Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 213



95 I 213

32. Auszug aus dem Urteil vom 14. Mai 1969 i.S. Suter und Mitbeteiligte
gegen Kantonsrat des Kantons Schwyz. Regeste

    Finanzreferendum.

    Verhältnis zwischen Finanzreferendum und Staatsvertragsreferendum
(Erw. 2).

    Begriff der "neuen" im Gegensatz zur "gebundenen" Ausgabe (Erw. 3).

    Die von einem Kanton durch Staatsvertrag übernommene Verpflichtung,
mehr auswärtige Schüler in sein Lehrerseminar aufzunehmen, lässt die
Kosten eines bestimmten Projekts für die Erweiterung des Seminargebäudes
noch nicht als "gebunden" erscheinen (Erw. 4 a). Die Behörden können
das Referendum nicht dadurch umgehen, dass sie die zweckmässigste und
billigste der in Betracht kommenden Lösungen wählen (Erw.4 b).

Sachverhalt

    A.- Die Verfassung des Kantons Schwyz bestimmt in

    § 30

    "Gesetzesentwürfe werden vom Kantonsrate in ein- oder zweimaliger
Beratung vorbereitet und sodann der Volksabstimmung nach Massgabe der §§
3 und 91 unterstellt.

    Dieser Abstimmung unterliegen auch alle Beschlüsse des Kantonsrates,
die für den gleichen Zweck entweder eine einmalige neue Ausgabe von mehr
als Fr. 250'000.-- oder eine wiederkehrende neue Ausgabe von jährlich
mehr als Fr. 50'000.-- zur Folge haben.

    ....."

    § 31

    "Bedingterweise unterliegen der gleichen Volksabstimmung alle vom
Kantonsrate ratifizierten Verträge mit andern Staaten sowie alle Dekrete
und Verordnungen des Kantonsrates, sofern innerhalb der Frist von 30
Tagen nach Veröffentlichung derselben im Amtsblatte beim Regierungsrate
von 2000 Bürgern ein schriftliches Begehren dafür gestellt wird.

    ....."

    B.- Der Kanton Schwyz führt in Rickenbach bei Schwyz ein Lehrerseminar,
in das zunächst freiwillig und seit 1958 aufgrund von Staatsverträgen
auch Schüler aus den Kantonen Uri, Obwalden, Nidwalden und Appenzell
I. Rh. sowie aus dem Fürstentum Liechtenstein aufgenommen wurden.

    Im Jahre 1967 wurden zwei neue Staatsverträge ausgearbeitet, der eine
zwischen Schwyz und Uri, der andere zwischen Schwyz und Uri einerseits und
Obwalden, Nidwalden, Appenzell I. Rh. und Liechtenstein anderseits. Nach
beiden Verträgen hat Schwyz in Rickenbach ein Lehrerseminar mit Unter-
und Oberseminar, und zwar letzteres ab 1968 doppelt, zu führen,
während der Kanton Uri in Altdorf ein Unterseminar mit drei Klassen
einzurichten hat; ferner wird in beiden Verträgen der jährliche Beitrag
der Vertragspartner an die Kosten der Seminarien für jeden Schüler
auf Fr. 4'000.-- festgesetzt. Im Vertrag mit Uri verpflichtet sich
Schwyz, aus dem Unterseminar Altdorf jährlich höchstens 24 Schüler
ins Oberseminar Rickenbach aufzunehmen. Im andern Vertrag werden
dem Fürstentum Liechtenstein in beiden Seminarien mindestens 15 und
dem Kanton Appenzell I. Rh. mindestens 5 Plätze fest zugesichert und
hat Liechtenstein an den Kanton Schwyz "in Hinsicht auf die mit der
Doppelführung des Oberseminars vorzunehmenden Erweiterungsbauten" einen
einmaligen Beitrag von Fr. 150'000, Appenzell I. Rh. einen solchen von
Fr. 50'000.-- zu leisten; den übrigen Konkordatskantonen steht für freie
Plätze der Vorrang gegenüber andern Kantonen zu.

    Am 30. November 1967 fasste der Kantonsrat von Schwyz einen Beschluss,
den er gemäss § 31 Abs. 1 dem (in der Folge nicht ergriffenen) fakultativen
Referendum unterstellte und in dem er den Regierungsrat zum Abschluss der
beiden erwähnten Verträge ermächtigte (Ziff. 1 und 2), ihm zum Ankauf der
(an das Seminar angrenzenden) Liegenschaft Bellevue in Rickenbach und
zu Anpassungsarbeiten einen Kredit von Fr. 250'000 erteilte (Ziff. 3)
und ihn beauftragte, dem Kantonsrat ein Projekt für die sich aus den
Konkordatsverträgen ergebenden zusätzlichen Raumbedürfnisse zu unterbreiten
(Ziff. 4).

