Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 409



96 II 409

53. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. November 1970 i.S. Monopol-Films
AG gegen Chaplin und The Roy Export Company Establishment. Regeste

    Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst
(BUe).

    1.  Art. 6 Abs. 2 und 3 URG, Art. 4 BUe. Schutz von Urheberrechten
an einem erstmals im Ausland herausgegebenen Chaplin-Film, der von
einem Dritten eigenmächtig wiedergegeben und zum Teil bearbeitet
wird. Rechtsgrundlage. Begriff der Veröffentlichung. Gleichzeitige
Veröffentlichung des Filmwerkes in einem verbandsfremden und in einem
Verbandslande (Erw. I 1-4).

    2.  Art. 13 URG, Art. 2 Abs. 1 und 2 BUe. Das Originalwerk und seine
Bearbeitung durch den Urheber geniessen den gleichen Schutz (Erw. I 5).

    3.  Art. 28 ZGB, Art. 6bis BUe. Schutz des Urhebers in seinen
persönlichen Beziehungen zum Werk (Erw. I 6).

    4.  Art. 54 Abs. 1 URG. Wann ist die Vernichtung eines widerrechtlich
hergestellten Filmes gerechtfertigt (Erw. II)?

Sachverhalt

    A.- Der in der Schweiz wohnhafte Charles Chaplin ist Verfasser eines
Bühnenstückes (dramatic composition), das den Titel "The Gold Rush"
trägt und in drei Akte aufgeteilt ist. Er hinterlegte es am 16. März 1925
beim Urheberrechtsamt der Vereinigten Staaten von Amerika und bestimmte,
dass es nicht für den Verkauf verfasst sei. Chaplin ist ferner Autor,
Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent eines den gleichen Titel tragenden
Stummfilms, den er am 13. Oktober 1925 beim amerikanischen Urheberrechtsamt
hinterlegen und gemäss amerikanischem Recht registrieren liess, wobei er
als Datum der Veröffentlichung den 16. August 1925 angab. Von diesem Tage
an wurde der Film in den Vereinigten Staaten und in Kanada aufgeführt. Kurz
vorher hatte Chaplin ihn der Verleihfirma United Artists Corporation in
New York zur Verbreitung übergeben.

    Durch Umarbeitung des Stummfilms schuf Chaplin 1942 einen Tonfilm,
der am 12. Mai 1942 in den Vereinigten Staaten registriert wurde. Die
Musik dazu hat er selber zusammengestellt, den Text selber geschrieben
und gesprochen. Den Text liess er später ins Deutsche übertragen, wobei
der Tonfilm den Titel "Goldrausch" bekam. Am 8. Dezember 1955 übertrug
er die Auswertungsrechte am Stumm- und am Tonfilm auf die Roy Export
Company in Tanger, die ihrerseits diese Rechte an die Roy Export Company
Establishment in Vaduz abtrat.

    Gemäss einem im November 1962 erschienenen Programm für 1962/63 bot
die in Zürich niedergelassene Verleihgesellschaft Monopol-Films AG den
Film "Goldrausch" von Chaplin zur "Neu-Aufführung" an. Es handelt sich
dabei um eine gekürzte Fassung des Stummfilms, welche die deutsche Firma
Atlas-Filmverleih GmbH ohne Erlaubnis Chaplins mit deutschsprachigen
Zwischentiteln und einer von Konrad Elfers geschriebenen Musik versehen
liess.

    B.- Als Chaplin und die Roy Export Company erfuhren, dass die
Monopol-Films AG eine "Neu-Aufführung" des Stummfilms in schweizerischen
Filmtheatern vorbereite, ersuchten sie den Einzelrichter des Bezirkes
Zürich, im Besitze der Monopol-Films AG befindliche Kopien des Filmes
sofort zu beschlagnahmen und ihr dessen Verbreitung bei Strafe zu
verbieten. Der Einzelrichter entsprach dem Gesuch am 30. November 1962
im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, die vom Obergericht des Kantons
Zürich am 19. Juli 1963 bestätigt wurde.

    Innert der ihnen auferlegten Frist klagten Chaplin und die Roy
Export Company sodann beim Obergericht gegen die Monopol-Films AG mit
den Begehren, der Beklagten den Vertrieb des Chaplin-Filmes "Goldrausch"
unter Strafandrohung zu untersagen und die am 3. Dezember 1962 bei der
Beklagten beschlagnahmte Kopie des Filmes vernichten zu lassen.

    Durch Urteil vom 3. März 1970 verbot das Obergericht der Beklagten,
den Chaplin-Film "Goldrausch" in der Schweiz feilzuhalten, zu verleihen
oder sonstwie, insbesondere durch Vorführenlassen in Kinotheatern,
in Verkehr zu bringen. Es verband das Verbot mit der Androhung, dass
die Organe der Beklagten im Falle einer Widerhandlung wegen Ungehorsams
gerichtlich bestraft würden. Eine Vernichtung der beschlagnahmten Filmkopie
hielt das Obergericht nicht für notwendig.

