Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 258



95 I 258

37. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1969 i.S. Hübscher gegen Kantonale
Rekurskommission Luzern Regeste

    Militärpflichtersatz; Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG

    Behauptet der Ersatzpflichtige, seine Eltern hätten ihm
zur Vervollkommnung seiner Berufsausbildung ein nicht der Abgabe
unterliegendes Darlehen gewährt, so sind an den Beweis dieses unüblichen
Vertragsverhältnisess strenge Anforderungen zu stellen (Erw. 1).

    Rückzahlung einer zu Unrecht bezogenen Abgabe; Verzugszinspflicht
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Der hilfsdienstpflichtige Rudolf Hübscher, geboren 1944, hielt sich
im Jahre 1966 während mehr als sechs Monaten ununterbrochen im Ausland
auf. Am 21. Juli 1967 ersuchte er beim Kreiskommando Luzern um einen
weiteren Auslandurlaub, um sich nach Manila begeben zu können. Dieser
wurde ihm jedoch erst gewährt, nachdem er die Ersatzabgabe für 1966
entrichtet hatte, welche gleichentags in einer unter Vorbehalt erlassenen
Veranlagungsverfügung auf Fr. 75.- festgesetzt worden war. Dabei ging die
Veranlagungsbehörde von einem Einkommen von Fr. 3500.-- aus. Sie nahm
an, dieser Betrag sei Hübscher zur Bestreitung seines Lebensunterhalts
von seinem Vater zugewendet worden. Am 9. November 1967 wurde eine
gleichlautende bereinigte Veranlagungsverfügung getroffen, gegen welche
Hübscher erfolglos Einsprache erhob. In seiner Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid vom 4. Januar 1968 machte Hübscher, der inzwischen nach
den Philippinen abgereist war, vor der kantonalen Rekurskommission geltend,
er habe im Jahre 1966 keine taxpflichtigen Zuwendungen erhalten, weshalb er
lediglich die Personaltaxe von Fr. 15.- zu entrichten habe. Im Jahre 1965
habe er von seinem Sparheft einen grösseren Geldbetrag zurückgezogen,
den er zur Hauptsache im Ersatzjahr 1966 für seinen Lebensunterhalt
verwendet habe. Die übrigen beanspruchten Mittel seien ihm von seinem
Vater darlehensweise zur Verfügung gestellt worden.

    Die kantonale Rekurskommission hiess die Beschwerde am 20. Dezember
1968 teilweise gut. Sie berücksichtigte die Tatsache, dass Hübscher
am 18. Oktober 1965 von seinem Sparheft der Aargauischen Kantonalbank
Fr. 2400.-- abgehoben hatte. Ausgehend von jährlichen Unterhaltskosten
im Betrag von Fr. 3500.-- nahm sie an, dass der Rekurrent bis Ende 1965
mindestens Fr. 600.-- des erwähnten Rückzugs verwendet haben müsse, so
dass auf das Ersatzjahr 1966 noch Fr. 1800.-- entfallen würden. Weil
jedoch am 6. September 1966 wiederum Fr. 482.-- einbezahlt worden
seien, könnten bloss Fr. 1200.-- berücksichtigt werden, so dass sein
Reineinkommen Fr. 2300.-- betrage. Dieses bestehe aus Zuwendungen im Sinne
von Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG. Gestützt darauf setzte die Rekurskommission
die Ersatzabgabe für 1966 auf Fr. 46.20 fest und wies die zuständige
Behörde an, Hübscher den zuviel bezahlten Betrag von Fr. 28.80 ohne Zins
zurückzuerstatten.

    B.- Hübscher führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er bestreitet nach
wie vor, taxpflichtige Zuwendungen erhalten zu haben, und beantragt,
es sei ihm die zuviel bezahlte Summe von Fr. 60.- zurückzuerstatten. Mit
Eingabe vom 14. April 1969 verlangt er ausserdem die Verzinsung dieses
Betrages zu 12% ab 21. Juli 1967.

