Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 145



96 II 145

25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Juni 1970 i.S. Frau X. gegen
Schweizerische Bankgesellschaft. Regeste

    Art. 18, 41 und 479 Abs. 1 OR; Haftung einer Bank.

    1.  Ob aus den Begleitumständen auf ein simuliertes Rechtsgeschäft
geschlossen werden darf, ist eine Tatfrage, die der kantonale Richter
entscheidet (Erw. 1).

    2.  Auftrag eines im Ausland wohnhaften Kunden an eine Bank in der
Schweiz, zugunsten einer Drittperson ein Konto mit zugehörigem Depot
zu errichten und diesen Vermögenswerte zuzufügen; anwendbares Recht,
Erfüllung des Auftrages durch die Bank (Erw. 2).

    3.  Wer das Verfügungsrecht über ein solches Konto der Begünstigten
einräumt und sich selber nur eine Vollmacht vorbehält, der will durch
die Zuwendungen an das Konto Eigentum übertragen; Folgen für seine
Rechtsnachfolger (Erw. 3 und 4).

    4.  Die richtige Erfüllung von gültigen Verträgen ist nicht
widerrechtlich und verstösst auch nicht gegen die guten Sitten (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- X., der der Geschäftsleitung eines amerikanischen Chemiekonzerns
angehörte und in Bezons (Frankreich) eine Tochtergesellschaft leitete,
verheiratete sich 1931 mit Catherine T. Sie gebar ihm einen Sohn. Im
Jahre 1949 lernte X. die deutsche Ärztin Ursula K. kennen, die ihren Beruf
aufgab und auf sein Gut in Oberbayern übersiedelte, wo X. oft die Freizeit
verbrachte. Sie begleitete ihn auch auf vielen Geschäftsreisen. Aus
ihrer Verbindung ist 1955 und 1960 je eine Tochter hervorgegangen, die
beide am 7. Februar 1961 in Bayern mit Zustimmung der Frau X. ehelich
erklärt wurden.

    X. hatte bei einer Zürcher Filiale der Schweizerischen Bankgesellschaft
ein Konto, das er 1957 als "Contremarque - Cque - Nr. 73'406" zusammen
mit dem offenen Wertschriftendepot Nr. 41'378 auf den Hauptsitz der Bank
übertragen liess. Am 18. März 1958 schrieb er der Bank:

    "Betrifft: Cque 73'406 Ich ersuche Sie hiermit, aus meinem Depot
No. 41'378 die nachgenannten Titel, DM. 3'000.-- Aktien Daimler-Benz AG,
DM. 6'000.-- Aktien Farbenfabriken Bayer AG, DM. 5'600.-- Aktien Siemens &
Halske AG, auf ein neues Depot, lautend auf Cque 73'791, Depot No. 42'080
zu übertragen. Über dieses Depot soll ausser Frau Dr. Ursula K. (D/D)
ich persönlich auch nach dem Tode von Frau Dr. K. verfügungsberechtigt
sein. Ich habe 60 Aktien General Dynamics zum bestmöglichen Kauf in
New York aufgegeben; diese Titel sind ebenfalls dem neuen Depot 42'080
beizufügen.

    Die Vollmacht zu meinen Gunsten lasse ich Ihnen bei nächster
Gelegenheit zugehen."

    Am gleichen Tag schloss Frau K. mit der Bank über das Depot "Cque
73'791" sowie ein zugehöriges Konto einen Hinterlegungsvertrag.

    Am 2. Juli 1959 wies X. die Bank an, die Konten Nr. 73'406 und 73'791
sowie die in den Depots Nr. 41'378 und 42'080 liegenden Aktien wieder
auf die Filiale zu nehmen, wo er fortan das Konto "Cque Nr. R. 20'920
(Depot Nr. 87'240)" und Frau K. das Konto "Cque Nr. R. 20'921 (Depot
Nr. 87'241)" hatte. X. führte dem Konto 20'921 weitere Vermögenswerte
zu. Als er am 26. April 1961 tödlich verunfallte, enthielt es Wertschriften
für rund Fr. 2'670,000.-- und einen Barsaldo von etwa Fr. 70'000.--.

    Am 12. Juni 1961 teilten Frau X. und ihr Sohn der Bank mit, dass sie
als Erben des X. sämtliche Vollmachten widerriefen, die der Verstorbene
für die Konten 20'920 und 20'921 Dritten erteilt habe; der Widerruf
beziehe sich auch auf alle Konten, die auf den Namen Dritter, jedoch im
Eigentum oder im Interesse des Verstorbenen errichtet worden seien. Die
Bank verwies die Erben an den Direktor der Filiale, Max Schibli, der
ihnen mit den gewünschten Anskünften dienen werde.