    Nachdem Architekt Krieg ein solches Projekt ausgearbeitet hatte,
das eine Aufstockung des bestehenden Seminargebäudes vorsieht, fasste
der Kantonsrat am 18. Oktober 1968 folgenden Beschluss:

    "Dem Regierungsrat wird ein Kredit von 1,6 Millionen Franken zur
Erweiterung des Lehrerseminars Rickenbach nach den Plänen und der
Kostenberechnung von Architekt Richard P. Krieg, Zürich, erteilt".

    Der Antrag eines Mitglieds des Kantonsrates, den Beschluss gemäss
§ 30 Abs. 2 KV dem Referendum zu unterstellen, wurde mit 51 gegen 36
Stimmen abgelehnt.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen Kantonsrat Walter
Suter und 18 weitere Stimmberechtigte den Antrag, den Kantonsratsbeschluss
vom 18. Oktober 1968 wegen Verletzung von § 30 Abs. 2 KV aufzuheben. Zur
Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht: Weder aus den beiden
Staatsverträgen noch aus dem Ratifikationsbeschluss vom 30. November 1967
gehe hervor, welche finanziellen Aufwendungen der Kanton zur Erreichung
des Konkordatszweckes zu erbringen habe und welche baulichen Massnahmen
dafür erforderlich seien. Der angefochtene Beschluss habe somit nicht
eine gebundene, sondern eine "neue" Ausgabe im Sinne von § 30 Abs. 2
KV zum Gegenstand und müsse daher dem Volke zur Genehmigung unterbreitet
werden. Die staatsvertraglichen Pflichten könnten auch anders als durch die
beschlossene Erweiterung des bestehenden Seminargebäudes erfüllt werden,
z.B. in gemieteten Räumen oder durch Errichtung eines Unterseminars in
Ausserschwyz, welches das Seminar in Rickenbach entlasten würde.

    D.- Der Kantonsrat des Kantons Schwyz beantragt Abweisung der
Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Er macht nähere Angaben
über die Raumbedürfnisse, die sich aus der in den Staatsverträgen
vereinbarten doppelten Führung des Oberseminars ergeben. Die beschlossene
Aufstockung ergebe sofort den benötigten Raum und stelle die wirtschaftlich
günstigste Lösung dar. Die Behauptung der Beschwerdeführer, es gebe auch
andere Lösungen, sei unzutreffend (wird näher dargelegt). Die weiteren
Ausführungen des Kantonsrates befassen sich mit der Handhabung des
Finanzreferendums im Kanton Schwyz; auf sie wird, soweit notwendig,
in den nachstehenden Erwägungen näher eingegangen.

    E.- In der Replik halten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest
und stellen dem vom Kantonsrat beschlossenen Bauprojekt als günstigere
Lösung einen Neubau auf den Liegenschaften Bellevue und Beausite gegenüber.

    F.- Der Kantonsrat führt in der Duplik aus, dass und weshalb der von
den Beschwerdeführern skizzierte Gegenvorschlag keineswegs günstiger wäre.

