Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 53



96 I 53

9. Urteil vom 11. Februar 1970 i.S. Y. gegen Zürich, Kanton und
Verwaltungsgericht. Regeste

    Erbschaftssteuer für Adoptivkinder. Art. 4 BV und 2 Üb.-Best.  BV.

    Abstufung der Erbschaftssteuer nach dem Verwandtschaftsgrad. Behandlung
der Adoptivkinder. Ein kantonales Gesetz, das für Adoptivkinder einen
viermal höheren Steuersatz als für leibliche Kinder vorsieht und bei
ihnen einen wesentlich kleineren Betrag steuerfrei lässt, verstösst
weder gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit noch gegen denjenigen der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts.

Sachverhalt

    A.- Nach dem Zürcher Gesetz vom 26. April 1936 über die Erbschafts-
und Schenkungssteuer (ESchG) unterliegen Vermögensanfälle von Todes wegen
der Erbschaftssteuer. Bei Nachkommen und Eltern des Erblassers ist ein
Vermögensanfall von je Fr. 20'000.-- steuerfrei, bei Nachkommen, die das
18. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben oder die dauernd pflege-
und verwahrungsbedürftig sind, Fr. 10'000.-- mehr; bei Geschwistern,
Adoptivkindern, Verlobten, Patenkindern und Grosseltern sind nur je Fr.
3000.-- steuerfrei (§ 8 lit. a und b). Der Steuersatz ist nach der Höhe des
Vermögensanfalls sowie nach dem Verwandschaftsgrad abgestuft. Die einfache
Steuer beträgt je nach dem Vermögensanfall 2 bis 6% (§ 10). Kinder, Enkel
und Urenkel zahlen den einfachen, Eltern und Grosseltern den doppelten,
Geschwister den dreifachen, Adoptivkinder und- enkel den vierfachen,
Stiefkinder, Onkel, Tante, Nachkommen von Geschwistern, Adoptiv- und
Stiefeltern den fünffachen und die übrigen erbberechtigten Personen sowie
Nichtverwandte den sechsfachen Betrag der sich aus § 10 ergebenden Steuer
(§ 11 lit. a-f).

    B.- Die Ehegatten X. in Zürich haben im Jahre 1941 die heutige
Beschwerdeführerin adoptiert, die 1933 geboren ist und sich mit Y.
verheiratet hat. Die 1958 verstorbene Frau X. hat den Ehemann als Vorerben
und die Adoptivtochter als Nacherbin eingesetzt. Herr X. starb 1967 und
hinterliess die Adoptivtochter als einzige Erbin.

    Die Finanzdirektion des Kantons Zürich auferlegte der
Beschwerdeführerin, unter Berücksichtigung eines besteuerten Vorempfangs
von Fr. 33'000.-- und eines steuerfreien Betrages von Fr. 3000.-- (§
8 lit. b ESchG), für den Anfall der Nacherbschaft von Fr. 135'000.--
und der Erbschaft von Fr. 192'800.-- Erbschaftssteuern von Fr. 22'800.--
und Fr. 41'472.-- (§ 10 und 11 lit. d ESchG).

    Hiegegen rekurrierte die Beschwerdeführerin an das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich mit dem Antrag, die Erbschaftssteuern entsprechend
dem für leibliche Kinder geltenden Satz auf Fr. 4750.-- und Fr. 10'148.--
herabzusetzen. Das Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 29. April 1969
ab mit der Begründung, dass die Veranlagung gesetzmässig sei und die vom
kantonalen Gesetzgeber angeordnete stärkere Belastung der Adoptivkinder
im Verhältnis zu den leiblichen Kindern weder gegen den Grundsatz der
Rechtsgleichheit (Art. 4 BV) noch gegen denjenigen der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.-Best. der BV) verstosse.

    C.- Gegen diesen Rekursentscheid hat Frau Y.  staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. Als Beschwerdegründe macht sie Verletzungen der Art. 4
BV und 2 Üb.-Best. der BV geltend. Die Begründung dieser Rügen ergibt sich,
soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen.

    D.- Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich
beantragen Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Die streitigen Erbschaftssteuern sind unbestrittenermassen
gesetzmässig, denn sie entsprechen den in §§ 8 lit. b, 10 und 11 lit. d
ESchG enthaltenen Bestimmungen. Die Beschwerdeführerin macht indessen
geltend, dass das ESchG insoweit gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit
und denjenigen der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstosse,
als es für Adoptivkinder einen kleineren steuerfreien Betrag und viermal
höhere Steuersätze vorsehe als für leibliche Kinder.

