Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 282



96 I 282

47. Urteil vom 9. Juni 1970 i.S. Kanton Zürich gegen Gebr. Abegg. Regeste

    Feststellung der bestrittenen Rechte aus einer Sondernutzungskonzession
(Art. 69 Abs. 2 EntG).

    Kantonale Konzession, die den Inhaber eines Textilveredlungsbetriebes
zeitlich unbeschränkt zur unentgeltlichen Benutzung des Wassers eines
Baches als Brauchwasser berechtigt und als selbständiges und dauerndes
Recht im Grundbuch eingetragen ist. Auslegung der Konzession nach Treu
und Glauben (Erw. 4). Bedeutung der in der Konzession enthaltenen Klausel,
nach der sich die Konzessionsbehörde vorbehält, die Konzession jederzeit
aufzuheben, wenn das öffentliche Interesse es erfordert (Erw. 5 a,
b). Eine die bestimmungsgemässe Verwendung des Wassers beeinträchtigende
Verschmutzung infolge der Bauarbeiten für die Nationalstrasse bildet
einen Enteignungstatbestand, der den Kanton zur Entschädigung verpflichtet
(Erw. 5 c).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Die Kollektivgesellschaft Gebr. Abegg betreibt in Horgen eine
Fabrik zum Bleichen, Färben und Appretieren von Textilien, die seit dem
Jahre 1815 besteht. In diesem Betrieb wurde von Anfang an das Wasser des
Horgener Dorfbachs, eines öffentlichen Gewässers des Kantons Zürich, zur
Gewinnung von Wasserkraft und "zum Waschen" benutzt. Die Wasserkraftanlage
wurde ursprünglich mit zwei Wasserrädern betrieben, von denen eines
"ehehaft" (= wasserzinsfrei) war, während für das andere schon unter der
Herrschaft des zürch. Wasserrechtsgesetzes von 1836 ein Wasserzins verlangt
wurde. Über die Brauchwasserbenützung fehlen Angaben aus früherer Zeit,
insbesondere auch jeder Anhaltspunkt, dass dafür je eine Abgabe erhoben
worden wäre.

    Nach dem Inkrafttreten des zürch. Wasserbaugesetzes vom 15. Dezember
1901 (WBG) wurde am bisherigen Zustand während über 10 Jahren weder
tatsächlich noch rechtlich etwas geändert.

    Im Jahre 1915 baute der damalige Betriebsinhaber die Wasserkraftanlage
um, indem er die zwei bisherigen Wasserräder durch eine Turbine
ersetzte. Auf das in der Folge eingereichte Gesuch hin verlieh ihm der
Regierungsrat des Kantons Zürich durch Beschluss vom 26. Juli 1917 ohne
zeitliche Beschränkung einerseits das Recht, mit dem Wasser des Dorfbachs
die Turbine zu betreiben, und anderseits das Recht, das gesamte nutzbare
Wasser des Dorfbachs auch fernerhin zum Waschen usw. zu verwenden. Eine
Gebühr für die Brauchwassernutzung wurde nicht festgesetzt. Dagegen
war für die Kraftgewinnung ein Wasserzins von Fr. 36.- jährlich zu
entrichten. Ferner wurde der Konzessionär verpflichtet, die Verleihung
ins Grundbuch eintragen zu lassen.

    Mit Beschlüssen vom 8. Juli 1943 ersetzte der Regierungsrat diese
Verleihung durch zwei getrennte Konzessionen. Mit der einen (RRB Nr. 1867)
verlieh er den Gebr. Abegg das Recht zur Verwendung des Wassers des
Dorfbachs zum Betrieb einer Turbine, mit der andern (RRB Nr. 1868)
das Recht, das gesamte Wasser der Wasserkraftanlage in Waschtröge,
Bleichmaschinen, Kondensatoren usw. zu leiten, es für die Textilveredlung
zu verwenden und das Abwasser in für das öffentliche Gewässer unschädlichem
Zustand in den Ablauf der Wasserkraftanlage abzuleiten. Für diese zweite
Verleihung sollten nach Ziff. I a die "beigelegten allgemeinen Bedingungen
für Wasserrechte" gelten, ferner nach Ziff. I b besondere Bedingungen,
von denen Ziff. 3 lautet:

    "Der Regierungsrat behält sich vor, diese Bewilligung jederzeit
aufzuheben, sofern das öffentliche Interesse es erfordert, insbesondere
dann, wenn der Reinigungsgrad des Abwassers den Anforderungen nicht
entspricht."