    Direktor Schibli empfahl daraufhin der Frau K., die auf dem Konto
20'921 und im zugehörigen Depot liegenden Wertpapiere samt dem Barsaldo
bei der Filiale zurückzuziehen, um einer allfälligen Arrestnahme seitens
der Erben zuvorzukommen. Frau K. kam dieser Empfehlung am 13. Juni 1961
nach und übertrug die Werte auf den Sohn des Direktors, Rolf Schibli,
der sie auf seinen Namen bei Banken in anderen Kantonen anlegte. Wo sie
sich heute befinden, ist unbekannt.

    B.- Ein Strafverfahren gegen Ursula K. und weitere Angeschuldigte wegen
Veruntreuung, eventuell ungetreuer Geschäftsführung oder Sachentziehung
wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 23. September 1965
eingestellt.

    Im Juni 1967 klagte Frau X. beim Landsgericht München gegen Frau K.
insbesondere mit dem Begehren, ihr den Barbetrag und die Wertschriften
herauszugeben. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

    C.- Im Oktober 1967 erhob Frau X. ferner gegen die Schweizerische
Bankgesellschaft Klage auf Bezahlung von Fr. 2'747,311.-- Schadenersatz
nebst 5% Zins seit 13. Juni 1961.

    Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 1. Juni 1969
ab. Es hält dafür, die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten
aus Vertrag seien nicht gegeben, weil der Depotvertrag zwischen der Bank
und Frau K. abgeschlossen worden sei. Diese sei denn auch als Depot- und
Kontoinhaberin aufgetreten. Um allfällige Beziehungen des Vertragspartners
zu Dritten brauche eine Bank sich nicht zu kümmern, sondern müsse,
namentlich wenn es sich um eine Grossbank handle, davon ausgehen können,
dass der Depot- und Kontoinhaber auch der Verfügungsberechtigte sei. Im
vorliegenden Fall habe sich X. bewusst und gewollt mit der Rolle eines
Bevollmächtigten begnügt. Mehr Rechte, als er sich ausbedungen habe,
könnten auch seine Erben nicht beanspruchen. Das Vollmachtsverhältnis sei
mit seinem Tode erloschen, Frau X. folglich nicht mehr befugt gewesen,
der Bank Weisungen zu erteilen.

    Das Handelsgericht verneint auch eine Haftung der Beklagten aus
unerlaubter Handlung. Die Bank habe nicht widerrechtlich, sondern nach
Gesetz gehandelt. Da die Voraussetzungen für eine Weigerung gemäss
Art. 479 Abs. 1 OR fehlten, habe sie Ursula K. die Werte herausgeben
müssen. Ihr Verhalten verstosse auch nicht gegen die guten Sitten. Als
Beauftragte und Aufbewahrerin habe sie vor allem die Interessen ihrer
Vertragspartnerin Ursula K. wahren müssen. Wenn sie diese darauf hinwies,
wie einem allfälligen Arrest vorgebeugt werden könne, gereiche ihr das
nicht zum Vorwurf. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran gehabt,
nicht auf dem Wege einer Eigentumsklage in einen Prozess zwischen den
Erben des X. und der Depotinhaberin hineingezogen zu werden.

    D.- Die Klägerin hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie
beantragt, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Klage
gutzuheissen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin versucht eine Haftung der Bank aus Vertrag vor allem
damit zu begründen, X. habe das Konto samt dem Depot zugunsten der Frau K.
bloss zu Tarnzwecken errichtet. Aus dem Hinterlegungsvertrag, der Vollmacht
und den weiteren Belegen der Bank könne nicht zweifelsfrei auf den wahren
Berechtigten geschlossen werden; dagegen ergebe sich aus den gesamten
Begleitumständen, dass X. in Wirklichkeit nicht bloss Bevollmächtigter,
sondern Inhaber des Kontos gewesen sei und sich auch als solcher benommen
habe.

    Das Handelsgericht stellt indes fest, für einen simulierten
Hinterlegungsvertrag und eine Mitwirkung des X. am Zustandekommen eines
solchen Vertrages lägen keine Anhaltspunkte vor; der Wunsch des X., für
Frau K. und die gemeinsamen Kinder vorzusorgen, schliesse eine Simulation
vielmehr aus. X. habe sich bloss die Befugnisse eines Bevollmächtigten
vorbehalten wollen. Nach seiner beruflichen Stellung sei zudem nicht
anzunehmen, dass er sich über die Folgen seines Auftrages, die Bank solle
ein Konto samt Depot auf den Namen und zugunsten von Ursula K. errichten
und Wertschriften auf das Depot geben, nicht im klaren gewesen sei.

