Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 251



96 I 251

43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Mai 1970 i.S. Th. & G. Mautner
Markhof gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Parteivertretung vor Bundesgericht in verwaltungsgerichtlichen
Streitigkeiten (Art. 29 OG).

    Die Entscheide des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum gehören nicht
zur Zivil-, sondern zur Verwaltungsrechtspflege. Der ausländische Anwalt
ist daher im Beschwerdeverfahren als Parteivertreter zuzulassen (Erw. 1).

    Mangelhafte Eröffnung eines Entscheides (Art. 107 Abs. 3 OG).

    Kein Rechtsnachteil für die betroffene Partei (Erw. 2).

    Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter
Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware.

    Madrider Übereinkunft (Fassung von London 1934), Art. 5; Pariser
Verbandsübereinkunft (Fassung von London 1934) Art. 6 lit. B Ziff. 3
(Erw. 3).

    Unzulässigkeit der Marke "Pussta Senf" für Senf, der in Osterreich
hergestellt wird. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG (Erw. 4).

Sachverhalt

    Die Th. & G. Mautner Markhof hinterlegte am 21. Oktober 1968
beim internationalen Büro zum Schutz des gewerblichen Eigentums die
internationale Wort/Bild-Marke Nr. 349'274 für "Moutarde". Die Marke stellt
eine flächenmässige Wiedergabe einer Senftube dar, auf der "Pussta Senf"
und "neu" geschrieben steht und drei Fleischgerichte in zeichnerischer
Gestaltung abgebildet sind. Die Marke weist ferner in waagrechter Schrift
die Angabe "Alles Gute von Mautner Markhof" auf.

    Das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum verweigerte
am 13. Oktober 1969 mit einer vorläufigen Verfügung der Marke der
Hinterlegerin den Schutz, weil die Bezeichnung "Pussta" den täuschenden
Eindruck erwecke, das in Österreich hergestellte Erzeugnis stamme aus
Ungarn.

    Die Hinterlegerin bestritt in der Vernehmlassung vom 15. Dezember
1969 die Auffassung des Amtes und beantragte, die Marke in der Schweiz
zu schützen.

    Am 22. Dezember 1969 bestätigte das Amt die vorläufige Verfügung vom
13. Oktober 1969 und verweigerte der hinterlegten Marke den beanspruchten
Schutz endgültig.

    Mit Schreiben vom 23. Dezember 1969 setzte das Amt der Hinterlegerin
die Gründe für die Schutzverweigerung auseinander. Es führte in den zwei
letzten Absätzen aus:

    "Aus diesen Gründen erlassen wir eine definitive totale
Schutzverweigerung gegenüber dieser Marke.

    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von dessen Zustellung an,
durch die Vermittlung des BIRPI, eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht eingereicht werden."

    Die Verfügung vom 22. Dezember 1969 wurde der Hinterlegerin am
29. Januar 1970 durch Vermittlung des BIRPI zugestellt.

    Die Hinterlegerin führte am 21. Januar 1970 durch Vermittlung des
BIRPI gegen das als "Entscheid" bezeichnete Schreiben des Amtes vom
23. Dezember 1969 Beschwerde. Sie beantragte, die Schutzverweigerung
aufzuheben und die streitige Marke in der Schweiz zuzulassen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 29 Abs. 2 OG können in Zivil- und Strafsachen nur
patentierte Anwälte sowie Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen
als Parteivertreter auftreten.Ausländische Rechtsanwälte werden nach
Art. 29 Abs. 3 OG nur ausnahmsweise unter Vorbehalt des Gegenrechts
zugelassen. Auch diese Vorschrift bezieht sich nach dem Zusammenhang
auf die Vertretung vor Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen. Das
Organisationsgesetz rechnet jedoch die Weiterziehung von Entscheiden des
eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum nicht zur Zivil-, sondern
zur Verwaltungsrechtspflege (Art. 98 OG). Eine verwaltungsgerichtliche
Streitigkeit ist auch dann nicht Zivilsache im Sinne von Art. 29 Abs. 2
OG, wenn eine Entscheidung von der Beantwortung zivilrechtlicher Fragen
abhängt (BGE 79 I 185, unveröffentlichter Entscheid der II. Zivilabteilung
vom 27. Juni 1968 i.S. Stolz gegen Departement des Innern des Kantons
St. Gallen).

    Der österreichische Anwalt der Beschwerdeführerin ist daher auf Grund
der eingereichten Vollmacht (Art. 29 Abs. 1 OG) im vorliegenden Verfahren
als Parteivertreter zuzulassen.

