Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 IV 42



96 IV 42

10. Urteil des Kassationshofes vom 15. Januar 1970 i.S. Schmidt gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Art. 15 Abs. 3 SSV. In einer bloss dem Zubringerdienst geöffneten
Strasse ist das Parkieren nur Fahrzeugführern erlaubt, die als Zubringer
die Strasse befahren dürfen.

Sachverhalt

    A.- Am Oberen Auberg in Basel zweigt von der Holbeinstrasse
die Aubergstrasse ab, die in der Schertlingasse ihre Fortsetzung
findet und zusammen mit dieser in einer Schlaufe in die Holbeinstrasse
zurückführt. Auf dem Strassenstück Aubergstrasse/Schertlingasse besteht in
dieser Richtung Einbahnverkehr. Nebst dem entsprechenden Signal Nr. 314 ist
zu Beginn der Aubergstrasse ausserdem das Signal "Allgemeines Fahrverbot"
(Nr. 201) mit der Zusatztafel "Nur Zubringerdienst gestattet" aufgestellt.

    Als Werner Schmidt am 17. Mai 1969 seinen Personenwagen im
Steinengraben, wo er wohnt, nicht parkieren konnte, fuhr er, um einen
Parkplatz zu finden, in die Aubergstrasse und stellte dort seinen Wagen
vor der Liegenschaft Oberer Auberg 11 ab. Er wurde deswegen von der
Polizei verzeigt.

    B.- Der Polizeigerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt verfällte
Schmidt zunächst durch Strafbefehl und auf Einsprache durch Urteil wegen
Nichtbeachtung des Fahrverbots in Anwendung der Art. 27 Abs. 1 und Art.
90 Abs. 1 SVG in eine Busse von Fr. 20.-.

    Gegen dieses Urteil erhob Schmidt Beschwerde, die vom Ausschuss
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 12. November 1969
abgewiesen wurde.

    C.- Schmidt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, in der Aubergstrasse
sei das Parkieren an sich gestattet; die Einfahrt zu diesem Zwecke sei
daher nicht verboten, sondern erlaubter Zubringerdienst.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Kantone sind gemäss Art. 3 SVG unter gewissen
Voraussetzungen befugt, für bestimmte Strassen Fahrverbote und andere
Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Solche Anordnungen unterstehen,
soweit sie zur Regelung des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs getroffen
werden, nicht dem kantonalen, sondern dem eidgenössischen Recht (Art. 3
Abs. 5 SVG).

    Es ist unbestritten, dass das für die Aubergstrasse verfügte
beschränkte Fahrverbot rechtlich verbindlich ist, d.h. von der zuständigen
kantonalen Behörde formgültig erlassen und vorschriftsgemäss signalisiert
worden ist (Art. 5 Abs. 3 SVG, Art. 14 Abs. 2 SSV).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 15 Abs. 3 SSV bedeutet der bei einem Fahrverbot
angebrachte Vermerk "Zubringerdienst gestattet", dass Fahrten zum Abliefern
oder Abholen von Waren und Fahrten von Anwohnern und Personen, die Anwohner
zu treffen oder auf anliegenden Grundstücken Arbeiten zu verrichten haben
sowie die Beförderung solcher Personen durch Dritte erlaubt sind.

    Der Ausdruck Zubringerdienst umfasst demnach nur Fahrten, die dazu
bestimmt sind, auf der gesperrten Strecke Waren abzuliefern oder abzuholen
oder Personen zu befördern, die dort wohnen oder Anwohner besuchen oder
auf einem anliegenden Grundstück zu tun haben. Es genügt also nicht,
dass die Fahrt innerhalb der mit einem Fahrverbot belegten Strasse
beendet und diese nicht für den Durchgangsverkehr benützt wird. Soweit
sich der Beschwerdeführer für seine gegenteilige Auffassung auf SCHULTZ
(Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht,
S. 302 Ziff. 3) beruft, stösst sein Hinweis schon deswegen ins Leere,
weil SCHULTZ an der angegebenen Stelle keine eigenen Ausführungen macht,
sondern nur kantonale Entscheidungen wiedergibt, die überdies ergangen
waren, bevor die heute geltende Verordnung vom 31. Mai 1963 erlassen
wurde. Nach dieser aber ist eindeutig, dass nicht alle Zufahrten,
die ihr Ziel in der Sperrzone haben, unter den Begriff der Zubringung
fallen, sondern nur Fahrten, die im Sinne von Art. 15 Abs. 3 mit einem
Anwohner oder Anliegergrundstück in Beziehung stehen. Der Wortlaut der
Bestimmung und die ausdrückliche Aufzählung der einzelnen Fahrten, die
als Zubringerdienst gelten, machen zudem klar, dass die Umschreibung
abschliessenden Charakter hat. Sie entspricht auch dem allgemeinen
Sprachgebrauch. Wer ausschliesslich zum Zwecke des Parkierens in eine nur
dem Zubringerdienst geöffnete Strasse einfährt, ist nicht Zubringer. Der
Beschwerdeführer, der weder Anwohner war, noch mit einer angrenzenden
Liegenschaft oder dort befindlichen Person etwas zu tun hatte, sondern
seinen Wagen einzig zum Abstellen in die Aubergstrasse verbrachte, hat
daher dem Fahrverbot zuwidergehandelt.

    Zu einer anderen Auslegung führt auch nicht der Einwand, dass
die Anwohner einer für den Zubringerdienst geöffneten Strasse,
die dort parkieren können, gegenüber Dritten bevorzugt würden, wenn
die Zufahrt zu Parkierungszwecken nicht jedermann erlaubt werde. Dem
ist entgegenzuhalten, dass eine unterschiedliche Behandlung gewisser
Fahrzeugarten oder Fahrzeugführer im Interesse der Verkehrssicherheit oder
aus verkehrspolizeilichen Gründen im Strassenverkehr unvermeidlich ist
und hingenommen werden muss. Ein Fahrverbot mit erlaubtem Zubringerdienst
heisst übrigens nicht, dass den Anwohnern das Parkieren auf dieser Strecke
immer gestattet sei; die Bewilligung zum Parkieren kann im Einzelfall
je nach den Verhältnissen auch zeitlich oder örtlich beschränkt oder
gänzlich entzogen sein. Soweit das Parkieren erlaubt ist, steht es aber
nur solchen Verkehrsteilnehmern zu, welche die Strasse überhaupt befahren
dürfen. Gleich verhält es sich, wenn ein allgemeines Fahrverbot für
bestimmte Fahrzeugkategorien aufgehoben ist; auch in diesem Falle bleibt
den Fahrzeugen verbotener Kategorien die Zufahrt schlechthin untersagt,
folglich auch zum blossen Parkieren, ohne dass dies durch ein Signal
noch besonders angezeigt werden müsste. Hätten beschränkte Fahrverbote
im Sinne der Beschwerde die Bedeutung, dass solche Strassen von den an
sich nicht zugelassenen Fahrzeugen wenigstens zum Zwecke des Parkierens
allgemein befahren werden dürften, so wären nicht nur Missbräuchen Tür
und Tor geöffnet, sondern es würde bei der heutigen Parkplatznot auch
der Durchgangsverkehr in einem Masse zunehmen, dass solche Verbote ihren
Zweck nicht mehr erfüllen könnten und die Wirksamkeit der Verkehrsordnung
in Frage gestellt wäre. Dieser grundsätzliche Standpunkt gilt auch für
Strassen, die nur dem Zubringerdienst offen stehen.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.