Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 210



96 I 210

38. Auszug aus dem Urteil vom 16. September 1970 i.S. Hutter und
Mitbeteiligte gegen den Grossen Rat des Kantons Thurgau. Regeste

    Staatsvertragsreferendum.

    Begriff der gemäss § 4 lit. a thurg. KV der Volksabstimmung
unterliegenden "Konkordate" im Gegensatz zu den "Verträgen mit anderen
Kantonen", deren Abschluss der Grosse Rat gemäss § 36 lit. e KV in eigener
Kompetenz genehmigen kann (Erw. 2). Anwendung auf den Beitritt des Kantons
Thurgau zur "Interkantonalen Übereinkunft zur Verstärkung der polizeilichen
Sicherheitsmassnahmen", durch die eine "Interkantonale Mobile Polizei"
geschaffen werden soll.

Sachverhalt

    A.- Am 28. März 1968 hat die Konferenz der Justiz- und
Polizeidirektoren den Entwurf einer Interkantonalen Übereinkunft
zur Verstärkung der polizeilichen Sicherheitsmassnahmen genehmigt
(IMP-Übereinkunft). Nach Art. 1 wird zur Verstärkung der polizeilichen
Sicherheitsmassnahmen unter dem Namen "Interkantonale Mobile Polizei"
(IMP) ein gemeinsames Polizeikorps geschaffen, das zum Schutze der
diplomatischen und konsularischen Vertretungen, der internationalen
Organisationen und der internationalen Konferenzen in der Schweiz, zur
Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und bei Katastrophen eingesetzt
werden kann. Die IMP kann nur von den Regierungen der Kantone, welche
der Übereinkunft angeschlossen sind, und vom Bundesrat in Anspruch
genommen werden (Art. 2). Sie wird aus Kontingenten gebildet, welche
die der Übereinkunft angeschlossenen Kantone aus Beamten (Offizieren,
Unteroffizieren und Soldaten) ihrer kantonalen und städtischen Polizeikorps
zusammenstellen. Über die Festsetzung und Zuteilung der Kontingente,
die Rekrutierungsvoraussetzungen für die Polizeibeamten, die Ausrüstung
und Ausbildung beschliesst eine vor allem aus den Polizeidirektoren der
angeschlossenen Kantone bestehende Aufsichtskommission im Einvernehmen mit
dem Bundesrat (Art. 3). Die Haftung für Schaden richtet sich nach besondern
Bestimmungen, die in einem Anhang zur Übereinkunft enthalten sind (Art. 6).
Der Beitritt zur Übereinkunft steht allen Kantonen offen, die bereit sind,
allein oder gemeinsam mit einem andern Kanton ein Kontingent zu stellen
(Art. 10). Nach Ziffer II Abs. 2 des Anhanges zur Übereinkunft urteilt
über streitige Schadenersatz-, Genugtuungs- und Rückgriffsansprüche das
Bundesgericht als einzige Instanz.

    Der Bundesrat erteilte der IMP-Übereinkunft am 27. November 1968
die Genehmigung unter dem Vorbehalt, dass die Bundesversammlung den ihr
unterbreiteten Entwürfen zu zwei Bundesbeschlüssen zustimme, was am 4. Juni
1969 geschah (AS 1969, S. 525 ff.). Der eine Bundesbeschluss betrifft
die Unterstützung der IMP durch den Bund. Mit dem zweiten Bundesbeschluss
wurde Ziffer II des Anhanges zur IMP-Übereinkunft genehmigt, soweit sie die
Beurteilung streitiger Schadenersatz-, Genugtuungs- und Rückgriffsansprüche
dem Bundesgericht zuweist.

