Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 4



96 II 4

2. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. März 1970 i.S. Pattavina gegen
Novak Regeste

    Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen; anwendbares Recht.
Zeitlicher Geltungsbereich des Haager Abkommens vom 24. Oktober 1956 über
das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht.

    Mehr als ein Jahr nach der Geburt des Kindes eingeleitete Klage eines
österreichischen Kindes, das vor dem Inkrafttreten des Abkommens vom 24.
Oktober 1956 für die Schweiz, d.h. vor dem 17. Januar 1965 geboren wurde
und seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt in Osterreich hat, gegen
einen seit der Zeugung des Kindes in der Schweiz wohnhaften Italiener. Die
Unterhaltsansprüche für die Zeit vor dem 17. Januar 1965 beurteilen
sich gemäss den damals geltenden innerstaatlichen schweizerischen
Kollisionsregeln (BGE 84 II 602 ff.) nach schweizerischem Recht und
sind wegen Versäumung der Klagefrist von Art. 308 ZGB verwirkt. Die
Ansprüche für die Folgezeit richten sich dagegen nach dem gemäss Haager
Abkommen anwendbaren österreichischen Recht, das die Vaterschaftsklage
auf Vermögensleistungen nicht befristet.

Sachverhalt

    A.- Die ledige Österreicherin Novak, die vom 4. Dezember 1960
bis 27. November 1961 in der Schweiz gearbeitet hatte, gebar am 8.
Februar 1962 in Österreich einen Knaben. Dieser lebt seit der Geburt
in Österreich. Als seinen Vater bezeichnete die Mutter den Italiener
Pattavina, der seit 1959 in der Schweiz wohnt (und seit Ende Dezember
1961 verheiratet ist). Sie behauptet, Pattavina habe ihr nach Ostern 1961
wiederholt beigewohnt, letztmals am 22. Mai 1961.

    B.- Vom Vormund des Kindes am 12. August 1967 zur Vertretung des
Kindes bevollmächtigt, leitete der Jugendsekretär des Bezirks Meilen
gegen Pattavina am 20. Oktober 1967 beim Friedensrichteramt der Gemeinde,
wo Pattavina wohnt, und am 3. November 1967 beim Bezirksgericht Meilen
Klage ein mit dem Begehren, der Beklagte sei als ausserehelicher Vater
des Kindes zu erklären und zu verpflichten, für das Kind von dessen Geburt
bis zu dessen zurückgelegtem 18. Altersjahr monatliche Unterhaltsbeiträge
von Fr. 80.-, zuzüglich gesetzliche oder vertragliche Kinderzulagen, zu
bezahlen. Er machte geltend, gemäss dem Haager Abkommen vom 24. Oktober
1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende
Recht, das für Österreich am 1. Januar 1962 und für die Schweiz am
17. Januar 1965 in Kraft trat, sei die Klage nach österreichischem Recht zu
beurteilen, das die Vaterschaftsklage nicht befriste. Der Beklagte bestritt
die Anwendbarkeit des österreichischen Rechts, weil das Haager Abkommen
vom 24. Oktober 1956 nicht zurückwirke und weil die beim Inkrafttreten
dieses Abkommens für die Schweiz bereits unbenützt abgelaufene Klagefrist
des Art. 308 ZGB zudem um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt
worden sei. Ferner behauptete er, es verstosse gegen die ebenfalls um
der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Vorschrift von Art. 2 ZGB,
dass die vorliegende Klage erst mehr als 5 1/2 Jahre nach der Geburt des
Kindes erhoben wurde. Im übrigen bestritt er die Klage auch materiell.

    Das Bezirksgericht hielt dafür, das auf Vaterschaftsklagen anwendbare
Recht bestimme sich nach den zur Zeit der Empfängnis geltenden Regeln
des internationalen Privatrechts; nach diesen Regeln sei im vorliegenden
Falle das schweizerische Recht massgebend; nach schweizerischem Recht
(Art. 308 ZGB) sei das Klagerecht verwirkt. Deshalb wies es die Klage
mit Urteil vom 7. März 1968 ab.

    Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Kläger appellierte,
wies die Sache am 11. Juni 1968 zu neuer Beurteilung im Sinne der
Erwägungen an das Bezirksgericht zurück. Es führte in den Erwägungen
aus, der Unterhaltsanspruch des ausserehelichen Kindes sei ein
"dauerschuldrechtliches Verhältnis", so dass nach dem Inkrafttreten des
Haager Abkommens vom 24. Oktober 1956 nicht nur die Höhe, sondern auch
der Bestand des Anspruchs nach dem von diesem Abkommen als massgebend
bezeichneten Rechte zu beurteilen sei. Für die Zeit bis zum Inkrafttreten
des Abkommens (17. Januar 1965) sei die Klage gemäss dem nach der damaligen
Gerichtspraxis anwendbaren schweizerischen Rechte verwirkt. Für die
Folgezeit dagegen gelte nach dem Abkommen nur noch das österreichische
Recht, das die Vaterschaftsklage nicht befriste. Das Fehlen einer solchen
Befristung verstosse nicht - zumal nicht offensichtlich im Sinne von
Art. 4 des Abkommens - gegen die schweizerische öffentliche Ordnung.

    C.- Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Beklagte die Berufung
an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene
Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

    1., 2. - ... (Zulässigkeit der Berufung nach Art. 50 OG; Streitwert).

Erwägung 3

    3.- a) In seinem Urteil vom 7. November 1958 i.S. Harder
gegen Reinprecht (BGE 84 II 602 ff.) hat das Bundesgericht erklärt,
Vaterschaftsklagen auf Vermögensleistungen, die bei einem nach Art. 312
ZGB örtlich zuständigen schweizerischen Gericht erhoben werden, seien in
jedem Falle nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Nach diesem Grundsatz
wäre im vorliegenden Falle das schweizerische Recht anzuwenden; denn die
Klage wurde bei einem schweizerischen Gericht angebracht, das als das
Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zur Zeit der Klageeinleitung gemäss
Art. 312 ZGB örtlich zuständig ist. Nach Art. 308 ZGB ist die Klage vor
Ablauf eines Jahres seit der Geburt des Kindes anzuheben. Diese Frist ist
eine Verwirkungsfrist. Der Kläger behauptet mit Recht nicht, er habe auf
die Gewährung einer Nachfrist nach Art. 139 OR Anspruch (vgl. hiezu BGE
93 II 369 ff.) oder die Berufung des Beklagten auf den Ablauf der Frist
sei rechtsmissbräuchlich (vgl. BGE 83 II 98). Als der im Februar 1962
geborene Kläger im Herbst 1967 die vorliegende Klage einleitete, hatte
er also sein Klagerecht nach schweizerischem Recht schon längst verwirkt.

    b) Das Haager Abkommen vom 24. Oktober 1956, das für die Schweiz
am 17. Januar 1965 in Kraft trat und seither in der Schweiz wie ein
Bundesgesetz wirkt (vgl. BGE 88 I 90/91, 94 I 672 E. 2; vgl. auch Art. 43
Abs. 1 OG), sieht in Art. 1 Abs. 1 vor, das Recht des Staates, in welchem
das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bestimme ob, in welchem
Ausmass und von wem das Kind Unterhalt verlangen kann. Dieses Recht
bestimmt nach Art. 1 Abs. 3 des Abkommens auch, wer die Unterhaltsklage
erheben kann und welche Fristen für die Klageerhebung gelten. Der Kläger
ist ein Kind im Sinne des Abkommens (vgl. Art. 1 Abs. 4) und hat seinen
gewöhnlichen Aufenthalt unstreitig seit der Geburt in Österreich. Wenn das
Abkommen auch für Fälle gilt, in welchen das Kind geboren wurde, bevor das
Abkommen für den Staat, dessen Behörden angerufen werden, in Kraft trat,
beurteilt sich also gemäss Art. 1 des Abkommens nach österreichischem
Recht, ob die vorliegende Klage rechtzeitig erhoben wurde sowie ob und in
welchem Ausmass dem Kläger gegenüber dem Beklagten Unterhaltsansprüche
zustehen. Das österreichische Recht kennt keine Frist für die Erhebung
der Vaterschaftsklage (vgl. KLANG, Kommentar zum ABGB, 2. A., 1. Band
2. Halbband 1962, Anm. III 1 a.E. zu § 163, S. 149, mit Fussnote 59, wo
auf Art. 308 ZGB als auf eine zur österreichischen Regelung im Gegensatz
stehende Vorschrift hingewiesen wird).