    C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts die Berufung
erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Klage vollumfänglich
abzuweisen oder die Sache zur Abnahme angetragener Beweise an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Kläger haben sich der Berufung angeschlossen mit dem Antrag,
die Zerstörung der beschlagnahmten Filmkopie anzuordnen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass zur Herstellung des
Films, den die Beklagte im November 1962 zur "Neu-Aufführung" anbot, ein
Bildstreifen des von Chaplin geschaffenen Stummfilms verwendet wurde. Man
schnitt aus dem Negativ insgesamt lediglich 185 m heraus, weil einzelne
Stellen wegen ihres schlechten Zustandes nicht mehr brauchbar waren. Die
Atlas-Filmverleih GmbH beauftragte Elfers, die Musik zur "Neu-Aufführung"
zu schreiben. Sie liess ferner die Zwischentitel ins Deutsche übertragen,
wobei darauf geachtet wurde, dass die Übersetzung nicht vom Sinn des
Stummfilms abwich. Die Schriftart und die Randzeichnungen der Zwischentitel
wurden beibehalten. Neue Szenen wurden keine eingefügt. Der Charakter des
Films und der Handlungsablauf blieben vielmehr unverändert; das Bildwerk
entspricht bis auf die weggelassenen Stellen, deren Fehlen für das Publikum
nicht bemerkbar ist, genau Chaplins Stummfilm.

    Der von der Atlas-Filmverleih GmbH hergestellte Film war somit zur
Hauptsache eine Wiedergabe, zum Teil eine Bearbeitung des von Chaplin 1925
geschaffenen Stummfilms. Die Beklagte bestreitet das nicht, führt sie doch
in der Berufung aus, sie habe 1962 beabsichtigt, die Originalfassung des
Stummfilms in der Schweiz zu verleihen, sei daran jedoch durch die Kläger
gehindert worden. Sie macht hingegen geltend, in den Vereinigten Staaten
sei der urheberrechtliche Schutz für den Stummfilm 1953 abgelaufen und in
den Ländern der Berner Übereinkunft habe der Film überhaupt keinen Schutz
erlangt. Als gemeinfreies Werk habe aber ein Dritter den Film beliebig
bearbeiten, insbesondere auch mit Musik versehen und seine Titel in eine
andere Sprache übersetzen dürfen.

Erwägung 2

    2.- Chaplin hat seinen Stummfilm nicht in der Schweiz zuerst
herausgegeben. Er ist zudem britischer Staatsbürger, und die Roy Export
Company hat ihren Sitz in Liechtenstein. Die Kläger können sich daher nicht
auf Art. 6 Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 URG berufen; nach diesen Bestimmungen
sind nur die Werke von Schweizerbürgern und die erstmals in der Schweiz
herausgegebenen Werke von Ausländern geschützt. Fragen kann sich bloss,
ob der urheberrechtliche Schutz des Stummfilms in der Schweiz sich aus
Gegenrechtserklärungen oder aus Staatsverträgen ergebe (Art. 6 Abs. 2
und 3 URG).

    Der Bundesratsbeschluss vom 26. September 1924 betreffend Gegenrecht
zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über das
Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst (BS 2 S. 841) bezieht sich
nur auf Bürger dieser beiden Staaten und ist daher im vorliegenden Fall
nicht anwendbar. Das Welturheberrechts-Abkommen vom 6. September 1952
sodann findet Anwendung auf Werke, die beim Inkrafttreten des Abkommens in
dem vertragsschliessenden Staat, in dem der Schutz beansprucht wird, noch
geschützt waren (Art. VII). Diesen Schutz konnte der Stummfilm Chaplins
am 30. März 1956, als das Abkommen in der Schweiz in Kraft trat (AS 1956
S. 101/102), hier nur gestützt auf eine internationale Regelung wie die
Berner Übereinkunft haben, auf welche die Kläger sich denn auch berufen.

Erwägung 3

    3.- Die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und
Kunst (BUe) in der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Fassung ist für
die Schweiz am 2. Januar 1956 (AS 1955 S. 1092) und für Grossbritannien am
15. Dezember 1957 (Le Droit d'Auteur 1957 S. 225) in Kraft getreten. Sie
gilt für alle Werke, die bei Inkrafttreten der (revidierten) Fassung
noch nicht infolge Ablaufs der Schutzdauer im Ursprungsland Gemeingut
geworden sind (Art. 18 Abs. 1). Wie es sich damit im vorliegenden Fall
verhält, hängt von den früheren Fassungen, insbesondere von den zur Zeit,
als der Stummfilm herausgegeben wurde, geltenden Bestimmungen der BUe
ab. Die in Rom vereinbarte Fassung vom 2. Juni 1928 ist von der Schweiz
und von Grossbritannien mit Wirkung ab 1. August 1931 ratifiziert worden
(BS 11 S. 960 und 962). Sie beschränkt ihre Anwendbarkeit in Art. 18
Abs. 1 ebenfalls auf Werke, die bei Inkrafttreten der Übereinkunft
im Ursprungsland noch nicht infolge Ablaufs der Schutzdauer gemeinfrei
geworden sind. Damit wird auf die am 13. November 1908 in Berlin revidierte
Fassung verwiesen, der sowohl Grossbritannien als auch die Schweiz schon
vor 1925 beigetreten sind (BS 11 S. 941/942). Ob der Stummfilm 1925 in
der Schweiz urheberrechtlichen Schutz erlangt und ihn 1962 noch genossen
hat, ist daher nach den Bestimmungen der jeweils geltenden Fassung der
Übereinkunft zu beurteilen.