    B.- Der Regierungsrat des Kantons Thurgau unterbreitete dem Grossen
Rat am 23. Dezember 1969 den Entwurf zu einem Beschluss über den Beitritt
des Kantons zur IMP-Übereinkunft. In der Botschaft der Regierung wird
zur Frage, wem die Befugnis zustehe, den Beitritt zur Übereinkunft zu
beschliessen, ausgeführt: Nach § 4 lit. a der Kantonsverfassung (KV)
unterlägen Gesetze und Konkordate der Volksabstimmung. Unter Konkordat im
Sinne dieser Bestimmung seien alle Verträge über Gegenstände zu verstehen,
die, wenn sie nur für den Kanton geregelt wären, der Mitwirkung der
Stimmberechtigten bedürfen. Dies sei gemäss § 4 lit. c KV der Fall
bei Gesetzen und Finanzbeschlüssen über Ausgaben von einer bestimmten
Höhe. Für alle andern interkantonalen Vereinbarungen sei nach § 36
lit. e KV der Grosse Rat zuständig. Bei der IMP-Übereinkunft handle
es sich nicht um ein Konkordat mit gesetzgeberischem Charakter; sie
betreffe einen Gegenstand der Verwaltung, die Polizei. Auch erwüchsen
dem Kanton Thurgau mit dem Beitritt keine finanziellen Verpflichtungen,
da die gesamten Ausbildungs- und Ausrüstungskosten der von den Kantonen
zu stellenden Kontingente vom Bund übernommen würden. Somit sei gemäss §
36 lit. e KV der Grosse Rat zuständig.

    C.- Der Grosse Rat des Kantons Thurgau fasste am 8.  April 1970
"gestützt auf § 36 lit. e KV" folgenden Beschluss:

    "1. Der Kanton Thurgau tritt der vom Bundesrat am 27. November 1968
genehmigten Interkantonalen Übereinkunft zur Verstärkung der polizeilichen
Sicherheitsmassnahmen vom 28. März 1968 bei.

    2. Dieser Beschluss tritt am 1. Juli 1970 in Kraft. Er ist zu
veröffentlichen und vom Regierungsrat zu vollziehen."

    In der Beratung hatte das Ratsmitglied Arne Engeli die Auffassung
vertreten, der Beschluss müsse der Volksabstimmung unterstellt werden,
da es sich nicht um einen Staatsvertrag im Sinne von § 36 lit. e KV,
sondern um ein Konkordat handle und nach § 4 KV alle Konkordate vom Volk
zu genehmigen seien. Sein Antrag, den Beschluss der Volksabstimmung zu
unterstellen, wurde indes mit 23 gegen 89 Stimmen abgelehnt.

