Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 453



95 I 453

66. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1969 i.S. Genossenschaft
Zentralschweizer Metzgermeister gegen Einwohnergemeinde Köniz und
Verwaltungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Volle Entschädigung bei Enteignung nach bernischem Recht; Methoden
der Ermittlung (Erw. 2);

    Entschädigung für die Abtretung einer privaten Strasse, an welcher
Wegedienstbarkeiten bestanden und der Enteignete auch inskünflig den
Gemeingebrauch ausüben kann; Bestimmung nach der Differenzmethode
(Erw. 4);

    Kontrolle der Berechnung nach der statistischen und Ertragswertmethode
(Erw. 5 und 6);

    Wann wirkt sich eine Baulinie als materielle Enteignung aus? (Erw. 7).

Sachverhalt

    A.- Die Einwohnergemeinde Köniz erliess am 6. Dezember 1964 nach
durchgeführtem Publikations- und Auflageverfahren den Baulinienplan
"Zentrum Liebefeld 1964". Der Regierungsrat des Kantons Bern
erteilte diesem am 18. Mai 1965 die Genehmigung und gewährte das
Enteignungsrecht. Von diesem Plan und den zugehörigen Vorschriften wird
die Beschwerdeführerin insofern betroffen, als sie von ihrer Parzelle
No. 2834 an der Schwarzenburgstrasse einen 2 m breiten Streifen für die
Erstellung eines Gehweges sowie den an der Nordgrenze des Grundstückes
verlaufenden privaten Kohlenweg an die Gemeinde abzutreten hat. Entlang der
Schwarzenburgstrasse werden in einem Abstand von 5 m und am Kohlenweg in
einem solchen von 6 m zur neuen Grenze Baulinien gelegt. Bisher bestanden
am Kohlenweg private Wegdienstbarkeiten zu Gunsten der anstossenden
Parzellen No. 2687 und 2538. Der Weg wird in seiner Lage und Fahrbahnbreite
nicht verändert. Dagegen wird auf der Nachbarparzelle No. 2538 ein 2 m
breiter Parkstreifen und ein ebenso breites Trottoir angefügt.

    Die Beschwerdeführerin hat gegen den Bebauungsplan keine Einsprache
erhoben. Dagegen verlangte sie eine Entschädigung für das abzutretende
Land von ca. 700 m2 zum Ausbau des Kohlenweges sowie eine solche wegen
Wertverminderung ihrer Parzelle infolge der Baulinien.

    Die erstinstanzliche Enteignungs-Schätzungskommission sprach ihr
folgende Entschädigungen zu: für das Terrain des Kohlenweges Fr. 180.--/m2,
für den Zustandswert des Strassenkoffers und des Oberbaues des Kohlenweges
Fr. 13 000.--, für Inkonvenienzen infolge des Ausbaues des Kohlenweges
Fr. 10 000.--, für die Verminderung der Überbaubarkeit, bedingt durch
die Baulinie am Kohlenweg Fr. 125.--/m oder Fr. 37 000.--, schliesslich
für das entlang der Schwarzenburgstrasse abzutretende Land Fr. 150.--/m2
oder Fr. 20 250.--.

    B.- Beide Parteien zogen den Entscheid an das kantonale
Verwaltungsgericht weiter. Mit Urteil vom 27. Januar 1969 erhöhte dieses
die für die Abtretung entlang der Schwarzenburgstrasse zu entrichtende
Entschädigung auf Fr. 350.--/m2 oder Fr. 47 250.--. Die Entschädigung
für das Terrain des Kohlenweges reduzierte es dagegen auf Fr. 50.-/m2
oder Fr. 26 250.-- und die Inkonvenienzen bewertete es gleich wie die
Schätzungskommission. Eine Entschädigung für die Baulinie entlang des
Kohlenweges wurde abgewiesen.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Genossenschaft
Zentralschweizer Metzgermeister, der Entscheid des Verwaltungsgerichtes
sei aufzuheben, soweit er die Entschädigung für das Terrain des
Kohlenweges im Ausmass von 525 m2, das durch die Baulinie längs des
Kohlenweges geschaffene Bauverbot und die Inkonvenienzen betreffe. Es
sei festzustellen, dass die Ziehung der Baulinie längs des Kohlenweges
eine materielle Enteignung darstelle. Die Sache sei deshalb zu neuer
Entscheidung und Zusprechung einer angemessenen Entschädigung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

