Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 253



95 I 253

36. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juli 1969 i.S. Bank Rohner &
Co. A.-G. gegen Architekturgemeinschaft Wildbolz & Huber und
Kassationsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 86, 87 OG. Der Entscheid, mit dem in der Wechselrechtsbetreibung
der Rechtsvorschlag bewilligt wird, stellt einen mit staatsrechtlicher
Beschwerde anfechtbaren Endentscheid dar (Erw. 1-3).

    Bezahlung des Checks unter einer auflösenden Bedingung? Erw.4).

Sachverhalt

    A.- Die Kollektivgesellschaft Wildbolz und Huber stellte an die Ordre
der Fontanella SA einen durch die Zürcher Kantonalbank zahlbaren Check aus
über Fr. 29'000.--. Die Fontanella übertrug diesen durch Indossament an die
Bank Rohner & Co. AG, welche ihn mit Brief vom 24. Mai 1968 der Zürcher
Kantonalbank zum Inkasso übergab. Diese schrieb der Bank Rohner "Eingang
vorbehalten" die Checksumme gut und teilte ihr mit, sie vergüte ihr
weisungsgemäss Fr. 29'000.-- auf deren Girokonto bei der Schweizerischen
Nationalbank. Von dieser wurde der Check der Beschwerdeführerin am
28. Mai 1968 gutgeschrieben. Da die Checksumme nicht einging, forderte die
Zürcher Kantonalbank dieselbe von der Bank Rohner und klagte in der Folge
auf Bezahlung von Fr. 29'105.65. Daraufhin schrieb die Bank Rohner der
Kantonalbank die verlangte Summe gut und leitete gegen die Ausstellerin des
Checks die Wechselbetreibung ein. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag.
Einzelrichter und Obergericht des Kantons Zürich verweigerten dessen
Bewilligung. Auf Nichtigkeitsbeschwerde hin hat das Kassationsgericht den
obergerichtlichen Entscheid aufgehoben und den Rechtsvorschlag bewilligt,
mit der Begründung: Die "Eingang vorbehalten" von der Kantonalbank
erteilte Gutschrift bedeute, dass sich die Kantonalbank zur Auszahlung
nur für den Fall des Einganges des Gegenwertes verpflichtet habe. Dessen
ungeachtet habe sie die Nationalbank beauftragt, der Bank Rohner Gutschrift
zu erteilen. Diese Gutschrift sei nicht mit einem Vorbehalt versehen
gewesen. Die Nationalbank sei durch sie gegenüber der Anweisungsempfängerin
zur Zahlung verpflichtet worden. Sie habe deshalb der Bank Rohner gegenüber
nicht diejenigen Einwendungen erheben können, welche der Kantonalbank
gegenüber der Bank Rohner zustanden (Art. 468 OR). Von einer bedingten
Zahlung könne deshalb nicht gesprochen werden. Vielmehr sei der Check
eingelöst und damit im Sinne von Art. 182 SchKG bezahlt worden. Möglich
wäre unter diesen Umständen nur eine Rückforderung des der Bank Rohner
auf Veranlassung der Kantonalbank Bezahlten.

    Die angefochtene Entscheidung des Obergerichtes verletze klares Recht.

    B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Bank
Rohner & Co., den Beschluss des Kassationsgerichtes aufzuheben und den
Wechselrechtsvorschlag zu verweigern. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4
BV und macht zur Begründung geltend: Klares Recht wäre nur verletzt, wenn
der Entscheid des Obergerichtes einer klaren gesetzlichen Vorschrift
widersprechen würde. Das sei nicht der Fall, wenn eine gesetzliche
Vorschrift auszulegen sei oder wenn das Gesetz auf das richterliche
Ermessen verweise. Das Kassationsgericht habe nicht die Verletzung
einer gesetzlichen Vorschrift angenommen, sondern eine Rechtshandlung der
Zürcher Kantonalbank ausgelegt, indem es die Anweisung an die Nationalbank
als bedingungslose Zahlung bezeichne. Damit habe das Kassationsgericht §
344 Ziff. 9 ZPO und gleichzeitig die Rechtsgleichheit verletzt. Überdies
sei die Annahme willkürlich, der Check sei bedingungslos eingelöst worden.