    D.- Gegen den Beschluss des Grossen Rates vom 8. April 1970
wurden gestützt auf Art. 85 lit. a OG wegen Verletzung des § 4 KV zwei
staatsrechtliche Beschwerden erhoben. Das Bundesgericht heisst sie dahin
gut, dass es Ziff. 2 des Beschlusses aufhebt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- § 36 lit. e KV überträgt dem Grossen Rat unter Vorbehalt
der Volksrechte und des Bundesrechts die Befugnis zum Abschluss
von Verträgen mit andern Kantonen und Staaten. Nach § 4 lit. a KV
unterliegen alle Gesetze und Konkordate der Volksabstimmung. Es ist
zu prüfen, welche der in § 36 genannten Verträge der Genehmigung des
Volkes bedürfen. Ein Konkordat ist eine interkantonale Vereinbarung (BGE
81 I 358, BURCKHARDT, Kommentar zur BV, S. 74, GIACOMETTI, Staatsrecht
der Kantone, S. 483, GRISEL, Droit administratif suisse, S. 35 und 221,
FAVRE, Droit constitutionnel suisse, S. 130 ff, AUBERT, Traité de droit
constitutionnel suisse Nr. 884). In der Praxis werden indessen nicht
alle interkantonalen Verträge als Konkordate bezeichnet (GIACOMETTI,
aaO S. 482). Die thurgauische KV enthält keine Bestimmung, welche die
Bedeutung des in § 4 verwendeten Ausdrucks "Konkordat" näher umschreiben
würde. Die Frage, was darunter zu verstehen ist, muss daher auf dem Wege
der Auslegung unter Berücksichtigung des Zwecks und Zusammenhangs der Norm
gelöst werden. Mit dem Grossen Rat und dem Regierungsrat darf unbedenklich
angenommen werden, dass damit nicht, wie die Beschwerdeführer behaupten,
alle Verträge mit andern Kantonen gleichgültig welchen Inhalts gemeint
sind. Denn irgendein innerer Grund, der dafür spräche, für Angelegenheiten,
die der Grosse Rat oder Regierungsrat für das Kantonsgebiet abschliessend
ordnen kann, die Zustimmung des Volkes zu verlangen, wenn sie statt dessen
auf dem Vertragsweg für das Gebiet mehrerer Kantone gemeinsam geregelt
werden, ist nicht ersichtlich. Soll die allgemeine Unterstellung der
"Konkordate" unter die Volksabstimmung einen vernünftigen Sinn haben,
so muss daher der Begriff zweckentsprechend, nämlich dahin beschränkt
werden, dass darunter nur Verkommnisse über solche Gegenstände fallen,
zu deren Regelung es nach der Verfassung allgemein, auch wenn sie
einseitig nur für den eigenen Kanton geschieht, der Mitwirkung des
Volkes bedarf. In diesem Sinn hat das Bundesgericht vor langem eine
entsprechende Verfassungsnorm des Kantons Zürich ausgelegt (BGE 40 I
395/6). Die Beschwerdeführer wenden freilich ein, der genannte Entscheid
dürfe nicht ohne weiteres herangezogen werden, da die zürcherische
KV ausdrücklich nur "Konkordate über Gegenstände, welche im Kanton der
Volksabstimmung unterstehen", dem obligatorischen Referendum unterstelle,
welche Einschränkung die thurgauische KV nicht kenne. Sie übersehen aber,
dass damals, als jenes Urteil gefällt wurde, die zürcherische KV gleich
wie die thurgauische Konkordate ganz allgemein und ohne Einschränkung
der Volksabstimmung unterstellte. Die entsprechende Vorschrift (Art. 30
Abs. 2) lautete damals: "Der Volksabstimmung sind zu unterstellen: 1. alle
Verfassungsänderungen, Gesetze und Konkordate". Die Verfassungsregel ist
erst am 4. Dezember 1955 in dem von den Beschwerdeführern erwähnten Sinn
geändert worden. Die zürcherische Verfassungslage war demnach damals so,
wie es die thurgauische heute noch ist, und es besteht kein Anlass, die
praktisch gleiche Frage heute anders zu entscheiden als früher. GIACOMETTI
hat denn auch angenommen, der Begriff des Konkordates, wie ihn die
Thurgauer Verfassung verwende, habe offensichtlich den gleichen Sinn wie
der entsprechende Begriff der zürcherischen KV (aaO S. 485 Anm. 14). Die
Regeln der §§ 4 und 36 lit. e KV sind demnach in dem Sinne auszulegen,
dass interkantonale Übereinkommen über Gegenstände, welche innerkantonal
der Volksabstimmung unterstehen würden, dem obligatorischen Referendum
unterstellt sind, während der Grosse Rat die übrigen Abkommen in
eigener Kompetenz genehmigen kann. Ob sich die kantonalen Behörden in
ihrer bisherigen Praxis ausnahmslos an diesen Grundsatz gehalten haben,
nach welchem sie im hier zu beurteilenden Fall verfahren sind, ist nicht
entscheidend. Massgebend ist, dass die dem angefochtenen Beschluss zugrunde
liegende Auslegung der KV als sinnvoll und wohlbegründet erscheint.

