Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 58



96 II 58

12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 1970
i.S. Diasond AG gegen Quiba AG. Regeste

    Art. 367 OR.

    1.  Unsorgfältiges Vorgehen des Unternehmers, das sich in der
Beschaffenheit des Werkes nicht auswirkt, sondern nur zu einem übermässigen
Aufwand an Arbeit, Stoff und dergleichen führt, ist nicht ein Mangel im
Sinne dieser Bestimmung.

    2.  Wenn der Besteller deswegen die Lohnforderung des Unternehmers
beanstandet, braucht er keine Frist einzuhalten.

Sachverhalt

    A.- Die Quiba AG liess im Jahre 1966 rings um die Baugrube eines in
Zürich-Oerlikon zu erstellenden Geschäftshauses einen etwa 65 cm breiten
und 13 bis 18,5 m tiefen Graben ausheben, diesen mit Bentonitschlemme
füllen, Spundbohlen in die Schlemme stellen und ein Stück weit in den Boden
einrammen, den ausserhalb der Spundwand liegenden Teil des Grabens mit
Geröll füllen und hierauf durch Einpressen von Ton-Gel-Mischung mittels
Injektionslanzen die Bentonitschlemme aus dem Geröll verdrängen. Dadurch
sollten die Spundwand gegen eindringendes Wasser abgedämmt und der
anschliessende Boden gefestigt und abgedichtet werden.

    Die Ton-Gel-Mischung wurde von der Diasond AG eingepresst. Diese
hatte der Quiba AG die Arbeit am 23. Mai 1966 zum Preise von Fr. 101.--
je Kubikmeter angeboten, nachdem ihr die Quiba AG Angaben gemacht hatte,
die eine einzubringende Menge von voraussichtlich 490 m3 ergaben. Auf
Grund der Erfahrungen, die vom 12. Juli bis 2. August 1966 mit dem
Einpressen der ersten 115 m3 gemacht wurden, teilte indessen die Diasond
AG der Bestellerin am 4. August 1966 mit, für das ganze Werk würden
mutmasslich etwa 650 m3 verbraucht werden. Ferner liess die Unternehmerin
der Bestellerin zu Beginn jeden Monates Zwischenrechnungen zukommen. Am
Abend des 4. November 1966 stellte sie die Arbeiten auf Weisung des
bauleitenden Ingenieurs der Bestellerin ein. In der Folge verlangte sie
für das Einpressen von 1545,2 m3 Ton-Gel-Mischung zu Fr. 101.-- einen
Betrag von Fr. 156'065.20, was zusammen mit der Vergütung für andere
Leistungen eine Gesamtforderung von Fr. 240'137.-- ergab.

    Die Quiba AG bestritt die Schuldpflicht für einen Teilbetrag
von Fr. 81'637.--, weil sie den Verbrauch von Ton-Gel-Mischung als zu
hoch erachtete. Diesen Betrag nebst Zins und Kosten des Zahlungsbefehls
klagte die Diasond AG ein.

    B.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte am 10. September
1969 die Klage im Teilbetrage von Fr. 43'924.30 nebst 6% Zins seit
6. Dezember 1966 und hob den Rechtsvorschlag der Beklagten in der
Betreibung Nr. 75/67 des Betreibungsamtes Zürich 6 in diesem Umfange auf.

    Es kam zum Schluss, ausgewiesen sei ein berechtigter Verbrauch
von schätzungsweise 1171,8 m3 Ton-Gel-Mischung. Der Mehrverbrauch von
etwa 373,4 m3 müsse hauptsächlich darauf zurückgeführt werden, dass
das Mischgut, weil es zu dünnflüssig war, leichter in die benachbarten
Bodenschichten eingedrungen sei und dass der verhältnismässig kleine
Unterschied zwischen den Raumgewichten der Bentonitschlemme und der
Ton-Gel-Mischung den Auftrieb der letzteren und deren Vermengung mit
Bentonitschlemme begünstigt habe. Der Mehrverbrauch sei auch dadurch
entstanden, dass die Klägerin das Mischgut zum Teil unter zu hohem Druck
eingepresst habe.

    C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung,
dieses Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfange gutzuheissen.

    Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 367 OR,
denn die Beklagte habe das Werk nicht bemängelt; sie habe nie gerügt,
die verwendete Ton-Gel-Mischung sei zu dünnflüssig oder werde unter zu
hohem Druck eingespritzt. Selbst im Prozess habe sie nur von zu hohem Druck
gesprochen, dagegen ausdrücklich erklärt, sie wolle "durchaus nicht positiv
behaupten, die Klägerin habe verdünnte Mischungen verwendet". Die Beklagte
habe schon aus der ersten, aber auch aus allen späteren Zwischenrechnungen
gesehen, dass das veranschlagte Injektionsvolumen erheblich überschritten
würde. Trotzdem habe sie gegen die offensichtliche Mengenüberschreitung nie
Einspruch erhoben, weder während der Ausführung, noch nach der Beendigung
des Werkes. Sie sei verpflichtet gewesen, das Werk nach der Beendigung
der Arbeiten am 4. November 1966, spätestens aber unmittelbar nach
der Zustellung der Schlussrechnung vom 14. November 1966 zu prüfen und
zu bemängeln.