    Weiter wurde in dieser zweiten Verleihung den Beliehenen eine jährliche
Benutzungsgebühr von Fr. 330.-- auferlegt (Ziff. II) und bestimmt, dass
die Verleihung "von Amtes wegen als selbständiges und dauerndes Recht
ins Grundbuch einzutragen" sei (Ziff. III).

    Da diese Verleihung für die Konzessionäre eine Verschlechterung
ihrer bisherigen Rechtslage bedeutete, reichten sie am 10. August 1943
ein Wiedererwägungsgesuch ein, mit dem sie geltend machten, dass ihnen
ein uneingeschränktes ehehaftes Recht auf die Wasserbenutzung zustehe,
und den Regierungsrat ersuchten, die Konzession aufzuheben, eventuell
von der Erhebung einer Benutzungsgebühr abzusehen. Der Regierungsrat
wies das Hauptbegehren am 7. September 1944 ab, verzichtete aber auf die
Benutzungsabgabe, dies mit der Begründung, es sei bei der Neuabfassung der
Konzession übersehen worden, dass das Recht zur Benützung des gesamten
Bachwassers als Brauchwasser im Jahre 1917 zeitlich unbeschränkt und
unentgeltlich verliehen worden war.

    B.- Beim Bau der Nationalstrasse N 3 wurden im Einzugsgebiet des
Horgener Dorfbachs umfangreiche Erdbewegungen notwendig. Der in den
Dorfbach fliessende Mühlebach, der von der N 3 überquert wird, musste
in einen aus Kunstbauten bestehenden Durchlass verlegt werden und wurde
überdies in einem ausgedehnten Bereich als Vorfluter für Oberflächen-
und Grundwasser-Entwässerung eingesetzt. Im Anpassungsbereich herrschen
ungünstige Bodenverhältnisse. Alles zusammen bewirkte, dass namentlich bei
Regenfällen und Schneeschmelzen das Bachwasser durch Abraum und andere
Stoffe verschmutzt und deswegen für die gewerbliche Benutzung durch die
Gebr. Abegg zeitweilig unbrauchbar wurde. Diese erstellten daher eine
eigene Anlage zur Reinigung und Enthärtung des Bachwassers und mussten
überdies von der Wasserversorgung Horgen Ersatzwasser beziehen.

    Die Gebr. Abegg verlangten vom Kanton Zürich Ersatz des erlittenen
Schadens und wandten sich an die Eidg. Schätzungskommission des Kreises
VI (ESchK) mit dem Begehren, der Kanton Zürich sei - unter Vorbehalt
des Nachklagerechts - zu verpflichten, ihnen Fr. 257 000.-- nebst
Verzugszins seit 1. Mai 1966 zu bezahlen. Nachdem der Schriftenwechsel
durchgeführt worden war und der Präsident der ESchK die nachträgliche
Forderungseingabe in Anwendung von Art. 41 EntG als zulässig erklärt hatte,
schlossen die Parteien am 21. Januar 1969 einen Teilvergleich ab. Darin
übertrugen sie den Entscheid über den Bestand der von der Klägerin als
Konzessionsinhaberin behaupteten nachbarrechtlichen Ansprüche gemäss
Art. 69 Abs. 2 EntG der ESchK und einigten sich für den Fall, dass die
Entschädigungspflicht der Beklagten letztinstanzlich bejaht werden sollte,
auf eine Entschädigungssumme von Fr. 200 000.-- unter allen Titeln
(Wert per Datum des Vergleichsabschlusses).