Erwägung 3

    3.- Es stellt sich demnach die Frage, ob die IMP-Übereinkunft Regeln
enthält, welche, wenn sie allein für das Kantonsgebiet aufgestellt worden
wären, der Volksabstimmung hätten unterstellt werden müssen. Dabei ist
zunächst zu erwägen, dass der Grosse Rat den Beitritt nur in eigener
Kompetenz beschliessen durfte, wenn die IMP-Übereinkunft überhaupt keine
Regeln enthält, die, wenn sie nur für das Kantonsgebiet aufgestellt
worden wären, dem Referendum unterfallen wären. Die IMP-Übereinkunft
ist ein Ganzes, und wie ein innerstaatlicher Erlass auch dann der
Volksabstimmung unterstellt werden muss, wenn er nur eine einzige oder
einzelne der Zustimmung des Volkes bedürftige Regeln enthält, so ist es
nicht anders bei einem interkantonalen Übereinkommen. Die Übereinkunft
enthält im übrigen keine Klausel, wie sie sich etwa in internationalen
Verträgen findet und die dem einzelnen Kanton das Recht gäbe, hinsichtlich
einzelner Regeln einen Vorbehalt anzubringen und ihnen damit für sich die
Verbindlichkeit zu entziehen. Wenn der Kanton Thurgau der IMP-Übereinkunft
beitritt, gilt sie mit allen ihren Vorschriften für ihn wie für alle
andern ihr angeschlossenen Kantone. Zudem ist festzustellen, dass der
Anhang zur IMP-Übereinkunft rechtlich Teil der Übereinkunft ist, deren
Art. 6 bestimmt:

    "Die Haftung für Schaden richtet sich nach den Bestimmungen im Anhang
zur Übereinkunft."

    Wenn die Haftungsregeln in einen Anhang verwiesen wurden, geschah es
aus technischen Gründen, damit nämlich der Text des Konkordates nicht
allzu sehr durch die ausführlichen Haftungsvorschriften belastet werde
(Bundesblatt 1968 II 790). Auf jeden Fall haben die im Anhang enthaltenen
Vorschriften für einen beitretenden Kanton die gleiche Verbindlichkeit wie
jene der Übereinkunft selbst, was sich schon aus deren Art. 6 ergibt. Der
Grosse Rat durfte deshalb den Beitritt nur dann in eigener Kompetenz
beschliessen, wenn er innerkantonal auch die im Anhang enthaltenen
Vorschriften in eigener Zuständigkeit hätte erlassen dürfen.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 4 der Übereinkunft untersteht die IMP bei bestimmtem
Aufgebot der Regierung des Kantons, der sie angefordert hat; im Einsatz
haben die Polizeibeamten die Amtsbefugnisse der Polizeiorgane des Kantons,
in dem der Einsatz erfolgt. Die Beschwerdeführer sind der Ansicht,
mit der Annahme dieser Regeln begebe sich der Kanton eines Teils seiner
Polizeihoheit und damit seiner Souveränität, was nur mit Zustimmung des
Volks geschehen dürfte. Diese Argumentation hält nicht stich. Freilich
wird den IMP-Beamten im Einsatz die gleiche Befugnis eingeräumt wie den
kantonalen Polizeiorganen, doch unterstehen sie der Regierung des Kantons,
der sie angefordert hat. Die Amtsgewalt der IMP-Beamten, falls sie einmal
vom Kanton Thurgau angefordert würden, könnte sich deshalb nur im Rahmen
der Weisungen entfalten, welche die thurgauische Regierung erteilt, und
zweitens kommt es (abgesehen vom Fall eines Aufgebotes nach Art. 102