    Art. 2 des Abkommens erlaubt allerdings jedem Vertragsstaat,
abweichend von Art. 1 sein eigenes Recht für anwendbar zu erklären,
"a. wenn der Unterhaltsanspruch vor einer Behörde dieses Staates erhoben
wird, b. wenn die Person, von welcher der Unterhalt verlangt wird, und
das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen und c. wenn
die Person, von welcher der Unterhalt verlangt wird, ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in diesem Staate hat" (vgl. die amtliche Übersetzung des
französischen Originaltextes in AS 1964 S. 1279). Die Schweiz hat eine
solche Erklärung abgegeben (vgl. AS 1964 S. 1278). Dieser Vorbehalt greift
jedoch im vorliegenden Falle nicht ein; denn von den drei Voraussetzungen
des Art. 2, die kumulativ gelten (BBl 1964 I 504, BGE 94 II 231 E. 7),
ist die zweite (schweizerische Staatsangehörigkeit der auf Unterhalt
belangten Person und des Kindes) nicht erfüllt.

    So wenig wie auf Grund von Art. 2 lässt sich die Anwendung des nach
Art. 1 massgebenden österreichischen Rechts auf Grund von Art. 3-6 des
Abkommens ablehnen. Insbesondere kann nicht die Rede davon sein, dass die
Anwendung des österreichischen Rechts im Sinne von Art. 4 des Abkommens
mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar
sei, weil es die Vaterschaftsklage nicht befristet. Das Bundesgericht
hat längst entschieden, dass die Klagefrist des Art. 308 ZGB nicht zur
schweizerischen öffentlichen Ordnung gehört (BGE 41 II 424, 45 II 505,
51 I 105, 69 II 347), und das Schrifttum stimmt dieser Rechtsprechung zu
(EGGER N. 3, HEGNAUER N. 35 zu Art. 308 ZGB, mit Hinweisen; LALIVE,
ZSR 1965 II 741/42).

    Verträgt sich die Anwendung des österreichischen Rechts, das keine
dem Art. 308 ZGB entsprechende Vorschrift kennt, mit der schweizerischen
öffentlichen Ordnung, so kann in der blossen Tatsache, dass ein in
Österreich lebendes Kind mit der Klage mehrere Jahre zuwartet, entgegen der
Auffassung des Beklagten nicht ein offenbarer Rechtsmissbrauch erblickt
werden, der nach Art. 2 ZGB, welcher zur schweizerischen öffentlichen
Ordnung gehört (BGE 79 II 405 E. 5 mit Hinweisen), keinen Rechtsschutz
finden könnte; dies um so weniger, als Mehrverkehr und unzüchtiger
Lebenswandel der Mutter, deren Nachweis durch die Verzögerung der Klage
erschwert wird, nach österreichischem Recht (das sich auch in diesem
Punkte mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung verträgt; BGE 53
II 94 E. 3, 77 II 117 E. 3; HEGNAUER N. 218 zu Art. 314/315 ZGB) einer
Vaterschaftsklage nicht entgegengehalten werden können (KLANG aaO Anm. III
3 b S. 161). - Erst recht lässt sich die Anwendung des nach Art. 1 des
Abkommens massgebenden ausländischen Rechts in der Schweiz nicht mit
der Begründung ablehnen, es bedeute eine stossende Rechtsungleichheit,
wenn ein ausländischer Kläger nach Jahren noch klagen könne, während
ein schweizerischer Kläger an die Jahresfrist des Art. 308 ZGB gebunden
sei. Beim Beitritt zum Abkommen vom 24. Oktober 1956 musste in Kauf
genommen werden, dass auf in der Schweiz erhobene Vaterschaftsklagen fortan
je nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes verschiedene Rechtsordnungen
zur Anwendung kommen können (vgl. BBl 1964 I 506/07).