    G.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat am 29. März
1969 mit den Parteien einen Augenschein vorgenommen, zu dem Architekt
Theodor Rimli, Aarau, Mitglied der Eidg. Oberschätzungskommission als
Sachverständiger beigezogen wurde. Für das Ergebnis des Augenscheins wird
auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichnete § 30
Abs. 2 KV unterstellt alle Beschlüsse des Kantonsrats, welche eine
dort näher umschriebene Ausgabe zur Folge haben, dem obligatorischen
Referendum. Anderseits unterliegen nach § 31 Abs. 1 KV alle vom Kantonsrat
ratifizierten Verträge mit andern Staaten (zu denen auch die Konkordate
mit andern Kantonen gehören) dem fakultativen Referendum. Das Verhältnis
dieser beiden Bestimmungen zueinander ist nicht streitig. Staatsverträge
unterstehen auch dann, wenn sie für den Kanton eine unter § 30 Abs. 2 KV
fallende Ausgabe zur Folge haben, nicht dem dort geregelten obligatorischen
Referendum, sondern nur dem fakultativen Referendum des § 31 Abs. 1
KV. Diesem Referendum wird nach der Praxis entweder der Staatsvertrag
selbst unterstellt oder aber der Kantonsratsbeschluss, welcher den
Regierungsrat zum Abschluss des Staatsvertrages ermächtigt. Bei den beiden
das Lehrerseminar Rickenbach betreffenden Staatsverträgen war letzteres
der Fall, d.h. es wurde der Kantonsratsbeschluss vom 30. November 1967,
der den Regierungsrat zum Abschluss dieser Staatsverträge ermächtigte,
dem fakultativen Referendum gemäss § 31 Abs. 1 KV unterstellt. Nachdem
dieses Referendum nicht ergriffen worden ist, hat der Kanton Schwyz die
durch die beiden Staatsverträge übernommenen Verpflichtungen auch dann
zu erfüllen, wenn sie Ausgaben zur Folge haben, die nach § 30 Abs. 2
KV dem obligatorischen Referendum unterliegen würden. Der Kantonsrat
behauptet, der Kredit von 1,6 Millionen Franken, den er im angefochtenen
Beschluss für die Erweiterung des Lehrerseminars Rickenbach erteilt hat,
betreffe eine Ausgabe, zu welcher der Kanton nach den in Kraft getretenen
Staatsverträgen verpflichtet sei und die daher nicht (mehr) dem Volke zur
Genehmigung unterbreitet werden müsse. Die Beschwerdeführer bestreiten
dies und nehmen den Standpunkt ein, die Krediterteilung beziehe sich auf
eine "neue Ausgabe" im Sinne von § 30 Abs. 2 KV und unterstehe daher dem
dort geregelten obligatorischen Referendum.

    Dass es sich bei den Fr. 250'000.-- übersteigenden Aufwendungen für
die Erweiterung des Lehrerseminars um eine "Ausgabe" im Sinne von § 30
Abs. 2 KV handelt, ist unbestritten (vgl. zum Begriff der "Ausgabe" BGE
93 I 318 Erw. 5), und ebenso ist es klar, dass die Ausgabe "einmalig"
ist. Fragen kann sich nur, ob es sich um eine "neue" Ausgabe im Sinn
jener Bestimmung handelt. Den Gegensatz zur "neuen" Ausgabe bildet
die "gebundene" Ausgabe, d.h. eine Ausgabe, die auf einer von den
Stimmberechtigten bereits genehmigten Grundlage beruht und ihnen deshalb
nicht mehr unterbreitet zu werden braucht (BGE 77 I 115).

Erwägung 3

    3.- Das Bundesgericht hat sich kürzlich in BGE 93 I 624 ff. eingehend
mit der Frage der Abgrenzung zwischen "neuen" und "gebundenen" Ausgaben
im Hinblick auf das Finanzreferendum auseinandergesetzt. Wären nur
solche Ausgaben "gebunden", die sich zahlenmässig aus einem Rechtssatz
ergeben, so wäre die Handlungsfreiheit der kantonalen Regierung und
des Kantonsrates sehr stark eingeschränkt. Wäre dagegen jede Ausgabe
gebunden, die sich, wenn auch nur sehr entfernt, noch irgendwie als
Mittel der Rechtsanwendung qualifizieren lässt, so würde das Referendum
praktisch bedeutungslos, da diese Voraussetzung bei grossen Ausgaben
des Gemeinwesens regelmässigzutreffen dürfte. Die Mehrheit der Autoren
und die Rechtsprechung des Bundesgerichts haben daher die Grenze in
der Mitte der beiden Extreme gesucht und gefunden, wobei sie sich vom
staatspolitischen Zweck des Finanzreferendums leiten liessen. Dieser
besteht darin, dem Bürger ein Mitspracherecht zu gewährleisten bei
Ausgaben, deren Grösse seine Belastung als Steuerzahler mitbestimmt,
nicht dagegen, ihm eine Art Rechtskontrolle über die Verwaltung zu
verschaffen. Das Finanzreferendum soll dem Volk das Mitspracherecht bei
grossen Ausgaben sichern, wenn der Verwaltung nach der Rechtslage und
den Umständen eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht,
und nicht nur dann, wenn sie eine Ausgabe beschliesst, die ausserhalb
der gesetzlichen Aufgaben liegt. Die Stimmberechtigten sollen also bei
Geschäften von grosser finanzieller Tragweite die Möglichkeit haben, über
das Ob und das Wie mitzusprechen. Auch wenn das Ob weitgehend durch den
Grunderlass präjudiziert ist, kann immer noch das Wie wichtig genug sein,
um die Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen.