    Mit Entscheid vom 4./9. Juni 1969 erkannte die ESchK, der Beklagte habe
die Klägerin mit Fr. 200 000.--, Wert per Datum des Vergleichsabschlusses,
zu entschädigen.

    C.- Der Kanton Zürich hat den Entscheid der ESchK an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag, die Entschädigungsforderung der Klägerin
sei abzuweisen.

    D.- Die Kollektivgesellschaft Gebr. Abegg beantragt die Abweisung
des Weiterzuges und die Bestätigung des Urteils der ESchK.

    E.- Auf Ersuchen des Bundesgerichtes hat der Kanton Zürich die Akten
ergänzt, indem er am 4. Juni 1970 weitere, die fragliche Konzession
betreffende Aktenstücke einreichte, die bei der vorstehenden Darstellung
des Sachverhaltes berücksichtigt wurden und auch für die rechtliche
Beurteilung in Betracht fallen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Parteien haben sich schon vor der ESchK über die Höhe der
gegebenenfalls zu leistenden Entschädigung geeinigt. Streitig und im
vorliegenden Weiterzugsverfahren zu beurteilen ist einzig, ob der Beklagte
entschädigungspflichtig ist. Dabei geht es um eine reine Rechtsfrage, die
vom Bundesgericht ohne Beizug von Experten zu beurteilen ist. In solchen
Fällen wird nach der Praxis von der Zustellung eines Urteilsentwurfes des
Instruktionsrichters nach Art. 84 EntG abgesehen und die Sache unmittelbar
durch das Bundesgericht entschieden (BGE 82 I 56 E. 2, 88 I 194 E. 1).

Erwägung 2

    2.- Mit dem angefochtenen Entscheid hat die ESchK zunächst
festgestellt, dass die Klägerin ein wohlerworbenes, unter dem
Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht besitzt, das Wasser des
Horgener Dorfbaches als Brauchwasser in ihrem Textilveredlungsbetrieb
zu benutzen. Sodann hat sie entschieden, dass der Kanton Zürich
verpflichtet ist, die Klägerin zu entschädigen für die Beeinträchtigung
der Wasserqualität, die infolge der Veränderung am Oberlauf des Baches
eingetreten ist. Zur Beurteilung der ersten Frage war die ESchK nur
zuständig, weil ihr die Parteien den Entscheid hierüber im Sinne von Art.
69 Abs. 2 EntG übertragen haben. Das hat nach dieser Bestimmung zur Folge,
dass auch der Entscheid über diese Frage beim Bundesgericht anfechtbar ist.
Er bildet im vorliegenden Rechtsstreit sogar die Hauptsache, weil der
Schaden und der Kausalzusammenhang zwischen ihm und den Bauarbeiten des
Kantons nicht bestritten sind und die Parteien die Höhe der Entschädigung
für den Fall, dass der Kanton ersatzpflichtig sein sollte, durch den
Teilvergleich vom 21. Januar 1969 festgelegt haben.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin machte vor der ESchK zur Begründung ihres
Entschädigungsanspruchs geltend, sie besitze ein 150 Jahre altes,
wohlerworbenes Recht auf Wasserbenutzung, und dieses Recht habe der Kanton
Zürich verletzt. Der Beklagte bestreitet das Bestehen eines wohlerworbenen
Rechts und beruft sich dafür auf den Inhalt der Konzession vom 8. Juli
1943, welche diejenige vom 26. Juli 1917 ersetzte.