    Die Fassung von 1908 - wie übrigens auch jene von 1928 und 1948 -
bestimmt in Art. 4 Abs. 1, dass die einem Verbandslande angehörigen
Urheber für ihre unveröffentlichten wie für ihre zum ersten Mal in einem
Verbandsland veröffentlichten Werke in allen Verbandsländern, ausser dem
Ursprungsland, die gleichen Rechte geniessen, welche die Gesetzgebung eines
Verbandslandes den inländischen Urhebern einräumt. Damit ist zugleich
gesagt, dass ein Urheber, selbst wenn er einem Verbandsland angehört,
diese Rechte für erstmals in einem verbandsfremden Lande veröffentlichten
Werke nicht beanspruchen darf. Eine Ausnahme sieht Art. 4 Abs. 3 für Werke
vor, die gleichzeitig in einem verbandsfremden und in einem Verbandslande
veröffentlicht werden; diesfalls gilt das Verbandsland ausschliesslich
als Ursprungs-, d.h. als Land der ersten Veröffentlichung.

    Unter Werken der Literatur und Kunst sind schon nach der Fassung von
1908 alle Erzeugnisse auf dem Gebiete der Literatur, Wissenschaft und
Kunst zu verstehen, welches auch die Art oder die Form der Wiedergabe
sei, z.B. Schriftwerke, dramatische oder dramatisch-musikalische Werke,
musikalische Kompositionen mit oder ohne Text (Art. 2 Abs. 1). Die Fassung
von 1908 bestimmt ferner, dass die Übereinkunft auch auf die Werke der
Photographie und die durch ein analoges Verfahren hergestellten Werke
anwendbar ist (Art. 3), dass die Schutzdauer das Leben des Urhebers
und fünfzig Jahre nach seinem Tode umfasst (Art. 7 Abs. 1) und dass
kinematographische Erzeugnisse den gleichen Schutz geniessen wie Werke
der Literatur oder Kunst, wenn der Urheber durch den Plan der Inszenierung
oder die Verbindung der dargestellten Begebenheiten - was hier unbestritten
ist - dem Werk einen persönlichen Charakter verliehen hat (Art. 14 Abs. 2).

    Nach Art. 4 Abs. 4 der Fassung von 1908 sind unter veröffentlichten
Werken im Sinne der Übereinkunft die herausgegebenen Werke zu
verstehen; die Aufführung eines dramatischen, dramatisch-musikalischen
oder musikalischen Werkes, die Ausstellung eines Kunstwerkes und die
Errichtung eines Werkes der Baukunst sind keine Veröffentlichung. Eine
Veröffentlichung im Sinne dieser Bestimmung, die von den spätern
Fassungen im wesentlichen übernommen worden ist, liegt demnach nicht
schon dann vor, wenn Interessenten vom Werk Kenntnis nehmen können,
sondern erst dann, wenn es der Allgemeinheit in einer seiner Art
entsprechenden Zahl von Ausfertigungen zur Verfügung gestellt wird. Das
gilt auch für den Film. Dass die Fassung von 1908 kinematographische
Werke in Art. 4 Abs. 4 nicht erwähnt und dass Filme in der Regel bloss
vermietet, nach der Vorführung vom Vermieter zurückgenommen und nicht,
wie z.B. Bücher oder Schallplatten, verkauft werden, steht dem nicht
entgegen. Entscheidend ist weder die Vorführung noch die Rechtsform der
Vermittlung, sondern dass der Urheber den Film zum Vertrieb freigibt
und ihn dem breiten Publikum zugänglich macht. Das trifft zu, wenn der
Film mit Zustimmung des Berechtigten in einer solchen Zahl von Kopien
hergestellt und zum Vertrieb angeboten wird, dass der bei solchen Werken
übliche Bedarf des Publikums gedeckt werden kann (vgl. BAPPERT/WAGNER,
Internationales Urheberrecht, München und Berlin 1956, S. 69; PL. BOLLA,
in Le Droit d'Auteur 1954 S. 136).

