Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 218



96 II 218

34. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1970 i.S.
Schweizerische Bundesbahnen gegen Baumann. Regeste

    Art. 1 EHG, Art. 128 Ziff. 3 und 129 Abs. 2 KUVG.
Eisenbahnhaftpflicht.

    1. Die Zufallshaftung der Eisenbahnunternehmung gegenüber den beim
Eisenbahnbau beschäftigten obligatorisch versicherten Arbeitnehmern anderer
Unternehmungen ist durch Art. 128 Ziff. 3 KUVG grundsätzlich aufgehoben
worden, gleichgültig ob der Unfall auf Gefahren des Bahnbaues oder des
Bahnbetriebes zurückzuführen sei (Erw. 3).

    2. Das gilt auch für den durch die SUVA nicht gedeckten Teil einer
dem KUVG unterstehenden Forderung (Erw. 4).

    3. Wenn Bedienstete der Bahn, wie dem bahnfremden Bauarbeiter
gegenüber, hier ein Verschulden trifft, kann die Eisenbahnunternehmung
sich nicht auf Art. 129 Abs. 2 KUVG berufen, sondern hat ihm nach Art. 41
ff. OR Schadenersatz zu leisten (Erw. 5-7; Änderung der Rechtsprechung).

    4. Art. 47 OR und Art. 8 EHG. Bemessung der Genugtuungssumme (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) liessen durch die Firma
Reller & Cie. gewisse der Einführung der neuen Käferberglinie in den
Bahnhof Zürich-Oerlikon dienende Tiefbauarbeiten ausführen. Unter anderem
hatte diese Firma 1,7 m von der Achse des von Zürich-Hauptbahnhof nach
Oerlikon führenden Geleises entfernt und parallel dazu einen etwa 2 m
tiefen Entwässerungsgraben auszuheben. Sie hatte zu diesem Zwecke einen
Bagger eingesetzt. Zwischen diesem und dem Bahnhof Zürich-Oerlikon,
etwa 50-70 m vom Bagger entfernt, spitzte ihr Polier Heinrich Baumann
am Freitag den 23. September 1966 nach der Mittagszeit mit einem
Pressluft-Abbauhammer einen in den Graben hineinragenden betonierten Teil
eines unter den Geleisen durchführenden Wasserdurchlasses weg, damit im
Graben, der dort noch nicht vollständig ausgehoben war, bei allenfalls
über das Wochenende einsetzendem Regen das Wasser abfliessen könne.
Die Sicherung des Personals der Firma Reller & Cie. gegen die Gefahren des
Eisenbahnverkehrs an der Baustelle besorgten die SBB. Für die Organisation
und die Wirksamkeit dieses Sicherungsdienstes war ihr technischer Assistent
Edwin Rutschmann verantwortlich. Er hatte auf jeder Seite der Baustelle
in einer Entfernung von rund 100 m einen Vorwarner und auf der Baustelle
selbst Alfonso Buffolini als Wächter eingesetzt. Buffolini hatte die
Arbeiter bei der Annäherung von Zügen durch Hornsignale zu warnen. Er
befand sich zur erwähnten Zeit in der Nähe der beim Bagger beschäftigten
Arbeiter, die er als am meisten gefährdet erachtete, da der Baggerarm beim
Ausschwenken in das Profil des Geleises geriet. Dem Verlangen Baumanns,
durch einen ihm persönlich zugeordneten besonderen Wächter geschützt zu
werden, entsprach Rutschmann nicht. Er begnügte sich damit, Baumann das
Betreten des Lichtraumprofils des Geleises zu untersagen. Um anzuzeigen,
wie weit dieses Profil reiche, spannte er eine Schnur.

    Als etwa um 13.25 Uhr ein "Roter Pfeil" als Extrazug von
Zürich-Hauptbahnhof her sich mit 80-40 km/h dem Bahnhof Oerlikon
näherte, stand Baumann, den Rücken gegen das Geleise gewandt und
die Schnur eindrückend, auf dem alten Wasserdurchlass und bediente
den Abbauhammer. Wegen des Lärms, den dieses Gerät und der Kompressor
verursachten, überhörte er sowohl das Hornsignal Buffolinis als auch das
Pfeifsignal des noch etwa 200 m entfernten Zuges. Aus ungefähr 50 m Nähe
warnte der Lokomotivführer zum zweiten Mal, doch gelang es Baumann nicht
mehr, genügend wegzutreten. Das vorderste Trittbrett des noch mit 36 km/h
fahrenden Zuges streifte ihn und warf ihn um. Baumann wurde verletzt,
war vorerst vollständig arbeitsunfähig und bleibt dauernd zu 20% invalid.

    B.- Im Mai 1968 klagte Baumann beim Bezirksgericht Zürich gegen die
Schweizerischen Bundesbahnen auf Zahlung von Fr. 29 262.-- nebst Zins
seit 23. Oktober 1967. Er stellt diese Forderung mit der Begründung,
die Beklagten schuldeten ihm:
      a) Den von der Schweizerischen

    Unfallversicherungsanstalt (SUVA) nicht

    gedeckten Teil des Lohnausfalles, den er

    vom 23. September 1967 bis am

    1. April 1968 erlitten habe ...................  Fr.  2 940.--
      b) Den Barwert des Unterschiedes zwischen

    dem Lohnausfall, den er seit 2. April 1968

    erleide (1/5 von jährlich Fr. 17 550.--)

    und der Rente,die ihm die SUVA seit diesem

    Tage gewährte (1/5 von 70% einesjährlichen

    Verdienstes von Fr. 15 000.--, d.h. des nach

    Gesetz zuberücksichtigenden Höchstbetrages) ...  Fr. 16 539.30
      c) Eine Genugtuung von ......................  Fr. 10 000.--
                                           Zusammen  Fr. 29 479.30

    Der Kläger beantragte, ihm für die Dauer von zwei Jahren einen
"Vorbehalt für allfällige Spätschäden einzuräumen".