Erwägung 2

    2.- Der Brief des Amtes vom 23. Dezember 1969, auf den die Beschwerde
Bezug nimmt, ist kein beschwerdefähiger Entscheid. Die Beschwerdeführerin
durfte aber, wie das Amt selber einräumt, angesichts der Fassung der
letzten zwei Absätze in guten Treuen der Meinung sein, die fragliche
Mitteilung unterliege der Beschwerde. Diese richtet sich in Wirklichkeit
gegen die im Schreiben ausgesprochene "totale Schutzverweigerung", womit -
wenigstens vom Amt aus gesehen - die endgültige, der Beschwerdeführerin
noch nicht eröffnete Verfügung vom 22. Dezember 1969 gemeint war. Da einer
Partei aus einer mangelhaften Eröffnung kein Nachteil erwachsen darf
(Art. 107 Abs. 3 OG), ist unerheblich, dass die Beschwerdeführerin die
Beschwerde einreichte, bevor sie die formelle Verfügung des Amtes vom
22. Dezember 1969 durch Vermittlung des BIRPI erhalten hatte. Auf die
Beschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Für die Beurteilung der Beschwerde sind die Madrider Übereinkunft
betreffend die internationale Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken
(MMA) und die Pariser Verbandsübereinkunft (PVU), beide in der am 6. Juni
1934 revidierten Fassung von London, massgebend. Sie sind von der Schweiz
mit Wirkung ab 24. November 1934 und von Österreich mit Wirkung ab
19. August 1947 ratifiziert worden.

    Nach Art. 6 lit. B Ziff. 3 PVU in Verbindung mit Art. 5 MMA dürfen
Marken zurückgewiesen werden, welche gegen die guten Sitten oder gegen
die öffentliche Ordnung verstossen, namentlich solche, die geeignet sind,
das Publikum zu täuschen. Die Pariser Verbandsübereinkunft betrachtet
daher gleich wie die schweizerische Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG eine Marke als sittenwidrig, wenn sie geeignet ist, den
Käufer in irgend einer Hinsicht irrezuführen, insbesondere ihn über die
Beschaffenheit der Ware zu täuschen. Eine Marke ist daher unzulässig,
wenn sie geographische Angaben enthält, die zur Annahme verleiten könnten,
die Ware stamme aus dem Land, auf das die Angabe hinweist, obschon dies
in Wirklichkeit nicht zutrifft. Anders verhält es sich nur, wenn die
geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und
nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (BGE 93 I 571 Erw. 3
und dort angeführte Entscheide, 93 I 579 Erw. 2, 95 I 474 Erw. 2).

Erwägung 4

    4.- Das Wort "Pussta" vom ungarischen "Puszta" (Weide, Steppe) oder
"puszta" (leer, öde) abgeleitet, bezeichnet in seiner ursprünglichen
Bedeutung das steppenartige, im Einzugsgebiet der Theiss (Tisza)
gelegene Tiefland Ostungarns (vgl. GRAND LAROUSSE ENCYCLOPEDIQUE, 1963
S. 1913; DER GROSSE BROCKHAUS, 1956 Bd. 9 S. 467; MEYERS-LEXIKON, 1928
S. 1417/18; WAHRIG, Das Grosse Deutsche Wörterbuch, 1967 S. 2819; DUDEN,
Rechtschreibung der deutschen Sprache, 1968 S. 552). Ob in Österreich
gewisse Gebiete des Burgenlandes als "Pussta" bezeichnet werden, wie
die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf vorgelegte Prospekte darzutun
versucht, ist unerheblich. Entscheidend ist die Gedankenverbindung,
die das Wort "Pussta" beim schweizerischen Publikum hervorruft. Vielen
Schweizern ist die "Pussta" als ungarisches Steppenland von der Schule her
bekannt und eine nicht geringe Anzahl dürften sie als Touristen persönlich
kennen gelernt haben. Die auf dem Erzeugnis der Beschwerdeführerin
angebrachte Bezeichnung "Pussta Senf" erinnert daher den schweizerischen
Durchschnittskäufer unwillkürlich an Ungarn und an die für starke Gewürze
(z.B. Paprika) bekannte ungarische Küche - eine Überlegung, die die
Beschwerdeführerin bei der Wahl der Marke mitbestimmt haben dürfte. Das
streitige Zeichen ist daher als echte geographische Herkunftsbezeichnung zu
verstehen, die geeignet ist, beim Käufer den irrigen Eindruck zu erwecken,
das Erzeugnis der Beschwerdeführerin stamme aus Ungarn. Daran ändert -
entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - der Werbeslogan "Alles
Gute von Mautner Markhof" nichts. Er ist auf der Marke nur unauffällig
angebracht und schon deshalb nicht geeignet, der Bezeichnung "Pussta"
zweifelsfrei die Eigenschaft einer Herkunftsangabe zu nehmen.

    Der Einwand der Beschwerdeführerin, das österreichische Markenamt
habe ihre Marke zugelassen, ist unerheblich. Jedes Land prüft die
Schutzwürdigkeit einer Marke nach seiner eigenen Gesetzgebung und
Verkehrsanschauung. Das zeigt sich gerade darin, dass die Deutsche
Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland der streitigen
Marke den Schutz entweder ganz oder teilweise verweigert haben. Ob das
österreichische Markenamt die Zeichen "Sprudel", "Goldrebe", "Superdrill"
usw. der Beschwerdeführerin geschützt hat, ist daher belanglos; im übrigen
sind diese Marken hier nicht zu beurteilen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.