Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 583



95 I 583

84. Auszug aus dem Urteil vom 21. November 1969 i.S.
Handwerker-Baugenossenschaft Basel und Umgebung gegen
Eidg. Bankenkommission Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Schriftenwechsel.

    Voraussetzungen der Gewährung des Replikrechtes (Erw. 1).

    Bundesgesetz über die Anlagefonds.

    Abgrenzung der Kompetenzen der Aufsichtsbehörde und des Zivilrichters
(Erw. 2).

    Das Gesetz verwehrt der Fondsleitung, Kollektivanlageverträge einzeln
zu kündigen (Erw. 3).

    Wann darf die Aufsichtsbehörde der Fondsleitung den Entzug der
Bewilligung zur Geschäftstätigkeit androhen? (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Handwerker-Baugenossenschaft Basel und Umgebung ("hbg")
leitet den "hbg-Immobilien-Fonds", auf den das seit dem 1. Februar 1967 in
Kraft stehende Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG)
anwendbar ist. Sie hat für 5500 Anteile am Fonds Zertifikate ausgegeben,
die auf den Inhaber lauten. Ende Juni 1968 stand das reine Fondsvermögen
mit Fr. 6 118 000.-- zu Buch.

    Die Fondsleitung hatte sich vor dem Inkrafttreten des AFG zu Lasten
des Fonds 3,3 Millionen Franken vorschiessen lassen, um Liegenschaften zu
erwerben und zu überbauen. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes konnte sie
ihre Absicht, die überbauten Liegenschaften dem Fonds unter Verrechnung der
Vorschüsse abzutreten, nicht mehr verwirklichen. Sie ist nun gezwungen,
dem Fonds die Vorschüsse binnen der am 31. Januar 1970 ablaufenden
Anpassungsfrist (Art. 53 Abs. 2 AFG) in bar zurückzuzahlen. Gleichzeitig
muss sie die hypothekarische Belastung der Liegenschaften des Fonds
herabsetzen. Weitere Schwierigkeiten entstanden dadurch, dass zahlreiche
Anleger von ihrem reglementarischen Kündigungsrecht Gebrauch machten. Dazu
kommt, dass die hbg nicht in der Lage ist, sich binnen der erwähnten
gesetzlichen Frist den Vorschriften des AFG über die Organisation und die
eigenen Mittel der Fondsleitung anzupassen; daher muss sie damit rechnen,
dass der Fonds nach Ablauf der Frist von Gesetzes wegen aufgelöst wird
und von ihr und der Depotbank zu liquidieren ist (Art. 53 Abs. 4 AFG).

    Die hbg suchte nach einer Lösung ohne Liquidation des Fonds. Sie
erklärt, es sei ihr gelungen, einen (nicht mit Namen genannten)
"schweizerischen Anleger" zu finden, der bereit sei, sämtliche
umlaufenden Zertifikate zu einem über dem Inventarwert liegenden Kurs
zu übernehmen und ihr die Rückzahlung der erwähnten Vorschüsse an den
Fonds zu ermöglichen. Durch Rundschreiben vom 17. März 1969 bot sie allen
Anlegern, deren Adressen ihr bekannt waren, den Kauf ihrer Anteilscheine
für Rechnung dieses Interessenten an. Fast alle Angefragten nahmen den
Antrag an, so dass Zertifikate für annähernd 5 Millionen Franken aufgekauft
werden konnten. Die übrigen 475 Anteilscheine, deren Inhaber nicht hatten
erreicht werden können oder dem Angebot nicht zugestimmt hatten, wollte
die Fondsleitung sich auf dem Wege der Kündigung verschaffen.

    § 4 des Fondsstatuts (Fondsreglements) vom März 1960 erlaubte der
Fondsleitung, vom 1. April 1969 an Anteile einzeln durch Mitteilung an die
zuletzt bekanntgegebene Adresse des Titelinhabers oder durch Publikation im
Schweizerischen Handelsamtsblatt auf ein Jahr zur Rückzahlung zu kündigen.
Bei der Anpassung des Reglementes an das neue Recht, die nach Art. 54 AFG
vorgenommen werden musste, wollte die hbg dieses Kündigungsrecht - unter
Verkürzung der Frist auf sechs Monate - beibehalten. Die Eidgenössische
Bankenkommission (Aufsichtsbehörde über die Anlagefonds) widersetzte
sich dem und genehmigte daher das ihr vorgelegte neue Reglement nur
mit Vorbehalt.