    Im Hinblick auf diesen staatspolitischen Zweck des Finanzreferendums
ist der Begriff der "gebundenen" Ausgabe eher eng und demzufolge
der Begriff der "neuen" Ausgabe eher weit zu fassen. Als gebunden
erscheint danach eine Ausgabe dann, wenn angenommen werden kann,
dass sie vom Stimmbürger mit dem Grunderlass, der sie zur Folge hat,
gebilligt worden ist, denn das Volk soll nicht zweimal befragt werden,
beim Entscheid über den Grunderlass und beim Entscheid über die sich
daraus ergebende Ausgabe. Gebunden ist also jede Ausgabe für ein Mittel,
das beim Entscheid über den Grunderlass voraussehbar war. Ferner kann eine
Ausgabe einer gebundenen gleichgestellt werden, wenn es offensichtlich
gleichgültig ist, welche Mittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem
Grunderlass übernommenen Aufgabe gewählt werden, was dann nicht zutrifft,
wenn zwischen verschiedenen Mitteln wesentliche Unterschiede bestehen,
z.B. hinsichtlich der Kosten oder der Auswirkungen.

    Von dieser in BGE 93 I 624 Erw. 5 näher dargelegten und von der
Rechtslehre fast einstimmig gebilligten Auslegung des Begriffs der
"gebundenen" im Gegensatz zur "neuen" Ausgabe wäre für § 30 Abs. 2 der KV
von Schwyz nur dann abzuweichen, wenn diesen Begriffen nach einer klaren
und feststehenden Rechtsauffassung und Praxis der kantonalen Behörden eine
andere Bedeutung zukäme. Das wird jedoch weder mit der Beschwerdeantwort
noch mit der Duplik des Kantonsrates dargetan. Aus den verschiedenen,
vom Regierungsrat in den Jahren 1957 bis 1964 eingeholten Rechtsgutachten
geht vielmehr hervor, dass hierüber im Kanton Schwyz keine bestimmte Praxis
besteht (vgl. insbesondere Gutachten Steiner vom September 1958 S. 21). Es
ist daher von der in BGE 93 I 624 ff. vorgenommenen Begriffsbestimmung
auszugehen.

Erwägung 4

    4.- Der Kantonsrat stützt den angefochtenen Beschluss nicht auf eine
besondere, in der KV enthaltene Ermächtigung, sondern betrachtet ihn als
Vollzugsbeschluss zu den beiden Staatsverträgen über das Lehrerseminar
Rickenbach, zu dessen Abschluss er den Regierungsrat durch den gemäss §
31 Abs. 1 KV dem fakultativen Referendum unterstellten Kantonsratsbeschluss
vom 30. November 1967 ermächtigt hat.

    a) Von diesen beiden Staatsverträgen enthält einzig derjenige zwischen
Schwyz und Uri eine ziffernmässig umschriebene Ausgabenermächtigung, indem
er in Ziff. 9 den jährlichen Beitrag, den der Kanton Schwyz für jeden
seiner das Unterseminar Altdorf besuchenden Schüler an Uri zu leisten
hat, auf Fr. 4 000.-- festsetzt und eine Anpassung dieses Beitrags an
den jeweiligen Lebenskostenindex vorsieht. Sollte der danach vom Kanton
Schwyz zu bezahlende Gesamtbeitrag einmal Fr. 50 000.-- übersteigen,
so würde es sich dabei, obwohl die Zahl der Schüler aus Schwyz, die das
Unterseminar in Altdorf besuchen können, im Vertrag nicht begrenzt ist,
um eine gebundene Ausgabe handeln, die dem obligatorischen Referendum des
§ 30 Abs. 2 KV nicht unterliegt, da die Stimmbürger sie dadurch, dass sie
das Referendum gegen den Staatsvertrag nicht ergriffen, gebilligt haben.

    Der Kanton Schwyz hat sich in den beiden Staatsverträgen weiter
verpflichtet, aus den Kantonen Uri und Appenzell I. Rh. sowie aus dem
Fürstentum Liechtenstein eine bestimmte Anzahl von Schülern in das
Lehrerseminar Rickenbach aufzunehmen. Die dem Kanton Schwyz aus dieser
Aufnahme auswärtiger Schüler erwachsenden zusätzlichen Ausgaben für den
Betrieb des Seminars dürften durch den ihm für jeden Schüler zu leistenden
und dem jeweiligen Lebenskostenindex anzupassenden Beitrag von jährlich Fr.
4'000.-- gedeckt sein. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, würde
es sich, gleich wie bei den Betriebskosten, die auf die aus dem Kanton
Schwyz stammenden Schüler entfallen, wiederum um gebundene Ausgaben
handeln, die, auch wenn sie jährlich Fr. 50.000.-- übersteigen sollten,
dem obligatorischen Referendum des § 30 Abs. 2 KV nicht unterliegen.

