht aus der
Notwendigkeit eines Stoffes oder Gegenstandes für die Produktion folgt
(auch Werkzeuge und Maschinen sind dazu unentbehrlich), sondern daraus,
dass der Stoff oder Gegenstand in irgendeiner - wenn auch entfernten -
Weise als Bestandteil des Endproduktes oder als Abfall anzusehen ist
(BGE 71 I 453, 94 I 70). Weder das eine noch das andere trifft aber für
die Negative zu, die der Beschwerdeführer zur Herstellung von Drucksachen
benützt. Sie sind eindeutig Werkzeuge, nicht Werkstoffe.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich geltend, er verwende die
Negative zum Wiederverkauf, indem er sie mit der fertigen Drucksache dem
Besteller entgeltlich abgebe.

    Allerdings stellt er das Negativ, nachdem er es für die Herstellung
der Drucksache gebraucht hat, dem Besteller zur Verfügung, und es trifft
auch zu, dass er den Preis, den er für Beschaffung des Negativs hat
auslegen müssen, auf den Kunden überwälzt. Der Aufdruck auf der Rückseite
der den Kunden zugestellten Rechnungen - "Druckplatten und Filme sind
Eigentum des Bestellers und können von diesem zurückverlangt werden" -
bestätigt das. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer
den Preis der Negative in der Rechnung für den Kunden besonders aussetzt,
oder ob er ihn in den Preis des Druckerzeugnisses einbezieht. Es ist auch
glaubhaft, dass er bei jeder Anschaffung von Negativen deren Wiederverkauf
an den Kunden in Aussicht nimmt. Allein das reicht zur Befreiung von
der Eigenverbrauchssteuer nicht aus. Denn nach Art. 16 WUStB sind von
dieser Steuer nicht schlechthin alle Waren ausgenommen, die der Grossist
weiterverkauft, sondern nur solche Waren, die er nicht "anders verwendet
als zum Wiederverkauf oder als Werkstoff". Waren, die er anders verwendet,
sind Gegenstand eines steuerbaren Eigenverbrauchs. So verhält es sich
hier. Die Negative, die der Beschwerdeführer anfertigen lässt, dienen
zuallererst ihm selber als Werkzeuge zur Herstellung von Drucksachen im
eigenen Betrieb, und erst, nachdem sie diesem Zweck dienstbar gemacht
worden sind, verkauft er sie als nicht mehr benötigte Hilfsprodukte dem
Kunden. Die Verwendung der Negative als Werkzeuge im eigenen Betrieb des
Beschwerdeführers ist der primäre, der Verkauf der nicht mehr benötigten
Negative an den Kunden ein akzessorischer Geschäftsvorgang. Der zeitlich
und sachlich primäre Vorgang begründet die Steuerpflicht für Eigenverbrauch
(BGE 78 I 438; WELLAUER S. 348 Nr. 664; AMONN S. 27). Die unter diesem
Titel nachgeforderte - dem Betrage nach nicht bestrittene - Steuer ist
daher geschuldet.

    Die Frage, ob die EStV dem Umstand, dass der Beschwerdeführer für den
Wiederverkauf der Negative jeweils nicht gesondert Rechnung gestellt hat,
nicht zu grosse Bedeutung beigelegt habe, braucht unter diesen Umständen
nicht untersucht zu werden. Auch der Text der Merkblätter braucht nicht
erörtert zu werden.

Erwägung 4

    4.- Mit der Abweisung der Beschwerde wird nicht gegen das dem
Warenumsatzsteuerbeschluss zugrunde liegende Einphasenprinzip (BGE 73 I
164, 74 I 511) verstossen. Weil die Negative, wie dargelegt wurde, nicht in
die Druckerzeugnisse übergehen, stellen sie und die fertigen Drucksachen
verschiedene Objekte dar, die beide als Endprodukte zu betrachten und
selbständiger Besteuerung fähig sind (darüber WELLAUER S. 207 Nr. 322).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.