    Die hbg liess dann im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 30. Juni
1969 die Mitteilung veröffentlichen, dass sie die erwähnten (durch ihre
Nummern gekennzeichneten) 475 Zertifikate "auf Grund des nunmehr geltenden
Auftragsrechts resp. des Fondsstatuts auf den nächstoffenen Termin" kündige
und dass den Titelinhabern ihr Anteil am Inventarwert des Fondsvermögens
auf den 30. September 1969 bei der Depotbank zur Verfügung stehe.

    B.- Mit Verfügung vom 24. Juli 1969 hat die Bankenkommission
die im Handelsamtsblatt vom 30. Juni 1969 veröffentlichte Kündigung
nichtig erklärt (Dispositiv 1), der hbg untersagt, auf Grund dieser
Kündigung Anteile zurückzuzahlen (Dispositiv 2), und ihr für den Fall der
Missachtung des Verbotes den Entzug der Bewilligung zur Geschäftstätigkeit
als Fondsleitung angedroht (Dispositiv 4).

    In den Erwägungen wird ausgeführt, das AFG gebe wohl dem einzelnen
Anleger das Recht auf Widerruf des von ihm abgeschlossenen Anlagevertrages
(Art. 21), verwehre aber der Fondsleitung, einzelne Verträge zu kündigen;
sie könne nur alle Verträge miteinander kündigen und damit die Auflösung
des Fonds herbeiführen (Art. 28).

    C.- Die hbg erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
die Verfügung der Bankenkommission vom 24. Juli 1969 sei aufzuheben.

    Es wird geltend gemacht, die Bankenkommission habe mit dem Dispositiv
1 der angefochtenen Verfügung in die Zuständigkeit des Zivilrichters
übergegriffen.

    Der Standpunkt der Bankenkommission sei auch sachlich nicht
begründet. Das AFG schliesse die Kündigung einzelner Anlageverträge
durch die Fondsleitung nicht aus. Es erkläre die Vorschriften über den
Auftrag als anwendbar, soweit es nicht etwas anderes bestimme (Art. 8
Abs. 3). Damit verweise es auch auf Art. 404 OR, wonach der Auftrag von
jedem Teil jederzeit widerrufen oder gekündigt werden kann; es enthalte
keine ausdrückliche Bestimmung, welche der Fondsleitung die Kündigung
gegenüber einzelnen Anlegern untersagen würde. Die Bankenkommission berufe
sich zu Unrecht auf Art. 21 und 28 AFG.

    Verfehlt sei auch der Hinweis der Kommission auf das Gebot der
Gleichbehandlung aller Anleger. Dieser Grundsatz sei dadurch gewahrt, dass
jeder Anleger eine Kündigung zu gewärtigen und, falls sie ausgesprochen
werde, Anspruch auf den nach Art. 21 AFG berechneten Rücknahmepreis
habe. Der Anleger habe kein Recht darauf, dass seine Beteiligung am Fonds
auf unbestimmte Zeit bestehen bleibe. Das Gebot der Rechtsgleichheit
erfordere, dass nicht nur der Anleger, sondern auch die Fondsleitung den
einzelnen Auftrag kündigen könne.

    Die Fondsleitung könne gute Gründe haben, die Zahl der Anleger
durch Kündigung herabzusetzen, so dann, wenn nicht alle Gelder des
Fonds in befriedigender Weise angelegt werden könnten, oder wenn ein
einziger Anleger über eine so grosse Zahl von Anteilscheinen verfüge,
dass er den Fonds durch ein Begehren um Auszahlung aller seiner Anteile
gefährden könnte. Im vorliegenden Fall werde der Fondsleitung durch die
Kündigungen ermöglicht, mit Titelinhabern, die bisher nicht erreichbar
gewesen seien, Kontakt aufzunehmen und auch ihnen den Kauf der Titel für
Rechnung eines einzigen Anlegers anzubieten. Der angestrebte Aufkauf aller
Zertifikate zu den bekanntgegebenen Bedingungen sei für die bisherigen
Inhaber vorteilhaft. Es dürfe damit gerechnet werden, dass schliesslich
fast alle Titelbesitzer dem Aufkauf zustimmen. Es sei nicht einzusehen,
weshalb der Beschwerdeführerin verwehrt sein sollte, die übrig bleibenden
Anteile auf Grund der Kündigung zurückzuzahlen.