    Diese Feststellungen der Vorinstanz über den Willen der
Vertragsschliessenden sind für das Bundesgericht verbindlich, denn sie
beruhen nicht auf einer blossen Auslegung der Vertragstexte, sondern
namentlich auf der Würdigung der Beweisergebnisse des Strafverfahrens
(BGE 76 II 144; 88 II 34 f. und 78 f.). Dass X. über das Konto der Frau
K. wie über ein eigenes verfügte, ist der Vorinstanz nicht entgangen. Sie
erklärt sein Verhalten aber vor allem mit seinen engen Beziehungen zu Frau
K. Das ist Beweiswürdigung, die das Bundesgericht bindet. Eine Frage der
Beweiswürdigung, nicht der Beweislastverteilung (Art. 8 ZGB) war auch, ob
das Handelsgericht in diesen Beziehungen einen Beweggrund dafür erblicken
durfte, dass X. der Frau K. ein eigenes Bankdepot samt zugehörigem
Konto errichten liess. Das Bundesgericht ist daher nicht befugt, den
Vereinbarungen der Beteiligten einen andern als den vom Handelsgericht
festgestellten Willen der Vertragsschliessenden zugrunde zu legen. Es
hat davon auszugehen, dass Vollmacht und Verträge ernst gemeint waren.

    Ob X. mit Frau K. ein Treuhandverhältnis vereinbarte, ist dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und kann offen bleiben. Eine
solche Vereinbarung hatte der Bank gegenüber keine Wirkungen, könnte ihr
folglich nicht entgegengehalten werden.

Erwägung 2

    2.- Das Schreiben des X. vom 18. März 1958 an die Bank enthält einen
Auftrag, der von der Bank angenommen und ausgeführt worden ist. Dazu
gehörte nicht nur, dass die Bank die von X. angeführten Wertpapiere auf
das neue Depot übertrug und der Frau K. ein Konto eröffnete, sondern auch,
dass sie mit der Depot- und Kontoinhaberin einen Hinterlegungsvertrag
abschloss. Diese Dienstleistungen der Bank unterstehen daher den
Vorschriften über den Auftrag. Auftragsrecht gilt grundsätzlich auch, wenn
eine Bank von einem Depot- und Kontoinhaber ersucht wird, Wertschriften
auf ein Depot zu nehmen und sie zu verwalten, Gelderträgnisse aus den
verwahrten Titeln einem Konto gutzuschreiben oder auf seine Rechnung
Zahlungen vorzunehmen (BGE 63 II 242; 78 II 254; 94 II 169, 315).

    Auftragsverhältnisse hangen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
am engsten mit dem Orte zusammen, wo der Beauftragte seine wesentlichen
Verpflichtungen zu erfüllen hat (BGE 91 II 446 und dort angeführte
Urteile). Im vorliegenden Fall ging es vor allem um die Verwahrung und
Verwaltung von Vermögenswerten in der Schweiz, weshalb auf die Rechte
und Pflichten der Bank schweizerisches Recht anwendbar ist.

    Über das neue Depot, das die Bank gemäss Schreiben des X. vom
18. März 1958 zu errichten hatte, sollte nach ausdrücklichem Wunsch
des Auftraggebers Frau K. verfügungsberechtigt sein. Indem die Bank
am 13. Juni 1961 die Wertschriften, die X. vom 18. März 1958 bis
zu seinem Tode auf das neue Depot übertragen liess, auf Verlangen
der Frau K. aushändigte, befolgte sie nicht nur die Weisung der
verfügungsberechtigen Depotinhaberin, sondern auch die Anordnung des
Auftraggebers, handelte also vertragsgemäss. Dasselbe gilt vom Barsaldo auf
dem zugehörigen Konto. Nach Art. 112 Abs. 3 OR konnte die Bank übrigens
von ihrer vertraglichen Verpflichtung zugunsten der Frau K. nicht mehr
entbunden werden, als diese ihr erklärte, vom Verfügungsrecht Gebrauch
machen zu wollen. Dass die Bank ihre Verpflichtungen aus dem Auftrag
verletzt habe, lässt sich daher nicht sagen.