    C.- Die kantonale Rekurskommission schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

    D.- Die eidgenössische Steuerverwaltung ist der Ansicht, dass der
zurückzuzahlende Betrag von Fr. 28.80 zu 3% verzinst werden müsse.
Sie beantragt deshalb, die Beschwerde sei teilweise gutzuheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Hübscher ist nach Art. 2 Abs. 1 lit. c MPG für das Ersatzjahr 1966
abgabepflichtig, weil er während mehr als sechs Monaten ununterbrochen
landesabwesend war. Gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG gehören zum
Gegenstand der Einkommenstaxe auch die Zuwendungen, die der erwerbsfähige
Ersatzpflichtige von Verwandten oder Dritten erhält, um seinen oder
seiner Familie Lebensunterhalt und Aufwand zu bestreiten, mit Ausnahme
der Zuwendungen, die unmittelbar zu seiner beruflichen Ausbildung
verwendet werden müssen. DieVeranlagungsbehörde schätzt die Kosten des
Lebensunterhalts und Aufwandes eines im Ausland lebenden Ersatzpflichtigen
in der Regel auf Fr. 3500.-- pro Jahr. Die kantonale Rekurskommission sieht
im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von dieser Praxis abzugehen. Sie
bringt jedoch den Betrag von Fr. 1200.-- in Abzug, den der Beschwerdeführer
von seinem Sparguthaben zurückgezogen und im Ersatzjahr 1966 für seinen
Lebensunterhalt verwendet haben will. Streitig ist, ob die verbleibende
Summe von Fr. 2300.-- aus Zuwendungen herrührt, die dem Beschwerdeführer
von seinen Eltern zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausgerichtet
worden sind, oder ob sie tatsächlich Bestandteil eines Darlehens ist,
wie Hübscher behauptet.

    Dem Ersatzpflichtigen gewährte Darlehen fallen nicht unter das reine
Einkommen im Sinne von Art. 11 MPG und unterliegen demnach der Ersatzabgabe
nicht (unveröffentl. Urteil i.S. Rufer vom 28. Juni 1968, Erw. 2 lit. b;
Wegleitung Nr. 627-2 der Eidg. Steuerverwaltung vom 18. Dezember 1967,
Ziff. 1.2). Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Eltern ihrem Sohne ein
Darlehen gewähren und es ihm dadurch ermöglichen, seine Berufsausbildung
zu vervollkommenen; zu diesem Zweck abgeschlossene Darlehensverträge
sind indessen nicht üblich, weshalb an den Beweis ihres Bestehens strenge
Anforderungen gestellt werden müssen (vgl. den erwähnten unveröffentlichten
Entscheid i.S. Rufer vom 28. Juni 1968, Erw. 2 lit. b). Hübscher hat den
geforderten Nachweis nicht erbracht. Noch in seiner Ersatzabgabe-Erklärung
vom 8. Mai 1967 gab er an, die Lebenshaltungs- und Studienkosten im Jahre
1966 aus eigenen Ersparnissen bestritten zu haben. Erst als es ihm nicht
gelungen war, die hierfür geforderten Beweismittel beizubringen, machte er
geltend, er habe zur Deckung seines Aufwandes ein Darlehen erhalten. Die
der Veranlagungsbehörde vorgelegte Kopie des Darlehensvertrags ist jedoch
nicht geeignet, diese Behauptung zu beweisen. Das Dokument wurde erst
nachträglich, d.h. im Verlaufe des Veranlagungsverfahrens ausgefertigt,
so dass ihm in Anbetracht der früher in der Ersatzabgabe-Erklärung
gemachten Angaben keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden
kann. Ähnliches gilt für die beiden vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopien
von Belastungsanzeigen der Schweizerischen Bankgesellschaft vom 2. Mai und
15. Juli 1968 über angebliche Amortisationszahlungen von je Fr. 600.--,
welche offensichtlich nach entsprechenden Anweisungen Hübschers ausgestellt
worden sind. Gegen die Annahme eines Darlehens spricht weiter, dass der
Vater des Beschwerdeführers in seiner Steuererklärung für die Jahre 1967/68
kein solches deklariert hat. Hübscher versucht zwar, dieses gewichtige
Indiz mit dem Einwand zu entkräften, sein Vater hätte allfällig gemachte
Zuwendungen mit Sicherheit von seinem Einkommen abgesetzt, weil sich
daraus eine erhebliche Verminderung seines steuerbaren Einkommens ergeben
hätte. Allein auch dies ist nicht schlüssig. Zunächst ist festzuhalten,
dass Vater Hübscher die Zuwendungen an seinen Sohn nur im Rahmen des
Sozialabzugs für die Berufsausbildung eines Kindes unter 25 Jahren
gemäss Art. 25 Ziff. 3 luz. StG hätte geltend machen können und damit
lediglich eine nicht wesentlich ins Gewicht fallende Steuererleichterung
erwirkt hätte. Dass der Beschwerdeführer die Zuwendungen, falls solche
tatsächlich gemacht worden wären, seinerseits in der Ersatzabgabe-Erklärung
deklariert hätte, um seinem Vater zu der erwähnten geringfügigen
steuerlichen Besserstellung zu verhelfen, erscheint in Anbetracht der
gesamten Umstände wenig wahrscheinlich und vermag das Vorliegen eines
Darlehensvertrags nicht nachzuweisen. Die Beschwerde Hübschers erweist
sich somit in dieser Hinsicht als unbegründet.