    Es wird eine Verletzung von Art. 4 BV sowie der Eigentumsgarantie
gerügt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus der Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Enteignete wird für die abzutretenden Rechte voll entschädigt,
wenn der ihm durch den Entzug des Rechtes entstehende Schaden voll
ausgeglichen wird, sodass er wegen der Enteignung nicht reicher und
nicht ärmer wird. Das Enteignungsgesetz enthält die Grundsätze, nach
welchen die Entschädigung zu ermitteln ist. Bei gänzlicher Enteignung
soll die Entschädigung so bemessen werden, dass der Enteignete imstande
ist, sich angemessenen Ersatz zu beschaffen (Art. 12 EG). Dabei ist
auch der erfahrungsgemäss erzielbare Ertrag zu berücksichtigen. Dem
Enteigneten sind alle weitern vermögenswerten Nachteile zu ersetzen, die
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung mit
der Enteignung verbunden und nicht in der Entschädigung für den Verlust
des Grundstückes inbegriffen sind (Art. 13). Bei teilweiser Enteignung
bemisst sich die Entschädigung eines Grundstückes, sofern nicht Gründe für
eine andere Berechnungsart dargetan sind, nach der Differenz der Werte
des Besitzstandes vor und nach der Enteignung. Im übrigen finden aufsie
sinngemässdie Entschädigungsgrundsätze für dieTotalenteignung Anwendung
(Art. 14).

    Zu entschädigen ist also bei der Abtretung der Verkehrswert des
enteigneten Rechts, d.h. der Wert, der im Fall der Veräusserung erzielt
werden könnte. Ausser im Wege der Differenzmethode kann er auch nach
der Vergleichs- oder statistischen Methode, oder durch Bestimmung
des Ertragswertes ermittelt werden, letzteres soweit das Gesetz
nicht vorschreibt, dass Verkehrswert, Minderwert und Inkonvenienzen
gesondert festzusetzen und auseinanderzuhalten sind. Die Methode
der Ertragsberechnung führt zu einem objektiven Wert, wenn sie zu
ermitteln sucht, welchen Gebrauch ein Käufer von der enteigneten Sache
machen würde, zu einem subjektiven Wert dagegen, wenn sie auf den Wert
abstellt, den der Enteignete selbst daraus hätte ziehen können. Weichen
die beiden Werte voneinander ab, so bestimmt sich die Entschädigung
nach dem grösseren. Da der Eigentümer nicht gleichzeitig beide Werte
realisieren kann, dürfen diese auch nicht kumuliert werden. Damit wird
die mehrfache Berücksichtigung von wertmehrenden und wertmindernden
Faktoren ausgeschlossen.

Erwägung 4

    4.- Prüft man das Ergebnis des angefochtenen Entscheides vom Standpunkt
der Differenzmethode, so ergibt sich folgendes: Bei der Überführung
eines Privatweges in das öffentliche Eigentum behält der Eigentümer
für den Regelfall alle mit dem Weg verbundenen Vorteile und wird von
gewissen Nachteilen entlastet (WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung
S. 48). So wird es sich auch hier verhalten. Die Beschwerdeführerin hat
für den Unterhalt des Weges zugestandenermassen jährlich etwa Fr. 500.--
aufgewendet. Das Verwaltungsgericht stellt dies nicht in Abrede, noch
schätzt es die Aufwendungen höher ein. Es bestand deshalb kein Anlass,
hierüber Beweise abzunehmen.