Erwägung 3

    3.- Aus dem Hinterlegungsvertrag kann die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin von X. keine Schadenersatzansprüche ableiten, weil
er zwischen der Bank und Frau K. abgeschlossen wurde. X. hat ihn nicht
mitunterzeichnet und sich auch kein Recht ausbedungen, wie ein Eigentümer
über das neue Depot zu verfügen; er hat das Verfügungsrecht über das
Depot vielmehr ausdrücklich Frau K. eingeräumt und sich selber, wie das
Handelsgericht feststellt, mit der Rolle eines blossen Bevollmächtigten
begnügen wollen. Das kann nur heissen, dass er mit seinen wiederholten
Weisungen an die Bank, Vermögenswerte auf das neue Depot zu nehmen bzw. dem
neuen Konto gutzuschreiben, auch Eigentum übertragen wollte.

    Wie Eigentum übertragen wird, bestimmt sich nach dem Rechte des Landes,
in dem die Sache liegt (BGE 93 II 375 Erw. a mit Zitaten). Im vorliegenden
Falle lagen die Vermögenswerte in der Schweiz, wo zudem nicht nur der
Auftrag des X. vom 18. März 1958, sondern auch seine spätern Anweisungen
zugunsten der Frau K. ausgeführt wurden. Es ist daher schweizerisches
Recht anzuwenden. Die Übertragung des Eigentums setzt freilich auch
nach schweizerischem Recht einen gültigen Rechtsgrund voraus (BGE 84
III 154; 89 II 89; 93 II 375 Erw. b). X. leistete jeweils, ohne dass
Frau K. eine entsprechende Gegenleistung erbrachte. Als Rechtsgrund
kommt daher entweder eine Schenkung unter Lebenden oder eine Schenkung
von Todes wegen in Frage, die sich insbesondere dadurch unterscheiden,
dass letztere den Formvorschriften über die Verfügungen von Todes wegen
untersteht (Art. 245 Abs. 2 OR), während erstere, abgesehen von den in
Art. 242 Abs. 2 OR geregelten Fällen, keiner besondern Form bedarf.

    X. hat Frau K. das Verfügungsrecht über das Depot bereits zu
seinen Lebzeiten eingeräumt und sich bloss eine Vollmacht vorbehalten
wollen. Das schliesst eine Schenkung von Todes wegen aus. Es verhielt
sich anders als in dem in BGE 89 II 87 veröffentlichten Falle, wo der
Schenker sich das volle Verfügungsrecht über ein Sparheft bis zu seinem
Tode vorbehielt (vgl. auch BGE 67 II 94 Erw. 1). Hier ging es jeweils
um Besitzesanweisungen im Sinne von Art. 924 Abs. 2 ZGB, die von Frau
K. angenommen wurden und als Zuwendungen unter Lebenden nicht formgebunden
waren, folglich rechtsgültig zustandekamen. War aber Frau K. bereits zu
Lebzeiten des X. Eigentümerin und Gläubigerin der Bank geworden, so war
damit nicht nur X., sondern auch seinen Rechtsnachfolgern jede Möglichkeit
genommen, den Hinterlegungsvertrag zu widerrufen. Frau K. blieb auch nach
dem Tode des X. Hinterlegerin und durfte als solche von der Bank verlangen,
dass die verwahrten Wertschriften samt dem Barsaldo nicht einem Dritten,
sondern ihr herausgegeben werden.

    Wollte man annehmen, X. habe sich das ausschliessliche Verfügungsrecht
vorbehalten, so würde der von der Vorinstanz festgestellte und für das
Bundesgericht verbindliche Sachverhalt durch einen andern ersetzt. Dass X.
sich von Frau K. eine Vollmacht über ihren Tod hinaus ausstellen liess,
hülfe darüber nicht hinweg, denn das ist kein Indiz dafür, dass er sich
das Eigentumsrecht habe vorbehalten wollen. Der Grund der Vollmacht
lag zudem nahe. Die Vermögenswerte befanden sich auf einer Bank in der
Schweiz, wo X. auch ein eigenes Depot und Konto besass. Zu bedenken ist
ferner, dass X. im März 1958 bereits Vater eines Kindes der Frau K. war
und dass er für Mutter und Kind, das damals noch nicht ehelich erklärt
war, vorsorgen wollte. Die Vollmacht über ihren Tod hinaus liess er sich
offenbar erteilen, damit er als ihr Bevollmächtigter und als Vater des
Kindes sagen könne, was mit den Vermögenswerten geschehen sollte, wenn
die Mutter allenfalls vorher sterbe. Frau K. erklärte im Strafverfahren
denn auch, X. habe erreichen wollen, dass im Falle ihres Todes nicht der
Vormund ihres (ersten) Kindes, sondern er selber über das Konto verfügen
könne. Die vorgenommene Schenkung wird durch den Vorbehalt der Vollmacht
über den Tod hinaus umsoweniger widerlegt, als der Fall, für den der
Vorbehalt gemacht wurde, nicht eingetreten ist.