Erwägung 4

    4.- Die Beklagte macht geltend, Chaplins Stummfilm sei erstmals in
den Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlicht worden, d.h. in einem
Lande, das keiner der drei Fassungen der Übereinkunft beigetreten sei. Die
Kläger bestreiten dies nicht, halten der Beklagten jedoch entgegen, dass
der Film gleichzeitig auch in einem Verbandslande, nämlich in Kanada,
herausgegeben worden sei.

    a) Grossbritannien hat am 14. Juli 1912, als es der revidierten Fassung
der BUe von 1908 beitrat, Kanada ausdrücklich vom Beitritt ausgenommen (AS
1912 S. 572/573). Im Januar 1924 teilte es den Verbandsländern mit, dass
Kanada als Dominium des Britischen Königreiches mit Wirkung ab 1. Januar
1924 der Übereinkunft beigetreten sei (AS 1924 S. 24). Am 10. April
1928 wurde Kanada selber ein Verbandsland (AS 1928 S. 237). Von 1924 bis
10. April 1928 gehörte Kanada somit als britische Kolonie und seitdem
als selbständiger Mitgliedstaat dem Verbande an.

    Weder Grossbritannien noch Kanada haben vor oder nach 1925 eine von
Art. 7 Abs. 1 BUe abweichende Schutzdauer eingeführt (vgl. Le Droit
d'Auteur 1912 S. 18 und 1921 S. 87; MÖHRING/SCHULZE/ULMER/ZWEIGERT,
Quellen des Urheberrechts I, unter Grossbritannien I S. 12 bzw. Kanada I
S. 12). Gemäss Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Fassung von 1908 und 1928 genoss
Chaplin daher in der Schweiz für den Stummfilm ohne Erfüllung einer
Förmlichkeit die gleichen Rechte, die das schweizerische Gesetz den
schweizerischen Urhebern einräumt, wenn er den Film in den Vereinigten
Staaten und in Kanada gleichzeitig veröffentlichte. Unter der gleichen
Voraussetzung steht ihm dieser Schutz seit 15. Dezember 1957 auch nach
Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Fassung von 1948 zu, wobei die Karenzfrist von 30
Tagen (Abs. 3 letzter Satz) allerdings nicht berücksichtigt werden darf;
wann gegebenenfalls die Schutzdauer gemäss BUe zu laufen begann, beurteilt
sich ausschliesslich nach den Bestimmungen der 1925 geltenden Fassung.

    b) Es ist unbestritten, dass Chaplin den Stummfilm erstmals am 26. Juni
1925 in Hollywood vorführen liess. Dass diese Aufführung öffentlich
war, hält das Obergericht nicht für erwiesen. In Würdigung des Beweises
nimmt es vielmehr an, Chaplin habe den Film erst von Mitte August 1925
an der Öffentlichkeit zur Verfügung halten wollen. Diese Feststellung
über den Willen des Urhebers ist tatsächlicher Natur und bindet das
Bundesgericht. Sie schliesst eine Veröffentlichung des Filmes vor dem
15. August 1925 aus. Eine Veröffentlichung liegt auch nach der Auffassung
der Beklagten nur vor, wenn der Urheber das Werk in der Absicht aus der
Hand gibt, es Dritten zugänglich zu machen.

    Die Aufführung in New York fand nach der Behauptung der Beklagten
am 15., nach jener der Kläger in der Nacht vom 15. auf den 16. August
1925 als "Mitternachtspremière" statt. Aus dem angefochtenen Urteil geht
nicht hervor, auf welche Behauptung das Obergericht abstellte. Wie es
sich damit verhält, kann offen bleiben, denn in der Berufung nimmt die
Beklagte ebenfalls an, der Stummfilm sei in der Nacht vom 15. auf den
16. August 1925 in New York aufgeführt worden. Von diesem Tag an wurde
der Film, was unbestritten ist, mit Zustimmung Chaplins und gestützt auf
Verleihverträge der United Artists Corporation in zahlreichen Kinotheatern
der Vereinigten Staaten gezeigt, hatte folglich in diesem Lande als
veröffentlicht zu gelten.

    c) Die Kläger machen geltend, der Stummfilm sei vom 16.  August
1925 an, als er erstmals in Kanada aufgeführt wurde, auch in diesem
Lande ununterbrochen bis 31. Dezember 1925 in vielen Theatern gezeigt
worden, womit das Erfordernis gleichzeitiger Veröffentlichung in einem
Verbandslande erfüllt sei. Die Beklagte bestreitet die Erstaufführung vom
16. August 1925 im "Regent Theatre" in Toronto nicht; sie stellt dagegen in
Abrede, dass eine Veröffentlichung des Films in Kanada von diesem Tage an
bewiesen sei. Die Kläger hätten nicht dargetan, dass damals in Kanada eine
Vertriebsstelle bestanden, diese über genügend Kopien verfügt und mit dem
Verleih des Filmes durch Abschluss von Verträgen begonnen habe. Jedenfalls
habe die Erstaufführung in Toronto nicht zu gleicher Zeit wie diejenige in
New York stattgefunden, da jene Stadt bedeutend westlicher liege als diese.

    aa) Zum Beweise ihrer Behauptung, dass der Stummfilm vom 16. August bis
zum 26. September 1925 ununterbrochen im "Regent Theatre" in Toronto und
vom 16. August bis 31. Dezember 1925 in 98 weitern Kinotheatern Kanadas
gezeigt worden sei, beriefen die Kläger sich auf das Kontrollbuch (ledger)
der United Artists Corporation. Die Vorinstanz hält dafür, die Behauptung
der Kläger lasse sich anhand dieses Buches nicht beweisen, weil es keine
Angaben über Daten und den Titel des Films enthalte.

