Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 161



95 IV 161

40. Urteil des Kassationshofes vom 2. Dezember 1969 i.S. Tribelhorn gegen
Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. Regeste

    Art. 28 Abs. 4 StGB. Der Strafantrag fällt mit dem Tod des Verletzten
nicht dahin.

Sachverhalt

    A.- Hermann Tribelhorn wurde durch Urteil des Bezirksgerichtes Arbon
vom 30. Oktober 1966 verpflichtet, seine geschiedene Ehefrau monatlich mit
Fr. 300.-- zu unterstützen. Am 22. Oktober 1968 liess die Frau gegen ihn
Strafklage einreichen, weil er ihr seit dem Monat Juli nichts mehr bezahlt
habe, sie aber wegen ihres Gesundheitszustandes auf die Unterhaltsbeiträge
dringend angewiesen sei.

    Am 3. April 1969 starb die Frau. Sie hinterliess vier volljährige
Kinder.

    B.- Das Kriminalgericht des Kantons Appenzell A.Rh.
verurteilte Tribelhorn am 22. Mai 1969 wegen Vernachlässigung von
Unterstützungspflichten zu zwei Monaten Gefängnis. Auf Appellation des
Verurteilten bestätigte das Obergericht von Appenzell A.Rh. am 25. August
1969 dieses Urteil.

    C.- Tribelhorn führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichts aufzuheben und ihn freizusprechen. Er macht geltend, die
Strafverfolgung sei durch den Tod der Antragsberechtigten gegenstandslos
geworden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Nach BGE 73 IV 74 sind die Angehörigen des Verletzten nicht befugt,
nach seinem Tode den von ihm gestellten Strafantrag zurückzuziehen. Selbst
wenn auf diese Rechtsprechung zurückzukommen wäre, liesse sich daraus
nichts zugunsten des Beschwerdeführers ableiten, da nach Art. 31 Abs. 1
StGB der Strafantrag nur zurückgezogen werden kann, solange das Urteil
erster Instanz noch nicht verkündet ist. Vor dem erstinstanzlichen Urteil
hat bloss eines der vier Kinder erklärt, an der weitern Verfolgung des
Angeschuldigten nicht interessiert zu sein. Die andern erklärten dies erst
mit Schreiben vom 20. August 1969 an das Obergericht, also nachdem das
Urteil des Kriminalgerichts nicht nur längst verkündet, sondern auch in
vollständiger Ausfertigung zugestellt worden war. Ihre Erklärung bliebe
daher selbst dann unwirksam, wenn ihnen die Befugnis zuerkannt würde,
den Strafantrag der Mutter zurückzuziehen.

    Der Beschwerdeführer liess bereits im kantonalen Verfahren einwenden,
dass hier eine andere Interessenlage bestehe als in dem in BGE 73 IV 74
veröffentlichen Falle; dort habe die Frau gar nicht das Interesse ihres
verstorbenen Mannes, sondern dasjenige ihres Liebhabers wahren wollen. Der
Einwand ist unbehelflich. Wenn in jenem Falle beigefügt wurde, dass die
Witwe des Antragstellers ihren Geliebten schützen wollte, so geschah dies
einzig um zu zeigen, wohin eine gegenteilige Auffassung führen würde. Der
Einwand sodann, es widerspreche dem Wesen des Antragsdeliktes, dass der
Tod des Berechtigten jeden Rückzug des Strafantrages ausschliesse, geht
an der gesetzlichen Regelung vorbei. Der Gesetzgeber hat den Fall, in
dem der Verletzte stirbt, nicht übersehen; er hat in Art. 28 Abs. 4 StGB
vielmehr ausdrücklich bestimmt, wie es sich diesfalls mit dem Antragsrecht
verhält. Dass er den Tod des Antragsberechtigten nicht einem Rückzug
des Strafantrages gleichsetzte, bedeutet daher auch keine Lücke im Gesetze.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.