    Das Bezirksgericht wies die Klage ab. Das Obergericht des
Kantons Zürich verpflichtete dagegen auf Berufung des Klägers hin am
23. Oktober 1969 die Beklagten, dem Kläger Fr. 29 262.-- nebst 5% Zins
seit 23. Oktober 1967 zu zahlen. Ausserdem erkannte es: "Dem Kläger wird
ein Abänderungsvorbehalt im Sinne des Art. 10 EHG für die Dauer zweier
Jahre ab Rechtskraft dieses Urteils eingeräumt".

    C.- Die Beklagten haben gegen dieses Urteil die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Sie halten am Antrag auf Abweisung der Klage fest.

    Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz von 1875 (aEHG) hafteten
die konzessionierten Eisenbahnunternehmungen nur aus Verschulden, wenn sich
die Tötung oder Körperverletzung beim Bau einer Eisenbahn ereignete (Art.
1), dagegen auch für Zufall, wenn sie durch den Betrieb einer solchen
verursacht wurde (Art. 2). In beiden Fällen hatte die Bahnunternehmung für
das Verhalten ihrer Angestellten und der Personen, deren sie sich zum Bau
der Bahn bzw. zum Betrieb des Transportgeschäftes bediente, einzustehen
(Art. 3).

    Im Jahre 1887 wurde die durch BG vom 25. Brachmonat 1881 vorgesehene
Haftpflicht aus Fabrikbetrieb, die eine auf den Betrag von Fr. 6000.--
beschränkte Zufallshaftung war (Art. 2 und 6 Abs. 2), unter anderem auf den
Eisenbahnbau ausgedehnt, jedoch behielt man bezüglich der Haftbarkeit der
konzessionierten Eisenbahnunternehmung Art. 1 aEHG vor (BG vom 26. April
1887 Art. 1 lit. d und 2 Abs. 3). Fortan haftete also der Bauunternehmer
für Zufall, die Eisenbahnunternehmung für Bauunfälle dagegen weiterhin
nur aus Verschulden.

    Das geltende Eisenbahnhaftpflichtgesetz von 1905 (EHG) unterwirft die
Eisenbahnunternehmungen nicht nur für die beim Betrieb, sondern auch für
die beim Bau einer Eisenbahn vorkommenden Tötungen und Körperverletzungen
der Zufallshaftung, wobei das Verhalten ihres Personals und der Personen,
deren sie sich zum Bau der Bahn oder zum Betrieb des Transportgeschäfts
bedient, sie nicht entlastet (Art. 1). Vom Inkrafttreten dieses Gesetzes
an konnten also die beim Bau einer Bahn verunfallten Arbeitnehmer ihre
Ansprüche gegen die Eisenbahnunternehmung geltend machen, ohne ihr
ein Verschulden nachweisen zu müssen, und zwar gleichgültig, ob sie im
Dienste der Eisenbahnunternehmung oder im Dienste eines beim Bahnbau
tätigen andern Unternehmers standen.

    Das BG vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung
(KUVG) hob das EHG bezüglich der Unfälle, von denen die Angestellten
oder Arbeiter der Eisenbahnunternehmungen betroffen werden, auf
(Art. 128 Abs. 5) und ersetzte sie durch die Bestimmungen des
Obligationenrechts, unter gleichzeitiger Einschränkung der Haftung
des Arbeitgebers auf die Fälle von Absicht oder grober Fahrlässigkeit
(Art. 129). Für die Bediensteten der Eisenbahnunternehmung bedeutete das
eine Schlechterstellung, denn die Leistungen der SUVA decken den Schaden
nicht ganz und für den Fehlbetrag haftet die Eisenbahnunternehmung nur,
wenn sie den Unfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.

    Anlässlich der Ergänzung des KUVG durch BG vom 18. Juni 1915
wurde die Ungleichheit zwischen den Angestellten und Arbeitern der
Eisenbahnunternehmung einerseits und den beim Bahnbau beschäftigten
obligatorisch versicherten Arbeitnehmern anderer Unternehmungen anderseits
beseitigt, indem Art. 128 Ziff. 3 KUVG nunmehr die Vorschriften des EHG
als aufgehoben erklärt, "soweit sie die Haftpflicht dieser Unternehmungen
für Unfälle im Dienst gegenüber ihren eigenen obligatorisch versicherten
Angestellten und Arbeitern und den bei dem Eisenbahnbau beschäftigten
obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern anderer
Unternehmungen betreffen".

    b) Diese Änderung wurde damit begründet, man habe bei der Revision
des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes die Zufallshaftung für Unfälle aus
Bauarbeiten eingeführt, weil es vorgekommen sei, dass die beim Bahnbau
verunfallten Arbeiter von Bauunternehmern bei Zahlungsunfähigkeit
ihres Arbeitgebers leer ausgegangen seien; unter der obligatorischen
Unfallversicherung bestehe diese Gefahr nicht, weshalb es keinen Sinn mehr
habe, den im Dienste der Bauunternehmung stehenden Arbeitern neben den
Rechten aus der obligatorischen Versicherung noch einen Anspruch gegen
die Eisenbahnunternehmung zu gewähren (BBl 1915 I 954; StenBull NatR
1915 150 Votum Hirter, StR 1915 98 Votum Keller). In der Tat hatte man
seinerzeit auf das Argument, die Zufallshaftung für Unfälle aus Bauarbeiten
sei nicht nötig, weil die Bauunternehmer nach Fabrikhaftpflichtgesetz
ohnehin für Zufall hafteten, geantwortet, der Bauunternehmer sei nicht
immer so zahlungsfähig wie die Eisenbahnunternehmung (StenBull NatR
1902 360 Spalte links unten, 377 Spalte rechts oben, StR 1904 42 Spalte
links). Die Begründung, mit der im Jahre 1915 die Zufallshaftung der
Eisenbahnunternehmung gegenüber den bahnfremden Bauarbeitern aufgehoben
wurde, mag stichhalten, wenn der Unfall ausschliesslich auf die Gefahren
des Bauens zurückzuführen ist. Verunfallt der Bauarbeiter dagegen, weil
er während der Arbeit mit einer im Betrieb stehenden Bahn in Berührung
kommt, so kann er einwenden, er sei nicht das Opfer des Bahn baues,
sondern des Bahnbetriebes und für Unfälle aus dem Betrieb habe die
Eisenbahnunternehmung schon unter aEHG für Zufall gehaftet, und zwar auch
gegenüber Bauarbeitern.