Erwägung 4

    4.- Ob das Vorgehen des X. im Ergebnis auf eine Umgehung erbrechtlicher
Bestimmungen, insbesondere derjenigen über die Pflichtteile, hinauslief,
ist weder dem angefochtenen Urteil noch den Akten zu entnehmen. Die
Frage braucht im vorliegenden Verfahren indes nicht geprüft zu werden,
da die Klägerin auch dann, wenn eine solche Umgehung vorliegen sollte,
nicht Schadenersatz wegen Vertragsverletzungen verlangen könnte, sondern
unter erbrechtlichen Titeln klagen müsste.

Erwägung 5

    5.- Nach der in der Berufung vertretenen Auffassung hat das
Handelsgericht auch eine ausservertragliche Haftung der Beklagten zu
Unrecht verneint. Die Klägerin macht geltend, die Bank könne sich selbst
dann, wenn zwischen ihr und X. kein Depotvertrag abgeschlossen worden sei,
nicht auf Art. 479 Abs. 1 OR berufen, denn die hinterlegten Vermögenswerte
seien nicht von einem Dritten (im Sinne von einem bisher nicht Beteiligten)
zu Eigentum verlangt worden, sondern von den Rechtsnachfolgern derjenigen
Person, die sie auf das Sonderdepot gegeben, sie verwaltet und darüber
verfügt habe. Direktor Schibli habe die Zusammenhänge gekannt und auch
gewusst, dass X. über die Werte weder von Todes wegen noch durch Schenkung
unter Lebenden bestimmte.

    Damit unterstellt die Klägerin wiederum, X. habe sich an den
hinterlegten Vermögenswerten, die angeblich einen Viertel seines Nachlasses
ausmachten, das Eigentumsrecht vorbehalten. Das trifft indes nach dem
festgestellten Sachverhalt, wie bereits ausgeführt worden ist, nicht
zu. X. war nicht mehr Eigentümer, sondern ein Dritter. Der Hinterleger
braucht übrigens nicht Eigentümer der hinterlegten Sache zu sein. Wird
an der hinterlegten Sache von einem Dritten Eigentum beansprucht, so
ist der Aufbewahrer nach Art. 479 Abs. 1 OR dennoch zur Rückgabe an
den Hinterleger verpflichtet, sofern nicht gerichtlich Beschlag auf die
Sache gelegt oder die Eigentumsklage gegen ihn anhängig gemacht worden
ist. Solche Hindernisse, welche die Bank der Pflicht zur Rückgabe enthoben
hätten, bestanden hier nicht, da die Erben des X. sich mit dem Widerruf
der Vollmacht begnügten. Die Bank war daher am 13. Juni 1961, als Frau
K. die hinterlegten Vermögenswerte zurückforderte, zur Leistung an die
Hinterlegerin verpflichtet. Weder sie noch ihre Angestellten haben sich
gegenüber der Klägerin widerrechtlich verhalten.

    Die richtige Erfüllung von Verträgen, deren Inhalt nach Art. 18 ff. OR
nicht zu beanstanden ist, verstösst auch nicht gegen die guten Sitten
im Sinne von Art. 41 Abs. 2 OR. Direktor Schibli begnügte sich freilich
nicht damit, Frau K. die hinterlegten Werte aushändigen zu lassen. Er half
ihr zusammen mit seinem Sohn die Werte beiseitezuschaffen, um weitere
Nachforschungen der Erben des X. zu vereiteln. Darauf kommt in diesem
Zusammenhang jedoch nichts an. Die Bank hatte nach den Vereinbarungen
der Beteiligten, insbesondere dem Auftrag des X. vom 18. März 1958,
davon auszugehen, dass Frau K. berechtigt war, über das auf ihren
Namen errichtete Depot und Konto zu verfügen. Sie brauchte daher nicht
danach zu forschen, was X. bewog, diesem Depot Vermögen zuzuführen,
und welchen Zweck er damit verfolgte. Sie schuldete seinen Erben aus
dem Hinterlegungsvertrag nichts, und die guten Sitten verlangten nicht,
dass sie sich in der Auseinandersetzung zwischen der Hinterlegerin und
den Erben des X. neutral verhalte.

    Das Handelsgericht hat daher auch eine Haftung der Beklagten aus
unerlaubter Handlung zu Recht verneint.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 1. Juli 1969 bestätigt.