    Als diese frühere Konzession erteilt wurde, hatten die Rechtsvorgänger
der Klägerin das Wasser des Horgener Dorfbaches schon etwa 100 Jahre lang
für ihren Textilveredlungsbetrieb als Brauchwasser verwendet, und zwar,
wie nicht streitig ist, ohne dafür eine Abgabe zu bezahlen. Der Umstand,
das die Konzession von 1917 zeitlich unbeschränkt und dass danach keine
Benutzungsgebühr zu entrichten war, spricht dafür, dass die bisherige
Wassernutzung aufgrund eines Rechts erfolgte. Was für ein Recht dies war,
ist allerdings nicht abgeklärt. Nach der Weiterziehungsbegründung ist es
möglich, dass es sich um eine privatrechtliche Dienstbarkeit (nach altem
kantonalen Recht) handelte; auch ein sog. ehehaftes Recht erscheint nicht
als ausgeschlossen. Wie es sich damit verhielt, kann jedoch dahingestellt
bleiben. Seit der Verleihung von 1917, die unangefochten blieb, bildete
diese die Rechtsgrundlage der Wasserbenutzung und ersetzte, wie im RRB
vom 7. September 1944 zutreffend ausgeführt ist, ein bisher allfällig
bestehendes ehehaftes (oder anderes) Recht. An die Stelle der Verleihung
von 1917 ist dann diejenige von 1943 getreten, die ebensowenig mit
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten wurde. Seither bestimmte sich
die Rechtslage der Klägerin, was die Benützung des Dorfbachwassers als
Brauchwasser betrifft, nach der zweiten Konzession von 1943. Von ihr ist
auch bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites auszugehen.

Erwägung 4

    4.- Die Konzession von 1943 sichert, wie der Kanton Zürich mit
Recht geltend macht, der Klägerin weder ein minimales Wasserquantum
noch eine minimale Wasserqualität zu. Es wird ihr einfach gestattet,
dasselbe Wasser aus dem Dorfbach, mit dem sie Strom erzeugen darf, auch
noch als Brauchwasser für die Bedürfnisse ihres Textilveredlungsbetriebes
zu verwenden. Diese Bewilligung erstreckt sich, wie aus Erw. 3 des RRB
vom 7. September 1944 hervorgeht, auf das gesamte Bachwasser. Inbezug
auf die Qualität enthält die Konzession zwar eine Vorschrift, aber
ausschliesslich zulasten der Klägerin: die nach der doppelten Benutzung
abgeleiteten Abwässer dürfen "keine schädigenden Einwirkungen ausüben
und insbesondere den Fischbestand der Gewässer, in die sie gelangen,
nicht gefährden" (Ziff. I b 2). Mit der Feststellung, dass die Konzession
keine ausdrückliche Gewähr für die Qualität des der Klägerin zufliessenden
Wassers enthält, ist jedoch noch nicht gesagt, dass keine solche Gewähr
besteht, und noch weniger, dass der Kanton berechtigt ist, die Qualität
des Wassers durch eigene Vorkehren zu verschlechtern oder sie durch Dritte
verschlechtern zu lassen. Vielmehr ist zu prüfen, ob sich eine Gewähr
für die Qualität des Wassers oder doch ein Verbot der Verschlechterung
derselben aus dem übrigen Inhalt der Konzession ableiten lässt. Zu diesem
Zweck ist die Konzession auszulegen. Dabei fällt neben dem Inhalt des RRB
vom 8. Juli 1943 und des ihn ergänzenden RRB vom 7. September 1944 auch
die Konzession vom 26. Juli 1917 in Betracht, denn bei der Erteilung der
Konzession von 1943 ging es, wie im RRB vom 7. September 1944 ausgeführt
wird, im wesentlichen nur um die Bereinigung oder Neufassung derjenigen
von 1917.

    Wiewohl das Bundesgericht nach bisheriger Rechtsprechung die Konzession
als einseitigen staatlichen Hoheitsakt versteht (BGE 65 I 313), schliesst
es nicht aus, dass ihr Inhalt, soweit er nicht durch zwingende Regeln des
öffentlichen Rechts vorausbestimmt ist, durch Vereinbarung zwischen dem
Konzedenten und dem Konzessionär festgelegt wird (BGE 80 I 246). Insofern
ist die Konzession "einem durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnis
vergleichbar" (BGE 57 I 334/35).