    Das Bundesgericht hatte sich schon wiederholt mit der Frage zu
befassen, ob es dem kantonalen Gesetzgeber gestattet sei, Adoptivkinder
inbezug auf die Erbschaftssteuer schlechter zu behandeln als leibliche
Kinder. In einem Urteil vom 18. Dezember 1931 (ZBl 33/1932 S. 314
ff.) stand die damalige Ordnung des Kantons Glarus in Frage und war zu
entscheiden, ob es mit Art. 4 BV vereinbar sei, bei einem Adoptivsohn,
der zugleich Neffe der Erblasserin war, den für Neffen geltenden Satz
von 5% und nicht den Satz von 1% für leibliche Kinder anzuwenden. Das
Bundesgericht hat die Frage bejaht. In BGE 87 I 168 E. 4 a wurde
beiläufig festgestellt, dass die Regelung des Kantons Basel-Landschaft,
wonach die Erbschaftssteuer für ein aussereheliches Kind dann, wenn es
adoptiert wurde, 4%, wenn es dagegen mit Standesfolge anerkannt worden
sei, wie für ein leibliches Kind 1% betrage, aus dem Gesichtswinkel des
Art. 4 BV nicht zu beanstanden sei. In einem Urteil vom 17. Oktober
1962 (ASA 32 S. 116 ff.) hat das Bundesgericht schliesslich inbezug
auf das Luzerner Recht unter Hinweis auf die beiden erwähnten Urteile
mit eingehender Begründung entschieden, dass es weder gegen Art. 4 BV
noch gegen die Eigentumsgarantie noch gegen das Bundesrecht verstosse,
von einem Adoptivkind eine Erbschaftssteuer von 18% zu verlangen, wenn
für leibliche Kinder ein Satz von 2% gilt.

    Obwohl sich die Beschwerdeführerin mit dieser Rechtsprechung des
Bundesgerichts, auf die sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen
Entscheid berufen hat, nicht auseinandersetzt, rechtfertigt es sich,
die Beschwerde nicht einfach unter Hinweis auf die früheren Urteile
abzuweisen, sondern die beiden von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen
näher zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 4 BV) richtet sich,
wie das Bundesgericht stets angenommen hat, auch an den Gesetzgeber. Diesem
steht jedoch ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Der Verfassungsrichter
hat diese Befugnis zu achten. Er darf nicht sein Ermessen an die Stelle
desjenigen des kantonalen Gesetzgebers setzen und nicht schon einschreiten,
wenn die erlassene Ordnung unbillig ist oder auf gesetzgebungspolitischen
Erwägungen beruht, welche er für unzutreffend erachtet, sondern nur dann,
wenn die kantonale Ordnung sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe
stützen lässt oder Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund
in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist
(BGE 95 I 134 E. 5 mit Hinweis auf frühere Urteile).

    a) In den drei erwähnten Urteilen ist das Bundesgericht davon
ausgegangen, dass es nicht gegen Art. 4 BV verstosse, die Erbschaftssteuer
nach dem Verwandschaftsgrad abzustufen. Diese Abstufung, die allen
kantonalen Erbschaftssteuergesetzen gemeinsam ist, erscheint als sachlich
begründet und wird denn auch von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

    b) Die Behandlung der Adoptivkinder hat in den kantonalen
Erbschaftssteuergesetzen die verschiedensten Lösungen gefunden. Soweit
ersichtlich, stellen nur die Kantone Nidwalden, Solothurn, Basel-Stadt,
Schaffhausen und Tessin die Adoptivkinder den leiblichen Kindern
ausdrücklich gleich. Der Kanton Genf sieht die Gleichstellung vor für den
Fall, dass die Adoption vor Vollendung des 22. Lebensjahres des Adoptierten
erfolgt ist, während sonst ein Steuersatz von 20-26% gilt (vgl. Art. 17
Abs. 7 der Loi sur les droits de succession du 26 novembre 1960). In den
übrigen Kantonen, deren Gesetze die Adoptivkinder ausdrücklich erwähnen,
haben diese das zwei- bis vierfache der für leibliche Kinder geltenden
Erbschaftssteuer zu entrichten, oder es werden die leiblichen Kinder von
der Erbschaftssteuer befreit und nur die Adoptivkinder mit einer solchen
belastet (vgl. Steuern der Schweiz, III. Teil A 1-25).