Ziff. 10 BV, der hier nicht interessiert) gar nicht zu einem Einsatz
des IMP-Korps, wenn es nicht durch die kantonale Regierung angefordert
wird. Die Polizeihoheit des Kantons wird deshalb in dieser Hinsicht durch
die IMP-Übereinkunft nicht angetastet. Sie wird es auch nicht dadurch,
dass ein thurgauisches Kontingent beim Einsatz in einem andern Kanton der
Regierung dieses Kantons unterstellt wäre. Der Kanton Thurgau würde in
einem solchen Fall bloss im Rahmen des Übereinkommens einem andern Kanton
einzelne Beamte zur Verfügung stellen, wie das übrigens schon jetzt (zum
Teil im Austauschverfahren) gelegentlich von einzelnen Kantonen praktiziert
wird. Die von den thurgauischen Behörden im eigenen Kanton auszuübende
Polizeihoheit wäre dadurch in nichts eingeschränkt. Die Beschwerdeführer
weisen ferner darauf hin, dass in § 2 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes
betreffend die Organisation des Polizeikorps vom 10. November 1872 die
Rekrutierungsvoraussetzungen für das kantonale Polizeikorps bestimmt
seien, während nach Art. 3 Abs. 3 der IMP-Übereinkunft die darin
vorgesehene Aufsichtskommission im Einvernehmen mit dem Bundesrat über die
Rekrutierungsvoraussetzungen für die Polizeibeamten befinde. Durch diese
Vorschrift der Übereinkunft wird die Polizeihoheit des Kantons ebenfalls
nicht angetastet. Die Vorschrift des kantonalen Organisationsgesetzes
hätte für die Rekrutierung von Polizeibeamten im Kanton weiterhin
unbeschränkt Geltung, und die Behauptung der Beschwerdeführer Hutter
und Konsorten, es werde durch die IMP-Übereinkunft das genannte Gesetz
geändert, trifft nicht zu. Durch die von der Aufsichtskommission zu
erlassenden Rekrutierungsvorschriften würde bloss bestimmt, welche der
kantonalen Polizeibeamten, die alle die Bedingungen des Art. 2 Abs. 1
des Organisationsgesetzes erfüllen müssen, zur IMP detachiert werden
können. Da nach § 15 des Organisationsgesetzes der Regierungsrat die nähern
Vorschriften über Organisation und Dienstverrichtungen des Polizeikorps zu
erlassen hat, könnten auch innerkantonal ohne Volksabstimmung Vorschriften
geschaffen werden, wonach für bestimmte Aufgaben nur Polizeibeamte
eingesetzt werden, die neben den gesetzlichen Voraussetzungen gewisse
zusätzliche Bedingungen zu erfüllen haben.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, durch
die IMP-Übereinkunft bezw. die im Anhang dazu enthaltenen, die
Haftung betreffenden Vorschriften werde das thurgauische Gesetz
über die Verantwortlichkeit der Behörden, Beamten und Angestellten
vom 25. September 1851 (VG) abgeändert, weshalb das Übereinkommen der
Volksabstimmung hätte unterstellt werden müssen. Der Grosse Rat hat diese
Rüge in seiner Beschwerdeantwort mit der Bemerkung abgetan, bei den zur
IMP abgeordneten und dort Dienst leistenden Polizeileuten handle es sich
nicht um Funktionäre, die unter den Begriff der "Behörden und Beamten"
gemäss § 1 des VG fallen könnten. Das ist durchaus zu bezweifeln, denn §
1 VG lautet:

