Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 21



95 I 21

4. Auszug aus dem Urteil vom 5. März 1969 i.S. X. gegen Kantone
Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Regeste

    Steuerausscheidung bei Erwerbseinkommen.

    Besteuerung einer Abfindung, die ein im Laufe des Steuer- bzw.
Bemessungsjahres seinen Wohnsitz, nicht jedoch sein Bureau in einen
andern Kanton verlegender Anwalt wegen vorzeitiger Auflösung eines
"Beratungsvertrages" von einer Aktiengesellschaft erhält.

    In welchem Zeitpunkt ist die Abfindung als Einkommen
realisiert? (Erw. 5 a).

    Handelt es sich um Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit,
das im Kanton der Berufusausübung, oder um solches aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit, das im Wohnsitzkanton zu versteuern ist? (Erw. 5 b).

Sachverhalt

    A.- Dr. X. führt in Basel ein Advokaturbureau. Er wohnte bis zum
1. Oktober 1965 in Basel, seither im Kanton Basel Landschaft. Seine
Anwaltstätigkeit besteht zu einem wesentlichen Teil darin, bei
Gesellschaftsgründungen und -verwaltungen als Berater oder als Organ
mitzuwirken. So schloss er am 14. März 1963 mit einer neu gegründeten,
im Versicherungswesen tätigen Aktiengesellschaft (im folgenden:
IKV) einen frühestens auf Ende 1965 auflösbaren Beratungsvertrag
ab. Darin verpflichtete er sich, ab Februar 1963 für die Dauer von
mindestens 35 Monaten die mit einem Grundkapital von 1 Million Franken
ausgestattete IKV rechtlich und steuerrechtlich zu beraten und als
einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat zu amten; ferner übernahm
er für die Dauer der Vertrags die Domizilierung und Verwaltung der IKV
sowie die Besorgung der Buchhaltung und, solange die Einstellung eigenen
Personals der IKV sich nicht rechtfertige, die laufenden Arbeiten. Für
seine Dienste erhielt er eine einmalige Beratungsentschädigung von
Fr. 5'000.--, eine monatliche Beratungs- und Verwaltungsentschädigung
von Fr. 1'000.-- ab Februar 1963 und einen Interessenzuschlag von 1%
der Bruttoprämieneinnahmen der ersten 5 Geschäftsjahre, jedoch mindestens
Fr. 10'000.-- und höchstens Fr. 20'000.-- jährlich. Im zweiten Halbjahr
1965 wurde der Vertrag aufgehoben und X. mit Fr. 50'000.-- abgefunden.

    B.- Am 23. Februar 1967 reichte X. in Basel die Steuererklärung für
1965 (Einkommen) bzw. 1966 (Vermögen) und im Kanton Basel-Landschaft
diejenige für 1966 ein.

    a) In Basel gab er das gesamte, im Jahre 1965 erzielte Reineinkommen
mit Fr. ....., davon Fr. 50'000.-- (Abfindung der IKV) nach § 50 StG zu
einem reduzierten Satz steuerbar an.

    Am 20. Juni 1967 eröffnete ihm die Steuerverwaltung Basel-Stadt die
Veranlagung für die Vermögenssteuer 1966 und für die Einkommenssteuer
1965 nebst einer Steuerausscheidung, welche die Übersiedelung von Basel
in den Kanton Basel-Landschaft am 1. Oktober 1965 berücksichtigte und die
Abfindung der IKV als gewöhnliches und im Kanton Basel-Stadt steuerbares
Einkommen behandelte.

    X. erhob gegen die Veranlagung Einsprache und nach deren Abweisung
Rekurs, mit dem er u.a. beantragte, die Abfindung der IKV von Fr. 50'000.--
sei als Abfindung im Sinne von § 39 Abs. 3 bzw. § 50 StG anzuerkennen
und zu dem dafür vorgesehenen niedrigeren Satze zu besteuern.

    Die Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt wies dieses Begehren
mit Entscheid vom 28. Juni 1968 ab.

    b) Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft anerkannte die
von Basel-Stadt vorgeschlagene Steuerausscheidung und erliess am 25. August
1967 eine entsprechende Veranlagung.