    Diese Feststellung beruht, wie die Kläger mit Recht einwenden,
offensichtlich auf einem Versehen. Der Stummfilm wird im Kontrollbuch auf
vielen Seiten, die z.B. Aufführungen in Montreal, Toronto und Winnipeg
betreffen, mit dem Titel "Gold Rush" oder der abgekürzten Überschrift
"Rush" erwähnt. Auch weist das Buch in der diesem Film vorbehaltenen
Kolonne zahlreiche den Eintragungen mit Bleistift beigefügte Daten
in angelsächsischer Schreibweise (Monat, Tag, Jahr) auf. Ob das
Bundesgericht das Versehen von sich aus berichtigen könnte oder die
Sache wegen Beweiseinreden der Beklagten an die Vorinstanz zurückweisen
müsste, kann dahingestellt bleiben. Das Obergericht hält gestützt auf
Zeitungsausschnitte, insbesondere ein Inserat, das am 28. August 1925
in der amerikanischen Zeitschrift "The Film Daily" erschien und den
Stummfilm anpries, für erwiesen, dass der Film nach dem Willen Chaplins
vom 16. August 1925 an als veröffentlicht gelten sollte und dem Publikum
nicht bloss in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Kanada für
öffentliche Aufführungen zur Verfügung stand. Das ist Beweiswürdigung,
die das Bundesgericht bindet.

    bb) Dem Umstand, dass die United Artists Corporation in Kanada kein
Vertriebszentrum errichtete, hat das Obergericht mit Recht keine Bedeutung
beigemessen. Die Verbreitung eines Filmwerkes kann vom Hersteller und
seiner Verleihgesellschaft, zumal wenn es sich wie hier um Nachbarländer
handelt, auch von einem fremden Lande aus organisiert und besorgt werden.
Nicht massgebend ist ferner, wann die Verleihverträge abgeschlossen wurden.
Gewiss bedingt die Ausgabe eines Filmwerkes eine Reihe von Vorbereitungen,
zu denen unter Umständen auch der Abschluss von Verleihverträgen gehört.
Entscheidend ist indes allein, dass der Film in einer genügenden Zahl von
Kopien bereitgestellt und zur Aufführung angeboten wird. Das Erfordernis
eines ausreichenden Angebotes darf dabei freilich nicht überwertet werden.
Ein Film wird im Gegensatz z.B. zu literarischen oder musikalischen
Werken gewöhnlich bloss vermietet, weshalb die gleichen Kopien wiederholt
abgegeben werden können. Auch kommt für die Frage der Veröffentlichung
nichts darauf an, ob ein Film Erfolg habe oder nicht. Von einem Hersteller
darf zudem in einem Falle, wie hier, vernünftigerweise nicht verlangt
werden, dass er eine bereits mehr als 40 Jahre zurückliegende Herausgabe
eines Filmes bis in alle Einzelheiten nachweise. Es genügt, wenn er
Tatsachen dartut, die den Rückschluss zulassen, er habe seinerzeit die
handelsübliche Zahl von Kopien zu öffentlichen Aufführungen bereitgehalten
und angeboten.

    Solche Tatsachen haben die Kläger nach dem angefochtenen Urteil
dargetan. Das Obergericht nimmt als bewiesen an, dass der Stummfilm mit
dem Willen des Herstellers Dritten vom 16. August 1925 an uneingeschränkt
für öffentliche Vorführungen zur Verfügung stand und die Erstaufführungen
in New York und Toronto den Auftakt zu seinem Verleih bildeten. Diese
Annahme schliesst in sich, dass Chaplin bereit war, den Film sowohl in
Kanada wie in den Vereinigten Staaten zu verbreiten, und dass er über
die hiezu nötigen Kopien verfügte. Nachdem feststeht, dass er den Film
durch dieselbe Verleihgesellschaft und die gleichen Inserate in beiden
Ländern zur öffentlichen Aufführung anpreisen liess, ist übrigens nicht
zu ersehen, wie die Beklagte die Veröffentlichung in einem Lande bejahen,
im andern dagegen verneinen kann.

    cc) Schliesslich lässt sich im Ernst auch nicht bestreiten, dass
der Stummfilm in beiden Ländern gleichzeitig veröffentlicht worden
ist. Gewiss ist die Karenzfrist von 30 Tagen erst 1948 in Art. 4 Abs.
3 BUe aufgenommen worden. Das heisst indes nicht, die in den früheren
Fassungen enthaltene Bestimmung über die gleichzeitige Veröffentlichung
eines Werkes in zwei Ländern sei wörtlich zu nehmen; sie kann bei sinn-
und zweckentsprechender Auslegung nicht besagen, die Veröffentlichung müsse
im verbandsfremden und im Verbandslande am gleichen Kalendertag oder gar,
wie die Beklagte anzunehmen scheint, in der gleichen Stunde erfolgen,
unbekümmert um die Lage der Länder, die Entfernungen der Aufführungsorte
und die ortsüblichen Öffnungszeiten für Filmtheater. Entscheidend ist,
ob der Film nach dem Vorgehen des Berechtigten in beiden Ländern nicht
in zeitlich getrennten Aktionen, sondern in einem Zuge zur Verbreitung
angeboten wird. Dies aber traf hier zu. Die einheitliche Werbung in den
Vereinigten Staaten und in Kanada sowie die Erstaufführungen in New York
und Toronto, die wie das Obergericht feststellt, den Auftakt zum Verleih
des Filmes in den beiden Ländern bildeten, lassen daran nicht zweifeln.