    Dass in einem solchen Falle das erwähnte Argument des Gesetzgebers
nicht standhält, ändert jedoch nichts daran, dass im Jahre 1915
nach dem Wortlaut des Art. 128 Ziff. 3 KUVG die Zufallshaftung der
Eisenbahnunternehmung gegenüber obligatorisch versicherten bahnfremden
Bauarbeitern schlechthin aufgehoben wurde, gleichgültig ob sie wegen reiner
Baugefahren oder vielmehr wegen des Betriebes einer Bahn verunfallen. Das
Bundesgericht hat es denn auch ausdrücklich abgelehnt, diese Unterscheidung
zu machen (BGE 88 II 524). Sie hätte eine Privilegierung der bahnfremden
Bauarbeiter zur Folge, da die Zufallshaftung der Eisenbahnunternehmung
gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern schon durch die alte Fassung des
Art. 128 KUVG schlechthin aufgehoben wurde und die neue Fassung hieran
nichts ändert. Der Gesetzgeber wollte im Jahre 1915 die obligatorisch
versicherten bahnfremden Bauarbeiter in der Frage der Zufallshaftung der
Eisenbahnunternehmungen den eigenen Bediensteten dieser Unternehmungen
gleichstellen.

    Der Kläger und die Vorinstanz sind allerdings der Auffassung, Art. 128
Ziff. 3 KUVG benachteilige die Arbeitnehmer bahnfremder Bauunternehmer im
Vergleich zum Bahnpersonal, obschon sie den gleichen Gefahren ausgesetzt
seien wie dieses. Sie übersehen jedoch, dass die Vorteile, welche die
im Betrieb verunfallten Beamten der SBB und ihre Hinterbliebenen gemäss
Art. 57 der Beamtenordnung II vom 10. November 1959 über die Leistungen
der SUVA hinaus geniessen (s. auch schon Art. 52 der Beamtenordnung II
vom 24. Oktober 1930), nicht dem Art. 128 Ziff. 3 KUVG zuzuschreiben sind,
sondern einem entgegenkommenden Verhalten des Bundes als Arbeitgeber. Den
Bediensteten anderer Eisenbahnunternehmungen kommen diese Vorteile nicht
zugute. Sie können nicht dazu Anlass geben, Art. 128 Ziff. 3 KUVG irgendwie
zugunsten der Arbeitnehmer bahnfremder Bauunternehmer auszulegen.

    Übrigens folgern auch der Kläger und die Vorinstanz aus ihrer Kritik
nicht, die Eisenbahnunternehmungen müssten den bahnfremden Bauarbeitern
für Zufall einstehen, wenn sich der Unfall bei einem Umbau ereignet und
dem Betrieb der Bahn zuzuschreiben ist.

    c) Art. 128 Ziff. 2 KUVG erklärt die Vorschriften des BG vom 24. Juni
1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (E1 G)
"über die Haftung des Betriebsinhabers, soweit sie dessen Verhältnis zu
seinen obligatorisch versicherten Angestellten und Arbeitern betreffen",
als aufgehoben. Die in Art. 27 E1 G vorgesehene Zufallshaftung des
Betriebsinhabers gilt also gegenüber seinen obligatorisch versicherten
Arbeitnehmern nicht mehr. Für Unfälle, die einem im Dienste eines anderen
Unternehmers stehenden Arbeitnehmer zustossen, z.B. bei der Umänderung oder
Instandstellung einer Leitung, besteht sie dagegen weiter. Diese ungleiche
Behandlung der obligatorisch versicherten Arbeitnehmer des Betriebsinhabers
einerseits und der Arbeitnehmer Dritter anderseits fällt auf, wenn man
sie mit der in Art. 128 Ziff. 3 vorgeschriebenen Gleichbehandlung auf dem
Gebiete der Eisenbahnhaftpflicht vergleicht. Sie kann aber nicht Anlass
geben, Art. 128 Ziff. 3 auf Bahnbetriebsunfälle, die sich anlässlich
des Umbaues einer Bahn ereignen, gegenüber Arbeitnehmern bahnfremder
Unternehmer nicht anzuwenden. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung
und Art. 128 Ziff. 2 KUVG ist gewollt. Er erklärt sich historisch daraus,
dass Art. 1 EHG auch die Bauunfälle unter Zufallshaftung stellt, Art. 27
ElG dagegen nur die Unfälle aus dem Betrieb der Anlage.

    d) Es bleibt somit dabei, dass Art. 128 Ziff. 3 KUVG die Zufallshaftung
der Eisenbahnunternehmung gegenüber den beim Eisenbahnbau (inbegriffen
Umbau) beschäftigten obligatorisch versicherten Arbeitnehmern anderer
Unternehmungen grundsätzlich aufgehoben hat, gleichgültig welcher Art
der Unfall sei. Der Umstand, dass der Kläger nicht das Opfer eines reinen
Bauunfalles ist, sondern von einem dem Transportgeschäft dienenden Zuge
verletzt wurde, führt also nicht dazu, dass die Beklagten für Zufall
einzustehen hätten.

Erwägung 4

    4.- Das Obergericht ist der Auffassung, Art. 128 Ziff. 3 KUVG
schliesse die Anwendung des EHG zugunsten der beim Betrieb und Bau der
Bahn Beschädigten nur insoweit aus, als sie für ihre Forderungen durch
Leistungen der SUVA gedeckt würden.

