Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 531



95 I 531

77. Auszug aus dem Urteil vom 15. Oktober 1969 i.S. Müller und Rutishauser
gegen den Grossen Rat des Kantons Thurgau. Regeste

    Kantonales Finanzreferendum

    1.  Rechtliche Bedeutung des Budgetbeschlusses (Erw. 3).

    2.  Unterscheidung zwischen neuen und gebundenen Ausgaben (Bestätigung
der Rechtsprechung) (Erw. 4).

    3.  Bei wiederkehrenden Verwendungen kann nur im Anschluss an
den erstmaligen Budgetbeschluss verlangt werden, die Ausgabe sei der
Volksabstimmung zu unterstellen. Denn die Entscheidung des Volkes hat
über den entsprechenden Verwaltungsakt selber zu ergehen und nicht über
weitere Folgen dieses Verwaltungsaktes, d.h. z.B. die entsprechenden
Budgetbeschlüsse späterer Jahre (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Verfassung des Standes Thurgau vom 28. Februar 1869 bestimmt
in § 4 in der revidierten Fassung vom 7. April 1964/4. März 1965:

    "Der Volksabstimmung unterliegen:

    a) ...

    b) ...

    c) alle Grossratsbeschlüsse, welche eine einmalige Gesamtausgabe von
mehr als 800'000 Franken oder eine neue jährlich wiederkehrende Verwendung
von mehr als 80'000 Franken zur Folge haben;

    d) ..."

    § 36 lit. h überträgt dem Grossen Rat des Kantons den Entscheid über
Staatsbauten, über Ankauf, Verkauf und Verpfändung von Staatsgütern,
sofern sie den Betrag von 10'000 Franken übersteigen, und lit. k die
Befugnis zur Festsetzung des Voranschlages über Einnahmen und Ausgaben
des Staates für das folgende Jahr (Budget). Nach § 36 lit. b ist die
Aufstellung öffentlicher Beamtungen, die Festsetzung der Besoldungen und
die Wahl der Beamten nach den Bestimmungen der Verfassung oder besonderer
Gesetze Sache des Grossen Rates. Der Regierungsrat ernennt die Beamten
und Angestellten, deren Wahl ihm die Verfassung oder die Gesetze
zuweisen (§ 39 Ziff. 7 Abs. 1 KV); ausserdem hat er den Voranschlag
zu entwerfen. Dem Regierungsrat ist ferner durch § 2 des Gesetzes
über die Gebäudeversicherung vom 12. Juli 1946 die Aufsicht über die
Gebäudeversicherungsanstalt des Kantons Thurgau übertragen, die eine
staatliche, öffentlich-rechtliche Anstalt gemäss Art. 59 Abs. 1 ZGB und §
34 Ziff. 1 des thurgauischen EG zum ZGB ist (§ 1 des Gesetzes).

    B.- Die thurgauische Staatsverwaltung litt seit längerer Zeit
unter Raumnot. Verschiedene Amtsstellen konnten im Laufe der Jahre
nicht mehr in staatlichen Gebäuden, sondern nur noch in gemieteten
Räumlichkeiten untergebracht werden. Der Regierungsrat des Kantons
Thurgau beabsichtigte deshalb schon gegen Ende der Fünfzigerjahre,
zur Beschaffung von Räumlichkeiten in Frauenfeld durch die
Gebäudeversicherungsanstalt ein Verwaltungsgebäude an Stelle des von ihr
gekauften alten Promenadenschulhauses erstellen zu lassen und darin die
nötigen Büroräume zu mieten und damit eine räumliche Konzentration der
staatlichen Verwaltung einzuleiten. Er unterrichtete verschiedentlich den
Grossen Rat über seine Absichten, so in der Botschaft zum Voranschlag
1960 vom 20. Oktober 1959, und im Zusammenhang mit dem kantonalen
Hochbau-Programm 1965-1974. Das Gebäude wurde in der Folge erstellt und
war auf 1. Juli 1968 bezugsbereit. Der Staat mietete ungefähr 90% seiner
Nutzfläche. Der Mietvertrag wurde jedoch vorderhand nicht schriftlich
fixiert, da der Mietzins nur in provisorischer Höhe festgesetzt
werden konnte; die definitive Vereinbarung sollte nach Abschluss der
Bauabrechnung erfolgen. Für das zweite Halbjahr 1968 war demnach ein
erster Halbjahreszins zu entrichten.