    Der Wert des enteigneten Grundstückes vermindert sich durch die
Abtretung von privatem Strassenland dann, wenn der Weg infolge der
Öffentlicherklärung eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit einbüsst. Das
Verwaltungsgericht nimmt an, das Strassengrundstück habe dem industriellen
Betrieb der Beschwerdeführerin als Abstell-, Park- und Manövrierplatz
gedient, sodass sie durch den Entzug des Privatweges eine zu entschädigende
Einbusse erleide.

    Ob diese Annahme den tatsächlichen Verhältnissen entspricht,
ist durchaus zweifelhaft. Die freie Nutzung des Kohlenweges durch die
Beschwerdeführerin war schon bisher beeinträchtigt durch die Befugnisse der
beiden dienstbarkeitsberechtigten Grundeigentümer. Dass diese Belastung
nicht sehr gering war, geht aus der Eingabe der Beschwerdeführerin an
die Gemeinde vom 25. November 1964 hervor. Sie bezeichnete darin die
Beibehaltung der bisherigen Wegbreite als "völlig unzeitgemäss", weil
offenbar übersehen worden sei, dass durch den Kohlenweg nicht bloss der
Lastwagenverkehr der Beschwerdeführerin selbst, sondern auch derjenige
der Kohlenlager A.-G. fliesse, sodass für andere Benützer kaum mehr Raum
bleiben würde. Im Fall einer Überbauung eines der beiden berechtigten
Grundstücke hätte eine entsprechende Mehrbelastung in Kauf genommen
werden müssen.

    Die Rechte der Beschwerdeführerin am Weg als Park- und Wendeplatz
waren also schon zivilrechtlich prekär, weil sie vor den Befugnissen der
Dienstbarkeitsberechtigten zurückzutreten hatten. Es ist nicht dargetan,
dass sich hieran - abgesehen von der Überführung des Weges in das
öffentliche Eigentum - etwas Wesentliches ändern werde. Die Gemeinde hat
den Gemeingebrauch nicht eingeschränkt und auch für die Zukunft ist eine
derartige Einschränkung nicht wahrscheinlich. Durch die Verbreiterung des
Weges um einen Gehweg und einen Parkstreifen von je 2 m werden inskünftig
die Verhältnisse noch verbessert und die Beschwerdeführerin wird inskünftig
den Weg solange und in dem Umfang unter dem Titel des Gemeingebrauches in
Anspruch nehmen können, als dies den übrigen Verkehr nicht stört. Nur die
juristische Bezeichnung hat also geändert; die tatsächlichen Verhältnisse,
unter denen die Beschwerdeführerin den Kohlenweg als Park- und Wendeplatz
verwenden konnte, sind die gleichen geblieben.

    Unter diesen Umständen hält es schwer, mit dem Verwaltungsgericht
anzunehmen, das Vermögen der Beschwerdeführerin erleide durch die
Enteignung eine Einbusse; noch weniger überzeugend aber wäre die Annahme,
der Wert dieser Einbusse übersteige den Wert der Entlastung, der nach
dem Zugeständnis der Beschwerdeführerin sich aufjährlich Fr. 500.-- belief.

    Aus diesen Gründen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, das
Vermögen der Beschwerdeführerin werde durch die Enteignung des Kohlenweges
und dessen Überführung in das Eigentum der Gemeinde nicht vermindert,
offenbar nicht willkürlich.

Erwägung 5

    5.- Auch vom Standpunkt der Bestimmung der Entschädigung für den Weg
nach der statistischen oder Vergleichsmethode erweist sich die Annahme
des Verwaltungsgerichtes, der Kohlenweg habe einen Verkehrswert von
Fr. 50.-/m2, als für die Beschwerdeführerin günstig und in keiner Weise
als willkürlich.