    C.- Das Kassationsgericht verzichtet auf Vernehmlassung.
Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Gericht bewilligt in der Wechselbetreibung den Rechtsvorschlag,
wenn durch Urkunden bewiesen wird, dass die Schuld an den Inhaber des
Wechsels oder Checks bezahlt oder durch denselben nachgelassen oder
gestundet ist (Art. 182 Ziff. 1 SchKG). Ist der Rechtsvorschlag bewilligt,
so wird die Betreibung eingestellt. Der Gläubiger hat zur Geltendmachung
seines Anspruchs den ordentlichen Prozessweg zu betreten (Art. 186
SchKG). Für den Fall der Anwendung von Art. 184 Abs. 2 SchKG, d.h. bei
Bewilligung des Rechtsvorschlages erst nach Hinterlegung des streitigen
Betrages, wo der Gläubiger ebenfalls auf die Anhebung der Klage auf Zahlung
verwiesen wird, wird in BGE 90 I 201 davon ausgegangen, der kantonale
Instanzenzug sei vor der Durchführung dieser Klage nicht erschöpft, die
staatsrechtliche Beschwerde gegen die Bewilligung des Rechtsvorschlages
in der Wechselbetreibung daher unzulässig (Art. 86, 87 OG). Es stellt sich
deshalb die Frage der Anfechtbarkeit mit staatsrechtlicher Beschwerde auch
im Falle von Art. 182 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 186 SchKG. Denn die
Gleichartigkeit der Sachlage ist trotz der verschiedenen Voraussetzungen
für die Bewilligung des Rechtsvorschlages nicht zu verkennen. In beiden
Fällen ist zu entscheiden, ob die dem Gläubiger offenstehende Klage
zur Geltendmachung seines Anspruchs ein Rechtsmittel ist, das die
Letztinstanzlichkeit des Entscheides ausschliesst.

Erwägung 2

    2.- Die Rechtsprechung hat bisher staatsrechtliche Beschwerden gegen
Entscheide kantonaler Verwaltungsbehörden als unzulässig erklärt, wenn
zur Erreichung des Zieles, auf das sie gerichtet waren, die Zivilklage
zur Verfügung stand (BGE 78 I 250, 81 I 61, 83 I 166). Dieser Grundsatz
wurde in BGE 79 I 44, 153 erstmals auch auf Entscheide über die Gewährung
oder Verweigerung provisorischer Rechtsöffung angewendet. Es wurde davon
ausgegangen, die staatsrechtliche Beschwerde gegen derartige Entscheidungen
sei nicht zulässig im Hinblick auf die Möglichkeit, durch Forderungs- bzw.
Aberkennungsklage den materiellen Bestand der in Betreibung gesetzten
Forderung abklären zu lassen.

    Ob an der Rechtsprechung, wonach die offenstehende Zivilklage die
staatsrechtliche Beschwerde ausschliesse, festzuhalten ist, wurde später
wieder offen gelassen (BGE 94 I 371 Erw. Ziff. 4). Die Anwendung auf
Entscheidungen, welche die Gewährung oder Verweigerung provisorischer
Rechtsöffunng betreffen, wurde dagegen im gleichen Urteil aufgegeben, weil
das Rechtsöffnungsverfahren ein Zwischenverfahren der Schuldbetreibung
rein vollstreckungsrechtlicher Natur ist, während Forderungs- und
Aberkennungsklage sich in keiner wesentlichen Beziehung von einem
mit einem Betreibungsverfahren überhaupt nicht mehr zusammenhängenden
Forderungsstreit unterscheiden, Rechtsöffnungs- und Zivilprozessverfahren
ihrem Gegenstand nach also derart verschieden sind, dass es nicht angeht,
sie als Einheit aufzufassen und die Klage vor dem Richter als Rechtsmittel
im Sinne von Art. 86, 87 OG zu betrachten.