Erwägung 2

    2.- ....

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 58 Abs. 1 MPV, der dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
Rechnung trägt, war die Veranlagungsbehörde nicht befugt, die Bewilligung
des Auslandsurlaubs von der sofortigen Zahlung des noch nicht rechtskräftig
veranlagten Militärpflichtersatzes für 1966 abhängig zu machen. Eine
Sicherstellungsverfügung nach Art. 36 Abs. 1 lit. a MPG (wegen Gefährdung
des Bezuges), welche diese Massnahme nach der genannten Bestimmung der
Vollziehungsverordnung allein hätte rechtfertigen können, wurde nicht
erlassen, weil dafür offenbar kein Anlass bestand. Im vorliegenden Fall
hätte höchstens eine solche nach Art. 36 Abs. 1 lit. c MPG getroffen
werden können, weil Hübscher Anstalten traf, seinen Wohnsitz im Inland
aufzugeben. Auch dies ist jedoch unterblieben. Der Beschwerdeführer ist
somit am 21. Juli 1967 unrechtmässig zur Zahlung eines Abgabebetrages
von Fr. 75.- verhalten worden. Davon sind -wie die Vorinstanz richtig
erkannt hat - Fr. 28.80 zurückzuerstatten (vgl. oben Erw. 1).

    Die Rekurskommission meint, diese Rückzahlung sei nicht zu
verzinsen. Sie irrt. Es ist zwar richtig, dass weder das BG über
den Militärpflichtersatz vom 12. Juni 1959 noch die bezügliche
Vollziehungsverordnung vom 14. Dezember 1959 eine Bestimmung darüber
enthalten, ob zu Unrecht erhobene Abgaben mit Zins zurückerstattet
werden müssen. Ebenso weist die Vorinstanz mit Recht darauf hin, dass
auf Abgaben, welche nach erfolgter Dienstnachholung zurückbezahlt
werden, kraft ausdrücklicher Vorschrift von Art. 66 Abs. 4 MPV kein
Zins vergütet wird. Diese Bestimmung hat indessen rechtmässig bezogene
Abgaben zum Gegenstand, welche nur deshalb zurückerstattet werden, weil
der Pflichtige die ihm obliegende persönliche Dienstleistung nachgeholt
hat. Im vorliegenden Fall ist die Ersatzabgabe jedoch zu Unrecht erhoben
worden; Hübscher hat geleistet, ohne dass er nach Gesetz dazu hätte
verpflichtet werden dürfen. Er hat - im Gegensatz zu dem in Art. 34 MPG
bzw. Art. 66 MPV geregelten Sachverhalt (Rückerstattung der Ersatzabgabe
bei Dienstnachholung) - eine Nichtschuld bezahlt. Dieser grundlegende
Unterschied schliesst im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung von
Art. 66 MPV zum vorneherein aus.