    Art. 128 Ziff. 3 ist im Zusammenhang mit Art. 129 KUVG auszulegen. Jene
Bestimmung will die Eisenbahnunternehmung nicht jeder Haftung für Unfälle
entheben, die ihren obligatorisch versicherten Arbeitnehmern oder den
beim Eisenbahnbau beschäftigten obligatorisch versicherten Arbeitnehmern
anderer Unternehmungen zustossen. Die Zufallshaftung nach EHG wird ersetzt
durch eine Haftung nach Obligationenrecht.

    a) Was die Haftung gegenüber den eigenen Arbeitnehmern der
Eisenbahnunternehmung betrifft - sie ist durch Art. 129 Abs. 2 KUVG
auf Absicht und grobe Fahrlässigkeit beschränkt -, liegt der Grund der
Milderung darin, dass die Unternehmung die Prämien für Betriebsunfälle
zahlt. Soweit Art. 129 Abs. 2 die Eisenbahnunternehmung gegenüber ihren
Arbeitnehmern entlasten will, darf sie daher nicht durch einschränkende
Auslegung des Art. 128 Ziff. 3 doch wieder belastet werden.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes muss der weder absichtlich
noch grobfahrlässig handelnde Arbeitgeber für jene Folgen nicht einstehen,
die Gegenstand der obligatorischen Versicherung gegen Betriebsunfälle
sind, also für den dem Versicherten und seinen Hinterlassenen aus
der Körperverletzung oder Tötung entstandenen Schaden (Kosten der
versuchten Heilung, Nachteile der Arbeitsunfähigkeit, Bestattungskosten,
Versorgerschaden; vgl. Art. 72 KUVG) (BGE 88 II 46 Erw. 4). Insoweit
wird der Arbeitgeber vollständig befreit, auch soweit der materielle
Schaden aus der Tötung oder Körperverletzung durch die SUVA nicht
gedeckt wird. Eisenbahnunternehmungen befinden sich in dieser Hinsicht
in der gleichen Lage wie andere Arbeitgeber. Art. 128 Ziff. 3 und Art.
129 KUVG können nicht den Sinn haben, dass die Eisenbahnunternehmung für
den ungedeckten Teil des weder absichtlich noch grobfahrlässig zugefügten
Schadens zwar nicht nach OR, aber weiterhin nach dem EHG hafte.

    Anders verhält es sich hinsichtlich der Genugtuung. Art. 129 Abs. 2
KUVG beschränkt die Pflicht des Arbeitgebers, unter den Voraussetzungen
des Art. 47 OR Genugtuung zu leisten, nicht auf die Fälle von Absicht oder
grober Fahrlässigkeit (BGE 72 II 314 f., 432 f., 81 II 553 Erw. 4, 86 I
256). Jene Norm berührt auch die Pflicht des Arbeitgebers, Sachschaden
zu ersetzen, in keiner Weise, da der Arbeitnehmer gegen solchen bei der
SUVA nicht versichert ist (BGE 88 II 47). Daher lässt sich die Auffassung
vertreten, Art. 128 Ziff. 3 KUVG schliesse die Anwendung des EHG auf
die Genugtuungsansprüche und Ersatzforderungen für Sachschaden nicht
aus. Diese Frage kann aber im vorliegenden Falle offen bleiben.

    b) Art. 128 Ziff. 3 KUVG will die Haftung der Eisenbahnunternehmungen
gegenüber den beim Bahnbau beschäftigten obligatorisch versicherten
Angestellten und Arbeitern anderer Unternehmungen der Haftung
annähern, der die Bahn gegenüber ihren eigenen obligatorisch
versicherten Arbeitnehmern untersteht. Der Grund liegt darin, dass
das KUVG beiden Gruppen von Arbeitnehmern und ihren Hinterlassenen
die Leistungen der SUVA verschafft. Dieser Gedanke schliesst aus, die
Eisenbahnunternehmung gegenüber den bahnfremden Arbeitnehmern für den von
der SUVA nicht gedeckten Teil des materiellen Schadens aus der Tötung oder
Körperverletzung nach EHG haften zu lassen, während diese Zufallshaftung
gegenüber den eigenen Arbeitnehmern der Bahn nicht gilt.

    Die II. Zivilabteilung hat denn auch in BGE 59 II 468 ff., wo sie die
Eisenbahnhaftpflicht gegenüber einem Postangestellten, der anlässlich
seiner dienstlichen Verrichtungen von einem Zuge getötet wurde,
als durch Art. 128 Ziff. 3 KUVG aufgehoben erklärte, nicht zwischen
gedecktem und von der SUVA nicht gedecktem Schaden unterschieden. Auch
die I. Zivilabteilung hat in dem in BGE 88 II 516 ff. veröffentlichten
Urteil, das Schadenersatzklagen eines beim Bahnbau Verunfallten und
der Hinterlassenen eines bei diesen Arbeiten Getöteten betraf, diese
Unterscheidung nicht gemacht.

    Die verwaltungsrechtliche Kammer allerdings hat dann in BGE 93 I
290 ff. den Hinterlassenen eines Arbeiters einer privaten Unternehmung,
der auf dem Marsch zu einer Instandstellungsarbeit in einem Tunnel
von einem Zuge der SBB getötet wurde, entgegengehalten, sie könnten
sich jedenfalls insoweit, als eine Entschädigung für Bestattungskosten
("Todesfallkosten") und Genugtuungssummen in Frage ständen, auf das EHG
stützen, denn Art. 128 Ziff. 3 KUVG erfasse nur solche Forderungen, für
welche die obligatorische Versicherung Deckung biete; das VG sei deshalb
nicht anwendbar. Die verwaltungsrechtliche Kammer verwies zur Begründung
ihrer Auffassung auf OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage, 1384 und
SAXER, Der Regress nach Art. 100 KUVG gegenüber der Eisenbahnunternehmung
S. 44.

