Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 IV 145



96 IV 145

37. Urteil des Kassationshofes vom 4. November 1970 i.S. Gschwend gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste

    Art. 148 StGB. Wer beim Verkauf eines Autos verschweigt, dass dieses
erhebliche Unfallschäden erlitten hat, und den reparierten Wagen als
neuwertig anpreist, begeht eine arglistige Täuschung. Ob ein Auto als
Unfallwagen zu gelten hat, richtet sich nach den allgemeinen Anschauungen
des Geschäftsverkehrs (Erw. 1 und 2). Die Nichtigkeit des Kaufvertrages
schliesst strafbaren Betrugsversuch nicht aus (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Karl Gschwend, Vertreter der Firma Ford-Auto-Zentrum in
St. Margrethen, verkaufte am 16. Juli 1966 Wilhelm Wegerhoff gegen Hingabe
eines VW-Personenwagens im Wert von Fr. 2500.-- und Aufzahlung eines
Betrages von Fr. 4300.-- ein Personenauto Ford Cortina des Modelljahres
1966, das rund 3200 km gefahren worden war. Gschwend bezeichnete den Ford
Cortina als neuwertig und verschwieg, dass dieser Unfallschäden erlitten
hatte, deren Reparatur ca. Fr. 2000.-- gekostet hatte.

    Wegerhoff, der wenige Tage nach der Übernahme erhebliche Mängel am
Wagen feststellte, erreichte Ende Juli 1966 die Rückgängigmachung des
Kaufes und erstattete später Strafanzeige wegen Betruges.

    B.- Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen erklärte Gschwend am
13. Oktober 1969 des untauglichen Betrugsversuches schuldig und verurteilte
ihn zu einem Monat Gefängnis mit bedingtem Strafaufschub.

    C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhob Gschwend kantonale und
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Erstere wurde vom Kassationsgericht
des Kantons St. Gallen am 23. Mai 1970 abgewiesen. Mit der beim
Bundesgericht eingereichten Beschwerde verlangt der Verurteilte seine
Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der an Wegerhoff verkaufte Ford Cortina war am 23. Juni 1966 bei
einer Auffahrkollision von hinten gerammt worden, wobei der linksseitige
Chassis-Längsträger gestaucht wurde und Blechschäden entstanden, so
dass der linke Chassis-Längsträger ersetzt und das Fahrzeug linksseitig
gestreckt sowie verschiedene Bestandteile gerichtet werden mussten. Alle
diese Umstände waren dem Beschwerdeführer bekannt; er selber hatte wenige
Tage nach dem Unfall der damaligen Eigentümerin des Wagens ein neues Auto
verkauft und im Kaufvertrag das beschädigte Fahrzeug als "Cortina Unfall
1966" bezeichnet.

    Anderseits wusste der Beschwerdeführer, dass Wegerhoff auf die
Unfallfreiheit des zu kaufenden Wagens Gewicht legte und kein Fahrzeug
erwerben wollte, das an einem Unfall beteiligt gewesen war. Der
Beschwerdeführer war daher nach Treu und Glauben verpflichtet,
Wegerhoff über die für den Kauf wesentliche Tatsache, dass der Ford
Cortina Unfallschäden erlitten hatte, wahrheitsgemäss aufzuklären. Er
verschwieg sie nicht nur, sondern behauptete gegenteils bewusst
wahrheitswidrig, dass der frühere Eigentümer den Wagen wegen Anschaffung
eines grösseren zurückgegeben habe, und sicherte ausserdem zu, der Wagen
sei neuwertig. Diese Täuschung bestimmte Wegerhoff zum Abschluss des
Kaufvertrages.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer bestreitet den Täuschungsvorsatz unter
Berufung darauf, dass der Ford Cortina nach den Richtlinien der
freiberuflichen Fahrzeugsachverständigen beim Unfall blosse Blechschäden
erlitten habe und daher kein Unfallwagen gewesen sei. Damit kann der
Beschwerdeführer seine Gutgläubigkeit aber nicht dartun. Massgebend
ist nicht, wie der Begriff des Unfallwagens in einem engeren Kreis von
Sachverständigen für bestimmte Zwecke umschrieben wird, sondern wie der
Ausdruck im allgemeinen nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr zu
verstehen ist. Die bei der fraglichen Auffahrkollision eingetretenen
Schäden betrafen u.a. das Fahrgestell, somit einen wichtigen Teil des
Wagens, und waren, wie die vorgenommenen Reparaturen zeigen, erheblicher
Art, so dass von einem unbedeutenden Unfall oder von reinen Blechschäden
nicht die Rede sein kann. Selbst Laien im Autohandel wissen, dass nach
derartigen Reparaturen mit der Möglichkeit erst später auftretender Mängel
gerechnet werden muss, weshalb solche Wagen im Handel niedriger bewertet
werden. Umsoweniger durfte der Beschwerdeführer als Autoverkäufer den
Wagen als unfallfrei und neuwertig anpreisen. Wenn er es trotzdem tat,
obschon der Käufer erfahren wollte, ob der Wagen schon an einem Unfall
beteiligt gewesen sei, so versetzte er diesen bewusst in einen Irrtum,
um ihn durch Täuschung zum Kaufabschluss zu verleiten.

    Die Vorinstanz hat zu Recht auch die Arglist bejaht. Es kann
dahingestellt bleiben, ob das Verschweigen der Unfallschäden in
Verbindung mit den ausdrücklich falschen Angaben nicht eine Machenschaft
darstellt, die bereits als solche arglistig war. Auf jeden Fall ist dieses
Merkmal dadurch gegeben, dass der Käufer den wahren Zustand des Wagens,
insbesondere die Unrichtigkeit der Behauptung, er sei unfallfrei, vor
Vertragsabschluss nicht ohne Beizug eines Fachmannes hätte feststellen
können und dass ihm eine solche Vorkehr nicht zugemutet werden konnte
(BGE 72 IV 128, 77 IV 85, 88 I 42).

Erwägung 3

    3.- Es steht fest, dass der vereinbarte Kaufpreis von Fr. 6800.--
weder dem wirklichen Wagenwert noch dem Wert entsprach, den das Fahrzeug
nach den Zusicherungen des Beschwerdeführers hätte haben müssen, und dass
der Beschwerdeführer in Bereicherungs- und Schädigungsabsicht gehandelt
hat. Damit hat der Beschwerdeführer alles getan, was nach Art. 148 StGB
zur Verwirklichung des Betrugstatbestandes erforderlich war. Entgegen
der Behauptung des Beschwerdeführers haben sich die Parteien über den
Kauf geeinigt, und sie waren nach der Feststellung der Vorinstanz auch
überzeugt, dass der von ihnen unterzeichnete Kaufvertrag verbindlich
sei. Dass eine Schädigung des Käufers nicht eingetreten ist, weil der
Kaufvertrag wegen irrtümlicher Nichtbeachtung der in Art. 226a Abs. 2 OR
für den Abzahlungsvertrag aufgestellten Formvorschriften nichtig war und
der Käufer noch keine Zahlung geleistet hat, führt daher nicht zu einem
Freispruch, sondern hat nur zur Folge, dass der Beschwerdeführer anstatt
wegen vollendeten Betruges lediglich wegen Versuches zu bestrafen ist. Auch
wenn die Parteien offen gelassen haben sollten, ob der Restkaufpreis in
bar oder in Raten zu bezahlen sei, so wäre die verbrecherische Tätigkeit
gleichwohl soweit ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer wegen
Betrugsversuches bestraft werden müsste.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.