    Dass ein Rechtssatz des Zürcher Rechts bei Brauchwasserkonzessionen die
Gewähr einer bestimmten Wasserqualität ausschliesse oder aber eine solche
Gewähr vorschreibe, wird von keiner Seite behauptet. Es wäre daher zulässig
gewesen, in die der Klägerin erteilten Konzessionen eine Bestimmung über
die Qualität des Wassers aufzunehmen. Da dies nicht geschehen ist, weist
die Konzession eine Lücke auf, die vom Richter auszufüllen ist. Dabei
fragt sich, wie das Problem der Wasserqualität bei der Verleihung von 1943
geordnet worden wäre, wenn es sich schon damals gestellt hätte, d.h. welche
Ordnung richtigen administrativen Gesichtspunkten und den Regeln von Treu
und Glauben gemäss ist, im Rahmen des ganzen Konzessionsinhaltes einer
angemessenen Interessenabwägung gerecht wird und insofern dem mutmasslichen
Parteiwillen entspricht (BGE 61 I 77 E. 4, 78 I 389, 93 I 231 und 511/12;
IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Nr. 332 VIII).

    Für die Auslegung der Konzession von 1943 fallen die "Allgemeinen
Bedingungen für auf Zusehen hin bewilligte Wasserbenützungsanlagen" vom 4.
März 1948, auf die der Beklagte verweist und die offenbar auch der von
ihm angerufenen Auffassung von KURT SINTZEL (Die Sondernutzungsrechte an
öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch im Kanton Zürich, Diss. 1962 S. 151)
zugrunde liegen, schon deshalb ausser Betracht, weil die in der Konzession
von 1943 als anwendbar erklärten "Allgemeinen Konzessionsbedingungen
für Wasserrechte" mit den erst 5 Jahre später erlassenen nicht identisch
sind und im Gegensatz zu diesen keinen Ausschluss jeglicher Gewähr für die
Qualität des benützten Wassers enthalten. Davon abgesehen handelt es sich,
wie nachher zu zeigen sein wird, bei der Konzession von 1943 nicht um eine
"auf Zusehen hin" erteilte Bewilligung, sondern um die Einräumung eines
Rechts, das zeitlich unbegrenzt ist und vom Regierungsrat nur unter einer
bestimmten Voraussetzung wieder aufgehoben werden kann.

    Dass das Recht zur Wasserbenutzung für die Bedürfnisse des
Textilveredlungsbetriebs der Klägerin in der Konzession von 1943 wie schon
in derjenigen von 1917 zeitlich unbeschränkt und unentgeltlich verliehen
wurde, dürfte seinen Grund darin haben, dass die Rechtsvorgänger der
Klägerin das Wasser schon seit 1815 unentgeltlich zu diesem Zwecke
benutzt hatten und manches dafür sprach, dass sie dies aufgrund
einer privatrechtlichen Dienstbarkeit oder eines ehehaften Rechtes
getan hatten. Wie dem auch sei, darfaus der Erteilung der Bewilligung
geschlossen werden, dass der Regierungsrat die Fortführung eines sehr
alten und auf die Benutzung des Wassers angewiesenen Industriebetriebes
erleichtern wollte. Anderseits verbietet sich nach der ganzen Sachlage und
insbesondere angesichts der Unentgeltlichkeit der gestatteten Benutzung
die Annahme, dass der Regierungsrat mit der Erteilung der Konzession
zulasten des Kantons eine im Text der Konzession nicht ausgesprochene
Gewähr für die gleichbleibende Qualität des der Klägerin natürlich
zufliessenden Wassers übernehmen wollte. Das konnte die Konzessionärin
nach Treu und Glauben unmöglich erwarten, umso weniger, als die Konzession
nicht einmal zeitlich begrenzt war. Dagegen durfte sie, zumal da ihr
das Recht zur Wasserbenutzung ausdrücklich für die Bedürfnisse ihres
Textilveredlungsbetriebes eingeräumt wurde, nach Treu und Glauben darauf
vertrauen, dass der Regierungsrat während der Dauer der Konzession weder
selber etwas unternehmen werde, was das Wasser für den angegebenen Zweck
unbrauchbar machen könnte, noch Dritten irgendwelche Vorkehren oder
Massnahmen mit dieser Folge gestatten werde.