    OFTINGER behandelt aber an der zitierten Stelle nur die Haftung
für Sachschaden. Allerdings sagt er in diesem Zusammenhange, nach
allgemeiner Regel blieben "Schäden und Teile von solchen, für die die
SUVA keine Deckung bietet, ausserhalb der Regelung der Art. 100, 128 und
129". Dieser Satz ist jedoch nicht dahin zu verstehen, für den durch
die SUVA nicht gedeckten Teil einer dem KUVG unterstehenden Forderung
gälten Art. 128 und 129 KUVG nicht. Sonst würde Oftinger dort, wo er
sich über diese Teilforderung, die sog. "Restforderung", ausspricht und
ausführt, dass sie der personellen und rechtlichen Beschränkung des
Art. 129 Abs. 2 KUVG unterliegt (S. 386), nicht beifügen (S. 388):
"Es macht hierbei keinen Unterschied aus, auf welche Haftpflichtnorm
sich die Klage stützt: OR, ZGB, Spezialgesetz (EHG, MFG, LFG usw.),
Verschuldens- oder Kausalhaftung, vertragliche oder ausservertragliche
Haftung (OR 41 ff., 101, 339 usw.)." Es wäre ein Widerspruch, einerseits
die Auffassung zu vertreten, für die Restforderung gelte Art. 128 Ziff. 3
KUVG nicht, d.h. die Eisenbahnunternehmung hafte für sie nach EHG auch
ohne Verschulden, anderseits auf diese Restforderung dann doch gemäss
Art. 129 Abs. 2 KUVG die Haftung dieser Unternehmung auf die Fälle von
Absicht oder grober Fahrlässigkeit beschränken zu wollen. Unter den
"Schäden und Teilen von solchen, für die die SUVA keine Deckung bietet"
(S. 384), kann Oftinger nur jene verstehen, für die gegen die SUVA
überhaupt keine Forderung, auch nicht eine bloss beschränkte, gestellt
werden kann, weil sie nicht unter die obligatorische Unfallversicherung
fallen. Das gilt für Sachschäden und Teile von solchen. Bestattungskosten
sind aber nicht Sachschaden, sondern Folgen der Tötung und können auch
nicht gleich wie Sachschaden behandelt werden, da die Hinterlassenen
nach KUVG Anspruch auf eine Bestattungsentschädigung haben (Art. 72),
während Sachschäden überhaupt nicht nach KUVG versichert sind. Die II.
Zivilabteilung hat denn auch in BGE 59 II 468 ff. die Bestattungskosten
nicht von Art. 128 Ziff. 3 KUVG ausgenommen.

    Auch SAXER spricht sich an der von der verwaltungsrechtlichen
Kammer zitierten Stelle ausser über die Genugtuungsleistungen nur über
die Sachschäden, nicht auch über die durch die SUVA nicht gedeckte
Restforderung für Körperschäden aus.

Erwägung 5

    5.- Die Beklagten berufen sich auf BGE 88 II 525 Erw. 3 a, wonach
der Eisenbahnunternehmung auch gegenüber bahnfremden Bauarbeitern Art.
129 Abs. 2 KUVG zugute komme, sie also auch diesen Arbeitnehmern nur für
Absicht und grobe Fahrlässigkeit hafte.

    Der Einwand des Klägers, diese Auffassung widerspreche dem Wortlaut
des Art. 129 Abs. 2 KUVG, hält stand. Die Eisenbahnunternehmung ist
nicht Arbeitgeber des bahnfremden Bauarbeiters; dieser steht im Dienste
des Bauunternehmers, nicht der Bestellerin der Bauarbeiten. Diese trifft
auch keine "in der obligatorischen Versicherung liegende Prämienzahlung",
die der Arbeitgeber erfüllt haben muss, um sich auf Art. 129 Abs. 2 berufen
zu können. Die Eisenbahnunternehmung wird durch die SUVA-Prämien höchstens
mittelbar belastet, indem der Bauunternehmer sie in den Werklohn einrechnen
mag. Die I. Zivilabteilung hat sich denn auch im erwähnten Entscheide
nur darauf berufen, dass es sich nicht rechtfertigte, die bahnfremden
Arbeitnehmer anders zu behandeln als die bahneigenen. Sie führt aus,
die ungleiche Behandlung widerspräche den Grundsätzen des Gesetzes, das
anderseits die Verpflichtungen und Leistungen der beiden Gruppen von
Arbeitnehmern einheitlich ordne, z.B. in Art. 60 Ziff. 1 und 2 lit. a
und d.

    Dass unter dem Gesichtspunkt des KUVG beide Gruppen gleiche Pflichten
und Rechte haben, weil Art. 60 KUVG nicht nur die Angestellten und Arbeiter
der Eisenbahnunternehmung, sondern auch die im Baugewerbe, besonders beim
Eisenbahnbau tätigen Arbeitnehmer diesem Gesetze unterstellt, ist indessen
kein Grund, die sich aus dem klaren Wortlaut des Art. 129 ergebenden
Rechte der bahnfremden Arbeitnehmer gegenüber der Eisenbahnunternehmung
zu beschneiden, bloss weil sie den bahneigenen Arbeitnehmern nicht
zustehen. Die Bahnunternehmung hat gegenüber den bahnfremden Arbeitnehmern
die Stellung eines Dritten, der sie geschädigt hat, gegenüber dem
bahneigenen Personal dagegen die Stellung eines Arbeitgebers, der seine
Arbeitnehmer bei der SUVA versichern muss und dafür Prämien zahlt. Auch
die beschränkte Gleichstellung, die Art. 128 Ziff. 3 dadurch verwirklicht,
dass er die Zufallshaftung nach EHG durch die Verschuldenshaftung nach
OR ersetzt, ist kein Grund, die beiden Gruppen von Arbeitnehmern selbst
dort gleich zu behandeln, wo der Wortlaut des Gesetzes es verbietet und
die Ungleichheit die Folge des ungleichen Rechtsverhältnisses ist, in dem
der Verletzte zum Schädiger steht. Art. 128 Ziff. 3 KUVG hat ja auch nicht
verhindert, dass die im Dienste der SBB verunfallenden Arbeitnehmer auf
Grund der Beamtenordnung II erheblich mehr erhalten als die Arbeitnehmer
von privaten Bauunternehmern. SAXER, aaO S. 67, führt aus, dass auch die
Bediensteten der konzessionierten Bahnunternehmungen weitergehende Rechte
haben als ihre Kollegen von der Bauunternehmung. Das liegt in der Natur
der Sache; denn nicht alle Arbeitgeber pflegen ihre Arbeitnehmer gleich
zu behandeln. Wenn aber schon auf diesem Gebiete Ungleichheiten vorkommen,
sind sie auch in einem Punkte erträglich, wo ausnahmsweise der bahnfremde
Arbeitnehmer gegenüber der Eisenbahnunternehmung mehr Rechte hat als der
bahneigene. Dazu kommt, dass Art. 41 OR, auf Grund dessen auch der nur
leicht fahrlässig Handelnde dem Geschädigten den widerrechtlich zugefügten
Schaden ersetzen muss, nicht leichthin durchbrochen werden darf. Art. 129
Abs 2 KUVG ist eine Ausnahmebestimmung, und der Anwendungsbereich solcher
Normen ist nicht ohne zwingenden Grund auszudehnen, namentlich dann nicht,
wenn sich die Ausdehnung mit dem Wortlaut nicht verträgt.