    Die eidgenössische Steuerverwaltung glaubt zur Begründung der
Zinspflicht Art. 127 Abs. 2 WStB heranziehen zu müssen. Danach ist auf
zuviel bezahlten Wehrsteuerbeträgen ein Vergütungszins zu entrichten. Wohl
besteht zwischen der Wehrsteuer und dem Militärpflichtersatz ein
Zusammenhang darin, dass sich nach Art. 11 Abs. 3 MPG in Verb. mit
Art. 8 Abs. 1 MPV das der Einkommenstaxe unterliegende reine Einkommen
unter Vorbehalt von Art. 11 Abs. 2 MPG nach Art. 21-23 WStB bestimmt. Die
beiden Abgaben unterscheiden sich jedoch sowohl ihrer Natur nach als auch
hinsichtlich ihres Zweckes. Der Militärpflichtersatz ist im Gegensatzzur
Wehrsteuer keine Steuer, sondern eine Ersatzabgabe, die der Schweizer
schuldet, der seine Wehrpflicht nicht oder nicht in vollem Umfang erfüllen
kann (BGE 91 I 430 Erw. 2). Auch hinsichtlich einer analogen Anwendung
von Art. 127 Abs. 2 WStB erheben sich somit Bedenken.

    Nichts hängt indessen davon ab, ob sich eine Gesetzesbestimmung
finden liesse, die dem vorliegenden Fall gerecht werden könnte. Für
öffentlich-rechtliche Geldforderungen gilt vielmehr der allgemeine
ungeschriebene Rechtsgrundsatz, dass der Schuldner Verzugszinsen zu
entrichten hat, wenn er sich mit seiner Leistung im Verzug befindet
(vgl. BGE 78 I 90, 85 I 184 ff., 87 I 419 ff. sowie IMBODEN, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. I Nr. 123). Diese Regel gilt
indessen nicht ausnahmslos; namentlich im Recht der eidgenössischen
Sozialversicherung gilt das Gegenteil (vgl. EVGE 1960 S. 94 ff.). Im
vorliegenden Fall besteht jedoch kein Anlass, vom erwähnten Grundsatz
abzugehen. Es geht um die Rückerstattung einer zu Unrecht empfangenen
Geldleistung. Mit Rücksicht auf die für ähnliche privatrechtliche
Tatbestände geltende Ordnung ist die Zinspflicht zu bejahen.

    Der Beginn des Verzugs fällt auf den 21. Juli 1967. Damals wurde
Hübscher unter Vorbehalt veranlagt. Um den in Aussicht gestellten
Auslandurlaub zu erwirken, entrichtete er gleichentags den festgesetzten
Abgabebetrag. Dabei bestritt er jedoch die Richtigkeit der Veranlagung
und behielt sich gleichzeitig das Recht vor, die zuviel bezahlte Summe
zurückzufordern. Darin kann eine gültige "Mahnung" erblickt werden,
welche das Gemeinwesen in Verzug setzte.

    Seit dem 26. März 1967 wendet das Bundesgericht auf
öffentlich-rechtliche Verzugszinsen den Satz von 5% an (BGE 93 I 389). Die
streitige Zinsforderung ist nach diesem Datum entstanden, so dass der
erwähnte Satz auch im vorliegenden Fall zu gelten hat. Ein solcher von 12%,
wie er angeblich in Manila üblich sein soll, fällt ausser Betracht.

    Der Beschwerdeführer hat die Verzinsung des Rückerstattungsbetrags erst
in seiner Eingabe vom 14. April 1969 gefordert, als die Beschwerdefrist
bereits abgelaufen war. Das Bundesgericht ist in Steuersachen jedoch nicht
an die Rechtsbegehren der Parteien gebunden. Es kann den angefochtenen
Entscheid sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beschwerdeführers
abändern. Dieses in Art. 109 Abs. 1 OG ausgesprochene Prinzip ist hier,
wo es sich nicht um eine Steuer, wohl aber um eine ähnliche Abgabe handelt,
analog anzuwenden.

    Aus diesen Gründen steht Hübscher vom 21. Juli 1967 an ein Zins von
5% auf dem zu Unrecht bezogenen und deshalb zurückzuerstattenden Betrag
von Fr. 28.80 zu. Die Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen.