Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 IV 76



96 IV 76

18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Mai 1970 i.S. Häusler
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 325 Abs. 1, 326 Abs. 1 StGB; Ordnungswidrige Führung
der Geschäftsbücher. Vorgeschobener einziger Verwaltungsrat einer
Aktiengesellschaft; subjektiver Tatbestand.

Sachverhalt

    A.- Hans Häusler kam 1955 mit Fritz Maurer in Verbindung und ist
seither sein ergebener Mitarbeiter. Maurer betreibt seit vielen Jahren eine
undurchsichtige Geschäftstätigkeit, wobei er ohne oder mit zweifelhaften
Aktiven Gesellschaften gründet, Liegenschaften kauft und verkauft,
mit Wechseln und Schuldbriefen handelt, etc. Eine grosse Zahl seiner
rund 80 Gesellschaften liess er in Konkurs gehen, nachdem er aus ihnen
möglichst viel Nutzen gezogen hatte. Häusler wurde Maurers Strohmann. Er
unterschrieb, was Maurer ihm vorlegte, handelte für ihn als vorgeschobener
Gesellschaftsgründer, als Verwaltungsrat usw., ohne jemals genauer
Bescheid zu wissen oder selbst irgendeinen Einfluss auf die Geschäfte
auszuüben. Er bezog weder Lohn noch einen bestimmten Gewinnanteil, sondern
erhielt von Maurer immer wieder kleinere und grössere Zuwendungen, woraus
er den Lebensunterhalt und die Miete für sich und seine Familie bestritt.

    B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich führte 1968 gegen Fritz Maurer eine
Strafuntersuchung wegen Betrugs, leichtsinnigen Konkurses, Veruntreuung
usw. Das Verfahren wurde auf Maurers Strohmänner ausgedehnt.

    Im Verlaufe des Jahres 1967 hatte Maurer durch Häusler folgende
Gesellschaften gegründet:

    Bau AG Alexander, Zürich

    (gegründet 30. Mai 1967)

    Baugesellschaft Irma AG, Zürich

    (gegründet 22. Februar 1967)

    Baugesellschaft Virginia AG, Zürich

    (gegründet 30. Mai 1967).

    Alleinaktionär war Fritz Maurer, Häusler vorgeschobener einziger
Verwaltungsrat. In den drei Gesellschaften, die mit mehreren andern
Gesellschaften Maurers in engen undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen
standen, wurde keinerlei Buchhaltung geführt. Die Strafuntersuchung gegen
Maurer und Häusler erfasste deshalb auch die ordnungswidrige Buchführung
im Sinne von Art. 325 Abs. 1 StGB. Da es sich dabei um Übertretungen
handelt, ist das Verfahren im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist
insoweit abgetrennt und gesondert weitergeführt worden.

    C.- Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Häusler am 1.  Oktober 1969
wegen wiederholter ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher zu einer
unbedingten Haftstrafe von 2 Monaten. Auf Berufung des Angeklagten
bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 23. Januar 1970 den
Schuldspruch, setzte aber die Haftstrafe auf 42 Tage herab.

    D. - Mit der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht verlangt
Häusler Aufhebung des angefochtenen Urteils und Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Häusler anerkennt, dass der Tatbestand des Art. 325 Abs. 1 StGB (in
Verbindung mit Art. 326 Abs. 1) objektiv erfüllt ist. Mit Recht, steht doch
fest, dass in keiner der drei Gesellschaften, deren einziger Verwaltungsrat
er war, eine auch nur leidliche Buchhaltung geführt worden ist.

Erwägung 3

    3.- Hingegen bringt er vor, es treffe ihn kein Verschulden für
die Unterlassung der Buchführung. Er habe in den drei Gesellschaften
überhaupt nichts zu sagen gehabt, sondern sei nur Maurers gehorsamer
Untergebener gewesen. Er habe Maurer auf die Notwendigkeit einer
Buchhaltung hingewiesen, mehr habe er nicht tun können. Ihm selbst
hätten die persönlichen Voraussetzungen für die Buchhaltung gefehlt;
einen Dritten habe er damit nicht beauftragen können, weil er nicht über
die finanziellen Mittel und den nötigen Einfluss verfügte. Der Einwand
des Obergerichtes, dass er in diesem Falle sein Verwaltungsratsmandat
hätte niederlegen müssen, bedeute eine Verletzung von Art. 325 und Art. 18
StGB. Art. 325 bedrohe denjenigen mit Strafe, der die Bücher nicht führe,
enthalte aber keine Pflicht zur Demission des subjektiv zur Buchhaltung
unfähigen Verwaltungsrates.