    SAXER, aaO S. 68, scheint denn auch BGE 88 II 525 Erw. 3 a nur zögernd
zuzustimmen. Er bringt als einziges Argument vor, Art. 129 Abs. 2 KUVG
wolle das "Betriebsklima" entgiften, nämlich gewährleisten, dass der
Verunfallte nicht bloss den Arbeitgeber, sondern auch den Nebenarbeiter nur
belangen könne, wenn er absichtlich oder grobfahrlässig handelte; würde
der bahnfremde Bauarbeiter die Eisenbahnunternehmung auch bei leichterem
Verschulden belangen können, so stände ihm das gleiche Recht auch gegenüber
einem bloss leicht fahrlässig handelnden Bediensteten der Bahn zu, was dem
"Betriebsklima" abträglich wäre. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten,
dass die bahnfremden Arbeitnehmer und die Bediensteten der Bahn nicht
ein und demselben Betriebe angehören. Sie arbeiten auch nicht ständig
zusammen wie die Angehörigen ein und desselben Betriebes, sondern sie
kommen nur vorübergehend dadurch miteinander in Berührung, dass die
Bauunternehmung von der Eisenbahnunternehmung einen einzelnen Bauauftrag
erhalten hat. Ein der Störung des "Betriebsklimas" ähnlicher Zustand
kann höchstens für die Dauer dieser Arbeiten eintreten. Ein Verunfallter
scheidet aber ohnehin in der Regel längere Zeit, wenn nicht dauernd aus der
Arbeitsgemeinschaft mit den Bahnbediensteten aus. Es ist deshalb nicht zu
ersehen, weshalb die Haftung mit Rücksicht auf das "Klima" eingeschränkt
werden sollte. Eine strenge Haftung kann zudem präventiv wirken, eine
gemilderte Haftung dagegen Nachlässigkeiten Vorschub leisten. Gerade im
Eisenbahnbetrieb können aber Nachlässigkeiten nicht geduldet werden. Hier
sind nicht nur die Interessen eines einzelnen Verunfallten auf dem Spiele,
sondern die Interessen aller beim Bahnbau beteiligten Arbeiter, ja sogar
die Interessen der Bahnbenützer, die geschädigt werden können, wenn ein
Zug z.B. in eine Baumaschine hineinfährt.

    Aus diesen Gründen ist von BGE 88 II 525 Erw. 3 a abzurücken und
der Eisenbahnunternehmung nicht zu gestatten, sich auf Art. 129 Abs. 2
KUVG zu berufen, wenn sie von einem bahnfremden Bauarbeiter oder seinen
Hinterlassenen auf Ersatz des durch die SUVA nicht gedeckten Schadens
aus Körperverletzung oder Tötung belangt wird.

Erwägung 6

    6.- Es fragt sich ferner, nach welchen Bestimmungen des
Obligationenrechtes die Eisenbahnunternehmung dem bahnfremden Bauarbeiter
Schadenersatz zu leisten hat.

    a) In BGE 88 II 527 f. Erw. 4 c wurde erörtert, ob die Bauunternehmung
und die SBB nach Art. 339 OR hafteten. Das Bundesgericht verneinte diese
Frage für beide Belangten, weil der Sicherheitsdienst richtig organisiert
und überwacht worden sei.

    Diese Erwägung war gegenstandslos, soweit sie die SBB betrifft,
denn zwischen der Eisenbahnunternehmung und dem bahnfremden Bauarbeiter
besteht kein Dienstvertrag, ja überhaupt kein Vertragsverhältnis, weshalb
Art. 339 OR von vorneherein nicht anwendbar ist.

    Aus dem gleichen Grunde haftet die Eisenbahnunternehmung nicht
gemäss Art. 101 OR für das Verschulden ihrer Hilfspersonen.

    Das ist in BGE 88 II 530 Erw. 5 zweitletzter Absatz, wo der fehlbare
Sicherheitswächter als Hilfsperson der Bundesbahnen bezeichnet und Art. 101
OR zitiert wurde, offenbar verkannt worden. MERZ, ZBJV 99 381 unten,
meint allerdings, das Bundesgericht habe auf diese Bestimmung abgestellt,
weil es - was er als künstlich bezeichnet - von einer im Sinne des Art. 112
Abs. 2 OR eingegangenen vertraglichen Verpflichtung der SBB gegenüber der
Bauunternehmung auf Einsetzung eines Warndienstes ausgehe. Das trifft aber
nicht zu. Das Bundesgericht vertrat die Auffassung, die Geschädigten
hätten gemäss Art. 112 Abs. 2 OR ein direktes Klagerecht gegen die
Bundesbahnen nur für den Fall, dass man sich der These anschliessen würde,
der Bauunternehmer habe den ihm obliegenden Sicherheitsdienst vertraglich
den Bundesbahnen übertragen. Unmittelbar anschliessend verwarf es diese
These, indem es in Erw. 5 Abs. 6 ausführte, in Wirklichkeit hätten die
Bundesbahnen den Warndienst vorbehalten, weil die Bahnpolizeivorschriften
sie dazu verpflichteten.