    Voraussetzung für diese Berechnung wäre das Vorhandensein von
Vergleichsmaterial, also die Feststellung, wie viel für gleichartiges,
mit Wegdienstbarkeiten belastetes und für die eigenen Bedürfnisse
benötigtes Land unter gleichen oder änhlichen Umständen bezahlt
wurde. Weder die Beschwerdeführerin noch das Verwaltungsgericht sind
in der Lage, derartige Vergleichsgrundstücke zu nennen. Das bestätigt
die Richtigkeit der Schlussfolgerung, welche das Verwaltungsgericht
bei Anwendung der Differenzmethode gezogen hat, dass nämlich derartiges
Strassenland keinen Verkehrswert besitzt und dessen Abtretung daher auch
keine Vermögenseinbusse zur Folge hat. Eine Privatstrasse hätte nur dann
einen Verkehrswert, wenn sie anderweitig nutzbar wäre, ein Käufer damit
rechnen dürfte, dass er aus dem Grundstück einen über den verbleibenden
Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzen ziehen oder das Strassengebiet sonst
anderweitig verwenden könnte. So kann es sich bei Flurwegen verhalten,
die ihre bisherige Funktion verloren haben, wenn die sie umgebenden Bauten
bereits durch Strassen erschlossen sind.

    Die Beschwerdeführerin glaubt freilich, der Kohlenweg hätte verlegt
und überbaut oder er hätte als Abstellplatz benützt werden können.

    Es kann auf sich beruhen, ob eine anderweitige Verwendung dem
Strassenareal einen selbständigen Verkehrswert verliehen hätte. Denn es
ist durchaus fraglich, ob die Strasse von einem Dritten solchen Zwecken
hätte dienstbar gemacht werden können. Die Beschwerdeführerin vermag
jedenfalls nicht darzutun, wie der Weg ohne Wertverminderung für die
Berechtigten hätte verlegt werden können. Das Verwaltungsgericht stellt
fest, der Kohlenweg hätte ohne Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten
weder überbaut noch verlegt werden können. Diese Annahme ist, weit entfernt
willkürlich zu sein, offenbar zutreffend. Denn die Berechtigten sind auf
die Erschliessung ihrer Grundstücke durch den Kohlenweg angewiesen.

    Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Strassenareal habe trotzdem
einen Verkehrswert von Fr. 50.-/m2, und es rechtfertige sich ausserdem,
der Beschwerdeführerin für den Strassenkoffer und den Oberbau eine
Entschädigung von Fr. 13 000.-- sowie eine Inkonvenienzenentschädigung
von Fr. 10 000.-- zuzusprechen, weil für überbaubares Land in der
Umgebung Preise bis zu Fr. 350.--/m2 bezahlt wurden, verkennt, dass
überbaubares Land und nicht überbaubares Strassenareal, das auch sonst
nicht verwendbar ist, nicht miteinander verglichen werden können, und
dass auch eine wesentlich tiefere Bewertung dem Wesen des Preisvergleichs
nicht gerecht zu werden vermag. Der dem Entscheid zu Grunde gelegte Wert
von Fr. 50.-/m2 kann also nicht einen Verkehrswert darstellen.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerde ist auch nicht begründet, wenn für die Bestimmung
der Entschädigung auf eine Ertragswertberechnung abgestellt wird.

    Der gegenwärtige oder bei besserer Verwendung eines Grundstückes
erzielbare Ertrag bestimmt dessen objektiven Wert. Der Kohlenweg, der
durch seine Existenz den anstossenden Grundstücken diente, warf bisher
keinen Ertrag ab; er erforderte im Gegenteil jährliche Aufwendungen
von etwa Fr. 500.--, hatte also von der Ertragsrechnung her gesehen
einen negativen Wert. Dass seine Aufhebung sich in einer Entwertung
der Grundstücke auswirken würde, denen er diente, ändert nichts. Dieser
mittelbare Nutzwert lässt sich nicht verselbständigen und er wird auch
durch die Überführung des Eigentums am Strassenareal in die öffentliche
Hand nicht beeinträchtigt.

