Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 130



95 I 130

19. Auszug aus dem Urteil vom 12. März 1969 i.S. Baselgia gegen
Stadtgemeinde Ilanz und Grosser Rat des Kantons Graubünden. Regeste

    Art. 4 BV. Vermögensgewinnsteuer.

    Eine (kommunale) Ordnung, nach welcher auch dann, wenn die Anlagekosten
bekannt sind, die Differenz zwischen dem Veräusserungserlös und dem
bisherigen Vermögenssteuerwert (mit gewissen Zuschlägen bei Grundstücken)
den steuerbaren Vermögensgewinn darstellt, lässt sich nicht auf ernsthafte
sachliche Gründe stützen, führt zu rechtsungleicher Behandlung der
Steuerpflichtigen und verstösst daher gegen Art. 4 BV (Erw. 6).

    Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Geldentwertung bei der
Berechnung des steuerbaren Gewinns auf Grundstücken berücksichtigt wird
(Erw. 7).

Sachverhalt

    A.- Nach dem bündn. Steuergesetz vom 16. Dezember 1945 (StG),
das bis Ende 1964 galt, unterlagen realisierte Kapitalgewinne
einer Vermögensgewinnsteuer, die auf der Differenz zwischen dem
Veräusserungspreis und den Anlagekosten erhoben wurde (Art. 42-49).

    Am 7. März 1955 erliess die Stadtgemeinde Ilanz ein
Gemeindesteuergesetz (GStG), das ebenfalls eine Vermögensgewinnsteuer
vorsieht und sie in Art. 12 wie folgt regelt:

    "Die Erhebung der Vermögensgewinnsteuer erfolgt sinngemäss nach
den Vorschriften des kant. Steuergesetzes Art. 42 bis 50 mit folgenden
Abweichungen:

    1.  Der steuerbare Gewinn ermittelt sich aus der Differenz des Erlöses
und dem Anlagewert. Als Anlagewert gilt für landwirtschaftliche Grundstücke
der um 20%, für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke der um 10% erhöhte,
im übrigen der durchschnittliche Vermögenssteuerwert des veräusserten
Objektes in den letzten drei Veranlagungs-Perioden, gleichgültig, ob das
letztere seinerzeit käuflich erworben oder ererbt wurde.

    2.  Ist der durchschnittliche Steuerwert der letzten drei
Veranlagungsperioden nicht feststellbar, so gilt als Ersatzwert eine nach
den Bewertungs-Vorschriften der Vermögenssteuer vorgenommene Schatzung
der Stadtsteuer-Kommission.

    3.  Wurde in den letzten drei Veranlagungsperioden infolge
wertvermehrender Aufwendungen der Steuerwert einer Liegenschaft erhöht,
so ist auf den Ersatzwert abzustellen.

    4.  Die Geldentwertung wird bei der Feststellung des steuerbaren
Gewinnes nicht berücksichtigt.

    5.  (Steuerermässigung mit zunehmender Besitzesdauer).

    6.  Das Steuermass beträgt die Hälfte der in Art. 49 des kantonalen
Steuergesetzes genannten Ansätze".

    B.- Franz Baselgia kaufte im Jahre 1949 ein Wohnhaus in Ilanz zum Preis
von Fr. 150'000.-- und gab in der Folge Fr. 20'000.-- für wertvermehrende
Verbesserungen aus. Im Jahre 1963 verkaufte er das Haus für Fr. 200'000.--.

    a) Die kantonale Steuerverwaltung berechnete den bei diesem Verkauf
erzielten, nach Art. 42 ff. StG steuerbaren Vermögensgewinn wie folgt:

    Veräusserungspreis abzüglich

    Fr. 430.-- Nebenkosten                Fr. 199'570.--

    Anlagekosten (Art. 47 StG)

    - Kaufpreis   Fr. 150'000.--

    - Nebenkosten "  3'000.--

    - Aufwendungen        " 20'000.--

    - Abzug für Geldentwertung    " 19'200.--     " 192'200.--

    Steuerbarer Vermögensgewinn   Fr. 7'370.--

    Dieser Gewinn ergab bei einem Steuersatz von 3% und einer Ermässigung
von 1/3 aufgrund der Besitzesdauer einen Steuerbetrag von Fr. 147.--
(Veranlagungsverfügung vom 13. März 1964).

