Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 IV 54



96 IV 54

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. April 1970
i.S. X. gegen Dr. Y. Regeste

    Art. 173 ff. StGB. Bedeutung des Wortes "Querulant". Ob psychiatrische
Fachausdrücke wirklich oder nur scheinbar im medizinischen Sinne verwendet
wurden, ist sorgfältig zu prüfen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Querulanz im Sinne der Psychiatrie bedeutet eine psychisch
krankhafte Persönlichkeitsentwicklung, die sich in abnormen Reaktionen
äussert, indem der Querulant das eigene, meist falsch beurteilte Recht in
übertriebener und rücksichtsloser Art und mit Mitteln vertritt, die in
keinem angemessenen Verhältnis zum erreichbaren Ziel stehen (BLEULER,
Lehrbuch der Psychiatrie, S. 110, 436, 458; WYRSCH, Gerichtliche
Psychiatrie, S. 225, 248).

    Geistig oder psychisch Kranke sind weder für ihren Krankheitszustand
noch für die von der Umwelt als störend empfundenen abnormen Reaktionen
verantwortlich. Daher liegt auch in der Äusserung, jemand sei psychisch
krank, an sich keine moralisch verwerfliche, den Ruf als Mensch
herabsetzende Behauptung im Sinne der Art. 173 ff. StGB (BGE 93 IV 21).

    Psychiatrische Fachausdrücke werden jedoch im Alltagsleben oft nicht im
wissenschaftlichen Sinne, zur objektiven Umschreibung des Zustandsbildes
eines psychisch Kranken verwendet, sondern dazu missbraucht, um jemanden
als verschroben, charakterlich minderwertig hinzustellen und in seiner
persönlichen Ehre herunterzumachen. Das gilt z.B. vom Wort Psychopath
(BGE 93 IV 22), in ebensolchem, wenn nicht noch höherem Masse vom Ausdruck
Querulant. Nicht jeder, der sein Recht hartnäckig verfolgt, auch nicht
jeder Streitsüchtige, fällt unter den psychiatrischen Begriff der Querulanz
(WYRSCH, aaO S. 225, 248). Es ist daher im Einzelfall gründlich zu prüfen,
ob psychiatrische Ausdrücke solcher Art wirklich oder nur scheinbar
im medizinischen Sinne gebraucht worden sind und wie die Äusserung von
Dritten, an die sie gerichtet war, verstanden werden musste (BGE 92 IV
96/97). Das gilt auch dann, wenn die Äusserung von einem Arzt oder andern
wissenschaftlich Gebildeten getan wird.