    d) Hat somit der Stummfilm in Kanada und in den Vereinigten Staaten
als gleichzeitig veröffentlicht zu gelten, so geniesst Chaplin dafür
nach Art. 4 Abs. 1 bis 3 BUe in der Schweiz den gleichen Schutz,
den das schweizerische Gesetz den schweizerischen Urhebern gegen
Verletzung ihrer Rechte gewährt. Solche Verletzungen hat die Beklagte im
November 1962 dadurch begangen, dass sie seinen Stummfilm in der von der
Atlas-Filmverleih GmbH hergestellten Fassung zur "Neu-Aufführung" in der
Schweiz anbot; denn es handelte sich bei dieser Fassung im wesentlichen
um eine unerlaubte Wiedergabe (Art. 12 Abs. 1 Ziff. 1 URG), zum Teil um
eine widerrechtliche Bearbeitung (Art. 13 Abs. 1 URG).

    Die Roy Export Company hat sich Ende 1955 die Verwertungsrechte am
Stummfilm vom Hersteller abtreten lassen. Sie ist deshalb befugt, wegen
der von der Beklagten begangenen Verletzungen solcher Rechte zu klagen
und Rechtsschutz gegen weitere Verletzungen zu verlangen. Die Beklagte
hat diese Befugnis nach dem angefochtenen Urteil übrigens ausdrücklich
anerkannt.

Erwägung 5

    5.- Das Bühnenstück wurde am 16. März 1925 auf Antrag Chaplins beim
amerikanischen Urheberrechtsamt als nicht für den Verkauf bestimmt
registriert und zuhanden des Amtes in der Bibliothek des Kongresses
hinterlegt. Es ist bisher weder vervielfältigt noch herausgegeben
worden, kann folglich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht
als veröffentlicht im Sinne von Art. 4 Abs. 4 BUe gelten. Für ein
unveröffentlichtes Werk kann Chaplin sich aber schon als Angehöriger
eines Verbandslandes auf den Schutz der BUe berufen (Art. 4 Abs. 1).

    Nach der Auffassung der Beklagten ist das Bühnenstück nichts anderes
als die Wiedergabe des mit den Schauspielern gedrehten Stummfilms,
also kein selbständiges Werk, sondern ein Nebenprodukt des Filmes. Das
Obergericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt; es hat seinem Urteil
vielmehr die Darstellung der Kläger zugrunde gelegt, wonach es sich beim
Stummfilm um eine Bearbeitung des Bühnenstückes handelt, das im Film
in eine Pantomime umgestaltet und um hauptsächlich filmische Szenen
erweitert worden sei. Das Obergericht hält der Beklagten entgegen,
dass sie die Darstellung der Kläger im einzelnen nicht bestritten und
widerlegt habe, obschon sie sich dazu wiederholt habe äussern können,
insbesondere gestützt auf ein privates Gutachten, das sich eingehend mit
den Unterschieden der beiden Werke befasse und von den Klägern schon mit
der Klageschrift eingereicht worden sei; auf die behaupteten Unterschiede
könne deshalb abgestellt werden.

    Diese Annahme des Obergerichts stützt sich teils auf Beweiswürdigung,
teils auf kantonales Verfahrensrecht und kann mit der Berufung nicht
angefochten werden (Art. 43 Abs. 1, 5 Abs. 1it. c OG). Dass sie aufeiner
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften oder offensichtlich auf
Versehen beruhe, behauptet die Beklagte nicht. Das Bundesgericht ist
daher nicht befugt, von einem andern als dem festgestellten Sachverhalt
auszugehen. Nach diesem handelt es sich aber um zwei inhaltlich
verschiedene Werke, von denen das eine als das Original (Bühnenstück),
das andere (Stummfilm) als dessen Bearbeitung anzusprechen ist. Solche
Werke sind sowohl nach Art. 2 Abs. 1 und 2 BUe wie nach Art. 13 URG in
gleicher Weise geschützt.

    Chaplin hat die Auswertungsrechte am Stummfilm (und am Tonfilm),
nicht aber jene am Bühnenstück auf die Roy Export Company übertragen. Ob
er durch die unerlaubte Wiedergabe und Bearbeitung des Stummfilms und
durch das Verhalten der Beklagten, die den rechtswidrig hergestellten Film
anbot, auch in seinen Urheberrechten am Bühnenstück, dem Originalwerk,
verletzt worden sei, braucht nicht geprüft zu werden. Er ist durch das
Vorgehen der Monopol-Films AG und deren Rechtsvorgängerin, wie noch
näher ausgeführt wird, jedenfalls in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht
betroffen worden. Offen bleiben kann auch, ob Urheberrechte am Tonfilm
verletzt worden seien, denn diese Rechte sind nach den eigenen Angaben
der Kläger nicht Gegenstand des Prozesses.