    Diese mit der Konzessionserteilung übernommene Pflicht, die Qualität
des der Klägerin natürlich zufliessenden Wassers nicht in einer die
bestimmungsgemässe Verwendung verunmöglichenden oder sie erheblich
beeinträchtigenden Weise zu verändern noch verändern zu lassen, hat der
Kanton durch die der Erstellung der Nationalstrasse dienenden Bauarbeiten
im Einzugsgebiet des Baches verletzt. Ob dabei Fehler begangen oder nicht
begangen wurden, braucht nicht geprüft zu werden. Indem der Kanton die
Konzession bestehen liess, aber als Bauherr zeitweilig der Klägerin die
Sondernutzung verunmöglichen liess, die er ihr als Konzedent zugestanden
hatte, hat er sie enteignet. Er hat sie daher zu entschädigen, sofern
durch die Konzession ein durch die Eigentumsgarantie geschütztes Recht
begründet wurde.

Erwägung 5

    5.- Der Kanton Zürich bestreitet dies und beruft sich dabei auf §
33 (heute 62) WBG und insbesondere auf die in der Konzession von 1943
enthaltene Widerrufsklausel.

    a) Nach § 33 WBG können bestehende Wasserrechte, die weder auf
beschränkte Zeit noch auf Zusehen oder mit dem Vorbehalt des Rückkaufs
erteilt worden sind, nur auf dem Wege der freien Verständigung oder der
Expropriation zurückgenommen werden. Diese Bestimmung spricht nicht für,
sondern gegen den Standpunkt des Beklagten. Die Konzession von 1943 wurde,
wie schon diejenige von 1917, auf unbeschränkte Zeit erteilt und enthält
keinen Vorbehalt des Rückkaufs. Sie wurde auch nicht bloss auf Zusehen
hin erteilt im Sinne einer "autorisation à bien plaire", wie sie HENRI
ZWAHLEN in RDAF 25/1969 S. 161 ff. gekennzeichnet hat. Vielmehr muss
daraus, dass der Regierungsrat angeordnet hat, die Konzession sei als
"selbständiges und dauerndes Recht" ins Grundbuch einzutragen, geschlossen
werden, dass mit ihr ein eigentliches Sondernutzungsrecht begründet
werden wollte. Denn diese Eintragung hat nach Art. 655 ZGB zur Folge,
dass das Recht "Gegenstand des Grundeigentums" wird, was jedenfalls
das Bestehen eines wirklichen Rechtsverhältnisses im Gegensatz zu einem
bloss prekaristischen Verhältnis voraussetzt, auch wenn die Eintragung am
Inhalt und an der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechts nichts ändert
(MEIER-HAYOZ N. 5 und 19 zu Art. 655 ZGB). Dass es sich nicht um eine bloss
auf Zusehen hin erteilte Bewilligung handelt, ergibt sich auch daraus, dass
sich der Regierungsrat eine Aufhebung der Konzession nur vorbehielt für
den Fall, dass "das öffentliche Interesse es erfordert, insbesondere dann,
wenn der Reinigungsgrad des Abwassers den Anforderungen nicht entspricht".