    b) Am 9. Juli 1964 eröffnete die Stadtsteuerkommission Ilanz Baselgia
gestützt auf Art. 12 GStG folgende Veranlagung:

    Veräusserungspreis abzüglich

    Fr. 430.-- Nebenkosten        Fr. 199'570.--

    Durchschnittlicher Steuerwert der

    letzten 3 Veranlagungsperioden        Fr. 113'335.--

    zuzüglich 10% "  11'335.--    " 124'670.--

    Steuerbarer Vermögensgewinn   Fr. 74'900.--

    Die auf diesem Gewinn berechnete Steuer betrug Fr. 3'627.35. Baselgia
erhob gegen die Veranlagungsverfügung Einsprache und nach deren Abweisung
Beschwerde mit der Begründung, die in Art. 12 Ziff. 1- 4 GStG enthaltene
Ordnung verstosse gegen Art. 4 BV und Art. 40 Abs. 5 KV.

    Der Kleine Rat und nach ihm der Grosse Rat des Kantons Graubünden
wiesen die Beschwerde ab, der Grosse Rat mit Entscheid vom 29. Mai 1968
aus folgenden Gründen: Da die angefochtene Veranlagung dem Art. 12 GStG
entspreche, frage sich einzig, ob diese Bestimmung haltbar sei. Die
Autonomie der Gemeinden im Bereich des Steuerrechts werde in Art. 40
Abs. 5 KV dahin beschränkt, dass Steuern nur subsidiär und nach billigen
Grundsätzen erhoben werden dürfen. Sei das Postulat der Billigkeit
und Gerechtigkeit erfüllt, so sei auch ein Verstoss gegen Art. 4 BV
nicht denkbar. Bei der Frage, ob ein Rechtssatz gerecht und billig sei,
gehe es um ein Werturteil und damit um Ermessen, das der bündnerische
Verwaltungsrichter nur auf Überschreitung prüfen könne (Art. 4 VVV). Die
Anlagewertberechnung nach Art. 12 GStG biete beachtliche Vorteile; sie
sei einfach, auch bei Altbesitz leicht zu handhaben und veranlasse
den Steuerpflichtigen zu einer dem wirklichen Wert angemessenen
Vermögenssteuerdeklaration. Die ihr vorgeworfene Privilegierung des
Altbesitzes lasse sich vom steuerpolitischen Standpunkt aus keineswegs
beanstanden. Auch im Ergebnis sei sie nicht unbillig, indem sie
den Pflichtigen, der ein Objekt während Jahren niedriger versteuert
habe, mehr belaste als den andern, der ein gleichwertiges Objekt höher
versteuert habe. Die Annahme, dass der Vermögenssteuerwert, unabhängig
von den Investitionen, den wirklichen Wert verkörpere, sei nicht so
abwegig. Zudem begegne das GStG dem Einwand, dass der Steuerwert einen
Mischpreis aus Verkehrs- und Ertragswert darzustellen pflege, mit einem
besondern Zuschlag von 20 bzw. 10%, womit die sonst zu grosse Differenz
zum Veräusserungswert wieder vermindert werde. So erweise sich das
Ilanzer System, trotz der Verschiedenheit vom kantonalen, als eine im
ganzen wohlausgewogene, auf alle Fälle mit guten Gründen vertretbare und
daher nicht rechtswidrige Lösung eines gesetzgeberischen Problems.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat Franz Baselgia staatsrechtliche
Beschwerde erhoben, zu deren Begründung er geltend macht: Wenn Art. 12
GStG für die Berechnung des Vermögensgewinns statt auf die Anlagekosten
auf den Steuerwert abstelle, gehe er von einer schlechthin willkürlich
unhaltbaren Fiktion aus und verstosse damit gegen Art. 40 Abs. 5 KV sowie
Art. 4 BV. Diese Regelung führe im vorliegenden Falle dazu, dass der in
der Gemeinde steuerbare Vermögensgewinn mit Fr. 74'900.-- zehnmal grösser
sei als der effektive, von der kantonalen Steuerverwaltung festgestellte
Gewinn von Fr. 7'370.--. Aufgrund von Art. 12 GStG könne sogar ein
Gewinn besteuert werden, wenn der Steuerpflichtige eine Liegenschaft
mit Verlust verkauft habe, was zeige, wie unsinnig die Regelung sei. Die
nähere Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit notwendig, aus den
nachstehenden Erwägungen.

    D.- Der Grosse Rat verweist auf seinen Entscheid und denjenigen
des Kleinen Rates und verzichtet auf Vernehmlassung. Die Stadtgemeinde
Ilanz beantragt Abweisung der Beschwerde. - Das Bundesgericht heisst die
Beschwerde gut im Sinne folgender

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

    1./3. - (Prozessuales).

Erwägung 4

    4.- ... (Die Rüge der Verletzung von Art. 40 Abs. 5 KV fällt mit
derjenigen aus Art. 4 BV zusammen und hat keine selbständige Bedeutung;
BGE 90 I 91 Erw. 2).

Erwägung 5

    5.- Art. 4 BV bindet nicht nur die rechtsanwendenden, sondern auch
die rechtsetzenden Behörden. Ausser den Schranken, die sich aus dem
übrigen Verfassungs- und aus dem Bundesrecht ergeben, haben deshalb der
kantonale und der kommunale Gesetzgeber das Gleichheitsprinzip nach Art. 4
BV und das sich daraus ergebende Willkürverbot zu beachten. Gegen diese
verfassungsmässigen Grundsätze verstösst ein allgemein verbindlicher Erlass
dann, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt,
sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die
ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen
nicht ersichtlich ist. Innerhalb dieses Rahmens steht dem Gesetzgeber
ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Der Verfassungsrichter hat diese
Befugnis zu achten und nur bei Ermessensmissbrauch oder -überschreitung
einzugreifen; er darf nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des
Gesetzgebers setzen und nicht schon einschreiten, wenn ein Erlass auf
gesetzgebungspolitischen Erwägungen beruht, welche er für materiell
unzutreffend erachtet (BGE 91 I 84 Erw. 2 und dort angeführte frühere
Urteile, 92 I 442 Erw. 3). Wird die Norm nicht schon bei Erlass, sondern
wie hier erst im Anschluss an eine gestützt darauf ergangene Verfügung
angefochten, so ist zu prüfen, ob die Auslegung und Anwendung, die sie
in der beanstandeten Verfügung erfahren hat, verfassungswidrig sei (BGE
91 I 85 oben).

Erwägung 6

    6.- Nach Auffassung des Beschwerdeführers verstösst Art. 12 GStG
dadurch gegen Art. 4 BV, dass er, für die Berechnung des steuerbaren
Vermögensgewinns, als Anlagewert den durchschnittlichen Vermögenssteuerwert
des veräusserten Objektes in den letzten drei Veranlagungsperioden als
massgebend erklärt; er behauptet, das GStG gehe damit bei der Ermittlung
des steuerbaren Gewinns statt von konkreten, wirklichen Faktoren, von einer
"Fiktion" aus, da der Vermögenssteuerwert mit der Vermögensgewinnsteuer
grundsätzlich nichts zu tun habe.

    Es ist klar, dass die angefochtene Ordnung nicht sinn- und zwecklos
ist. Fraglich ist, ob sie sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen
lässt und ob für die Unterscheidungen, die sie trifft oder zur Folge hat,
vernünftige Gründe vorhanden sind.

    a) Seit langem sind zahlreiche Kantone und Gemeinden dazu übergegangen,
entweder nur bei Grundstücken oder auch bei andern Bestandteilen des
Privatvermögens die Wertsteigerungen, die diese aus verschiedenen Gründen
erfahren, mit der allgemeinen Einkommenssteuer oder mit einer Sondersteuer
(Kapitalgewinn-, Vermögensgewinn-, Grundstückgewinn-, Wertzuwachssteuer
usw.) zu erfassen. An sich wäre es denkbar, die Wertsteigerungen
periodisch, etwa im Zusammenhang mit der Vermögenssteuereinschätzung oder
bei der Revision der Katasterschatzungen der Grundstücke, zu besteuern
(vgl. BGE 78 I 422 Erw. 2). In der Schweiz wird indessen der Wertzuwachs
auf Privatvermögen allgemein erst dann besteuert, wenn das betreffende
Vermögensstück veräussert wird, und zwar, mit Ausnahme des Kantons
Basel-Stadt, der seine Kapitalgewinnsteuer auch bei unentgeltlicher
Veräusserung sowie beim Erbgang erhebt (BGE 89 I 363 Erw. 2, 83 I
267), nur im Falle der entgeltlichen Veräusserung, d.h. wenn der Gewinn
"realisiert" wird (vgl. BGE 79 I 12, 81 I 336). Stellt danach nicht der
Wertzuwachs das Steuerobjekt dar, sondern der realisierte Gewinn, so ist
bei der Umschreibung des steuerbaren Gewinns vom Sinne auszugehen, den
der Begriff Gewinn im allgemeinen Sprachgebrauch und im Wirtschaftsleben
hat, wo darunter die Differenz zwischen dem Veräusserungserlös und den
Gestehungskosten verstanden wird. Die meisten Erlasse umschreiben denn auch
den steuerbaren Gewinn auf diese Weise, wobei sie zu den Gestehungskosten
neben dem Erwerbspreis auch die wertvermehrenden Aufwendungen rechnen. Auch
die bündnerischen Steuergesetze von 1945 und 1964 stehen auf diesem Boden
und sehen eine andere Ordnung nur für den hier nicht vorliegenden Fall
des unentgeltlichen Erwerbs vor; der Vermögenssteuerwert gilt nur dann als
Anlagewert, wenn die wirklichen Anlagekosten nicht festzustellen sind. Eine
Sonderstellung nehmen die Kantone Waadt und Tessin ein, welche bei längerem
als 5-jährigem Besitz allgemein die Besteuerung der Differenz zwischen
dem Veräusserungspreis und einer Vermögenssteuerschatzung vorsehen,
doch erfolgt diese Besteuerung im Kanton Waadt nur auf Begehren des
Steuerpflichtigen (Art. 44 Abs. 2 des StG in der Fassung vom 28. November
1962), während im Kanton Tessin der Steuerpflichtige verlangen kann,
dass vom Erwerbspreis statt vom Vermögenssteuerwert auszugehen sei (Art. 5
Abs. 2 der Legge concernente l'imposta sul maggior valore immobiliare del
17 dicembre 1964), so dass in diesen Kantonen praktisch nur dann auf den
Vermögenssteuerwert statt auf die Gestehungskosten abgestellt wird, wenn
dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Demgegenüber schreibt Art. 12
des GStG von Ilanz in Ziff. 1 allgemein vor, dass der Vermögenssteuerwert
(mit gewissen Zuschlägen bei Grundstücken) als "Anlagewert" gilt. Es ist
zu prüfen, ob diese Regelung mit Art. 4 BV vereinbar ist.

    b) Art. 12 GStG bezeichnet die dort vorgesehene Abgabe als
Vermögensgewinnsteuer, schreibt sinngemässe Anwendung der Vorschriften des
kant. StG (gemäss welchem der realisierte Gewinn der Steuer unterliegt)
vor und bestimmt, der steuerbare Gewinn ermittle sich aus der Differenz
zwischen Erlös und Anlagewert. Dem widerspricht die anschliessende
Bestimmung, wonach der Vermögenssteuerwert als Anlagewert gilt, da dies,
weil der Vermögenssteuerwert bei Grundstücken regelmässig niedriger ist
als der Verkehrswert, meist dazu führt, dass ein fiktiver, d.h. ein weit
höherer als der wirklich realisierte Gewinn oder gar ein Gewinn anstelle
eines in Wirklichkeit erlittenen Verlustes zu versteuern ist. Wegen dieses
Widerspruchs verstösst die Ordnung indessen noch nicht gegen Art. 4 BV, da
der Widerspruch offenbar gewollt ist, werden doch die in Art. 12 Ziff. 1-4
enthaltenen Bestimmungen ausdrücklich als "Abweichungen" von den im übrigen
sinngemäss anwendbaren Vorschriften des kant. StG bezeichnet. Dagegen
hält die Bestimmung, wonach der Vermögenssteuerwert als Anlagewert gilt,
deshalb vor Art. 4 BV nicht stand, weil sie sich nicht auf ernsthafte
sachliche Gründe stützen lässt und zu rechtsungleicher Behandlung der
Steuerpflichtigen führt.

    Dass die streitige Regelung, wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt
wird, einfach und auch bei Altbesitz leicht zu handhaben ist, bildet
noch keinen stichhaltigen Grund für die Besteuerung fiktiver Gewinne;
die Einfachheit und leichte Handhabung vermögen das Abstellen auf den
Vermögenssteuerwert höchstens dann zu rechtfertigen, wenn sich die
Anlagekosten nicht mehr feststellen lassen, nicht aber, wenn sie wie
hier feststehen. Als gewichtiger erscheint der Einwand der Behörden,
die streitige Regelung veranlasse die Steuerpflichtigen, ihr Vermögen zum
wirklichen Wert zu versteuern, indem sie denjenigen, der ein Objekt während
Jahren niedriger versteuert habe, stärker belaste als denjenigen, der ein
gleichwertiges Objekt höher versteuert habe. Auch diese Überlegung vermag
indessen die beanstandete Ordnung nicht wirksam zu stützen. Einmal wird der
Vermögenssteuerwert der Grundstücke von den kantonalen Veranlagungsbehörden
festgesetzt und ist dafür im allgemeinen "der Verkehrswert unter
Berücksichtigung des Ertrags aus einer längeren Zeitspanne und der
Ertragsfähigkeit", bei landwirtschaftlich genutztem Boden der Ertragswert
massgebend (Art. 13 StG), so dass dem Steuerpflichtigen daraus, dass der
Vermögenssteuerwert unter dem Verkehrswert liegt, kein Vorwurf gemacht
werden kann, der die Erhebung einer Vermögensgewinnsteuer gestatten würde
ohne Rücksicht darauf, ob der Pflichtige wirklich einen Gewinn erzielt
hat und wie viel dieser beträgt. Diese wirtschaftlichen Gegebenheiten
darf eine Ordnung, die den Wertzuwachs im Anschluss an dessen Realisierung
besteuert, nicht völlig ausser acht lassen, da sonst rein fiktive Gewinne
zu versteuern sind. Davon abgesehen führt die streitige Ordnung zu einer
rechtsungleichen Behandlung der Steuerpflichtigen. Der Ausgleich für
langjährige ungenügende Versteuerung des Vermögens, dem sie dienen soll,
trifft nur diejenigen Eigentümer, die ihr Grundstück veräussern und es oft
aus irgendeinem Grunde veräussern müssen, nicht auch diejenigen, die es
behalten oder welche wenige Jahre vor der Veräusserung für eine Erhöhung
des Vermögenssteuerwertes sorgen. Die streitige Regelung ist sodann nicht
nur auflangjährige Eigentümer von Grundstücken anwendbar, sondern auch auf
solche, die sie erst seit kurzem besitzen, und ergibt für diese Eigentümer
bei gleichem tatsächlichem Gewinn je nach dem Vermögenssteuerwert
der Liegenschaft eine ganz unterschiedliche Belastung. So hat von zwei
Eigentümern, die ein für Fr. 140'000.-- erworbenes Wohnhaus nach einem Jahr
für Fr. 150'000.-- verkaufen, also beide einen Gewinn von Fr. 10'000.--
erzielen, derjenige, dessen Liegenschaft einen Vermögenssteuerwert von
Fr. 130'000.-- hat, einen Gewinn von nur Fr. 7'000.-- (Fr. 150'000.--
abzüglich Fr. 130'000.-- + 10%), derjenige, dessen Liegenschaft einen
Vermögenssteuerwert von Fr. 110'000.-- hat, dagegen einen Gewinn von
Fr. 29'000.-- (Fr. 150'000.-- abzüglich Fr. 110'000.-- + 10%), d.h. der
letztere wird dafür, dass er eine niedrig bewertete Liegenschaft erworben
hat, beim Verkauf bestraft, wofür ein haltbarer Grund nicht zu finden ist.

    Aus der in der Beschwerdeantwort der Stadt Ilanz mehrfach erwähnten
Arbeit von GUHL, Die Spezialbesteuerung der Grundstücke in der Schweiz
(Diss. Zürich 1953), ist nichts zu entnehmen, das sich zugunsten der
beanstandeten Regelung anführen liesse. An der angerufenen Stelle
S. 191 befasst sich GUHL mit dem hier nicht vorliegenden Fall, wo der
Erwerbspreis nicht festzustellen ist, und erklärt den Vermögenssteuerwert
nur dann als geeignete Grundlage für die Grundstückgewinnberechnung, wenn
er dem Verkehrswert entspricht, was hier ebenfalls nicht zutrifft, da die
angefochtene Veranlagung von einem Vermögenssteuerwert von Fr. 113'335.--
ausgeht, während die Gestehungskosten des Beschwerdeführers (Erwerbspreis,
wertvermehrende Aufwendungen und Nebenkosten) unbestrittenermassen
Fr. 173'000.-- betragen. An anderer Stelle (S. 69) aber erklärt GUHL
mit zutreffender Begründung, eine Ordnung, welche den Veräusserungspreis
der Vermögenssteuerschatzung gegenüberstelle, sei aus rechtsstaatlichen
Gründen abzulehnen.

    Das Bundesgericht hatte sich im Urteil vom 20. März 1944 i.S. Brasserie
Beauregard SA c. Ville de Fribourg mit einem Gemeindeerlass zu befassen,
welcher die Differenz zwischen der Grundsteuerschatzung und dem
Veräusserungspreis als steuerbaren Grundstückgewinn behandelt und in
jenem Falle zur Folge hatte, dass die Beschwerdeführerin, die ein für
Fr. 125'000.-- gekauftes Grundstück nach 40 Jahren für Fr. 120'000.--
verkauft, also einen Verlust von Fr. 5'000.-- erlitten hatte, wegen
der nur Fr. 95'500.-- betragenden Katasterschatzung einen "Gewinn"
von Fr. 24'500.-- zu versteuern hatte. Das Bundesgericht erklärte diese
Ordnung schon deshalb als verfassungswidrig, weil das kantonale Recht
die Gemeinden nur zur Besteuerung von "erzielten Gewinnen" ermächtige. Es
bemerkte aber (S. 10/11), dass die Ordnung inbezug auf Fälle, in denen der
Erwerbspreis die Katasterschatzung oder gar den Verkaufspreis übersteige,
unvernünftig sei und jedem Rechtsgefühl widerspreche.

    Dies trifft auch für Art. 12 GStG insoweit zu, als Ziff. 1 bestimmt,
der Vermögenssteuerwert des veräusserten Objekts gelte als Anlagewert. Die
angefochtenen Entscheide verstossen daher, soweit sie auf dieser Bestimmung
beruhen, gegen Art. 4 BV und sind deshalb aufzuheben.

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdeführer bezeichnet auch Art. 12 Ziff. 4 GStG als
verfassungswidrig und verlangt, dass für die Erhebung der kommunalen
Vermögens-Gewinnsteuer die Faktoren der kantonalen Veranlagungsverfügung
zu übernehmen, d.h. der steuerbare Vermögensgewinn auf Fr. 7'370.--
festzusetzen sei. Er ist also der Auffassung, Art. 12 GStG verstosse auch
insoweit gegen Art. 4 BV, als danach, anders als nach Art. 47 StG, bei der
Berechnung des steuerbaren Gewinns die seit der Aufwendung der Anlagekosten
eingetretene Geldentwertung nicht berücksichtigt wird. Wieso hierin eine
Verletzung des Art. 4 BV liegen soll, wird in der Beschwerdebegründung
jedoch mit keinem Worte darzutun versucht, so dass auf diese Rüge wegen
Fehlens der nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erforderlichen Begründung nicht
einzutreten ist. Die Rüge wäre übrigens unbegründet. Die Berücksichtigung
der Geldentwertung erscheint problematisch, ist - soweit ersichtlich -
nur im Kanton Graubünden sowie im Kanton Basel-Landschaft (§ 18 StG)
vorgesehen und wird in der Rechtslehre mit beachtlichen Gründen abgelehnt
(GUHL, aaO S. 293 ff.; ROCHAT, L'imposition de la plus-value immobilière,
Diss. Lausanne 1953 S. 91/92; HÖHN, Die Besteuerung der privaten Gewinne in
der Schweiz. Diss. Zürich 1955 S. 223/4). Das Bundesgericht hat denn auch
in einem Urteil vom 11. März 1948 (MBVR 46/1948 S. 316 ff.) entschieden,
eine Ordnung, welche der Tatsache der Abwertung bei der Berechnung des
steuerbaren Vermögensgewinns nicht Rechnung trage, verstosse nicht gegen
Art. 4 BV.