    "Alle Behörden und Beamten sind für ihre Verrichtungen verantwortlich.
Diese Verantwortlichkeit trifft auch alle öffentlichen Angestellten,
sowie alle Personen, welchen vorübergehend ein Amt oder eine öffentliche
Stelle oder Verantwortung übertragen wird."

    Bei dieser umfassenden Umschreibung des Anwendungsbereichs kann kaum
angenommen werden, das VG finde keine Anwendung auf Polizisten, die,
wenn nicht Beamte, so doch ohne Zweifel öffentliche Angestellte sind
(vgl. ZÜST, Über die Verantwortlichkeit der thurgauischen Behörden und
Beamten, Zürcher Diss. 1954, S. 11/12, 123, 125 Anm. 44, 129 Anm. 63, 130
Anm. 65 und 66). Ist, wie demnach angenommen werden muss, das VG auch auf
Polizisten anwendbar, so ist die Behauptung der Beschwerdeführer richtig,
dass die IMP-Übereinkunft Haftungsregeln enthält, welche mit dem VG nicht
im Einklang sind und die, falls sie nur für das Kantonsgebiet erlassen
worden wären, der Volksabstimmung hätten unterstellt werden müssen. Nach
Ziffer I Abs. 4 des Anhanges zur IMP-Übereinkunft steht beispielsweise
dem Geschädigten gegenüber dem fehlbaren Polizeibeamten kein Anspruch
zu, während nach dem thurgauischen VG alternativ der Beamte oder der
Staat haftet (§ 30 VG: vgl. dazu O. K. KAUFMANN, ZSR 1953, 72 NF,
S. 298a f.). Wollte man für das thurgauische Kantonsgebiet vom System
der Alternativ-Haftung zum System der ausschliesslichen Staats-Haftung
übergehen, wie es die IMP-Übereinkunft in Ziffer I Abs. 1 des Anhanges
vorsieht, so müsste das ohne Zweifel auf dem Weg der Gesetzgebung, also
unter Mitwirkung des Volkes, geschehen. Zudem richten sich gemäss der
IMP-Übereinkunft Art und Umfang der Ersatzpflicht und die Zusprechung
einer Genugtuung nach den Grundsätzen des eidg. VG. Auch das ist eine
Vorschrift, die, wenn sie innerkantonal erlassen würde, das kantonale VG
ändern bezw. ergänzen würde und deshalb vom Volk zu genehmigen wäre. Ferner
richtet sich nach Ziffer II Abs. 4 des Anhanges die Verjährung (und
Verwirkung) der Schadenersatz-, Genugtuungs- und Rückgriffsansprüche nach
den Grundsätzen des eidg. VG. Das thurgauische VG enthält aber in den §§ 32
f. ausführliche Verjährungsregeln, deren Änderung innerkantonal wiederum
nur mit Zustimmung des Volkes zulässig wäre. Ginge man mit dem Grossen
Rat davon aus, das thurgauische VG finde keine Anwendung auf Polizisten,
so würde das an der Rechtslage nichts ändern. In diesem Falle würden für
die Haftung der Polizisten die Art. 41 ff. OR gelten und müsste eine vom
Bundeszivilrecht abweichende kantonale Regelung deshalb der Volksabstimmung
unterbreitet werden, weil Art. 61 Abs. 1 OR dafür den Weg der Gesetzgebung
vorschreibt, was den Erlass eines eigentlichen Gesetzes oder doch von
Bestimmungen, die auf einer verfassungsmässigen Kompetenzdelegation
beruhen, voraussetzt (vgl. BGE 45 I 73 E. 7). Es kommt hinzu, dass
nach Ziffer II Abs. 2 des Anhanges zur IMP-Übereinkunft über streitige
Schadenersatz-, Genugtuungs- und Rückgriffsansprüche das Bundesgericht als
einzige Instanz urteilt. Wollte der Kanton innerkantonal die Beurteilung
solcher Ansprüche dem Bundesgericht als einziger Instanz übertragen,
was er nach Art. 114bis Abs. 4 BV ohne weiteres tun könnte, so müsste
er das, da damit die Zuständigkeitsordnung der Gerichte geändert würde,
durch (Verfassung oder) Gesetz tun (vgl. BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege,
S. 467). Nach der bestehenden gesetzlichen Ordnung des Kantons Thurgau ist
nicht das Bundesgericht erstinstanzlich zuständig, sondern eine kantonale
Instanz. Es ergibt sich, dass die IMP-Übereinkunft bezw. deren Anhang
sich zum Teil auf Gegenstände bezieht, deren Ordnung für das Kantonsgebiet
durch Gesetz und damit unter Mitwirkung des Volkes erfolgen müsste. Nach
dem Gesagten muss deshalb die Übereinkunft der Volksabstimmung unterstellt
werden. Es mag zunächst unbefriedigend scheinen, dass wegen gewisser Regeln
eine Volksabstimmung angeordnet werden muss, die in der Gesamtordnung
der IMP-Übereinkunft als Nebenpunkte erscheinen, während der Grosse
Rat hinsichtlich der hauptsächlichen Vorschriften des Konkordates, die
sich auf die Bildung und Organisation der IMP beziehen, den Beitritt in
eigener Kompetenz hätte beschliessen können. Die Wahrung der Volksrechte,
wie sie in der Kantonsverfassung verbrieft sind, verlangt aber, dass
ein Konkordat auch dann der Volksabstimmung unterbreitet wird, wenn es
nur nebenher Vorschriften aufstellt, die bei innerkantonaler Regelung
dem obligatorischen Referendum unterstünden. Ein innerstaatlicher Erlass
untersteht ebenfalls dem obligatorischen Referendum, wenn er auch nur eine
oder einzelne Regeln enthält, die der Genehmigung durch den Stimmbürger
bedürfen.