    Dass die Parteien einem Vertragsstaate angehören, ist nach dem
Wortlaut des Abkommens für dessen Anwendung nicht erforderlich. Auf die
Staatsangehörigkeit der Parteien nimmt das Abkommen nur im bereits
besprochenen Art. 2 Bezug. Ob die Zugehörigkeit der Parteien zu
einem Vertragsstaate gleichwohl eine Voraussetzung für die Anwendung
des Abkommens sei, ist umstritten (vgl. MÜLLER-FREIENFELS, Zum
räumlichpersönlichen Geltungsbereich Haager IPR Übereinkommen ...,
in Festschrift für Hans G. Ficker, 1967, S. 289 ff., wo dieses
Erfordernis nach eingehender Auseinandersetzung mit den verschiedenen
Auffassungen verworfen wird, S. 334; gleicher Auffassung SCHEUCHER, Das
Haager Unterhaltstatutabkommen, in Zeitschrift für Rechtsvergleichung,
herausgegeben vom Institut für Rechtsvergleichung der Universität Wien
und von der Österreichischen Gesellschaft für Rechtsvergleichung, 1963,
S. 82 ff., bes. S. 83/84). Diese Frage braucht indes im vorliegenden
Falle nicht näher geprüft zu werden; denn das Abkommen gilt seit dem
1. Januar 1962 sowohl für Österreich, das Heimatland des Klägers, als
auch für Italien, das Heimatland des Beklagten.

    c) Der Entscheid darüber, ob die vorliegende Vaterschaftsklage als
rechtzeitig erhoben einlässlich zu beurteilen oder wegen Verwirkung des
Klagerechts abzuweisen ist, hängt also davon ab, ob das Abkommen vom
24. Oktober 1956 auch für Fälle gilt, in denen das Kind geboren wurde,
bevor das Abkommen im Staate, dessen Behörden angerufen werden, in Kraft
stand, oder ob in solchen Fällen die innerstaatlichen Kollisionsregeln
des betreffenden Staates massgebend bleiben. Dabei handelt es sich um
eine Frage des zeitlichen Geltungsbereichs der im Abkommen aufgestellten
Kollisionsnormen.