    Die Kündigung seitens der Fondsleitung sei den davon betroffenen
Anlegern um so eher zuzumuten, als sie in einer Bestimmung des
Fondsstatuts vom März 1960, dem sich jene seinerzeit unterzogen hätten,
vorgesehen sei. Diese Bestimmung bleibe für die Anleger bis zum Ablauf
der dreijährigen Anpassungsfrist des Art. 53 AFG verbindlich.

    D.- Die Bankenkommission beantragt die Abweisung der Beschwerde.

    E.- Die Vernehmlassung der Bankenkommission ist der Beschwerdeführerin
zur Kenntnisnahme zugestellt worden. Darauf hat die Beschwerdeführerin
das Gesuch gestellt, es seien ihr Gegenbemerkungen zu gestatten; zugleich
hat sie solche angebracht.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 93 OG, auf den Art. 107 (in der hier anwendbaren
ursprünglichen Fassung) verweist, findet nach dem Eingang der
Beschwerdeantwort ein weiterer Schriftenwechsel nur ausnahmsweise
statt (ebenso gemäss Art. 110 rev. OG). Im vorliegenden Fall
hat die Beschwerdeführerin das Begehren gestellt, es seien ihr
Gegenbemerkungen zur Beschwerdeantwort zu gestatten; gleichzeitig hat
sie solche Bemerkungen auch schon vorgebracht. Es besteht jedoch kein
zureichender Grund, diese Replik zuzulassen. Die Bankenkommission hat ihren
Standpunkt im wesentlichen bereits in der Begründung der angefochtenen
Verfügung dargelegt, und dazu hat die Beschwerdeführerin sich in der
Beschwerdeschrift eingehend geäussert. Unter den gegebenen Umständen war
es nicht notwendig, einen weiteren Schriftenwechsel oder auch nur eine
Replik zu gestatten, zumal das Bundesgericht als Verwaltungsgericht das
Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden hat (vgl. BGE 94 I 662 f.). Die
von der Beschwerdeführerin eingereichte Replik ist aus dem Recht zu weisen.

Erwägung 2

    2.- Die Aufsichtsbehörde über die Anlagefonds (Eidgenössische
Bankenkommission) hat u.a. die Einhaltung der Vorschriften des
Anlagefondsgesetzes und des Fondsreglementes durch Fondsleitung und
Depotbank zu überwachen (Art. 42 Abs. 1 AFG). Stellt sie Verletzungen des
Gesetzes oder des Reglementes oder sonstige Missstände fest, so erlässt
sie die zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Beseitigung
der Missstände notwendigen Verfügungen (Art. 43 Abs. 1 AFG). Nach dieser
Ordnung hat sie sich vielfach auch mit zivilrechtlichen Fragen zu befassen;
denn die Vorschriften, deren Einhaltung durch Fondsleitung und Depotbank
sie überwachen muss, gehören grösstenteils dem Zivilrecht an. Sie hat
für den Schutz der privaten Rechte der Anleger zu sorgen. Dazu ist aber
auch der Zivilrichter berufen. Es ist nicht Sache der Aufsichtsbehörde,
Urteile in Zivilrechtsstreitigkeiten zwischen der Fondsleitung oder
der Depotbank und einem Anleger zu fällen; dafür ist nach Gesetz der
Zivilrichter zuständig (vgl. Art. 23-27 und Art. 42 Abs. 3 AFG). Die
Aufsichtsbehörde hat eine Aufgabe gewerbepolizeilicher Art; sie trifft
administrative Anordnungen und setzt Mittel des Verwaltungszwanges ein
(vgl. Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1965, BBl 1965 III
311 f.). In Art. 43 Abs. 2-4 und Art. 44 46 AFG werden verschiedene
Massnahmen genannt, die sie ergreifen kann, wenn sie Verletzungen des
Gesetzes oder des Fondsreglementes oder sonstige Missstände feststellt
(Sicherstellungsverfügung, Strafanzeige, Begehren um Ersetzung einer
Hinterlegungsstelle, Entzug der Bewilligung zur Geschäftstätigkeit). Doch
ist diese Aufzählung nicht abschliessend; Art. 43 Abs. 1 AFG ermächtigt
die Aufsichtsbehörde allgemein, das zur Herstellung des rechtmässigen
Zustandes und zur Beseitigung der Missstände Erforderliche zu verfügen. Die
Behörde ist auch befugt, zu diesem Zwecke Weisungen an die Fondsleitung
und die Depotbank zu erlassen (BGE 95 I 485). Namentlich kann sie der
Fondsleitung oder der Depotbank ein bestimmtes Handeln, das sie als gesetz-
oder reglementswidrig erachtet, untersagen und zugleich, um die Beachtung
des Verbotes zu erzwingen, eine nach Gesetz zulässige administrative
Massnahme oder Strafe (Art. 50 Ziff. 1 Abs. 5 AFG) androhen.

