Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 193



95 I 193

29. Urteil vom 7. Mai 1969 i.S. Grolimund und Hug gegen Grolimund und
Regierungsrat des Kantons Solothurn. Regeste

    Öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Immissionenschutz.

    Legitimation der Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde bei
Verweigerung des öffentlichrechtlichen Schutzes (Erw. 1).

    Verhältnis zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem
Immissionenschutz (Erw. 3).

    Auslegung des § 1 des solothurn. Gesetzes vom 6. Mai 1882
über öffentliche Gesundheitspflege, der den Staat und die Gemeinden
berechtigt und verpflichtet, "zum Zweck der möglichsten Abhaltung und
Beseitigung gesundheitsschädlicher Einflüsse die nötigen Massnahmen zu
treffen". Begriff der Gesundheitsschädlichkeit. Anwendung auf die von einer
Geflügelmastfarm ausgehenden Staub- und Geruchsimmissionen (Erw. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Das solothurn. Gesetz vom 6. Mai 1882 über öffentliche
Gesundheitspflege und Lebensmittelpolizei (GPfIG) bestimmt in § 1:

    "Es ist Recht und Pflicht des Staates und der Gemeinden, die
öffentlichen Gesundheitsinteressen zu fördern und zum Zweck der möglichsten
Abhaltung und Beseitigung gesundheitsschädlicher Einflüsse die nötigen
Massnahmen zu treffen".

    Der öffentlichen Kontrolle sind unter anderem Wohnungen und Stallungen
(§ 2 lit. d) sowie Gewerbe, soweit sie gesundheitsschädlich sind (§ 2
lit. g), unterstellt. Die Handhabung der öffentlichen Gesundheitspflege
liegt unter der Oberaufsicht des Regierungsrates in erster Linie den
örtlichen Gesundheitsbehörden (Ortsgesundheitskommission) und den
Oberamtmännern ob (§ 3).

    B.- Im März 1962 ersuchte Oskar Grolimund bei der Baukommission der
Gemeinde Balsthal um die Bewilligung, auf seinem Grundstück am obern
Steinackerweg eine Geflügelmastfarm zu erstellen. Nachdem sowohl der
Bauherr als auch die Optigal SA in Lausanne, für welche die Geflügelfarm
betrieben werden sollte, erklärt hatten, dass die Nachbarschaft weder durch
lästige Gerüche noch durch Geräusche oder sonstige Auswirkungen gestört
werde, wurde die Baubewilligung erteilt, worauf die Geflügelmastfarm
erstellt und im Sommer 1963 in Betrieb genommen wurde.

    Im November 1963 beschwerte sich Hermann Grolimund-Allemann,
der auf dem südlich angrenzenden Grundstück wohnt und sich bereits
im Baugesuchsverfahren gegen die Bewilligung der Baute gewandt
hatte, zusammen mit vier anderen Nachbarn, darunter Walter Hug, bei
der Gesundheitskommission Balsthal darüber, dass von der Geflügelfarm
lästige Gerüche ausgingen und feiner Staub auf die Nachbarliegenschaften
gelange, was es verunmögliche, die Fenster offen zu halten. Die
Gesundheitskommission untersuchte die Sache und beschloss dann am
17. September 1964 gestützt auf die §§ 1 und 2 GPfIG, den weiteren Betrieb
der Geflügelmastfarm mit Wirkung ab 1. November 1964 zu untersagen.

    Hiegegen erhoben die Betriebsinhaber Oskar und René Grolimund beim
Oberamt Balsthal Beschwerde. Der Oberamtmann holte, nach Einvernahme
mehrerer Zeugen, beim Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität
Bern ein Gutachten ein, das am 29. Dezember 1966 erstattet wurde. Am
28. November 1967 wies der Oberamtmann die Beschwerde ab. Er nahm an,
dass die lästigen Geruchs- und Staubimmissionen sich nach dem Gutachten
in mindestens zwei Fällen als zweifellos gesundheitsschädlich erwiesen
hätten und für die Nachbarschaft in einem ausgesprochenen Wohnquartier
auch vom Standpunkt des normalen Durchschnittsmenschen als übermässig zu
betrachten seien. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege müsse
Abhilfe geschaffen werden, und zwar, da die Betriebsinhaber zu wirksamen
Verbesserungen nicht bereit seien, durch Einstellung des Betriebes.

    Oskar und René Grolimund beschwerten sich gegen diesen Entscheid
beim Regierungsrat des Kantons Solothurn, indem sie vor allem geltend
machten, dass die von der Geflügelmastfarm ausgehenden Immissionen nicht
gesundheitsschädlich seien.

    Der Regierungsrat liess durch drei Beamte des Sanitätsdepartements
einen Augenschein vornehmen und hiess hierauf die Beschwerde am 6. August
1968 gut, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Über die zentrale
Frage, ob die Geflügelmastfarm durch Staubeinwirkung und lästigen Geruch
die Gefahr gesundheitsschädlicher Einflüsse in sich trage, sei von der
Vorinstanz ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem seien die der Farm
entströmenden Dünste nicht unmittelbar gesundheitsschädigend und sei mit
der Verstaubung keine Infektionsgefahr verbunden. Das Gutachten bejahe
die Gesundheitsschädlichkeit der Immissionen für den Knaben Beat Hug und
die Eheleute Grolimund-Allemann. Dass die Staubimmission die Gesundheit
des Knaben beeinträchtigt habe, sei auf dessen besondere Disposition
(Überempfindlichkeit gegen Hausstaub und anderen Staub) zurückzuführen;
eine entsprechende Behandlung und die Zuteilung eines Zimmers, dessen
Fenster sich nach der der Geflügelmastfarm entgegengesetzten Seite öffnen,
habe den gewünschten Erfolg gezeitigt. Bei den Eheleuten Grolimund habe
der tägliche Ärger über die Farm und über die von dieser ausgehenden
Immissionen das Nervensystem angegriffen; aufgrund ihrer persönlichen
Disposition könnten die Immissionen jedoch nicht als gesundheitsschädlich
gelten. Zwischen dem privatrechtlichen und dem öffentlichrechtlichen
Begriff der Immission bestehe entgegen der Auffassung des Oberamtes ein
Unterschied. Der solothurnische Gesetzgeber habe bewusst nicht den Wortlaut
des Art. 684 ZGB übernommen, sondern habe den öffentlich-rechtlichen
Schutz auf ganz bestimmte, nämlich gesundheitsschädliche Immissionen
eingeschränkt. Es sei verfehlt, heute im Zuge der Zeit eine Immission
als gesundheitsschädlich zu betrachten, die bloss übermässig im Sinne
des Privatrechts sei; eine solche Ausdehnung (des Schutzbereichs) sei
nur auf dem Wege der Änderung des GPfIG möglich. Gesundheitsschädlich
sei eine Immission erst, wenn sie sich bei einem normal disponierten
Durchschnittsmenschen auf den menschlichen Organismus negativ auswirke,
d.h. eine manifeste Krankheit auszulösen vermöge, und das treffe für die
fraglichen Immissionen nach dem Gutachten nicht zu, wenn sie auch, wie
der Augenschein von Vertretern des Sanitätsdepartementes ergeben habe,
so stark seien, dass sie als "übermässig" im Sinne des ZGB qualifiziert
werden könnten.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen Hermann
Grolimund-Allemann und Walter Hug den Antrag, der Beschluss des
Regierungsrates vom 6. August 1968 sei aufzuheben und damit der Entscheid
des Oberamtmannes Balsthal vom 28. November 1967 zu bestätigen. Sie machen
als Verletzung des Art. 4 BV geltend,

    a) dass die vom Regierungsrat vertretene einschränkende Auslegung
des Begriffes "gesundheitsschädlich" im Sinne des GPfIG willkürlich
sei und auch krass der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 87
I 363) widerspreche, die sich auf allgemein gültige Grundsätze des
Verwaltungsrechts stütze;

    b) dass die Annahme des Regierungsrates, die fraglichen Immissionen
seien nicht gesundheitsschädlich, im Hinblick auf das vom Oberamt
eingeholte Gutachten nicht nur willkürlich, sondern auch aktenwidrig sei.

    Die nähere Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit notwendig,
aus den nachstehenden Erwägungen.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt, auf die
Beschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführer nicht einzutreten,
eventuell sie abzuweisen. Oskar und René Grolimund beantragen die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Regierungsrat bestreitet die Legitimation der Beschwerdeführer
mit der Begründung, nach BGE 93 I 171 ff. sei der Bürger zur
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung einer Bestimmung des
kantonalen Rechts nur legitimiert, wenn diese Bestimmung seine persönlichen
Interessen schütze, nicht dagegen, wenn sie ausschliesslich im öffentlichen
Interesse erlassen worden sei. Aus § 1 GPfIG gehe eindeutig hervor,
dass die Vorschrift die "öffentlichen Gesundheitsinteressen" tangiere,
also zum Schutz der Öffentlichkeit ganz allgemein aufgestellt worden sei.

    Das GPfIG gewährt indessen, wie der Regierungsrat im angefochtenen
Entscheid selber ausführt, einen öffentlich-rechtlichen Schutz gegen
bestimmte, von einem Grundstück ausgehende Immissionen. Insoweit ordnet das
GPfIG nachbarliche Beziehungen sowohl im Interesse der Öffentlichkeit als
auch im Interesse der Nachbarn (BGE 91 I 415 ff., 92 I 208 Erw. 2). Im
vorliegenden Falle ist gerade streitig, welche Tragweite die Regeln
des GPfIG als Normen des Immissionenschutzes haben. Der angefochtene
Entscheid berührt deshalb die Rechtsstellung der durch diese Regeln
geschützten Nachbarn, so dass diese befugt sind, eine Verletzung dieser
ihrer rechtlich geschützten Interessen mit der staatsrechtlichen Beschwerde
geltend zu machen.

Erwägung 2

    2.- Staatsrechtliche Beschwerden haben, von hier nicht in Betracht
fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorische Funktion, können also nur
zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führen (BGE 94 I 202 und 221
je Erw. 1b mit Hinweisen auf frühere Urteile). Soweit die Beschwerdeführer
mehr, nämlich die Bestätigung des Entscheides des Oberamtes beantragen,
ist deshalb auf ihre Beschwerde nicht einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Der Regierungsrat nimmt an, der polizeiliche Schutz gegen
Immissionen gehe im Kanton Solothurn weniger weit als der zivilrechtliche
und erstrecke sich nicht auf alle übermässigen Einwirkungen im Sinne
des Art. 684 ZGB, sondern beschränke sich auf gesundheitsschädliche
Immissionen. Die Beschwerdeführer betrachten diese Auffassung als
unhaltbar, indem sie sich auf BGE 87 I 363 berufen und behaupten, die
in diesem Urteil enthaltenen Ausführungen stellten "allgemein gültige
Grundsätze des Verwaltungsrechts" dar. Dabei verkennen sie jedoch den Sinn
dieses Urteils. Wohl erklärte das Bundesgericht dort, die Abwehr der in
Art. 684 ZGB untersagten übermässigen Immissionen sei nicht nur eine Sache
des Privatrechts, sondern grundsätzlich auch eine solche des öffentlichen
Rechts. Der zivilrechtliche und der öffentlichrechtliche Immissionsschutz
sind indessen nicht nur, was das Verfahren zur Geltendmachung, sondern auch
was den Inhalt des Schutzes betrifft, völlig unabhängig voneinander. Wie
weit der öffentlichrechtliche Schutz geht, bestimmt sich nicht nach
Art. 684 ZGB, sondern nach dem kantonalen öffentlichen Recht, das weiter
oder weniger weit als diese zivilrechtliche Bestimmung gehen kann (HAAB N.
56/57 zu Art. 641, N. 3 zu Art. 684 ZGB; MEIER-HAYOZ N. 20 ff. und
41 ff. zu Art. 680 ZGB; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung,
3. Aufl. Nr. 114 I). In BGE 87 I 362 ging es, wie schon in BGE 53 I 401,
um die Anwendung einer Bestimmung des kantonalen öffentlichen Rechts, die
inhaltlich mit Art. 684 ZGB übereinstimmte und den Nachbarn berechtigte,
zunächst den Schutz der Polizei anzurufen. Eine derartige Vorschrift
besteht im Kanton Solothurn offenbar nicht und wird denn auch von den
Beschwerdeführern nicht angerufen. In Betracht fällt einzig § 1 GPfIG,
nach welchem die Behörden das Recht und die Pflicht haben, zum Zwecke der
möglichsten Abhaltung und Beseitigung gesundheitsschädlicher Einflüsse
die nötigen Massnahmen zu treffen. Es erscheint daher als zutreffend und
ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Regierungsrat annimmt, die
Verwaltungsbehörden seien zum Eingreifen nicht befugt, wenn Immissionen
bloss übermässig, jedoch nicht gesundheitsschädlich seien. Ernstlich
fragen kann sich nur, ob der Regierungsrat annehmen durfte, die von der
Geflügelmastfarm der Beschwerdegegner ausgehenden Immissionen seien nicht
gesundheitsschädlich im Sinne des § 1 GPfIG. Diese Frage der Auslegung
und Anwendung kantonalen Gesetzesrechtes kann das Bundesgericht nur unter
dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und der rechtsungleichen
Behandlung überprüfen (BGE 87 I 363 und dort angeführte frühere Urteile).

Erwägung 4

    4.- Das GPfIG umschreibt den in den §§ 1 und 2 verwendeten Begriff
"gesundheitsschädlich" nicht näher. Nach dem angefochtenen Entscheid ist
eine Immission gesundheitsschädlich, wenn sie sich auf den menschlichen
Organismus negativ auswirkt, beim normal disponierten Durchschnittsmenschen
"eine manifeste Krankheit auszulösen vermag". Ob der Regierungsrat
darunter nur körperliche oder auch seelische Krankheiten versteht, ist
nicht klar; daraus, dass er von negativen Auswirkungen auf den "Organismus"
spricht, scheint hervorzugehen, dass er lediglich an körperliche Leiden
denkt. Wie dem auch sei, wollte er mit seiner Umschreibung offenbar
den Gegensatz zwischen seiner und der in BGE 56 II 359 ff. vertretenen
Auffassung betonen. Dort hatte nämlich das Bundesgericht bei Anwendung
des Art. 684 ZGB angenommen, als gesundheitsschädlich sei nicht nur eine
Einwirkung anzusehen, die eine manifeste Krankheit auszulösen vermag,
sondern jede, die das körperliche oder seelische Wohlbefinden erheblich
beeinträchtigt. Es fragt sich somit, ob der Regierungsrat annehmen durfte,
der Begriff "gesundheitsschädlich" habe in § 1 GPfIG nicht diese weite,
sondern eine wesentlich engere Bedeutung.

    Im erwähnten weiten Sinn wird der Begriff "gesundheitsschädlich" nicht
nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern, wie sich aus BGE 56 II 357
und aus dem vom Oberamt Balsthal eingeholten Gutachten ergibt, auch von
den Medizinern verstanden und verwendet. Die Annahme des Regierungsrates,
dass er in § 1 GPfIG einen engeren Sinne habe, wäre unter diesen Umständen
nur dann haltbar, wenn hiefür ernsthafte Anhaltspunkte bestünden. Das ist
indes nicht der Fall. Da das GPfIG von 1882 lange vor der Ausarbeitung der
ersten Entwürfe zum ZGB erlassen worden ist, kann keine Rede davon sein,
dass der Gesetzgeber, wie der angefochtene Entscheid behauptet, "bewusst
nicht den Wortlaut des Art. 684 ZGB übernommen hat". Bedeutungslos ist
auch, dass der heutige Stand der Hygiene und Medizin ein anderer ist als
1882. Eine Vorschrift, die so allgemein gefasst ist und die Behörden
nicht nur zu Massnahmen gegenüber gesundheitsschädlichen Einflüssen,
sondern darüber hinaus zur Förderung der öffentlichen Gesundheitsinteressen
berechtigt, ja verpflichtet, darf nicht einfach aus der Sicht der zur Zeit
ihres Erlasses herrschenden Anschauungen ausgelegt werden. Eine solche
historische Auslegung lässt sich mit dem Wortlaut, Sinn und Zweck des §
1 GPfIG nicht vereinbaren. Die Aufgaben des Gemeinwesens auf dem Gebiete
des Gesundheitswesens werden darin in einer Art und Weise umschrieben,
die eine den heutigen Anforderungen entsprechende Anwendung nicht nur
ohne weiteres gestattet, sondern geradezu fordert, wenn man die Bedeutung
berücksichtigt, die der menschlichen Gesundheit als Rechtsgut zukommt.

    Wenn der Regierungsrat, wie es den Anschein hat, der Auffassung sein
sollte, gesundheitsschädlich sei nur eine Immission, die unmittelbar
eine manifeste, d.h. ohne weiteres feststellbare körperliche Krankheit
auszulösen vermag, so würde der angefochtene Entscheid schon deshalb
gegen Art. 4 BV verstossen, weil diese enge Auslegung des § 1 GPfIG
nach dem Gesagten als unhaltbar erscheint. Wenn man nicht so weit gehen
und jede Immission, die das körperliche oder seelische Wohlbefinden
erheblich beeinträchtigt, als gesundheitsschädlich betrachten will, so
muss dies mindestens für solche Einwirkungen angenommen werden, welche
nach medizinischer Auffassung eine ernsthafte Gefahr für die menschliche
Gesundheit bilden und geeignet sind, eine eigentliche, sei es körperliche
oder seelische, Krankheit zu verursachen. Das trifft aber auf die in
Frage stehenden Immissionen nach den Akten offensichtlich zu.

Erwägung 5

    5.- Der Oberamtmann hat angenommen, dass diese Immissionen sich
in mindestens zwei Fällen, nämlich beim Knaben Beat Hug und bei den
Eheleuten Grolimund-Allemann, als zweifellos gesundheitsschädlich
erwiesen hätten. Der Regierungsrat hat dies für beide Fälle verneint
in der Annahme, dass die bei diesen Personen im Zusammenhang mit den
Immissionen eingetretenen Störungen der Gesundheit auf eine spezielle
persönliche Disposition zurückzuführen seien.

    Soweit der Regierungsrat annimmt, dass bei der Beurteilung
einer eventuellen Gesundheitsschädlichkeit vom normal disponierten
Durchschnittsmenschen auszugehen sei, ist sein Entscheid nicht zu
beanstanden, da sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten lässt,
dass der polizeiliche Schutz, den § 1 GPfIG vor gesundheitsschädlichen
Immissionen gewährt, nur auf die normale Empfindlichkeit des
Durchschnittsmenschen, nicht auf besondere Veranlagungen einzelner Personen
Rücksicht zu nehmen habe. Zu prüfen bleibt, wie es sich in dieser Beziehung
mit den in Frage stehenden gesundheitlichen Störungen verhält.

    a) Der Knabe Beat Hug litt schon vor der Erstellung der
Geflügelmastfarm an Bronchialasthma. Dieses Leiden, das sich infolge
der Staubimmission der Farm verschlimmerte, ist jedoch, wie die
Beschwerdeführer selber anerkennen, auf eine besondere Disposition
(abnormale Empfindlichkeit gegen Staubimmissionen) zurückzuführen. Auch
das vom Oberamtmann eingeholte Gutachten, das die Staubimmissionen für
Beat Hug als "ausgesprochen gesundheitsschädlich" bezeichnet, hebt
wiederholt hervor, dass dies auf seine individuelle Disposition zu
allergischen Organreaktionen zurückzuführen sei. Berücksichtigt man
weiter, dass die gesundheitliche Störung jetzt nach entsprechender
Behandlung und Zuweisung eines anderen Zimmers offenbar behoben ist,
so ist es keineswegs willkürlich, wenn angenommen wird, der Einfluss der
Immissionen auf den Gesundheitszustand des Knaben Beat Hug bilde keinen
Grund, sie als gesundheitsschädlich im Sinne des § 1 GPfIG zu betrachten.

    b) Anders verhält es sich dagegen mit den Ehegatten Grolimund-Allemann,
bei denen die Immissionen, ohne dass eine besondere Disposition bestand,
nicht nur zu einer Störung des seelischen Wohlbefindens, sondern zu einer
eigentlichen psychischen Erkrankung geführt haben. Die gegenteilige
Auffassung des Regierungsrates beruht auf einer einseitigen Würdigung
der ärztlichen Gutachten, die sich lediglich an einzelne Sätze hält und
den übrigen Inhalt der Gutachten übergeht.

    Der Psychiater Dr. Wehrle, den der Oberamtmann mit der Untersuchung
der Ehegatten beauftragt hatte, stellte bei ihnen eine "handgreifliche
reaktive Depression" fest, die "durchaus echt und objektiv" sei und
"ausschliesslich durch äussere Faktoren", nämlich durch die lästigen
Fernwirkungen der Geflügelmastfarm seit mehr als zwei Jahren,
hervorgerufen sei. Auch das Gutachten des gerichtlich-medizinischen
Instituts der Universität Bern, das die Geflügelmastfarm als für die
Eheleute "ausgesprochen gesundheitsschädlich" bezeichnet, führt aus,
dass ihre Krankheitserscheinungen "vollumfänglich als Reaktion auf die
Belästigung durch die Geflügelmastfarm aufgefasst werden können". Die
Annahme des Regierungsrates, diese Erscheinungen seien wie bei Beat
Hug auf eine persönliche Disposition zurückzuführen, findet in den
Akten keine Stütze. Im Gegenteil erklären sowohl Dr. Wehrle als auch die
beiden anderen Gutachter ausdrücklich, dass Hinweise auf ein organisches,
von den Immissionen unabhängiges Nervenleiden oder gar auf eine Psychose
(z.B. eine endogene Depression) nicht bestehen. In ihrem Ergänzungsbericht
vom 19. September 1967 stellen die Gutachter überdies fest, dass bei
Immissionen, wie sie von der Geflügelfarm ausgehen, "nach längerer Zeit
selbst bei Gesunden Schädigungen (z.B. neurasthenische Symptomkomplexe)
auftreten können" und die Immissionen bei den Ehegatten Grolimund-Allemann
"aus medizinischer Sicht als Teilfaktor eines psychischen Insultes
zu gelten haben, welcher vorgängig psychisch Gesunde getroffen"
hat. Angesichts dieser zahlreichen und eindeutigen Äusserungen mehrerer
medizinischer Fachleute, deren Richtigkeit vom Regierungsrat in keiner
Weise in Zweifel gezogen wird, muss seine Annahme, die Immissionen
der Geflügelmastfarm seien nicht gesundheitsschädlich, als unhaltbar
und willkürlich bezeichnet werden. Zum gleichen Ergebnis kann man
übrigens schon aufgrund des Augenscheinprotokolls der Vertreter des
Sanitätsdepartements kommen, wonach der "Gestank, welcher der Anlage
entströmt, sehr stark exkrementhaltig, konzentriert wie im Innenraum des
Gebäudes" ist, denn es ist klar, dass ein solcher Gestank, dem die Anwohner
neben der Staubbelästigung ausgesetzt sind, auf die Länge die seelische
Gesundheit ernstlich gefährden kann und daher in einem ausgesprochenen
Wohnquartier, wie es die Umgebung der Geflügelfarm nach der unbestrittenen
Feststellung des Oberamtsmanns ist, gesundheitsschädlich wirkt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des

    Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 6. August 1968 aufgehoben.