    c) In Erw. 4 a des Urteils vom 17. Oktober 1962 hat das Bundesgericht
unter Hinweis auf die erwähnten früheren Urteile ausgeführt, dass
keine dieser Lösungen gegen Art. 4 BV verstosse, da die Adoption als
nur rechtliches, nicht auch natürliches Verwandschaftsverhältnis eine
Sonderstellung einnehme, die eine verschiedene Behandlung inbezug auf
die Erbschaftssteuer als sachlich gerechtfertigt erscheinen lasse. Die
Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was zu einer Änderung dieser
Rechtsprechung Anlass geben könnte. Sie macht im wesentlichen geltend,
nach dem ZGB stelle die Adoption eine so weitgehende Nachbildung des
ehelichen Eltern- und Kindesverhältnisses dar, dass eine unterschiedliche
Behandlung der leiblichen und der adoptierten Kinder gegen den
Grundsatz der Rechtsgleichheit verstosse. Entgegen der Darstellung
der Beschwerdeführerin hat der Bundeszivilgesetzgeber indessen das
Adoptionsverhältnis dem ehelichen Eltern- und Kindesverhältnis keineswegs
in allen wesentlichen Beziehungen gleichgestellt. Abweichungen bestehen
nicht nur, was die verwandtschaftlichen Beziehungen, das Bürgerrecht
und das Erbrecht betrifft, sondern auch wegen der Möglichkeit der
Auflösung der Adoption (Art. 269 ZGB). Die in Angriff genommene
Revision des Adoptionsrechts scheint freilich in der Richtung einer
stärkeren Angleichung des Adoptionsverhältnisses an das eheliche
Eltern- und Kindesverhältnis zu gehen (vgl. HEGNAUER, Die Revision des
Adoptionsrechts, SJZ 65/1969 S. 85 ff.). Hieraus lässt sich jedoch für das
geltende Recht nichts ableiten. Solange der Bundesgesetzgeber leibliche und
adoptierte Kinder nicht völlig gleich, sondern in wesentlichen Beziehungen
verschieden behandelt, kann dem kantonalen Gesetzgeber nicht Verletzung
des Gebots der rechtsgleichen Behandlung vorgeworfen werden, wenn er sie
im Erbschaftssteuerrecht nicht gleich stellt.

    In dem vom Bundesgericht am 17. Oktober 1962 beurteilten Falle machte
die Belastung des Adoptivkindes das Neunfache derjenigen des leiblichen
Kindes aus. Nach der von der Beschwerdeführerin angefochtenen Zürcher
Ordnung ist der Unterschied, sowohl was den Steuersatz als auch was den
steuerfreien Betrag betrifft, geringer. Das Verhältnis 4:l, in dem die
Steuersätze zueinander stehen, entspricht demjenigen einer Reihe anderer
Kantone, kann nicht als unvernünftig bezeichnet werden und verstösst
daher nicht gegen Art. 4 BV. Der Umstand, dass der Regierungsrat des
Kantons Zürich dem Kantonsrat kürzlich vorgeschlagen hat, im Zuge einer
Revision des StG und des ESchG den Steuersatz für Adoptivkinder auf das
Doppelte (statt bisher das Vierfache) des für leibliche Kinder geltenden
Satzes herabzusetzen und adoptierte und leibliche Kinder inbezug auf den
steuerfreien Betrag gleich zu behandeln (Botschaft vom 6. November 1969
S. 130/33), zeigt nur, dass die bisherige Ordnung als unbillig empfunden
wird, lässt sie aber noch nicht als mit Art. 4 BV unvereinbar erscheinen.

Erwägung 4

    4.- Aufgrund der vorstehenden Ausführungen zur Frage der rechtsgleichen
Behandlung erweist sich auch die Berufung der Beschwerdeführerin auf den
Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts als unbegründet. Wie
das Verwaltungsgericht mit Recht ausführt, kann nicht gesagt werden,
dass die angefochtene Besteuerung die Anwendung der Adoption als einer
Einrichtung des Bundesrechts verunmögliche oder übermässig erschwere. Wer
ein Kind adoptieren möchte, wird davon nicht deshalb absehen, weil sein
Nachlass später einmal mit einer verhältnismässig hohen Erbschaftssteuer
belastet wird, und für den Anzunehmenden dürfte die Höhe der späteren
Besteuerung einer Erbschaft, die ohne die Adoption entweder ihm
überhaupt nicht zufiele oder aber, bei testamentarischer Zuwendung,
mit dem noch höheren Satz für Nichtverwandte belastet würde, nicht
von Bedeutung sein. Was die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang
vorbringt, ist unbehelflich. Zu Unrecht beruft sie sich auf einige
Urteile des Bundesgerichts, mit denen gewisse kantonale Steuern als
verfassungswidrig erklärt wurden. Die dort beurteilten Tatbestände lassen
sich mit dem vorliegenden nicht vergleichen. In BGE 73 I 376 ff. stand
eine als "Taxe" bezeichnete Steuer in Frage, die für die Eröffnung
eines Testaments erhoben wurde und zur ordentlichen Erbschaftssteuer
hinzutrat, obwohl die gesetzliche Erbfolge durch das Testament nicht
abgeändert worden war. In BGE 84 I 134 ff. wurde die ganz andere Frage,
ob eine Handänderungssteuer mit dem Bundesrecht vereinbar sei, offen
gelassen (E. 3) und die Beschwerde wegen widersprüchlichen Verhaltens
der Behörden aufgrund von Art. 4 BV gutgeheissen. Auch aus den weiteren,
in der Beschwerde erwähnten Urteilen lässt sich nichts zugunsten des
Standpunktes der Beschwerdeführerin ableiten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.