    Im vorliegenden Fall hat die Aufsichtsbehörde untersucht, ob die von
der Beschwerdeführerin ausgesprochene, im Schweizerischen Handelsamtsblatt
vom 30. Juni 1969 veröffentlichte Kündigung von Anteilscheinen des
hbg-Immobilien-Fonds mit den Vorschriften des Anlagefondsgesetzes
vereinbar sei. Sie war nach der gesetzlichen Ordnung befugt, diese
zivilrechtliche Frage zu prüfen. Die Beschwerdeführerin bestreitet
es nicht. Dagegen macht sie geltend, die Bankenkommission habe jene
Frage nur als Vorfrage, in den Erwägungen zu ihrem Entscheid, beurteilen
dürfen; dadurch, dass die Kommission das Ergebnis ihrer Untersuchung - die
Feststellung der Nichtigkeit der erwähnten Kündigung - in das Dispositiv
ihrer Verfügung vom 24. Juli 1969 (unter Ziff. 1) aufgenommen hat,
habe sie in die Zuständigkeit des Zivilrichters übergegriffen. Dieser
Einwand hilft jedoch der Beschwerdeführerin nicht. Allerdings hatte
die Aufsichtsbehörde bloss "vorfrageweise" darüber zu befinden, ob die
erwähnte Kündigung zivilrechtlich gültig sei. Das hat sie aber auch
getan. Die Feststellung im Dispositiv 1 der angefochtenen Verfügung hat
keine selbständige Bedeutung, sondern bildet lediglich die Grundlage
für die in den nachfolgenden Dispositiven angeordneten Massnahmen. Die
Verfügung hätte keine andere Tragweite, wenn die Feststellung bloss
in den Erwägungen getroffen, nicht ins Dispositiv aufgenommen worden
wäre. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass der Zivilrichter die
zivilrechtliche Frage, welche Gegenstand des Dispositivs 1 der Verfügung
ist, anders als die Aufsichtsbehörde beurteilen würde, falls er angerufen
würde. Die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Zivilrichters
bestände aber auch dann, wenn die Aufsichtsbehörde die Frage nur in der
Begründung ihrer Verfügung behandelt hätte (vgl. BBl 1965 III 312). Die
Bankenkommission hat dadurch, dass sie ihre Feststellung als Dispositiv
formuliert hat, die Grenzen ihrer Zuständigkeit nicht überschritten. Sie
hat damit nicht ein Urteil in einer Zivilrechtsstreitigkeit gefällt.

