Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 599



95 I 599

87. Urteil vom 19. Dezember 1969 i.S. Maschinenfabrik Schweiter AG
gegen Eidg. Steuerverwaltung. Regeste

    Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen (BG vom 13.  Oktober 1965). Die
Gratisaktien unterliegen dieser Steuer.

Sachverhalt

    A.- Die Maschinenfabrik Schweiter AG erhöhte im Jahre 1968 ihr
Grundkapital von Fr. 1 020 000.-- auf Fr. 2 500 000.--. Die erforderlichen
Mittel wurden den Reserven der Gesellschaft entnommen. Die 14 700 neuen
Aktien im Nennwert von je Fr. 100.-- wurden den Aktionären im Verhältnis
ihres bisherigen Aktienbesitzes zugeteilt.

    Die Eidg. Steuerverwaltung fordert von der Gesellschaft für diese
Gratisaktien die Verrechnungssteuer im Betrage von Fr. 444 000.--. Sie
nimmt an, die Gratisaktien bildeten einen steuerbaren Ertrag im Sinne des
Art. 4 BG über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965 (VStG). Dies
ergebe sich insbesondere aus Art. 18 und Art. 25 Abs. 2 VStG und werde
in Art. 20 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 (VStV)
ausdrücklich bestätigt. Die Einsprache der Gesellschaft wurde abgewiesen
(Entscheid vom 30. September 1969).

    B.- Die Maschinenfabrik Schweiter AG erhebt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid mit dem
Antrag, es sei festzustellen, dass die von ihr ausgegebenen Gratisaktien
der Verrechnungssteuer nicht unterliegen.

    Sie macht geltend, die streitige Steuerforderung sei nach dem
geltenden Gesetz nicht begründet. Art. 4 VStG erfasse lediglich den
Ertrag beweglichen Kapitalvermögens. "Nach allgemeinen Grundsätzen" seien
aber Gratisaktien kein solcher Ertrag. Bei ihrer Ausgabe gingen keine
Vermögenswerte von der Aktiengesellschaft auf die Aktionäre über; es finde
nur eine Umschichtung innerhalb des Eigenkapitals der Gesellschaft statt,
wodurch die Ansprüche der Aktionäre auf einen verhältnismässigen Anteil am
Gewinn und am Liquidationsergebnis nicht berührt würden. Wohl seien nach
der früheren Ordnung auch Gratisaktien der Verrechnungssteuer unterworfen
gewesen, doch weiche Art. 4 VStG von den alten Vorschriften wesentlich
ab, wie das Bundesgericht in BGE 94 I 161 dargelegt habe. Im VStG fehle
jeder positive Hinweis, dass die Ausgabe von Gratisaktien besteuert
werden solle. Art. 18 und 25 VStG könnten "das Fehlen der positiven
Voraussetzungen für eine Besteuerung nicht ersetzen". Die Feststellung in
Art. 20 Abs. 1 VStV, dass auch die Gratisaktien einen steuerbaren Ertrag
darstellen, sei gesetzwidrig und daher nicht zu beachten.

    C.- Die Eidg. Steuerverwaltung beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 4 Abs. 1 VStG sind Gegenstand der Verrechnungssteuer auf
dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens "die Zinsen, Renten, Gewinnanteile
und sonstigen Erträge", die von den in lit. a-d genannten Vermögenswerten
abgeworfen werden. Unter anderem werden die Erträge von Aktien erfasst
(lit. b). Als solche Erträge sind nach der gesetzlichen Ordnung auch die
Gratisaktien anzusehen. Das wird zwar in Art. 4 VStG nicht ausdrücklich
gesagt, ergibt sich jedoch aus Art. 18 und 25 VStG.

    Nach Art. 18 VStG kann "die Steuerforderung, die bei der Aufwertung
sanierungshalber abgeschriebener Beteiligungsrechte entstanden ist",
unter bestimmten Voraussetzungen erlassen werden. Diese Vorschrift
setzt offensichtlich voraus, dass die Ausgabe von Gratisaktien der
Verrechnungssteuer unterliegt; denn die Aktiengesellschaft, welche
sanierungshalber abgeschriebene Aktien aufwertet, teilt damit den
Aktionären Gratisaktien zu.

    Art. 25 VStG bestimmt in Abs. 1, dass juristische Personen,
Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit und ausländische
Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte, welche die mit der
Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte nicht ordnungsgemäss als Ertrag
verbuchen, den Anspruch auf Rückerstattung der von diesen Einkünften
abgezogenen Verrechnungssteuer verwirken, und in Abs. 2, dass die
Verordnung Ausnahmen zulassen kann, "wo besondere Verhältnisse es
rechtfertigen (Gratisaktien und dergleichen)". Auch hieraus geht klar
hervor, dass das VStG die Gratisaktien als steuerbaren Ertrag im Sinne
seines Art. 4 betrachtet.

    Die Feststellung in Art. 20 Abs. 1 VStV, dass Gratisaktien einen
solchen Ertrag darstellen, entspricht somit dem Gesetz. Ob diese
Verordnungsbestimmung im übrigen gesetzmässig sei, ist im vorliegenden
Verfahren nicht zu überprüfen.

    Es erübrigt sich auch, die Einwendungen zu erörtern, mit denen die
Beschwerdeführerin darzutun sucht, dass "nach allgemeinen Grundsätzen" die
Gratisaktien nicht als Kapitalerträge angesehen werden könnten. Massgebend
ist die positive Ordnung, die im VStG aufgestellt ist. Sie lässt keinem
Zweifel darüber Raum, dass die Gratisaktien als Kapitalerträge im Sinne
des Art. 4 VStG gelten und daher der Verrechnungssteuer unterliegen.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin beruft sich auf BGE 94 I 160 ff., wo
ausgeführt wird, dass die Rückerstattung des von den Gesellschaftern
eingebrachten Eigenkapitals der Gesellschaft nach dem Wortlaut und Sinn
des Art. 4 VStG der Verrechnungssteuer auch dann nicht unterworfen sei,
wenn die Einlagen nicht Bestandteil des nominellen Gesellschaftskapitals
geworden sind. Die Eidg. Steuerverwaltung wünscht, dass das Bundesgericht
diese Rechtsprechung, die auf Kritik gestossen ist (PFUND in ASA Bd. 37
S. 176 ff.), bei der Beurteilung des vorliegenden Falles überprüfe. Dazu
besteht jedoch kein Anlass; denn niemand behauptet, dass mit der Zuteilung
der von der Beschwerdeführerin ausgegebenen Gratisaktien Einlagen der
Gesellschafter zurückbezahlt worden seien; es ist unbestritten, dass die
Mittel für die Liberierung dieser Aktien aus angesammelten Gewinnen der
Beschwerdeführerin stammen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.