    Auch im vorliegenden Falle kann von einem Vertrag zwischen der
Bauunternehmung und den Beklagten zugunsten des Klägers nicht die Rede
sein. Das Obergericht stellt nirgends fest, die Bauunternehmung habe den
Sicherheitsdienst vertraglich den Beklagten übertragen. In Wirklichkeit
oblag er von Gesetzes wegen den Beklagten, nicht nur zum Schutze der
Bauarbeiter, sondern auch zum Schutze der verkehrenden Züge, die namentlich
durch den Bagger erheblich gefährdet werden konnten (Art. 19 Abs. 1 des
Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957, AS 19.58 340).

    b) Da der Kläger gegenüber den Beklagten keine Ansprüche aus Vertrag
hat, schulden sie ihm nur unter den Voraussetzungen der Art. 41 ff. OR
Schadenersatz.

    Sie haften ihm in erster Linie, wenn einem ihrer Organe Fahrlässigkeit
vorzuwerfen ist (Art. 41 Abs. 1 OR in Verbindung mit Art. 55 Abs. 2
ZGB). Das Verschulden blosser Hilfspersonen, die nicht Organe sind, gilt
nach diesen Normen nicht als Verschulden der Beklagten. Darin liegt ein
Rückschritt, hatte doch die Eisenbahnunternehmung schon nach aEGH, das
für die beim Bau einer Bahn vorkommenden Tötungen und Körperverletzungen
noch die Verschuldenshaftung kannte, für das Verhalten ihrer Angestellten
(und der Personen, deren sie sich zum Bau der Bahn bediente) einzustehen
(Art. 3). Auch nach Art. 1 EHG gilt das Verschulden des Personals der
Eisenbahnunternehmung (und das Verschulden bahnfremden Baupersonals)
nicht als Verschulden eines Dritten, das die Bahnunternehmung entlasten
würde. Es ist nicht anzunehmen, der Gesetzgeber habe beim Erlass des
Art. 128 Ziff. 3 KUVG diesen Grundsatz mit über Bord werfen wollen. Es war
ihm nur darum zu tun, die Zufallshaftung des EHG gegenüber den in Art. 128
Ziff. 3 genannten Personen aufzuheben und darüber hinaus das EHG auch
insoweit auszuschalten, als sei ne Bestimmungen dem KUVG widersprechen.
Die Pflicht der Eisenbahnunternehmung, für das Verschulden ihres Personals
einzustehen, widerspricht dem KUVG nur insoweit, als dessen Art. 129 Abs. 2
zutrifft. Da diese Bestimmung auf die Haftung der Eisenbahnunternehmung
gegenüber bahnfremden Bauarbeitern nicht anwendbar ist, hat die Bahn
diesen Arbeitern weiterhin für das Verschulden des gesamten Bahnpersonals
einzustehen. Art. 1 EHG hat insoweit als nicht aufgehoben zu gelten.

    Haftet die Eisenbahnunternehmung für das Verschulden ihres Personals,
so erübrigt es sich, den Begriff des Organs im Sinne des Art. 55 ZGB
einem befriedigenden Ergebnis zuliebe so ausdehnend auszulegen, dass er
unglaubhaft wirken müsste.

    c) Wenn den Angestellten oder Arbeiter der Eisenbahnunternehmung
ein Verschulden trifft und diese Unternehmung dafür einzustehen hat,
ist Art. 55 OR gegenstandslos. Die Frage, ob sie alle nach den Umständen
gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten
oder ob der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten
wäre, stellt sich dann nicht; die Eisenbahnunternehmung darf diesen
Entlastungsbeweis nicht erbringen.

    Da Art. 55 OR nicht ein Verschulden des Angestellten oder Arbeiters
voraussetzt (BGE 50 II 494, 56 II 287 und 289, 57 II 38 und 45, 88 II 135,
90 II 90, 95 II 97), bleibt für diese Bestimmung Raum, wenn das Personal
der Eisenbahnunternehmung sich nicht schuldhaft verhalten hat. Art. 128
KUVG steht der Anwendung des Art. 55 OR nicht im Wege (BGE 62 II 347, 68
II 291), und die Rechtsprechung, wonach Art. 129 Abs. 2 KUVG die Haftung
nach Art. 55 OR mildert (BGE 62 II 347, 68 II 291, 72 II 314, 81 II 224),
trifft auf die Haftung der Eisenbahnunternehmung gegenüber dem bahnfremden
Bauarbeiter nicht zu, weil Art. 129 Abs. 2 KUVG nicht anwendbar ist.

Erwägung 7

    7.- Das Obergericht führt aus, es sei Rutschmann, der für den
Sicherheitsdienst der Baustelle verantwortlich war, bekannt gewesen, dass
die ursprünglichen Sicherheitsvorschriften der Lage am Arbeitsplatz nicht
mehr entsprachen, nachdem dieser auseinandergezogen worden war und man an
zwei Orten mit Maschinen arbeitete; er sei sich der Gefahr durchaus bewusst
gewesen, welcher der mit dem Pressluftbohrer arbeitende Kläger ausgesetzt
war; er sei selber der Ansicht gewesen, für die Ausführung dieser Arbeit
hätte ein Wächter unmittelbar auf den Platz gehört; er habe zugegeben,
dass der Kläger von ihm einen zusätzlichen Wächter verlangte; er habe ihm
aber nur untersagt, in das Lichtraumprofil des Betriebsgeleises zu treten.