    D.- Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 367 Abs. 1 OR hat der Besteller des Werkes, sobald
es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, dessen Beschaffenheit
zu prüfen und den Unternehmer von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu
setzen. Gemeint sind die in der Beschaffenheit des Werkes zum Ausdruck
kommenden Mängel. Das ergibt sich denn auch aus Abs. 2 des Art. 367,
wonach jeder Teil berechtigt ist, auf seine Kosten eine Prüfung des Werkes
durch Sachverständige und die Beurkundung des Befundes zu verlangen.

    Unsorgfältiges Vorgehen des Unternehmers, das sich in der
Beschaffenheit des Werkes nicht auswirkt, sondern nur zu einem übermässigen
Aufwand an Arbeit, Stoff und dergleichen führt, ist nicht ein Mangel im
Sinne des Art. 367. Wenn die Vergütung für das Werk zum voraus genau
bestimmt wurde, benachteiligt ein zu grosser Aufwand ohne weiteres den
Unternehmer (Art. 373 Abs. 1 OR). Er geht aber auch dann zu seinen Lasten,
wenn der Werklohn zum voraus entweder gar nicht, nur ungefähr oder nur in
der Form von Preisen für die Einheit der Arbeit, des Stoffes oder anderer
Aufwendungen vereinbart worden ist. Denn der Unternehmer ist verpflichtet,
bei der Ausführung des Werkes sorgfältig vorzugehen und die Interessen des
Bestellers in guten Treuen zu wahren (Art. 364 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 328 Abs. 1 OR). Auf dem gleichen Boden steht Art. 365 Abs. 2 OR, der
den Unternehmer verpflichtet, den vom Besteller gelieferten Stoff mit aller
Sorgfalt zu behandeln und über dessen Verwendung Rechenschaft abzulegen.

    Art. 374 OR, wonach die nicht zum voraus genau bestimmte Vergütung
nach dem Wert der Arbeit und der Aufwendungen festzusetzen ist, entbindet
den Unternehmer der erwähnten Sorgfaltspflichten nicht. Der Werklohn
bestimmt sich nicht nach dem tatsächlichen Aufwand, sondern nach der
Arbeit, dem Stoff und dergleichen, die bei sorgfältigem Vorgehen des
Unternehmers zur Ausführung des Werkes genügt hätten. Sind die Parteien
über das Mass dieses Aufwandes uneins, so streiten sie nicht über einen
Mangel des Werkes, sondern über die Frage, wie der zum voraus nicht genau
vereinbarte Werklohn zu berechnen sei. Dieser Streit setzt nicht voraus,
dass der Besteller das Werk prüfe und beanstande. Es genügt, dass er sich
der Forderung des Unternehmers widersetzt. Hiezu braucht der Besteller
keine Frist einzuhalten. Solange er die Rechnung des Unternehmers nicht
ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt hat, kann er jederzeit die
Rechnungsgrundlagen bestreiten und die Unangemessenheit des vom Unternehmer
behaupteten Aufwandes geltend machen.

Erwägung 2

    2.- Das Werk, für das die Klägerin Lohn fordert, bestand darin, dass
sie durch Einpressen von Ton-Gel-Mischung in den mit Bentonitschlemme
und Geröll gefüllten Graben die Spundwand gegen eindringendes Wasser
abzudämmen und den anschliessenden Boden zu festigen und abzudichten
hatte. Die Beklagte wirft ihr nicht vor, das Ergebnis dieser Arbeit
sei fehlerhaft. Sie macht nur geltend, die Klägerin hätte es mit einem
geringeren Aufwand an Arbeit und Ton-Gel-Mischung erzielen können, wenn sie
sorgfältiger vorgegangen wäre, d.h. die Mischung dickflüssiger verwendet
und zum Teil mit geringerem Drucke eingespritzt hätte. Die Auffassung
der Klägerin, die Beklagte hätte ihr diesen Vorhalt durch eine im Sinne
des Art. 367 OR rechtzeitige Mängelrüge mitteilen müssen, hält nicht
stand. Die Beklagte konnte ihn der Forderung der Klägerin jederzeit,
auch im Prozesse noch, entgegenhalten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 10. September 1969 bestätigt.