    Im Voranschlag 1968 waren unter Rubrik 3245 "Liegenschaften und
gemietete Räume" folgende Posten aufgenommen:
          Voranschlag 1968        Voranschlag 1967 Fr.     Fr.

    620 Abwarte etc.      110 000 100'000

    820 Mietzinse 334'000 113'000

    824 Reinigung 41,0    20'000

    825 Beleuchtung etc.  160'000 80'000

    In der Budgetbotschaft 1968 vom 25. September 1967 wies der
Regierungsrat daraufhin, es sei mit einem gewichtigen Mehraufwand bei den
Mietzinsen zu rechnen, weil im kommenden Jahr das neue Verwaltungsgebäude
"Promenade" bezogen werde, wo die dort untergebrachten Kantonsämter
bei der Gebäudeversicherung eingemietet würden. Aus dem Referat des
Präsidenten der Budgetkommission anlässlich der Budgetberatung vom
9. Januar 1968 ging hervor, dass für Mietzinsen Fr. 211'000.-- mehr als
im Vorjahr budgetiert worden seien, nämlich Fr. 230'000.-- Halbjahreszins
für das Promenadengebäude abzüglich Fr. 19'000.--, die zufolge Aufgabe
anderer Mieten eingespart werden könnten; die Jahresmiete betrage also
Fr. 460'000.--. Dazu kämen Nebenkosten, so dass der Mehraufwand infolge der
Einmietung Fr. 580'000.-- ausmache, wogegen Fr. 40'000.-- durch Aufgabe
anderer Mieten weniger ausgegeben würden. Die Nettobelastung durch die
Einmietung im Verwaltungsgebäude betrage somit in Zukunft Fr. 620'000.--
an Mieten und Nebenkosten (richtig Fr. 540'000.--). Das Budget wurde in
dieser Form genehmigt.

    Im Voranschlag 1969 waren für die genannten Aufwendungen folgende
Beiträge eingesetzt:

    620 Abwarte etc.      Fr. 125'000.--

    820 Mietzinse Fr. 557'000.--

    824 Reinigung Fr.  30'000.--

    825 Beleuchtung etc.  Fr. 170'000.--

    Die starke Erhöhung der Position 820 um Fr. 223'000.-- ergab sich, weil
nunmehr ein ganzer Jahreszins für die Einmietung im Verwaltungsgebäude
eingestellt werden musste. Anlässlich der Budgetberatung 1969 vom 13.
Dezember 1968 wurde ein Antrag Bauhofer, die Mietzinsausgaben für das
Verwaltungsgebäude in Höhe von Fr. 460'000.-- der Volksabstimmung zu
unterstellen, abgelehnt und das Budget, soweit es die Mietzinse betraf,
genehmigt.

    C.- Gegen den Grossratsbeschluss vom 13. Dezember 1968, soweit
er die im Rahmen des Voranschlages 1969 genehmigten Ausgaben für
Mietzinsen und Nebenkosten der Einmietung im Verwaltungsgebäude der
Gebäudeversicherungsanstalt betraf, sowie gegen den Einzelbeschluss,
mit dem der Grosse Rat eine Volksabstimmung über die genannten Ausgaben
ablehnte, führen die im Kanton Thurgau wohnhaften Rechtsanwälte Georg
Müller und Max Rutishauser staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragen, es
seien die angefochtenen Beschlüsse des Grossen Rates insgesamt, eventuell
teilweise im Sinne der Erwägungen aufzuheben. Die Beschwerdeführer machen
im wesentlichen geltend, die streitige Ausgabe aus dem Mietverhältnis
stelle eine "neue" und nicht eine "gebundene" Verwendung dar, weshalb
sie dem Finanzreferendum zu unterstellen sei. Weil der Grosse Rat das
nicht getan habe, verletzten seine Beschlüsse den § 4 lit. c KV. Die
nähere Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus
den nachstehenden Erwägungen.

    D.- Der Grosse Rat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- und 2. - (Eintretensfragen).