    b) Der Beklagte behauptet, aufgrund dieser Klausel (gegen deren
Aufnahme in die Konzession die Klägerin im Wiedererwägungsgesuch vom
10. August 1943 erfolglos protestiert hat) hätte der Regierungsrat
die Konzession jederzeit entschädigungslos aufheben können, und dieser
vollständigen Aufhebung gegenüber stelle die Verschmutzung des Wassers
ein minus dar. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Die
Klausel nennt als Beispiel eines öffentlichen Interesses, das zur
Aufhebung der Konzession berechtigt, einen mangelhaften Reinigungsgrad des
Abwassers. Ob auch ein ganz anders geartetes öffentliches Interesse oder
gar ein fiskalisches Interesse wie dasjenige an einer möglichst billigen
Erstellung der Nationalstrasse die Aufhebung zu rechtfertigen vermag,
erscheint zweifelhaft, und erst recht ist fraglich, ob die Konzession
beim Vorliegen eines hinreichenden öffentlichen Interesses im Widerspruch
zu § 33 WBG entschädigungslos aufgehoben werden könnte. Diese Fragen
können indessen offen bleiben, da die Konzession vom Regierungsrat nicht
aufgehoben worden ist und noch immer besteht. Auf keinen Fall haltbar ist
die vom Beklagten vertretene Auffassung, in der Befugnis zur Aufhebung
der Konzession sei das Recht enthalten, durch irgendwelche Vorkehren
die Qualität des Wassers zum Nachteil der Konzessionärin zu verändern
und ihr dadurch die durch die Konzession zugestandene Sondernutzung zu
verunmöglichen. Ein solches Recht wäre nur anzunehmen, wenn es in der
Konzession ausdrücklich vorbehalten wäre. Es lässt sich im Hinblick auf
§ 33 WBG und nach Treu und Glauben nicht auf dem Wege der Auslegung aus
jener Klausel ableiten.

    c) Dass eine Sondernutzungskonzession wie die vorliegende ein durch
die Eigentumsgarantie geschütztes Vermögensrecht sein kann, steht ausser
Zweifel und wird vom Beklagten mit Recht nicht bestritten. Die Einräumung
einer Sondernutzungskonzession kommt in der Regel der rechtsgeschäftlichen
Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechtes an der öffentlichen Sache
praktisch gleich (so IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 1958
S. 170 a; ebenso ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, daselbst
S. 581 a ff.). Hier kommt hinzu, dass die Befugnis der Konzessionärin
nach dem Willen des Konzedenten als selbständiges und dauerndes Recht
ins Grundbuch aufgenommen wurde, also "Gegenstand des Grundeigentums" der
Konzessionärin geworden ist. Die Eigentumsgarantie schützt das Eigentum und
darüber hinaus einen weiten Kreis vermögenswerter Rechte (BGE 94 I 448,
91 I 419 und dort zitierte Urteile), namentlich auch solche, die durch
Konzessionen verliehen wurden (BGE 74 I 470/71, 65 I 302/03; MEIER-HAYOZ,
N. 192 zu Art. 664 ZGB). Der zeitweilige Entzug der durch die Konzession
bewilligten Sondernutzung bildet daher einen Enteignungstatbestand (Art. 5
Abs. 2 EntG), der den Enteigner zur Entschädigung verpflichtet. Der
Umstand, dass davon weder in der Konzession, noch in den ihr beigelegten
"Allgemeinen Konzessionsbedingungen für Wasserkräfte" noch im WBG
die Rede ist, verschlägt nichts. Die Eigentumsgarantie war schon vor
dem Inkrafttreten des Art. 22ter BV (AS 1969 S. 1250) Bestandteil des
Bundesverfassungsrechts (BGE 89 I 98, 93 I 137 und 711, 94 I 610). Die
Frage, ob der zeitweilige Entzug der Sondernutzung sich als Enteignung
qualifiziere und den Kanton Zürich entschädigungspflichtig mache, ist
daher eine solche des Bundesrechts.

Erwägung 6

    6.- Ist die Entschädigungspflicht des Beklagten aus den dargelegten
Gründen zu bejahen, so braucht nicht geprüft zu werden, ob sie sich auch
rein nachbarrechtlich begründen lässt, wie dies im angefochtenen Entscheid
geschehen ist.

Erwägung 7

    7.- Über die Höhe der Entschädigung ist nicht zu befinden; sie ist
durch den Teilvergleich vom 21. Januar 1969 festgelegt worden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Der Weiterzug des Kantons Zürich wird abgewiesen und das Urteil der
Schätzungskommission des Kreises VI vom 4./9. Juni 1969 bestätigt.