    C.- X. hat gegen den Entscheid der basel-städtischen Steuerkommission
vom 28. Juni 1968 staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung
erhoben, mit der u.a. beantragt, die Kapitalabfindung von Fr. 50'000.--
sei, weil nach der Wohnsitznahme im Kanton Basel-Landschaft (l.10.65)
zugeflossen (22.12.65), diesem Kanton zur Besteuerung zuzuweisen.
Zur Begründung dieses Antrags bringt er vor, die Abfindung sei ihm
vor dem 1. Oktober 1965 mündlich zugesichert, in einer Zwischenbilanz
der IKV vom 31. Oktober 1965 passiviert und dann am 22. Dezember 1965
ihm überwiesen worden, so dass anzunehmen sei, sie sei ihm noch vor dem
1. Oktober 1965 zugeflossen. Zudem stelle sie Einkommen aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit dar, und sei als solches unabhängig vom Zeitpunkt der
Überweisung im Kanton Basel-Landschaft zu versteuern.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer erhielt bei der vorzeitigen Auflösung
des Beratungsvertrages mit der IKV einen in den Akten als "Abfindung"
oder "Einmalentschädigung" bezeichneten Betrag von Fr. 50'000.--. Im
Beschwerdebegehren macht er geltend, diese Abfindung sei ihm nach
dem 1. Oktober 1965 (Wohnsitzverlegung von Basel in den Kanton
Basel-Landschaft) zugeflossen; in der Begründung dagegen vertritt
er diesen Standpunkt nur noch eventuell und macht in erster Linie
geltend, die Entschädigung sei ihm vor dem 1. Oktober 1965 zugeflossen.
Verhielte es sich so, und der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beruft
sich darauf, so wäre sie in jedem Fall in diesem Kanton zu versteuern,
andernfalls nur dann, wenn es sich dabei um Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit handelt.

    a) Einkommen ist dann realisiert, wenn der Steuerpflichtige darüber
tatsächlich verfügen kann, sei es dass es in seinen Besitz gelangt,
sei es dass er einen festen Rechtsanspruch darauf erhält (BGE 73 I 140,
94 I 382 Erw. 3). Im vorliegenden Falle behauptet der Beschwerdeführer,
die Entschädigung sei ihm vor dem 1. Oktober 1965 mündlich zugesichert
worden. Indessen sind die näheren Umstände der Vertragsaufhebung aus
den Akten nicht ersichtlich, so dass nicht feststeht, ob es sich um ein
unbestimmtes Versprechen handelte oder um eine vertragliche Vereinbarung,
die einen Rechtsanspruch begründete; der Umstand, dass die Entschädigung
von der IKV erst am 31. Oktober 1965, und zwar durch den Beschwerdeführer
selber, verbucht wurde, spricht eher dafür, dass ein Rechtsanspruch auf
sie erst damals entstanden ist. Die Frage kann dahingestellt bleiben,
da die Entschädigung, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt,
als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu betrachten und schon
deshalb im Kanton Basel-Stadt zu versteuern ist.

    b) Massgebend dafür, ob eine Tätigkeit steuerrechtlich als selbständig
oder unselbständig zu gelten hat, ist nach der Rechtsprechung nicht so
sehr die zivilrechtliche Natur der Beziehungen des Steuerpflichtigen zu
Dritten, sondern vor allem das Mass der persönlichen und wirtschaftlichen
Selbständigkeit, das dem Erwerbstätigen bei der Erfüllung seiner Aufgabe
zukommt (BGE 61 I 254, LOCHER aaO § 5 II B Nr. 5). So kann zivilrechtlich
z.B. ein Verwaltungsrat einer AG Beauftragter sein (BGE 75 II 153 Erw. 2
a), während seine Einkünfte öffentlich-rechtlich, z.B. bei der AHV, als
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit behandelt werden (Art. 7
lit. h VV zum AHVG). Hinsichtlich der Natur der Abfindung von Fr. 50'000.--
lässt sich daher nichts Bestimmtes daraus ableiten, dass die IKV für die
monatlichen Bezüge des Beschwerdeführers von Fr. 1'000.-- AHV-Prämien
entrichtete, da er selber diese Bezüge gegenüber der AHV-Verwaltung als
Verwaltungsratsentschädigung, die variablen Bezüge dagegen als Einkommen
aus selbständiger Erwerbstätigkeit bezeichnet hat. Und ebenso wenig kann
daraus, dass die Steuerbehörden diese und andere Verwaltungsratshonorare
des Beschwerdeführers als Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit
behandelten, etwas zugunsten seines Standpunktes abgeleitet werden.

    Als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit wären die
Einnahmen aus dem Beratungsvertrag zu betrachten, wenn sie aufgrund eines
Dienstvertrages erzielt wurden, denn nach schweizerischer Auffassung
ist Arbeit in dienstvertraglichem Verhältnis abhängige Arbeit (BGE 90
II 485 Erw. 1; SCHWEINGRUBER, Komm. zum Dienstvertrag 3. Aufl. N. 1c
zu Art. 319 OR; GYSIN, Arbeitsrecht S. 32; teilweise abweichend
OSER-SCHÖNENBERGER N. 8 zu Art. 319 OR). Der Beschwerdeführer glaubt,
dass die im Beratungsvertrag vereinbarte feste Vertragsdauer ihn zum
Dienstvertrag mache und die Annahme eines Auftrags ausschliesse. Die
Unkündbarkeit des Vertrags während einer gewissen Zeit könnte in der
Tat für seine dienstvertragliche Natur sprechen, weil der Auftrag
nach Art. 404 OR jederzeit widerrufbar ist (vgl. GAUTSCHI N. 10a zu
Art. 404 OR). Indessen ist denkbar, dass die Parteien, von denen der
Beschwerdeführer rechtskundig ist, sich im Widerspruch zu Art. 404 OR
Zusicherungen über die Dauer des Auftragsverhältnisses geben wollten,
weil dafür ein Bedürfnis bestand, wenn man nicht das ganze Vertragswerk
überhaupt als Vertrag sui generis auffassen will (vgl. BGE 83 II 529
Erw. 1 inbezug auf den Immobilienverwaltungsvertrag). Wie dem auch
sei, genügt es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht,
dass ein Vertrag auf entgeltliche Arbeitsleistung für bestimmte oder
unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, um ihn zum Dienstvertrag zu machen,
und auch die Berechnung der Vergütung pro Monat ist nicht ausschlaggebend
(GAUTSCHI N. 62 b zu Art. 394 OR). Die Umschreibung des Dienstvertrags
in Art. 319 OR bringt gerade das wesentliche Merkmal der Abhängigkeit des
Arbeitnehmers nicht genau zum Ausdruck. Gemeint ist, dass der Arbeitnehmer
die vertraglich vereinbarte Zeit dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen
hat und während derselben der Weisungsgewalt des Dienstherrn unterstellt
und damit persönlich (und allenfalls auch wirtschaftlich) von ihm abhängig
ist (vgl. Botschaft zur Revision des Dienstvertragsrechts BBl 1967 II
S. 294 Ziff. 2). Für eine solche Abhängigkeit des Beschwerdeführers von
der IKV fehlen aber hinreichende Anhaltspunkte. Zwar können Arbeiten
von der Art der vom Beschwerdeführer übernommenen auch Gegenstand eines
Dienstvertrages sein (Art. 361 OR). Doch ist zu vermuten, dass ein Anwalt
mit eigener Praxis nicht in ein dienstvertragliches Verhältnis zu seinem
Auftraggeber tritt. Dass dies beim Beschwerdeführer anders war, ist nicht
dargetan. Nichts weist darauf hin, dass er der IKV einen bestimmten,
von ihr festgelegten Teil seiner Zeit für die zu erledigenden Arbeiten
zur Verfügung zu stellen hatte und die IKV in irgendeiner Weise auf
seine betriebliche Organisation Einfluss genommen hätte. Vielmehr darf
angenommen werden, dass er in seinen betrieblichen Dispositionen völlig
frei war. Ebensowenig weist etwas auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit
des Beschwerdeführers von der IKV, die ihn trotz Vorliegens eines
blossen Auftrags- oder auftragsähnlichen Verhältnisses steuerrechtlich
als abhängige Arbeitskraft erscheinen liesse; im Gegenteil betont er
die starke Stellung, die er aufgrund seines "know-how" der IKV gegenüber
besessen habe. Bei dieser Sachlage ist er steuerrechtlich, auch was sein
Verhältnis zur IKV betrifft, als Selbständigerwerbender zu betrachten und
hat die Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Beratungsvertrages als
Geschäftseinkommen zu gelten, das im Kanton Basel-Stadt zu versteuern
ist. Die Beschwerde ist daher gegenüber dem Kanton Basel-Stadt, und
soweit sie sich auch gegen den Kanton Basel-Landschaft richten sollte,
auch diesem gegenüber abzuweisen.