    Indem das Verwaltungsgericht der Beschwerdeführerin eine Entschädigung
von Fr. 10 000.--dafür zuspricht, dass sie nicht mehr Eigentümerin und in
der weitern Verfügung über den Weg beschränkt ist, nimmt es als erwiesen
an, dass der Kohlenweg für die Beschwerdeführerin einen subjektiven Wert
besitze. Die Beschränkung, für welche es die Vergütung zuspricht, erblickt
es in der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin inskünftig vermehrt auf
andere Benützer des Weges Rücksicht nehmen muss. Das erscheint, wie bereits
ausgeführt wurde, durchaus fragwürdig, ginge jedoch nicht zulasten der
Beschwerdeführerin. Entscheidend ist jedoch, dass der subjektive Wert
dem Verkehrswert gegenüberzustellen wäre, sodass nicht zu prüfen ist,
ob er allenfalls den Betrag von Fr. 10 000.-- übersteige, sondern ob
er höher ist als der zugesprochene Betrag zuzüglich die aus dem Wegfall
der Unterhaltspflicht entstehende Entlastung. Die vom Verwaltungsgericht
zugesprochenen Summen sind jedoch weit höher als was die Beschwerdeführerin
für den Verlust einer Rechtsstellung verlangen kann, die bereits bisher
prekär war, und die in Zukunft unter einem andern Rechtstitel wird
ausgeübt werden können. Unter dem Titel des subjektiven Schadens hätte
eine Entschädigung deshalb verweigert werden dürfen.

    Der Widerspruch in den Berechnungen des objektiven Wertes des
Enteignungsobjektes entfällt dann, wenn von den richtigen Voraussetzungen
ausgegangen wird. Wenn die Anwendung der Differenzmethode zeigt, dass der
Wert der Parzelle der Beschwerdeführerin durch die Abtretung des Areals des
Kohlenweges nicht beeinflusst wird, so ergibt die statistische Methode,
dass für das Strassenareal keine Nachfrage besteht und es daher keinen
selbständigen Wert aufweist. Auch bei Zuhilfenahme der Ertragsberechnung
wird offenbar, dass ein objektiver Ertragswert fehlt, dass der Kohlenweg
für die Beschwerdeführerin auch keinen subjektiven Ertragswert besitzt,
jedenfalls aber Anhaltspunkte dafür fehlen, dass dieser höher sein könnte
als die vom Verwaltungsgericht der Beschwerdeführerin zugesprochene
Vergütung.

    Die Beschwerdeführerin hat somit für den Kohlenweg offensichtlich
eine volle Entschädigung erhalten.

Erwägung 7

    7.- Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, die entlang dem
Kohlenweg gelegte Baulinie wirke sich für sie als materielle Enteignung
aus, für welche sie entschädigt werden müsse. Das Verwaltungsgericht
hat eine materielle Enteignung verneint und die verlangte Entschädigung
abgewiesen.

    Eine materielle Enteignung ist anzunehmen, wenn dem Eigentümer entweder
ein bisher ausgeübter oder wirtschaftlich verwerteter Gebrauch des Bodens
untersagt wird; ferner, sofern das Verbot die Benützung der Sache in
ausserordentlich hohem und empfindlichen Masse einschränkt, und nur ein
einziger oder einzelne wenige Eigentümer so betroffen werden, dass sie ein
allzu grosses Opfer zu Gunsten des Gemeinwesens bringen müssten, wenn sie
keine Entschädigung erhielten (BGE 89 I 385 mit Verweisungen). Dem Fall,
wo in das Eigentum in ausserordentlich schwerer Weise eingegriffen wird,
sodass dem Eigentümer eine wesentliche aus dem Eigentum folgende Befugnis
entzogen wird, und eine Entschädigung immer geschuldet ist, steht also
der andere gegenüber, wo dem Eigentümer zwar keine wesentlichen aus dem
Grundeigentum folgenden Befugnisse entzogen werden, er aber in der Ausübung
seiner Eigentumsrechte erheblich eingeschränkt wird und eine Entschädigung
nur dann beanspruchen könnte, wenn er mit deren Ablehnung im Verhältnis
zu andern Grundeigentümern rechtsungleich behandelt würde (BGE 91 I 339).