Erwägung 6

    6.- Nach schweizerischer Rechtsauffassung und Gesetzgebung ist
der Urheber nicht nur in seinen vermögensrechtlichen Befugnissen am
Werk, sondern auch in seinen persönlichen Beziehungen zum Werk, d.h. in
seinem Urheberpersönlichkeitsrecht (droit moral) geschützt, das als Teil
oder besondere Seite des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aufgefasst
wird. Der Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechtes ergibt sich teils
aus Vorschriften des URG, wie z.B. aus Art. 43 Zifl. 1 und 2, vor allem
aber aus den Bestimmungen der Art. 28 ZGB und 49 OR, die in Art. 44
Satz 2 URG denn auch ausdrücklich vorbehalten werden. Er ergibt sich
ferner aus Art. 6bis BUe, der erstmals in der 1928 in Rom vereinbarten
Fassung vorkommt. Durch seine Zustimmung (AS 1931 S. 461) erklärte der
schweizerische Gesetzgeber diese Vorschrift im internationalen Verhältnis
auch für die Schweiz als anwendbar, hielt eine Ergänzung des URG aber für
unnötig, weil die in Art. 6bis umschriebenen Befugnisse des Urhebers schon
nach Art. 28 ZGB in genügender Weise geschützt seien (BBl 1930 II 113;
BGE 58 II 308 Erw. 5, 69 II 57/58, 84 II 573).

    a) Gemäss Art. 6bis Abs. 1 BUe (Fassung von 1948) behält der Urheber
unabhängig von seinen vermögensrechtlichen Befugnissen und selbst
nach deren Abtretung insbesondere das Recht, sich jeder Entstellung,
Verstümmelung oder sonstigen Änderung oder jeder anderen Beeinträchtigung
des Werkes zu widersetzen, welche seiner Ehre oder seinem Ruf nachteilig
sein könnten. Der Urheber braucht also keine Schmälerung seines Ansehens
nachzuweisen; es genügt, dass die Änderung oder Beeinträchtigung des Werkes
geeignet sind, sich nachteilig auf seine Ehre oder seinen Ruf auszuwirken.
Nach BAPPERT/WAGNER (aaO S. 87 N. 5 zu Art. 6bis BUe) hat er gegenüber
einem Dritten, der das Werk ohne seine Erlaubnis ändert, sogar einen
absoluten Anspruch auf Unterlassung, gleichviel ob das Werk durch die
Änderung entstellt oder verstümmelt, berichtigt oder wertvoll ergänzt wird;
der Urheber habe unter Vorbehalt der einzelnen Landesgesetze allein und
ausschliesslich das Recht, darüber zu befinden, in welcher Form das Werk
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.

    Rechtsschutz gemäss Art. 28 ZGB kann beanspruchen, wer in seinen
persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird. Wann eine
unerlaubte Änderung eines Werkes durch einen Dritten die persönlichen
Interessen des Urhebers im Sinne dieser Bestimmung verletzt, entscheidet
sich nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles,
insbesondere der Beschaffenheit und Art des Werkes sowie der Persönlichkeit
des Urhebers ab. Ein dramatisches Werk hängt mit dem Verfasser naturgemäss
viel enger zusammen als z.B. ein wissenschaftliches, lässt folglich kaum
wesentliche Änderungen zu, ohne dass es entstellt und der Urheber in seinen
persönlichen Interessen verletzt wird. Das gilt umsomehr, wenn das Werk,
wie hier, verfilmt wird und der Urheber im Film die Hauptrolle spielt. Je
mehr aber ein Werk Ausdruck der persönlichen Eigenart des Urhebers und
das Ergebnis einer individuellen Geistestätigkeit desselben ist und je
stärker die Beziehung der Urheberpersönlichkeit zum Werk ist, desto eher
ist bei Änderungen durch Dritte eine Verletzung im Sinne von Art. 28 ZGB
anzunehmen (vgl. BGE 69 II 59; EGGER, N. 15 zu Art. 28 ZGB).