    Die Rüge ist unbegründet. Als einziger Verwaltungsrat der
Gesellschaften war Häusler verpflichtet dafür zu sorgen, dass die für
Aktiengesellschaften gesetzlich vorgeschriebenen Bücher eingerichtet und
nachgeführt wurden. Angesichts der, wie er selbst behauptet, wenigen und
einfachen Geschäftsvorfälle und seiner geringen zeitlichen Belastung hätte
er die Bücher selbst führen und sich nötigenfalls auch die erforderlichen
Kenntnisse aneignen können. War er dazu intelligenz- und bildungsmässig
tatsächlich ausserstande, so hatte er einen Buchhalter anzustellen
oder eine Buchhaltungsstelle zu beauftragen, wie das Verwaltungen von
Aktiengesellschaften zumeist tun. Dazu brauchte er weder besondere
Kenntnisse noch Erfahrungen. Als einziger Verwaltungsrat war er auch
befugt, zu Lasten der AG entsprechende Aufträge zu erteilen. Weigerte sich
Maurer, die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen oder die zur Anlage
und Führung der Buchhaltung erforderlichen Unterlagen dem beauftragten
Buchhalter auszuhändigen, so konnte sich Häusler in der Tat nur durch eine
Demission als Verwaltungsrat der eigenen Verantwortung entziehen. Es ist
zwar richtig, dass Art. 325 StGB ihn nicht unmittelbar zur Demission
zwang. Aus Art. 326 Abs. 1 ergibt sich aber die strafrechtliche
Verantwortlichkeit des einzigen.Verwaltungsrates, der es zulässt,
dass in den Gesellschaften, denen er vorsteht, ohne Buchhaltung
gewirtschaftet wird. Häusler kann sich auch nicht mit dem Hinweis
auf seine wirtschaftliche Abhängigkeit von Maurer der Verantwortung
entziehen. Er hatte die Wahl zwischen den gesetzlichen Pflichten und
der Befolgung der Weisungen des Arbeitgebers. Entschied er sich für das
letztere, dann hat er die Straffolgen auf sich zu nehmen. Entsprechend
hat der Kassationshof in einem Urteil zu Art. 230 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
betreffend einen Kranmonteur entschieden, dieser hätte die Anbringung
einer vorschriftsgemässen Sicherheitsvorrichtung am Krangleis verlangen
und, wäre seinem Begehren nicht entsprochen worden, sich weigern sollen,
den Kran zu benützen (BGE 81 IV 122).

    Ein Verschulden des Beschwerdeführers wäre nur zu verneinen, wenn er
in guten Treuen hätte annehmen dürfen, die Buchhaltung werde tatsächlich
geführt, oder wenn er auch bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit sich über
die Verpflichtung zur Führung einer Buchhaltung im Irrtum hätte befinden
können. Beides wird von Häusler mit Recht nicht behauptet. Zwar macht er
geltend, Maurer in allgemeiner Form auf die Notwendigkeit der Buchführung
hingewiesen zu haben. Er muss aber zugeben, dass er von der Erfolglosigkeit
seines Hinweises Kenntnis hatte und dass die Buchhaltung erst viele Monate
nach Beginn der Strafuntersuchung eingerichtet wurde. Da die Gesellschaften
vor Einleitung der Strafuntersuchung schon während etwa einem Jahr
bestanden hatten und Maurer in dieser Zeit eine grössere Zahl seiner
zweifelhaften Geschäfte über die Gesellschaften abgewickelt hatte, kann
Häusler sich auch nicht mit der Behauptung entlasten, er habe angenommen,
dass die Buchhaltung innert kurzer Frist eingerichtet und die Bücher auf
den Gründungstag nachgeführt würden. Die Pflicht zur Führung der Bücher
war ihm umso besser bekannt, als er kurze Zeit vor der Gründung der drei
Gesellschaften wegen Unterlassung der Buchführung im Sinne von Art. 166
und 172 StGB zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden war.