    Sie hat auch im übrigen die Ordnung ihrer Kompetenzen nicht
verletzt. Die Anordnungen, die sie in Ziff. 2 ff. des Dispositivs der
angefochtenen Verfügung getroffen hat, sind administrative Massnahmen,
für welche nach der gesetzlichen Ordnung die Aufsichtsbehörde zuständig
ist, was die Beschwerdeführerin nicht bestreitet. Dies gilt insbesondere
auch für das Kernstück der Verfügung: das Verbot, auf Grund der ungültig
erklärten Kündigung Anteile zurückzuzahlen, und die damit verbundene
Androhung des Entzugs der Bewilligung zur Geschäftstätigkeit als
Fondsleitung.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 8 Abs. 3 AFG untersteht der Kollektivanlagevertrag den
Vorschriften über den Auftrag, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes
bestimmt. Die Vorschriften über den Auftrag finden sich in Art. 394-406 OR.
Nach Art. 404 OR kann der Auftrag von jedem Teile jederzeit widerrufen
oder gekündigt werden. Das Anlagefondsgesetz bestätigt diesen Grundsatz
insoweit, als er den Auftraggeber betrifft, indem es in Art. 21 den
Anleger für befugt erklärt, den Kollektivanlagevertrag jederzeit
zu widerrufen. Dagegen weicht der Wortlaut des Anlagefondsgesetzes
hinsichtlich der Kündigung seitens des Beauftragten vom Text des Art. 404
OR ab. Art. 28 Abs. 1 lit. b AFG sieht vor, dass durch Kündigung der
Fondsleitung (oder der Depotbank) die Auflösung eines nicht auf eine
bestimmte Dauer beschränkten Anlagefonds herbeigeführt werden kann. Eine
solche Kündigung hat notwendigerweise zur Folge, dass alle bestehenden
Kollektivanlageverträge hinfällig werden; sie richtet sich also gegen
sämtliche Anleger. Die Frage aber, ob die Fondsleitung auch berechtigt sei,
bloss einzelne Kollektivanlageverträge zu kündigen und die übrigen bestehen
zu lassen, ist im Anlagefondsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Da
dieses Gesetz einerseits - in Übereinstimmung mit Art. 404 OR - das
Recht des einzelnen Anlegers auf Widerruf des von ihm abgeschlossenen
Kollektivanlagevertrages ausdrücklich anerkennt, anderseits aber -
abweichend von Art. 404 OR - nur ein Recht der Fondsleitung auf kollektive
Kündigung erwähnt, liegt die Annahme nahe, dass es der Fondsleitung eine
auf einzelne Verträge beschränkte Kündigung verwehrt.

    Für diese Auslegung sprechen auch gewichtige sachliche Gründe. Nach
dem allgemeinen Auftragsrecht hat der Beauftragte sich in der Regel
an die ihm vom Auftraggeber erteilten Weisungen zu halten (Art. 397
OR). Diesem Grundsatz entspricht es, dass Art. 404 OR dem Beauftragten
das Recht einräumt, das Mandat jederzeit niederzulegen; denn dem
Beauftragten kann nicht zugemutet werden, unzweckmässige Weisungen
des Auftraggebers wider besseres Wissen auszuführen (GAUTSCHI, N 15 a
zu Art. 404 OR). Der Anleger hat jedoch kein Weisungsrecht gegenüber
der Fondsleitung. Die Rechte und Pflichten der Fondsleitung ergeben
sich aus dem Anlagefondsgesetz und dem Fondsreglement, das von ihr
aufgestellt worden ist (Art. 9 AFG) und dem sich der Anleger durch
Abschluss des Kollektivanlagevertrages unterzogen hat. Im Rahmen des
Gesetzes und des Fondsreglementes verwaltet die Fondsleitung den Fonds
"selbständig" (Art. 12 Abs. 1 AFG), so dass für Weisungen des Anlegers
kein Raum bleibt (BGE 93 I 654). Es ist daher folgerichtig und sinnvoll,
dass der Fondsleitung - in Abweichung vom allgemeinen Auftragsrecht -
die Befugnis zur Kündigung gegenüber dem einzelnen Auftraggeber nicht
zugestanden wird. Denn mangels eines Weisungsrechtes des Anlegers
kann es der Fondsleitung im allgemeinen gleichgültig sein, wer sich an
der Kollektivanlage beteiligt (BBl 1965 III 297). Es genügt, dass der
Fondsleitung das Recht zusteht, den Anlagefonds als solchen aufzulösen
(und damit sämtliche Kollektivanlageverträge zum Erlöschen zu bringen),
sei es an dem im Fondsreglement zum voraus bestimmten Termin, sei es durch
Kündigung, wenn der Fonds nach dem Reglement für eine unbestimmte Dauer
geschaffen worden ist (Art. 28 AFG). Diese Ordnung entspricht dem Wesen des
Kollektivanlagevertrages. Er ist ein Formularvertrag, dessen Bestimmungen
von der Fondsleitung im Fondsreglement aufgestellt werden; alle Verträge,
die eine Beteiligung am gleichen Fonds begründen, haben notwendigerweise
denselben Inhalt, da sie "zum Zwecke gemeinschaftlicher Kapitalanlage"
(Art. 2 Abs. 1 AFG) abgeschlossen sind und der Fonds nur einheitlich
verwaltet werden kann. Hieraus ergibt sich, dass die Fondsleitung alle
Anleger grundsätzlich gleich behandeln muss. Das Anlagefondsgesetz
will allen - nicht nur einzelnen - Anlegern eine langfristige Anlage
ermöglichen. Das Gebot der Gleichbehandlung aller Anleger würde ohne
zureichenden Grund durchbrochen, wenn der Fondsleitung das Recht eingeräumt
würde, eine Kündigung bloss gegenüber einzelnen Anlegern auszusprechen.