    b) Im vorliegenden Falle sind die Bande zwischen Urheber und Werk
besonders eng und vielseitig. Chaplin ist nicht nur Autor, Regisseur und
Hersteller, sondern auch Hauptdarsteller des Filmes "The Gold Rush",
der übrigens zu den Meisterwerken der Filmkunst gehört (vgl. Der
Grosse Brockhaus, 16. Aufl. Bd. II S. 578). Im Jahre 1942 hat er ihn
in einen Tonfilm umgestaltet, wobei er die Musik selber auswählte und
zusammenstellte, den Begleittext selber schrieb und sprach. Bei einem
Filmwerk, das derart Ausdruck seiner künstlerischen Eigenart ist und den
Stempel seiner Persönlichkeit trägt, kann Chaplin aber mit guten Gründen
behaupten, dass es durch die Musik eines andern erheblich beeinträchtigt
wird, welches auch immer der innere Wert oder Gehalt dieser Musik sein
mag. Ebenso ist zu verstehen, dass Chaplin durch die unbefugten Eingriffe
Dritter sich in seinen künstlerischen Empfindungen und ideellen Interessen
verletzt fühlt, ohne dass er dies im einzelnen darzutun braucht. Bei der
Vielfalt von Komik und Mimik, die den Film auszeichnen, ist die Gefahr
in der Tat gross, dass ein Dritter Vorstellungen des Künstlers über die
Wirkungen filmischer Szenen auf das Publikum missversteht, die Musik
deswegen nicht auf das Geschehen abzustimmen weiss und dadurch Eindrücke,
die das Werk vermitteln will, verfälscht oder zunichte macht.

    Dass Chaplin sich zur Stummfilmzeit in jedem Kinotheater beliebige
Begleitmusik zu seinem Film gefallen lassen musste, wie von der
Beklagten behauptet wird, hilft darüber nicht hinweg. Diese Musik war
nicht Bestandteil des Werkes, wie es die von Konrad Elfers beigefügte
Musik sein will. Ebensowenig hilft der Beklagten, dass Elfers der von
Chaplin zusammengestellten Musik zum Tonfilm aus dem Wege gegangen
ist. Die Vorinstanz hält der Beklagten mit Recht entgegen, dass die
von der Atlas-Filmverleih GmbH hergestellte Fassung sich gerade deshalb
als wesentliche Änderung des Werkes erweist; denn eine dem Film in den
Einzelheiten nicht angepasste Musik ist geeignet, vom Stummfilm bezweckte
Wirkungen beim Publikum zu mindern oder zu verfälschen, den Hersteller des
Werkes folglich in seinen persönlichen Interessen zu verletzen. Durch das
Verhalten der Beklagten, die einen unter Verletzung von Urheberrechten
hergestellten Film feilgeboten hat, ist Chaplin somit jedenfalls in
seinen persönlichen Interessen betroffen worden. Er ist folglich ebenfalls
berechtigt, Rechtsschutz gegen Verletzung seiner Rechte zu verlangen.

    II

    Gemäss Art. 54 Abs. 1 URG kann der Richter im Falle der zivil- oder
strafrechtlichen Verurteilung unter anderem die Zerstörung der unter
Verletzung des Urheberrechtes hergestellten oder in Verkehr oder an die
Öffentlichkeit gebrachten Exemplare des Werkes verfügen.

    Das Obergericht hat die Beklagte zivilrechtlich verurteilt, das
Begehren der Kläger auf Zerstörung der beschlagnahmten Filmkopie aber
abgelehnt. Es begründet dies insbesondere damit, die Zerstörung sei nach
der Rechtsprechung angebracht, wenn unrechtmässig hergestellte Werke trotz
allen Massnahmen immer wieder im Verkehr auftauchten. Diese Gefahr bestehe
hier nicht, da die Kläger bisher nur gegen die Atlas- Filmverleih GmbH
und die Monopol-Films AG hätten einschreiten müssen und die Beklagte seit
ihrer Verwarnung im Jahre 1962 nichts mehr unternommen habe; sie habe sich
vielmehr bereit erklärt, von der Auswertung ihres Films in der Schweiz bis
zum Abschluss des in Deutschland hängigen Verfahrens abzusehen. Es könne
deshalb angenommen werden, dass die Beklagte sich auch ohne Zerstörung
der beschlagnahmten Kopie an das ihr vom Gericht auferlegte Verbot halte.

    Diese Auffassung verletzt das Gesetz nicht. Art. 54 URG ist eine
Kannvorschrift, die dem Richter auch beim Vorliegen der darin erwähnten
Voraussetzung ein gewisses Ermessen lässt. Dieses ist freilich kein völlig
freies, ungebundenes. Wie das Bundesgericht in BGE 88 II 49 ausgeführt
hat, ist die Vernichtung eines widerrechtlich hergestellten Films
gerechtfertigt, wenn seine Verleihung nur so mit Sicherheit verhindert
werden kann. Es müssen also Gründe vorliegen, die eine weitere Verletzung
nicht bloss als objektiv möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen
lassen. Die Vorinstanz hat eine solche Gefahr verneint, ohne das ihr
zustehende Ermessen zu überschreiten. Zu bedenken ist auch, dass Chaplins
Stummfilm in verschiedenen Ländern nicht mehr geschützt ist, dort folglich
auch in der von der Atlas-Filmverleih GmbH hergestellten Fassung aufgeführt
werden darf. Das gleiche gilt - was sich durch Umkehrschluss aus Art. 12
Abs. 1 Ziff. 3 URG ergibt - für private Aufführungen (vgl. Art. 22 URG).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Berufung und Anschlussberufung werden abgewiesen und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) vom 3. März 1970 wird
bestätigt.