    Aus diesen Feststellungen, die tatsächliche Verhältnisse betreffen
und daher das Bundesgericht binden, ergibt sich, dass Rutschmann damit
rechnete, der Kläger könnte das Hornsignal des 50-70 m entfernten
Wächters Buffolini - und umso mehr auch das Signal des noch rund 100
m weiter entfernten Vorwarners - überhören. Das blosse Verbot aber, in
das Lichtraumprofil des Betriebsgeleises zu treten, durfte er nicht als
zur Verhütung eines Unfalles genügend erachten. Freilich spannte er eine
Schnur, um den vom Kläger einzuhaltenden Sicherheitsabstand kenntlich
zu machen; der Kläger hat das vor dem Bezirksgericht zugegeben. Die
Schnur konnte aber den Kläger, wie Rutschmann hätte bedenken sollen,
nicht hindern, im Drange der Arbeit unbewusst zu nahe an das Geleise
heranzutreten. Die Auffassung Rutschmanns, der Kläger hätte im Graben
arbeiten können, also nicht, den Rücken gegen das Geleise gewandt, auf
den Wasserdurchlass zu stehen brauchen, scheitert an der verbindlichen
Feststellung der Vorinstanz, es sei praktisch undurchführbar gewesen,
die Arbeit vom Graben aus zu verrichten. Rutschmann, der sie angeordnet
hatte und als technischer Assistent der Beklagten fachkundig war, hätte
das bedenken sollen. Er wusste auch, dass die Arbeit dringend war.
Umso mehr musste er damit rechnen, dass der Kläger sie auf möglichst
einfache Art verrichten und darob seiner persönlichen Sicherheit zu wenig
Beachtung schenken könnte. Das Ausspannen einer Schnur zeigt übrigens,
dass Rutschmann sich nicht darauf verliess, der Kläger werde sich nur im
Graben aufhalten. Mit Recht wirft das Obergericht Rutschmann vor, da er
auf die Ausführung dieser Arbeit so Wert gelegt habe, hätte er für die
kurze Zeit den notwendigen Sicherungsdienst selber versehen können. Die
Auffassung der Beklagten, Rutschmann habe den Un fall des Klägers nicht
verschuldet, hält somit nicht stand.

    Die Schadenersatzansprüche des Klägers sind daher mit Recht
gutgeheissen worden. Sie sind der Höhe nach nicht bestritten. Eine
Herabsetzung wegen Mitverschuldens des Klägers ist nicht am Platze. Dem
Kläger kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er zu nahe an das
Geleise herantrat, noch handelte er schuldhaft, indem er die Signale
Buffolinis und des Zuges überhörte. Diese Umstände sind der Arbeit
zuzuschreiben, die er verrichten musste; insbesondere war der Lärm des
Abbauhammers und des Kompressors nicht vermeidbar.

Erwägung 8

    8.- a) Gemäss Art. 47 OR kann der Richter dem Opfer einer
Körperverletzung unter Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene
Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes ist dies selbst dann zulässig, wenn jemand ohne Verschulden
für die Folgen der Körperverletzung haftet (BGE 74 II 210 Erw. 8, 81 II
518 Erw. 5, 88 II 528 Erw. 5). OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage,
1 262 vertritt demgegenüber die Auffassung, den Haftpflichtigen oder
die Person, für die er einzustehen habe, müsse ein Verschulden treffen.
Diese Meinung hilft den Beklagten indessen schon deshalb nicht, weil
Rutschmann die Körperverletzung des Klägers verschuldet hat.

    Dieses Verschulden erlaubt die Zusprechung einer Genugtuung
grundsätzlich auch nach Art. 8 EHG. Im übrigen hat der Richter auch nach
dieser Bestimmung die besonderen Umstände des einzelnen Falles zu würdigen,
also nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (Art. 4 ZGB).

    Deshalb kann offen bleiben, ob auf die Genugtuungsforderung Art. 47
OR oder Art. 8 EHG anzuwenden sei.

    b) Der Kläger ist durch den Unfall zu 20% bleibend arbeitsunfähig
geworden. Da er schon 52 Jahre alt war, als er verunfallte, konnte er sich
der neuen Lage beruflich nicht leicht anpassen. Mitverschulden trifft ihn
keines. Das Verschulden Rutschmanns anderseits ist nicht gering, da dieser
fachkundige Beamte sich des Ungenügens des Sicherungsdienstes bewusst war
und es darauf ankommen liess, dass der Kläger für seine Sicherheit selber
sorge, d.h. sich dem Betriebsgeleise nicht zu sehr nähere. Gemildert wird
das Verschulden nur dadurch, dass Rutschmann dem Kläger das Betreten der
gefährlichen Zone untersagte und sie durch eine Schnur kennzeichnete. Es
rechtfertigt sich eine Genugtuung.

    Der zugesprochene Betrag von Fr. 10 000.-- verletzt das Gesetz
nicht. In den Fällen, in denen das Bundesgericht so hohe Genugtuungssummen
schützte, waren allerdings die Folgen der Körperverletzung schwerer
(Urteile der I. Zivilabteilung vom 23. Februar 1960 i.S. Schär [dauernde
Arbeitsunfähigkeit von 70-75%], vom 23. November 1965 i.S. Nimis [offener
Schädelbruch, Verletzungen im Gesicht, Verlust eines Auges, 25% bleibende
Arbeitsunfähigkeit] und vom 26. Februar 1963 i.S. Gétaz, BGE 88 II 114
[sehr schwere Beeinträchtigung der Funktionen des Gehirns]). In der
Sache Daziani (BGE 88 II 516 ff.), wo Fr. 15 000.-- gewährt wurden,
war der Verletzte dauernd vollständig arbeitsunfähig. Bei geringerer
Beeinträchtigung sprach das Bundesgericht Genugtuungssummen von
z.B. Fr. 5000.-- zu (BGE 86 I 256 [dauernde Arbeitsunfähigkeit von 50%],
89 II 55 Erw. 3 [neurologische Störungen, beschleunigtes Altern usw.],
89 II 61 Erw. 3 und 4 [dauernde Arbeitsunfähigkeit von 20%]). In den
beiden ersten Fällen waren nur Fr. 5000.-- verlangt worden, im dritten
dagegen Fr. 8000.--. Die Kaufkraft des Geldes hat jedoch inzwischen
abgenommen. Zudem weist jeder Fall seine besonderen Umstände auf. Auch
steht dem kantonalen Richter ein gewisses Ermessen zu, in welches das
Bundesgericht nicht einzugreifen pflegt. Das Obergericht hat es im
vorliegenden Falle nicht überschritten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des Obergerichtes (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom
23. Oktober 1969 bestätigt.