Erwägung 3

    3.- Bei der Geltendmachung des Anspruchs des Gläubigers im ordentlichen
Zivilprozess (Art. 186 SchKG) verhält es sich nicht anders. Sie ist keine
Fortsetzung des Betreibungs- und Rechtsvorschlagsverfahrens. Die Betreibung
ist bereits mit der Bewilligung des Rechtsvorschlages eingestellt. Der
durchzuführende Prozess unterscheidet sich nicht von einem mit einem
Betreibungsverfahren nicht mehr zusammenhängenden Forderungsstreit. Damit
wird der ordentliche Prozessweg betreten. Es besteht aber auch kein
in Betracht fallender Unterschied, wenn der Rechtsvorschlag nur nach
Hinterlegung des streitigen Betrages bewilligt und der Gläubiger
aufgefordert wird, die Klage auf Bezahlung anzuheben. Dabei handelt
es sich um die gleiche zivilrechtliche Forderungsklage, wie sie der
Gläubiger zur Realisierung seines Anspruches dann anzustellen hat, wenn
der Rechtsvorschlag schlechthin bewilligt wurde, bloss mit dem Unterschied,
dass die Forderung durch die Hinterlage des Schuldners sichergestellt ist,
wenn die Klage binnen der Frist von 10 Tagen angehoben wird (BLUMENSTEIN,
Schuldbetreibungsrecht S. 590 Ziff. 5). Bei dieser Sachlage ist nicht zu
umgehen, dass auch auf das Urteil in BGE 90 I 201 zurückzukommen sein wird.

    Der Entscheid, mit dem der Rechtsvorschlag bewilligt wird, stellt somit
einen Endentscheid dar, der, wenn er wie hier von der letzten kantonalen
Instanz ausgeht, mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar ist.

Erwägung 4

    4.- Indem die Zürcher Kantonalbank die Schweizerische Nationalbank
ohne Vorbehalt zur Zahlung des Checkbetrages anwies, hat sie den Check
bezahlt. Vom Zeitpunkt an, da die Nationalbank der Beschwerdeführerin
die Checksumme von Fr. 29'000.-- gutschrieb, konnte dieser Auftrag von der
Kantonalbank nicht mehr zurückgenommen werden. Denn der Angewiesene, der
dem Anweisungsempfänger die Annahme ohne Vorbehalt erklärt, wird ihm zur
Zahlung verpflichtet und kann ihm nur solche Einreden entgegensetzen, die
sich aus ihrem persönlichen Verhältnis oder aus dem Inhalt der Anweisung
selbst ergeben, nicht aber solche aus seinem Verhältnis zum Anweisenden
(Art. 468 OR).

    Die Annahme des Obergerichts, die Zahlung sei unter einer
auflösenden Bedingung erfolgt, ist nicht haltbar. Die Zahlung ist
ein Akt der Verfügung, d.h. ein Rechtsgeschäft, dessen Rechtswirkung
auf einen Gegenstand unmittelbar gerichtet ist, dessen Rechtslage
unmittelbar ändert. Durch die Zahlung geht das Geleistete in das
Vermögen des Gläubigers über. Daran würde ein einseitiger Vorbehalt
des Leistenden nichts ändern. Ein solcher ist übrigens bei der Zahlung
gerade nicht angebracht worden. Das Verhalten der Kantonalbank entspricht
durchaus dieser Rechtslage. Als sie feststellte, dass der Check nicht
gedeckt sei, hat sie nicht versucht, den der Nationalbank erteilten
definitiven und ausgeführten Auftrag zu widerrufen. Sie verlangte von
der Beschwerdeführerin Rückerstattung, d.h. eine neue Zahlung. Darauf
ging denn auch die gegen die Beschwerdeführerin angehobene Klage.

    Mit der Bezahlung durch die Kantonalbank ist die Forderung des Inhabers
erloschen, so dass diesem aus dem Check keinerlei Rechte mehr zustehen. Der
Rechtsvorschlag war deshalb zu bewilligen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.