Erwägung 3

    3.- Nach § 4 Abs. 1 lit. c KV unterliegen der Volksabstimmung alle
Grossratsbeschlüsse, die eine neue einmalige Gesamtausgabe von mehr als
Fr. 800'000.-- oder eine neue jährlich wiederkehrende Verwendung von mehr
als Fr. 80'000.-- zur Folge haben. Der Grosse Rat bestreitet nicht, dass
mit der Genehmigung des Budgets 1969 jährlich wiederkehrende Ausgaben
für die Miete im Verwaltungsgegäude der Gebäudeversicherungsanstalt ins
Budget aufgenommen wurden, die die verfassungsrechtlich vorgesehene Grenze
der Ausgabenkompetenz des Grossen Rates überschreiten. Hingegen stellt
der Grosse Rat in Abrede, dass die Aufnahme der erwähnten Posten ins
Budget einem eigentlichen Ausgaben- bzw. Kreditbeschluss gleichzusetzen
sei; vielmehr handle es sich dabei um einen blossen Budgetbeschluss,
bei dem es darum gehe, bereits bestehende Verpflichtungen zu erfüllen,
über deren Rechtmässigkeit nicht mehr zu befinden sei. Immerhin räumt
der Grosse Rat ein, dass auch neue Ausgaben dann und wann nicht auf dem
Wege über eine besondere Kreditvorlage beschlossen, sondern im Rahmen
eines Budgetbeschlusses bewilligt würden. Im vorliegenden Falle handle
es sich aber deshalb um einen reinen Budgetbeschluss, weil zum Abschluss
des Mietvertrages einzig der Regierungsrat zuständig und die Ausgabe
lediglich eine Folge jenes Vertragsschlusses gewesen sei.

    Dass der Regierungsrat zum Abschluss des Mietvertrages mit
der Gebäudeversicherungsanstalt zuständig war, lässt sich nicht
bestreiten. Der Regierung als oberster Verwaltungsbehörde steht es
mangels anderslautender Verfassungs- oder Gesetzesvorschrift zu, für die
Bereitstellung der für die staatliche Verwaltung benötigten Räumlichkeiten
zu sorgen. Dazu gehört unter Umständen auch der Abschluss von Mietverträgen
mit Dritten, sofern sich der Bau eigener Gebäulichkeiten als unerwünscht
erweist. Aus dieser Zuständigkeit folgt indessen nicht, dass die Aufnahme
der Mietkosten in das Budget einen blossen Budgetbeschluss darstellt,
dem lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt und der mithin nicht als
Ausgabenbeschluss im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c KV zu gelten hat.

    Zwar enthält das Budget in erster Linie eine blosse übersichtliche
Darstellung der Einnahmen und Ausgaben, die für die massgebende
Periode zu erwarten sind (vgl. BGE 72 I 280). So zählt es denn
auch diejenigen Ausgaben auf, die schon auf Grund von Gesetzen oder
andern vorausgegangenen Beschlüssen zu tätigen sein werden. Daneben
kann das Budget aber auch andere Elemente enthalten. Wohl wird in der
schweizerischen Finanzpraxis über neue Ausgaben von grösserer Bedeutung
in der Regel durch einen besonderen Beschluss entschieden (NAWIASKY,
Rechtliche Bedeutung und rechtliche Wirkung des Voranschlages, in
"Voranschlag und Rechnung der öffentlichen Gemeinwesen", Veröffentlichungen
der Handelshochschule St. Gallen, S. 84). Doch wird mitunter über die
Ausgabe auch gleichzeitig mit dem Budgetbeschluss und ohne besondere
Vorlage entschieden (NAWIASKY, aaO S. 88; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren
des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 156, insbesondere Anm. 60;
LAUR, Das Finanzreferendum im Kanton Zürich, Diss. 1966, S. 220 f.;
BGE 77 I 114). Ein solcher Fall liegt hier vor.

    Der Grosse Rat hat über die Mieten für die Einmietung im neuen
Verwaltungsgebäude unbestrittenermassen keinen Beschluss gefasst,
der ausserhalb der Abstimmung über das Budget stand. Der Aufnahme
der genannten Mietzinsen ins Budget käme deshalb nur dann lediglich
deklaratorische Bedeutung zu, wenn die Zuständigkeit zum Beschluss über
eine solche Ausgabe bei einer andern Behörde läge und diese darüber
vor der Budgetberatung entschieden hätte. Als derartige Behörde käme
nach den Umständen einzig der Regierungsrat in Frage. Wie indessen §
29 KV zu entnehmen ist, verfügt der Regierungsrat über keine allgemeine
Ausgabenkompetenz. Er ist nur in unvorhergesehenen Fällen befugt, über
Ausgaben bis zu Fr. 10'000.-- zu befinden (§ 29 Abs. 3 KV). Daraus ergibt
sich, dass es der Grosse Rat war, der die entsprechende Ausgabe zusammen
mit der Budgetabstimmung auch materiell bewilligt hat. Im Bericht zum
Voranschlag 1968 stellte der Präsident der Budgetkommission denn auch
folgerichtig den Antrag, es seien die im Budget enthaltenen Kredite für
den Bezug des neuen Verwaltungsgebäudes zu bewilligen. Der Beschluss
des Grossen Rates, die geforderten Mietzinsen ins Budget aufzunehmen,
stellt somit - wenigstens soweit es die erstmalige Bewilligung angeht -
einen echten Ausgabenbeschluss im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c KV dar. Als
solcher unterliegt er der Volksabstimmung, wenn damit eine neue, jährlich
wiederkehrende Verwendung beschlossen wurde.

Erwägung 4

    4.- Einmalige Ausgaben bezeichnet § 4 Abs. 1 lit. c KV als
"Gesamtausgaben", wiederkehrende als "Verwendungen" Es wird von keiner
Seite geltend gemacht, zwischen den beiden Ausdrücken bestehe ein
sachlicher Unterschied. Auch unter den Verwendungen sind somit "Ausgaben"
zu verstehen. Bei der Zahlung von Miete und Nebenkosten handelt es
sich zudem um echte Ausgaben und nicht etwa um sog. Anlagen, da sich
ihr Gegenwert nicht in einem dauernden Bestandteil des Staatsvermögens
niederschlägt (vgl. BGE 93 I 318 f. Erw. 5). Schliesslich herrscht
Einigkeit darüber, dass der Grosse Rat Ausgaben beschloss, die jährlich
wiederkehren werden.

    Umstritten ist einzig, ob es sich dabei um neue Ausgaben
handelt. Was darunter zu verstehen ist, muss in erster Linie durch
Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts ermittelt werden. Weder
aus dem weiteren Inhalt der Verfassung noch aus anderen Quellen ist
aber für die Auslegung des Begriffs der "Neuheit" in einem besondern,
vom thurgauischen Verfassungsgesetzgeber verstandenen Sinn etwas zu
gewinnen. Übrigens haben die Parteien auch nicht behauptet, jenem
Begriff komme ein besonderer, nur für den Kanton Thurgau geltender
Sinn zu. Es ist daher mit geziemender Vorsicht heranzuziehen, was
für das Recht anderer Gemeinwesen, die das Ausgabenreferendum kennen,
gelehrt und entschieden wurde (vgl. BGE 93 I 625). Danach steht die neue
Ausgabe im Gegensatz zur gebundenen Ausgabe, welche beiden Begriffe sich
gegenseitig ausschliessen. Der Sinn des Begriffs der Neuheit ist aus dem
verfassungspolitischen Zweck des Ausgabenreferendums zu gewinnen. Dieser
liegt einmal darin, dem Bürger ein Mitspracherecht zu gewährleisten bei
Ausgaben, deren Grösse seine Belastung als Steuerzahler mitbestimmt (BGE
95 I 218); ausserdem soll der Stimmberechtigte über die Art und Weise der
Erfüllung wichtiger Verwaltungsaufgaben befinden dürfen (LAUR, aaO S. 33
und die dort angeführten Lehrmeinungen). Das Ausgabenreferendum will somit
dem Volk ein Mitspracherecht bei der Bewilligung von erheblichen Ausgaben
sichern, wenn der Verwaltung nach der Rechtslage und den Umständen eine
verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, und nicht nur dann,
wenn sie eine Ausgabe beschliesst, die ausserhalb der gesetzlichen
Aufgaben liegt (BGE 95 I 218). Darf aber angenommen werden, das Volk
habe mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgende
Ausgabe bereits gebilligt, ist diese eine gebundene und untersteht sie
nicht dem Ausgabenreferendum. Es wäre nicht sinnvoll, das Volk über die
gleiche Ausgabe, über die es bereits mit dem Grunderlass befunden hat,
noch einmal zu befragen. Gebunden ist also jede Ausgabe für ein Mittel,
das beim Entscheid über den Grunderlass voraussehbar war. Ferner kann eine
Ausgabe einer gebundenen gleichgestellt werden, wenn es offensichtlich
gleichgültig ist, welche Mittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit
dem Grunderlass übernommenen Aufgabe gewählt werden. Diese Voraussetzung
trifft dann nicht zu, wenn zwischen verschiedenen Mitteln wesentliche
Unterschiede bestehen, z.B. hinsichtlich der Kosten oder der Auswirkungen
(BGE 95 I 218/9).

    Im Lichte dieser Begriffsumschreibung sind die Aufwendungen für die
Mieten und Nebenkosten, die an die Gebäudeversicherungsanstalt bezahlt
werden müssen, neue Ausgaben im Sinne von § 4 KV. Der Grosse Rat, der sie
für gebunden hält, begründet seine Auffassung damit, der Regierungsrat
sei verpflichtet, die für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben nötigen
Arbeitskräfte zu gewinnen und ihnen Arbeitsräumlichkeiten zur Verfügung
zu stellen. Die daraus entstehenden Kosten seien die notwendige Folge
dieser Ausgabe und deshalb durch den Grunderlass gedeckt. In der Tat
hat GIACOMETTI (Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zum Abschluss
von langfristigen Mietverträgen für Verwaltungszwecke, ZBl 59/1958 S. 97
ff.) die Ansicht vertreten, dass Ausgaben, die für das Unterbringen des
staatlichen Personals notwendig seien, als gebunden betrachtet werden
müssten. Er fand indessen keine Zustimmung (GEIGER, Elektronische
Datenverarbeitungsanlage und Finanzreferendum, ZBl 68/1967 S. 206 f.;
KELLER, Probleme des zürcherischen Gemeinderechts, ZBl 69/1968 S. 206
f.; RÖTHELI, in Festgabe Max Obrecht, S. 76). Die erwähnte Auffassung
hätte zur Folge, dass alle Ausgabenbeschlüsse dem Referendum entzogen
blieben, die sich noch irgendwie im Vollzug von verfassungsmässig oder
gesetzlich geregelten öffentlichen Aufgaben als nötig erwiesen. Eine
derartige Einschränkung des Finanzreferendums entspräche wohl in keinem
Falle dem Willen des Verfassungsgesetzgebers. Nur wenn der Grunderlass
Art und Weise der Durchführung der Aufgabe so bestimmte, dass keine
wesentliche Wahlfreiheit mehr bestünde, könnte von einer gebundenen
Ausgabe gesprochen werden. Mit dem Entscheid darüber, dass eine staatliche
Verwaltung aufzubauen sei, ist jedoch nicht gesagt, auf welche Weise
die für die staatlichen Beamten benötigten Räumlichkeiten beschafft
werden. In der Regel stellt das Gemeinwesen die erforderlichen Räume
durch Bau eigener Gebäude bereit. Dass in diesem Falle die Aufwendungen
dem Finanzreferendum unterstehen, sofern sie die in der Verfassung
gezogene Grenze überschreiten, gibt der Grosse Rat ausdrücklich zu. § 36
KV behält denn auch sowohl für den Entscheid über Staatsbauten (lit. h)
als auch für die Genehmigung des Voranschlages (lit. k) die Volksrechte
ausdrücklich vor. Ob nun die benötigten Räumlichkeiten durch den Bau
von eigenen Verwaltungsgebäuden oder, wie im vorliegenden Fall, auf dem
Weg der Einmietung in Gebäude, die Dritten gehören, geschaffen werden
sollen, ist mit der Übertragung der Zuständigkeit zur Beschaffung des
nötigen Raumes an den Regierungsrat nicht gesagt. Es ist dafür vielmehr
eine Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten eröffnet, die unter Abwägung
der Vor- und Nachteile der beiden Beschaffungsarten zu erfolgen hat. Die
Entscheidung, ob der Staat selber durch Eigenbauten für die Deckung des
Raumbedarfes sorgen oder sich mit blosser Miete begnügen solle, ist von
grundlegender Tragweite, wenn es sich um die Befriedigung bedeutender
und kostspielieger Bedürfnisse handelt. Die Stimmbürger haben dadurch,
dass sie mit der Einrichtung einer kantonalen Verwaltung einverstanden
waren, zu diesem Entscheid nicht Stellung nehmen können. Er ist somit nicht
schon durch den Grunderlass gedeckt und darf dem Stimmbürger nicht entzogen
werden, wenn die zu erwartenden Ausgaben die verfassungsmässig vorgesehenen
Grenzen überschreiten. In diesem Sinne ist die umstrittene Ausgabe neu.

    Der Grosse Rat wendet ein, es sei anerkannte thurgauische Praxis,
Aufwendungen für die Miete von Räumlichkeiten nicht dem Finanzreferendum
zu unterstellen. Schon 1958, als die eigene Finanzkompetenz des Grossen
Rates für wiederkehrende Ausgaben bloss Fr. 20'000.-- betrug, seien
für Mietzinse über Fr. 25'000.-- ausgegeben worden. In der Tat wurde im
Kanton Thurgau schon früher die Auffassung vertreten, das Finanzreferendum
spiele im wesentlichen nur noch beim Bau staatlicher Gebäude eine Rolle
(vgl. ESCHER, Das Finanzreferendum in den Schweizerischen Kantonen,
Diss. 1943 S. 119 Anm. 1). Eine solche, von der dargelegten Auffassung
der neuen und gebundenen Ausgaben abweichende Auslegung wäre beachtlich
(BGE 95 I 219 Erw. 3, 529). Es fehlt aber an einem überzeugenden Nachweis,
dass die thurgauische Verfassungspraxis derartige Ausgaben bisher
tatsächlich als gebunden behandelt hat. Insbesondere hat der Grosse
Rat nicht dargetan, dass zufolge eines einzigen neuen Mietverhältnisses
eine einmalige neue Ausgabe gemacht worden ist, die die Zuständigkeit des
kantonalen Parlamentes überstieg. Es ist nämlich möglich, dass die genannte
Summe sich nach und nach aus Mietverhältnissen ergeben hat, von denen für
keines allein die Finanzkompetenz des Grossen Rates überschritten wurde.

Erwägung 5

    5.- a) Zwar sind die Aufwendungen für Miete neuer
Verwaltungsräumlichkeiten nach dem Gesagten eine neue Ausgabe und sie
wären deshalb, als sie für das Jahr 1968 erstmals beschlossen wurden,
der Volksabstimmung zu unterstellen gewesen. Indessen hätten die
Beschwerdeführer damals die Volksabstimmung, die unbestrittenermassen
nicht stattfand, mit staatsrechtlicher Beschwerde erzwingen können. Wenn
sie das nicht getan haben, können sie es im Anschluss an die Beschlüsse
für 1969 nicht mehr nachholen.

    Das Ausgabenreferendum soll dem Bürger ermöglichen, über
Aufwendungen für einen neuen Zweck zu entscheiden. Geht es dabei wie
hier um wiederkehrende Aufwendungen, so hat die Entscheidung des Volkes
über den entsprechenden Verwaltungsakt selber zu ergehen und nicht über
weitere Folgen dieses Verwaltungsakts. Es würde zu Rechtsunsicherheit
und häufig auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, wenn
die Volksabstimmung über den Ausgabenbeschluss noch in einem späteren
Zeitpunkt verlangt werden könnte. Daraus, dass der (erstmalige) Verzicht
auf die Abstimmung von niemandem angefochten wurde, obschon die Möglichkeit
dazu bestand, darf eben geschlossen werden, die Stimmbürger seien mit der
Ausgabe und dem sie allenfalls begründenden Verwaltungsakt einverstanden.

    Der Verwaltungsakt, an dem die Stimmbürger über den Weg des
Ausgabenreferendums hätten mitwirken können, war im vorliegenden Falle
die Einmietung der kantonalen Verwaltung im Verwaltungsgebäude der
Gebäudeversicherungsanstalt. Darüber wurde aber erstmals mit dem Beschluss
für das Budget 1968 entschieden. Schon damals überstiegen die neuen
geplanten Aufwendungen die Finanzkompetenz des Grossen Rates erheblich. Als
der entsprechende Kredit in das Budget 1969 aufgenommen wurde, handelte es
sich somit um keinen Beschluss über eine neue wiederkehrende "Verwendung"
mehr, sondern um die Fortführung einer bereits vom Kanton übernommenen
Belastung. Insofern betraf lediglich der Beschluss für 1968 eine neue
Ausgabe.

    b) Was die Beschwerdeführer gegen diese Ansicht vorbringen, hält
näherer Prüfung nicht stand. Sie wenden einmal ein, der erstmalige
Beschluss, die Mietzinse und Nebenkosten für ein halbes Jahr ins
Budget aufzunehmen, habe lediglich provisorischen Charakter gehabt. Der
Bürger habe deshalb einen endgültigen Entscheid abwarten dürfen, bis er
dagegen ein Rechtsmittel ergriff. Provisorisch war indessen nicht das
Vertragsverhältnis über die Miete von Verwaltungsräumlichkeiten, sondern
lediglich die Höhe des vom Kanton zu entrichtenden Mietzinses. Dieser
war nach Vertrag in Prozenten der Baukosten zu berechnen, und die Höhe
der Baukosten stand damals noch nicht fest.

    Bei dem pro 1968 bewilligten Kredit handelte es sich auch nicht
um einen Teilkredit. Der Begriff des Teilkredites steht im Gegensatz
zu demjenigen des Gesamtkredites und spielt als solcher nur bei den
einmaligen Ausgaben eine Rolle (BGE 77 I 114). Mit dem Budgetbeschluss
1968 wurde aber nicht eine einmalige, sondern eine neue wiederkehrende
Ausgabe bewilligt. Aus dem gleichen Grunde kann der Beschluss für die
Mietzinsen für das Jahr 1969 auch nicht als Wiedererwägungsbeschluss
desjenigen für das Jahr 1968 aufgefasst werden. Wie ausgeführt, handelt
es sich dabei vielmehr um eine Folge aus dem ersten Beschluss.

    c) Die Beschwerde erweist sich daher insofern als verspätet,
als bereits die Ausgabenbewilligung im Budgetbeschluss für 1968
hätte angefochten werden sollen. Die Beschwerdeführer waren dazu in
der Lage. Aus dem Voranschlag für 1968 ging klar hervor, dass erstmalig
wiederkehrende Aufwendungen für die Einmietung in das Verwaltungsgebäude
der Gebäudeversicherungsanstalt beschlossen werden sollten, und das
Gleiche ergab sich auch aus den öffentlichen Verhandlungen des Grossen
Rates. Dessen Beschlüsse und Erwägungen werden überdies in der Regel durch
die Presseberichterstattung über die Verhandlungen dem Bürger hinreichend
klar dargestellt. Der Stimmberechtigte kann sich deshalb Rechenschaft
darüber geben, ob mit einer Verfassungsverletzung gerechnet werden muss. Es
ist ihm dann auch zuzumuten, die näheren Unterlagen selber zu beschaffen.

    d) Die Beschwerdeführer fechten nun allerdings den Budgetbeschluss
für 1969 eventuell nur deswegen an, weil gegenüber dem Beschluss für 1968
die umstrittenen Mietzinsen noch einmal in einem Masse erhöht wurden,
das die Finanzkompetenz des Grossen Rates überstieg. Nach Ansicht der
Beschwerdeführer verbietet es keine Verfassungsbestimmung, auch eine
derartige nachträgliche Erhöhung noch im betreffenden Jahr zu beanstanden
und zu verlangen, dass sie dem Volke zur Abstimmung unterbreitet
werde. Zwar besteht eine solche ausdrückliche Verfassungsbestimmung
nicht, doch folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Erhöhung
der Budgetsumme für eine bereits übernommene Verpflichtung, die in der
gleichen Art und Weise weitergeführt wird, keinen Beschluss über neue
Ausgaben darstellt. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Erhöhung einer
nunmehr gebundenen Ausgabe, deren Ausmass überdies vorauszusehen war.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.