    Der Kanton Schwyz hat sich endlich in den beiden Staatsverträgen
verpflichtet, das (bisher nur einfach geführte) Oberseminar ab 1968
doppelt zu führen. Damit hat er auch die Verpflichtung übernommen, die für
die Erweiterung des Betriebs erforderlichen Räume zu beschaffen. Diesem
Zweck dient der Umbau des Seminargebäudes, für den Architekt Krieg Pläne
ausgearbeitet und der Kantonsrat im angefochtenen Beschluss einen Kredit
von 1,6 Millionen Franken bewilligt hat. Diese Ausgabe könnte nur dann als
"gebunden" gelten und vom Referendum des § 30 Abs. 2 KV ausgeschlossen
werden, wenn sie als vom Stimmbürger mit den beiden Staatsverträgen
gebilligt zu betrachten wäre. Das ist indessen nicht der Fall. Wohl ergab
sich aus einem der Verträge, dass die Doppelführung des Obserseminars
"Erweiterungsbauten" erfordere, an deren Kosten zwei Vertragspartner
einen Beitrag von zusammen Fr. 200'000.-- zu leisten haben. Ferner hat der
Kantonsrat in seinem dem Referendum unterstellten Beschluss, mit dem er
die Ermächtigung zum Abschluss der Verträge erteilte, den Regierungsrat
auch beauftragt, ihm ein Projekt für die sich aus den Verträgen
ergebenden "zusätzlichen Raumbedürfnisse" zu unterbreiten. Dagegen war
den Staatsverträgen und dem Kantonsratsbeschluss in keiner Weise zu
entnehmen, auf welche Weise und mit welchen Kosten diese zusätzlichen
Raumbedürfnisse zu befriedigen seien, geschweige denn, dass das durch
Aufstockung des bestehenden Seminargebäudes und mit einem Kostenaufwand
von 1,6 Millionen Franken geschehen werde.

    Mit der stillschweigenden Genehmigung der Staatsverträge haben demnach
die Stimmberechtigten zwar der doppelten Führung des Oberseminars und der
vermehrten Aufnahme von auswärtigen Schülern in das Seminar zugestimmt
und dabei auch die Notwendigkeit, deswegen das Seminargebäude zu erweitern
oder auf andere Weise zusätzliche Räume zu schaffen, erkannt. Dagegen waren
sie weder über den Umfang der Raumbedürfnisse überhaupt noch über die Art
und die Kosten der Befriedigung dieser Bedürfnisse unterrichtet, so dass
nicht gesagt werden kann, sie hätten die vom Kantonsrat am 16. Oktober
1967 beschlossene Ausgabe von 1,6 Millionen für die Aufstockung des
bestehenden Seminargebäudes mit dem Verzicht auf das Referendum gegen
die Staatsverträge von vorneherein gebilligt. Diese Ausgabe kann daher
nicht als gebunden gelten, sondern ist neu und unterliegt deshalb dem
obligatorischen Referendum des § 30 Abs. 2 KV.