Erwägung 4

    4.- Das Abkommen tritt nach seinem Art. 8 am 60. Tage nach Hinterlegung
der vierten Ratifikationsurkunde und für jeden Unterzeichnerstaat,
der später ratifiziert, am 60. Tage nach Hinterlegung seiner
Ratifikationsurkunde in Kraft. Das bedeutet zunächst, dass das Abkommen
in einem bestimmten Staat vor Ablauf der genannten Frist innerstaatlich
keine Wirkungen entfaltet. Positiv lässt sich aus dem Inkrafttreten des
Abkommens für einen bestimmten Staat soviel ableiten, dass es von den
Behörden dieses Staates auf jeden Fall dann anzuwenden ist, wenn sich
alle Elemente des Tatbestandes, aus dem die Unterhaltsverpflichtung
hervorgehen soll, für die das anwendbare Recht zu bestimmen ist,
erst nach dem Inkrafttreten des Abkommens für den betreffenden Staat
verwirklicht haben. Art. 8 des Abkommens sagt hingegen nichts darüber,
ob und wieweit es nach seinem Inkrafttreten für Fälle gilt, in denen
sich einzelne Tatbestandselemente vor seinem Inkrafttreten verwirklicht
haben. Eine Antwort auf diese Frage ergibt sich entgegen der Auffassung
der Vorinstanz, die in diesem Punkte SCHEUCHER (a.a. O. S. 84) folgt,
auch nicht ohne weiteres aus Art. 1 Abs. 2 des Abkommens, wonach dann,
wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt wechselt, vom Zeitpunkt
dieses Wechsels an das Recht des Staates anwendbar ist, in welchem das Kind
seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das hier aufgestellte Prinzip
des "wandelbaren Statuts" schliesst nicht in sich, dass das Abkommen
auch für Fälle gilt, in denen wesentliche Tatbestandselemente aus der
Zeit vor seinem Inkrafttreten stammen. Ebensowenig beantworten andere
Bestimmungen des Abkommens die Frage seiner Anwendbarkeit auf solche Fälle,
und es liegen auch keine sonstigen Erklärungen der Vertragsstaaten vor,
aus denen sich eine Einigung über diesen Punkt ergäbe.

    Lässt sich der zeitliche Geltungsbereich eines derartigen
Abkommens weder diesem selbst noch andern übereinstimmenden
Erklärungen der Vertragsstaaten entnehmen, so bleibt der Behörde,
die über seine Anwendbarkeit zu entscheiden hat, nichts anderes übrig,
als die einschlägigen Regeln des innerstaatlichen Rechts des eigenen
Staates heranzuziehen. Da der Bundesbeschluss vom 1. Oktober 1964
betr. die Genehmigung der internationalen Haager Übereinkommen über die
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern (AS 1964 S. 1277) nicht sagt,
welche Fälle diese Übereinkommen nach ihrem Inkrafttreten für die Schweiz
in zeitlicher Hinsicht erfassen sollen, und da das schweizerische Recht
auch sonst keine besondern Bestimmungen darüber enthält, wie bei einer
Änderung der Kollisionsnormen des eigenen internationalen Privatrechts
der Geltungsbereich der neuen Normen von jenem der alten abzugrenzen ist,
muss auf die allgemeinen Grundsätze des schweizerischen intertemporalen
Rechts zurückgegriffen werden (vgl. SCHNITZER, Handbuch des IPR, 4. A.,
Band I, 1957, S. 196; NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des
IPR, 3. A. 1961, S. 356 f.). Bei deren Anwendung ist jedoch die besondere
Natur der Normen, deren zeitlicher Geltungsbereich zu bestimmen ist,
im Auge zu behalten. Da das Abkommen die Stellung des Kindes verbessern
will, ist im Zweifel darüber, ob es einen bestimmten Fall erfasse, eher
zugunsten seiner Anwendung zu entscheiden. Ferner sind im Interesse einer
möglichst einheitlichen Praxis in den verschiedenen Vertragsstaaten auch
die im Ausland gefundenen Lösungen zu beachten.

Erwägung 5

    5.- Wo im schweizerischen Zivilrecht besondere Übergangsbestimmungen
fehlen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich
die im Schlusstitel des ZGB aufgestellten Regeln über die Anwendung des
bisherigen und des neuen Rechts massgebend (BGE 94 II 245 mit Hinweisen).
Art. 1 SchlT stellt nach seinem Randtitel die Regel der Nichtrückwirkung
auf. Die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten
des Gesetzes eingetreten sind, beurteilen sich gemäss Art. 1 Abs. 1 SchlT
auch nachher nach den Bestimmungen des frühern Rechts, die zur Zeit des
Eintritts dieser Tatsachen galten. Die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes
eingetretenen Tatsachen werden dagegen gemäss Art. 1 Abs. 3 SchlT, soweit
das Gesetz eine Ausnahme nicht vorgesehen hat, nach dem neuen Rechte
beurteilt. Die Art. 2 und 3 SchlT, die unter dem Randtitel "Rückwirkung"
stehen, sehen zwei Ausnahmen von der Regel der Nichtrückwirkung vor:
nach Art. 2 Abs. 1 sind die Bestimmungen des neuen Gesetzes, die um
der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sind, mit
dessen Inkrafttreten auf alle Tatsachen anzuwenden, soweit das Gesetz eine
Ausnahme nicht vorgesehen hat, und nach Art. 3 sind Rechtsverhältnisse,
deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz
umschrieben wird, nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach diesem
zu beurteilen, auch wenn sie vorher begründet worden sind.

    Die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger, über
deren Bestand und Umfang die Parteien streiten, wird mit der Behauptung
begründet, der Kläger sei ein aussereheliches Kind des Beklagten. Der
Streit geht also um das Vorhandensein und die vermögensrechtlichen
Wirkungen dieser Abstammung. Stammt der 1962 geborene Kläger wirklich
vom Beklagten ab, so ist diese Tatsache eingetreten, bevor das Haager
Abkommen vom 24. Oktober 1956 am 17. Januar 1965 für die Schweiz in Kraft
trat. Gemäss der Grundregel des Art. 1 SchlT sind ihre rechtlichen
Wirkungen also nach dem vor diesem Zeitpunkt geltenden Rechte zu
beurteilen, d.h. es sind grundsätzlich die damals massgebend gewesenen, auf
das schweizerische Recht verweisenden Kollisionsregeln anzuwenden. Art. 2
SchlT kann hieran nichts ändern; denn bei aller Anerkennung des vom
Abkommen verfolgten Bestrebens, die Stellung des Kindes durch eine
Vereinheitlichung der Kollisionsnormen der Vertragsstaaten zu verbessern,
kann doch nicht gesagt werden, die Kollisionsregeln des Abkommens hätten
geradezu den Rang von Vorschriften, die um der öffentlichen Ordnung und
Sittlichkeit willen aufgestellt wurden. Dagegen folgt aus Art. 3 SchlT,
dass die Frage, nach welchem Recht die behauptete Unterhaltsverpflichtung
des Beklagten gegenüber dem Kläger zu beurteilen ist, für die Zeit nach
dem 17. Januar 1965 von den Kollisionsregeln des Abkommens beherrscht wird,
nach denen das österreichische Recht als das am gewöhnlichen Aufenthaltsort
des Kindes geltende Recht anwendbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung,
über welche die Parteien streiten, ist nämlich ein Rechtsverhältnis,
das sich von Gesetzes wegen unmittelbar aus der behaupteten Abstammung,
einer von ihrem Eintritt an dauernd bestehenden Tatsache, ergibt. Bei
Rechtsverhältnissen, welche die unmittelbar aus dem Gesetz sich ergebende
Folge eines solchen Zustandes, eines sog. Dauertatbestandes sind, bestimmt
sich vom Inkrafttreten des neuen Gesetzes an nicht nur der Inhalt, sondern
auch der Bestand nach neuem Recht (vgl. MUTZNER N. 2, 3 zu Art. 3 SchlT;
BGE 39 II 20 ff. und 681). Betrifft die Änderung der Rechtsordnung nicht
das materielle Recht, sondern die Kollisionsregeln, die sagen, nach welchen
Sachnormen Bestand und Inhalt des Rechtsverhältnisses zu beurteilen sind,
so sind vom Inkrafttreten der neuen Regeln an diese massgebend.

    Art. 13 SchlT lässt auf die mit Art. 3 SchlT im Einklang stehende
Regel von Absatz 1, das aussereheliche Kindesverhältnis stehe, sobald
das ZGB in Kraft getreten sei, unter dem neuen Rechte, in Absatz 2
freilich die Bestimmung folgen: "Ist ein aussereheliches Kind vor diesem
Zeitpunkt geboren, so können die Mutter und das Kind gegenüber dem
Vater nur diejenigen familienrechtlichen Ansprüche geltend machen, die
nach dem bisherigen Rechte gegeben waren." Damit wurden die unmittelbar
auf Gesetz beruhenden Rechtsfolgen einer vor dem Inkrafttreten des ZGB
(1. Januar 1912) entstandenen ausserehelichen Vaterschaft, obwohl diese
ein Dauertatbestand ist, auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des
ZGB, das gemäss Art. 3 SchlT von da an massgebend gewesen wäre, der
Herrschaft des neuen Rechts entzogen und entsprechend der Grundregel
des Art. 1 SchlT dem frühern Recht unterstellt, unter dessen Geltung
das Abstammungsverhältnis mit der Geburt des Kindes entstanden war
(vgl. MUTZNER N. 8 zu Art. 3, N. 1, 32 und 34 zu Art. 13 SchlT; BGE 39
II 410). Den Art. 13 Abs. 2 SchlT beim Entscheid darüber anzuwenden, ob
die Unterhaltsverpflichtung eines ausserehelichen Vaters gegenüber einem
vor Inkrafttreten des Abkommens vom 24. Oktober 1956 geborenen Kinde nach
diesem Zeitpunkte von der gemäss diesem Abkommen oder von der gemäss dem
innerstaatlichen schweizerischen Kollisionsrecht anwendbaren Rechtsordnung
beherrscht sei, ist jedoch entgegen der Auffassung, die das Obergericht des
Kantons Aargau in einem Urteil vom 30. Juni 1967 vertreten hat (SJZ 1970 S.
43 Nr. 15), nicht am Platze. Art. 13 Abs. 2 SchlT ist eine zeitbedingte
Sondervorschrift, die auf die starken Unterschiede zwischen den frühern
kantonalen Vorschriften über die aussereheliche Vaterschaft Rücksicht nahm
(vgl. MUTZNER N. 1 zu Art. 13 SchlT) und bei deren Erlass wohl auch die
überholte Vorstellung mitwirkte, die Unterhaltspflicht des ausserehelichen
Vaters beruhe weniger auf dem Dauertatbestand der Abstammung als auf einer
Art unerlaubter Handlung (vgl. BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in
Schweiz. Privatrecht I, 1969, S. 472; zur Entwicklung der Anschauungen
über die Grundlagen der gewöhnlichen Vaterschaftsklage vgl. EGGER N. 5
zu Art. 307 ZGB).

    Die sinngemässe Anwendung der allgemeinen Regeln des schweizerischen
Übergangsrechts führt also zu der bereits von der Vorinstanz gefundenen
Lösung, dass die vorliegende Klage, soweit damit Unterhaltsansprüche
für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Abkommens vom 24. Oktober 1956
(17. Januar 1965) geltend gemacht werden, nach schweizerischem Recht zu
beurteilen und folglich wegen Verwirkung des Klagerechts abzuweisen ist,
dass dagegen die für die Zeit nach dem 17. Januar 1965 gestellten Ansprüche
dem österreichischen Recht unterliegen, das die Vaterschaftsklage auf
Vermögensleistungen nicht befristet. Das bedeutet nicht, dass verwirkte
Ansprüche wieder aufleben. Soweit die aus der behaupteten Vaterschaft
sich ergebenden Unterhaltsansprüche des Klägers dem schweizerischen Recht
unterstehen, sind und bleiben sie verwirkt. Nach dem österreichischen
Recht, das in der Schweiz vom 17. Januar 1965 an für die Beurteilung der
streitigen Ansprüche massgebend ist, hat der Kläger diese Ansprüche nie
verwirkt. - Von den Fällen, in denen die unter der Herrschaft des früher
massgebend gewesenen Rechts eingetretene Verjährung oder Verwirkung
ein abgeschlossenes Verhältnis, eine endgültige Lage schafft, die auch
unter der Herrschaft des später massgebend gewordenen Rechts anerkannt
werden muss (vgl. hiezu MUTZNER, N. 3 zu Art. 49 SchlT; STAUFFER, N. 77
zu Art. 1 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zu den am 18. Dezember
1936 revidierten Titeln 24-34 des OR; BROGGINI aaO S. 506 Ziff. 5),
unterscheidet sich der heute zu beurteilende Fall dadurch, dass die hier
streitigen Ansprüche auf einem Tatbestand (dem Abstammungsverhältnis)
beruhen, der das Inkrafttreten des neuen Rechts überdauert.