    Die Belastung des Grundeigentums mit Baulinien führt als
baupolizeiliche Massnahme in der Regel nicht zu einer Ersatzpflicht. Sie
erfüllt den Tatbestand der materiellen Enteignung nur, wenn sie für den
Eigentümer im Sinne der Rechtsprechung eine besondere Belastung darstellt,
wie etwa dann, wenn sie zur Schaffung besonderer Parkierungsflächen,
Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel, Traminseln usw. dienen soll,
oder wenn das Grundstück durch zwei oder mehrere Baulinien so zerschnitten
wird, dass darauf nicht mehr oder nicht mehr wirtschaftlich gebaut werden
kann (BGE 93 I 343; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung Bd. 1
Note 357 III. d; WIEDERKEHR aaO S. 83; SAUTTER, Expropriationsentschädigung
und Baulinie in: Rechtsprobleme von Stadtgemeinden, 1961, S. 137; Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 5. Mai 1967, abgedruckt
in Blätter für zürcherische Rechtsprechung Bd. 66, 1967, No. 172). An
derartige Eigentumsbeschränkungen hat sich der Eigentütümer regelmässig
auch dann zu halten, wenn keine Baulinien gezogen werden. Denn die
zweckmässige Überbauung einer an einen Weg stossenden Liegenschaft ist
regelmässig nur möglich, wenn die Baute vom Strassenrand zurückgenommen
wird. Das gilt im besondern, wenn der Bauherr Abstellplätze zu schaffen
hat.

    Die von der Beschwerdeführerin zu beachtende Baulinie erfüllt keine
der beiden Voraussetzungen für eine materielle Enteignung. Sie liegt
6 m von der Grenze zum Kohlenweg zurück und hat zur Folge, dass rund
500 m2 der 10 038 m2 haltenden Parzelle oder ungefähr der 20. Teil
derselben nicht überbaut werden kann. Sie ist zwar neu. Doch hätte
die Beschwerdeführerinauch ohneBaulinie die normalen Grenzabstände von
7 m auf der Längsseite und 5 m seitlich beachten müssen (Art. 31 der
Bauordnung). Der Behauptung der Beschwerdeführerin, dass unter Umständen
auf die Grenze hätte gebaut werden dürfen (Art. 31 lit. e und 36 der
Bauordnung), ist entgegenzuhalten, dass dies nur möglich wäre, wenn
bereits ein Gebäude auf dem benachbarten Grundstück an der March stünde,
eine Voraussetzung, die hier nicht zutrifft. Ausserdem bedürfte es nach
Art. 36 BO für Ausnahmen von der Bauordnung in der Industriezone einer
baupolizeilichen Bewilligung, mit deren Erteilung nicht zum vornherein
gerechnet werden darf, insbesondere dann nicht, wenn dem Eigentümer zum
Bau genügend Land zur Verfügung steht. Es kommt hinzu, dass der Bauherr
nach Art. 70 des Gesetzes über den Bau und Unterhalt der Strassen
vom 2. Februar 1964 für genügend Abstellplätze zu sorgen hat, und dass
solche Abstellplätze regelmässig nicht im Grundstück, sondern auf der der
Strasse zu gerichteten Seite erstellt werden, wo sie von den Besuchern
der Liegenschaft benützt werden können. Die Beschwerdeführerin hätte
also auch bisher nicht an die Weggrenze bauen können, ohne die normale
Benützung des Kohlenweges zu verunmöglichen.

    Die Beschränkung der Baufreiheit durch die auf das Grundstück der
Beschwerdeführerin gelegte Baulinie stellt danach keine in Betracht
fallende, zu Entschädigung berechtigende Einschränkung dar, sodass dafür
eine Entschädigung nicht geschuldet ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.