    b) Nun wendet der Kantonsrat hiegegen ein, dass seine Handlungsfreiheit
durch besondere Umstände weitgehend eingeschränkt sei; die beschlossene
Aufstockung stelle die zweckmässigste und wirtschaftlich günstigste Art der
Befriedigung der sich aus den Staatsverträgen ergebenden Raumbedürfnisse
dar und lasse sich, zum mindestens innert nützlicher Frist und ohne
wesentliche Mehraufwendungen, nicht durch eine andere Lösung ersetzen. Das
mag, wie der Augenschein verbunden mit einer Expertise ergeben hat,
weitgehend zutreffen. Die geplante Aufstockung benötigt nicht bloss keinen
zusätzlichen Boden des bereits sehr beschränkten Seminargrundstücks,
sondern führt auch organisatorisch zur bestmöglichen Verbindung der
neuen Schulräume mit den alten und lässt sich verhältnismässig rasch
ausführen. Die von den Beschwerdeführern erwähnten andern Möglichkeiten
lassen sich entweder überhaupt nicht verwirklichen oder weisen erhebliche
Nachteile auf. Dass geeignete Räume in unmittelbarer Nähe des Seminars
vorhanden seien und gemietet werden können, haben die Beschwerdeführer
nicht darzutun versucht. Ihr Vorschlag, an Stelle der abzureissenden
Häuser Bellevue und Beausite einen Neubau zu erstellen, wäre zwar zu
verwirklichen, doch würden dieser Lösung, wie der Experte überzeugend
ausgeführt hat, schwere betriebliche und architektonische Mängel anhaften
(Vermengung von Schul-und Wohnräumen, unmittelbare Nachbarschaft des
Turnplatzes, ungenügender Abstand von der Strasse usw.); ausserdem würde
die Projektierung und Ausführung erhebliche Zeit beanspruchen und unter
Umständen kostspielige Zwischenmassnahmen notwendig machen. Die an sich
mögliche Erweiterung durch Hinzukauf von Land und Erstellung eines neuen
Gebäudes auf diesem wären schon wegen der hohen Bodenpreise kostspieliger
und wiederum mit erheblichem Zeitverlust verbunden. In noch höherem Masse
wäre dies der Fall, wenn das Seminar in Rickenbach durch die Schaffung
eines Unterseminars in Ausserschwyz entlastet würde. Man kann daher füglich
sagen, dass die vom Kantonsrat beschlossene Aufstockung wohl diejenige
Lösung des sich aus den Staatsverträgen ergebenden Raumproblems darstellt,
welche die günstigsten schulbetrieblichen Verhältnisse schafft, sich am
raschesten verwirklichen lässt und gesamthaft die geringsten finanziellen
Aufwendungen erfordert.

    Alle diese Vorteile der geplanten Aufstockung lassen zwar die
vom Kantonsrat beschlossene Ausgabe, was die Höhe betrifft, als
unerlässlich erscheinen, vermögen jedoch den Ausschluss des in § 30
Abs. 2 KV vorgeschriebenen Referendums nicht zu rechtfertigen. Dass die
Unerlässlichkeit einer Ausgabe nicht der Gebundenheit gleichzustellen
ist, wurde schon in BGE 93 I 627 Erw. 6 dargelegt. Eine Behörde kann das
Finanzreferendum nicht dadurch vermeiden, dass sie für die Erfüllung
einer Aufgabe des Gemeinwesens die "zweckmässigste" und "billigste"
der in Betracht fallenden Lösungen wählt. Wesentlich ist vielmehr, ob
nur diese Lösung möglich ist oder daneben noch andere in Frage kommen,
und das ist hier offensichtlich der Fall. Dass diese andern Lösungen
mit gewissen Nachteilen behaftet und insbesondere kostspieliger wären,
ist aus dem Gesichtspunkt des Finanzreferendums bedeutungslos. Die
Stimmberechtigten sind nicht gehalten, für die Erfüllung einer Aufgabe
des Gemeinwesens das zweckmässigste und billigste Mittel zu wählen;
sie können aus irgend welchen Gründen einer Lösung den Vorzug geben,
die nicht die minimale oder optimale Erfüllung der Aufgabe darstellt,
sondern mit gewissen Unzukömmlichkeiten verbunden ist oder Aufwendungen
erfordert, die über das unbedingt erforderliche weit hinausgehen. Stehen
dergestalt für die Befriedigung der sich aus den Staatsverträgen ergebenden
zusätzlichen Raumbedürfnisse des Lehrerseminars in Rickenbach mehrere
Möglichkeiten zur Verfügung, so darf den Stimmberechtigten der Entscheid
über die vom Kantonsrat beschlossene Ausgabe für die Aufstockung des
bestehenden Seminargebäudes nicht vorenthalten werden.

    Sollte diese Ausgabe in der Volksabstimmung abgelehnt werden, so
könnte dies freilich die Verwaltung zwingen, zur Aufrechterhaltung des
Schulbetriebs und zur Erfüllung der in den Staatsverträgen übernommenen
Verpflichtungen provisorische Notlösungen zu treffen, die unter Umständen
zu unwirtschaftlichen Aufwendungen führen. Ob es sich rechtfertigt,
dies in Kauf zu nehmen, hat jedoch nicht der Kantonsrat oder das
Bundesgericht, sondern der Stimmbürger zu entscheiden (vgl. BGE 94 I 126
Erw. 4 b). Es handelt sich dabei um den Preis, welchen der Kanton für die
Aufrechterhaltung seiner demokratischen Einrichtungen zu zahlen bereit
sein muss.