    Daraus, dass das Anlagefondsgesetz einerseits die Befugnis
des einzelnen Anlegers zum Widerruf des von ihm abgeschlossenen
Kollektivanlagevertrages ausdrücklich anerkennt, anderseits aber nur ein
Recht der Fondsleitung auf kollektive Kündigung erwähnt, ist daher durch
Umkehrschluss zu folgern, dass es eine individuelle Kündigung seitens
der Fondsleitung nicht zulässt (vgl. P. JÄGGI, La loi sur les fonds
de placement, in Journal des tribunaux 1967 I S. 226 ff., insbesondere
S. 239 f.). Diese Regelung ist zwingend; denn das Anlagefondsgesetz behält
abweichende Vereinbarungen nicht ausdrücklich vor und schliesst sie damit
aus (Art. 8 Abs. 4).

    Die Kündigung, welche die Beschwerdeführerin gemäss Veröffentlichung im
Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 30. Juni 1969 gegenüber einzelnen
Anlegern "auf Grund des nunmehr geltenden Auftragsrechts resp. des
Fondsstatuts" ausgesprochen hat, ist somit ungültig; denn sie ist
unvereinbar mit der zwingenden Ordnung des Anlagefondsgesetzes, die
dem allgemeinen Auftragsrecht vorgeht; mit dem Inkrafttreten dieser
Ordnung sind die ihr widersprechenden Bestimmungen früher aufgestellter
Fondsreglemente - hier: Bestimmungen in § 4 des Fondsstatuts vom März
1960 - aufgehoben worden (Art. 54 Abs. 1 AFG). Die Bankenkommission hat
mit Recht festgestellt, dass die Kündigung nichtig ist (Dispositiv 1 der
angefochtenen Verfügung).

Erwägung 4

    4.- Aus dieser Feststellung ergibt sich ohne weiteres, dass die
Beschwerdeführerin nicht berechtigt ist, auf Grund der streitigen
Kündigung Anteile zurückzuzahlen. Die Bankenkommission hat ihr dies mit
Recht untersagt (Dispositiv 2 der angefochtenen Verfügung).

Erwägung 5

    5.- ...

Erwägung 6

    6.- Art. 44 Abs. 1 AFG bestimmt, dass die Aufsichtsbehörde der
Fondsleitung, welche die Voraussetzungen der Bewilligung nicht mehr
erfüllt oder ihre gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten grob verletzt,
die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit entzieht. Diese Massnahme kann
der Fondsleitung unter Umständen zunächst bloss angedroht werden. Die
Androhung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen der
Bewilligung noch bestehen und der Fondsleitung eine grobe Pflichtverletzung
noch nicht vorgeworfen werden kann. Es genügt, dass angenommen werden
kann, die Fondsleitung würde sich einer solchen Pflichtverletzung
schuldig machen, falls sie sich über eine Anordnung, deren Einhaltung
durch die Androhung sichergestellt werden soll, hinwegsetzen würde. So
verhält es sich hier. In der Tat durfte die Bankenkommission annehmen,
dass die Beschwerdeführerin durch Missachtung des Verbots, auf Grund
der nichtig erklärten Kündigung Anteile zurückzuzahlen, ihre Pflichten
grob verletzen würde. Die für den Fall der Übertretung des Verbots
ausgesprochene Androhung des Entzugs der Bewilligung (Dispositiv 4 der
angefochtenen Verfügung) ist daher nicht zu beanstanden.

Erwägung 7

    7.- ...