Erwägung 6

    6.- Die Auffassung, dass das Abkommen vom 24. Oktober 1956 von
seinem Inkrafttreten an wenigstens hinsichtlich der für die Folgezeit
geltend gemachten Ansprüche auch dann gilt, wenn das Kind vorher
geboren wurde, wird auch in andern Vertragsstaaten vertreten (vgl. für
Österreich: SCHEUCHER aaO S. 84 sowie die im Anschluss an diesen Aufsatz
veröffentlichten Urteile österreichischer Gerichte, S. 106, 112, 118
und 120; für Frankreich, wo das Abkommen am 1. Juli 1963 in Kraft trat:
DROZ in Revue critique de droit international privé 1967 S. 144 ff.,
bes. 146 f., sowie ein Urteil der Cour d'appel de Dijon vom 7. Juni 1967,
Journal du droit international 1969 S. 87 ff., besprochen von PONSARD,
ebenda S. 90 ff.; für die Niederlande, wo das Abkommen am 14. Dezember
1962 in Kraft trat: Urteile der Gerichtshöfe von Leeuwarden und von
Arnhem vom 23. Januar 1964 bzw. 31. Januar 1967, Rabels Zeitschrift für
ausländisches und internationales Privatrecht 1965 S. 737 bzw. Fundheft für
Zivilrecht 1968 S. 178, linke Spalte). Soweit im Ausland die Möglichkeit
in Betracht gezogen wird, das Abkommen nach seinem Inkrafttreten auch
auf die Unterhaltsansprüche für die frühere Zeit anzuwenden, d.h. das
anwendbare Recht auch hinsichtlich dieser Ansprüche gemäss dem Abkommen zu
bestimmen (vgl. PONSARD, der auf S. 92 eine zu diesem Ergebnis führende
Lösung anzudeuten, sie aber auf S. 93 schliesslich abzulehnen scheint),
können die im Ausland entwickelten Auffassungen in der Schweiz im
Hinblick auf die hier geltende, in diesem Punkte durch Art. 3 SchlT nicht
durchbrochene Regel der Nichtrückwirkung grundsätzlich nicht übernommen
werden. Ob vom Grundsatze, dass sich das anwendbare Recht hinsichtlich
der Unterhaltsansprüche für die Zeit vor dem 17. Januar 1965 in der
Schweiz nicht nach dem Abkommen vom 24. Oktober 1956, sondern nach dem
innerstaatlichen schweizerischen Kollisionsrecht bestimmt, allenfalls
dann eine Ausnahme im Sinne der Rückwirkung des Abkommens zu machen sei,
wenn der Fall vor dem Inkrafttreten des Abkommens für die Schweiz zur
schweizerischen Rechtsordnung überhaupt keine Beziehung hatte (vgl. hiezu
RAAPE, IPR, 5. A. 1961, S. 13 f. Fussnote 17, und RABEL, The conflict
oflaws, 4. Band 1958, S. 514 Ziff. 1), kann dahingestellt bleiben;
denn im vorliegenden Falle wohnte der Beklagte während der ganzen Zeit
von der Zeugung und der Geburt des Kindes bis zum 17. Januar 1965 (und
darüber hinaus bis heute) in der Schweiz.