Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 121



95 IV 121

30. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1969 i.S. Gabathuler gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste

    Art. 41 Ziff. 1 Abs. 5 und Ziff. 2 Abs. 1 StGB.

    1.  Die Dauer der Probezeit bestimmt sich vor allem nach der
Persönlichkeit und dem Charakter des Verurteilten sowie der Gefahr seiner
Rückfälligkeit (Erw. 1).

    2.  Wenn sich die Ausübung einer selbständigen Geschäftstätigkeit
mit dem Zweck des bedingten Strafvollzuges nicht verträgt, darf der
Verurteilte angewiesen werden, während der Probezeit einer unselbständigen
Erwerbstätigkeit nachzugehen (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Gerichtskommission Werdenberg verurteilte Ulrich Gabathuler
am 12. Juli 1969 wegen leichtsinnigen Konkurses (Art. 165 Ziff. 1 StGB) zu
vier Monaten Gefängnis, schob den Vollzug der Strafe bedingt auf und setzte
dem Verurteilten vier Jahre Probezeit. Sie erteilte ihm zudem die Weisung,
während der Probezeit eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben. Der
Verurteilte erklärte die Berufung, die das Kantonsgericht St. Gallen am
14. Oktober 1969 abwies.

    B.- Gabathuler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die
Probezeit auf zwei Jahre zu beschränken und die ihm erteilte Weisung
aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 5 StGB bestimmt der Richter, der den
Vollzug der Strafe bedingt aufschiebt, dem Verurteilten eine Probezeit von
zwei bis zu fünf Jahren. Welche Bewährungsfrist innerhalb dieses Rahmens
als angemessen zu gelten hat, entscheidet sich nach den Umständen des
Einzelfalles, insbesondere nach der Persönlichkeit und dem Charakter des
Verurteilten sowie der Gefahr seiner Rückfälligkeit. Je grösser diese
Gefahr ist, desto länger muss die Bewährungsprobe mit ihrem Zwang zum
Wohlverhalten sein. Im übrigen ist die Bestimmung der Frist innerhalb des
gesetzlichen Rahmens eine Frage des Ermessens, in das der Kassationshofauf
Nichtigkeitsbeschwerde hin nur einzugreifen hat, wenn der kantonale Richter
es offensichtlich überschreitet (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des
Kassationshofes vom 23. November 1945 i.S. Lüdemann).

    Von einem solchen Verstoss kann hier schon angesichts des liederlichen
Finanz- und Geschäftsgebarens, das der Beschwerdeführer während Jahren
bekundete, nicht die Rede sein. Die von der Vorinstanz bestimmte Probezeit
von vier Jahren entspricht vielmehr dem Verhalten und der Person des
Beschwerdeführers. Dass er einen guten Leumund geniesst, nicht vorbestraft
und zum ersten Mal wegen leichtsinnigen Konkurses verurteilt worden ist,
ändert daran nichts.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB kann der Richter dem Verurteilten
für sein Verhalten während der Probezeit bestimmte Weisungen erteilen, z.B.
einen Beruf zu erlernen, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, sich
geistiger Getränke zu enthalten, den Schaden innerhalb bestimmter Frist
zu ersetzen.

    Weisungen im Sinne dieser Bestimmung dürfen dem Zweck des bedingten
Strafvollzuges nicht zuwiderlaufen, sondern müssen bestimmt und geeignet
sein, erzieherisch auf den Verurteilten einzuwirken und damit der Gefahr
neuer Verfehlungen vorzubeugen. Innerhalb dieser Schranken sind Wahl und
Inhalt der Weisungen ins richterliche Ermessen gestellt (BGE 94 IV 12
und dort angeführte Urteile). Das gilt auch von der Weisung, während der
Probezeit eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben. Wenn sich die
Ausübung einer selbständigen Geschäftstätigkeit mit dem Zweck des bedingten
Strafvollzuges nicht verträgt, darf der Verurteilte angewiesen werden,
eine solche Tätigkeit aufzugeben und im Interesse seiner Besserung einer
andern nachzugehen, mag die Weisung ihn auch einige Anstrengung kosten
und unter Umständen einen einschneidenden Eingriff in seine bisherige
Lebensführung bedeuten.

    Dass die dem Beschwerdeführer auferlegte Weisung nicht bloss
zweckmässig ist, sondern auch in seinem eigenen Interesse liegt,
lässt sich nach dem, was über seine Geschäftstätigkeit feststeht, nicht
bestreiten. Nach dem angefochtenen Urteil musste der Beschwerdeführer, der
sich seit Jahren mit dem Bau und Vertrieb von Viehhüteapparaten befasst,
schon 1956 einen Nachlassvertrag abschliessen. Der Vertrag hatte für seine
Gläubiger Verluste von 70% zur Folge. Im August 1964 wurde über Gabathuler
das erste Mal der Konkurs eröffnet, in dem Verlustscheine im Gesamtbetrage
von über Fr. 125'000.-- ausgestellt werden mussten. Obschon er bereits
damals von Dritten auf sein kaufmännisches Unvermögen aufmerksam gemacht
und vor den Gefahren seiner Geschäftstätigkeit gewarnt wurde, beharrte
er darauf, sich weiterhin als selbständiger Kaufmann und Fabrikant zu
betätigen. Im Juli 1967 ging er erneut in Konkurs, bei dem 62 Gläubiger
zusammen Fr. 77'105.-- verloren und bloss Fr. 1'706.-- zu verteilen
blieben. Dazu kommt, dass gegen ihn seit dem letzten Konkurs bis Ende
September 1969 bereits wieder 76 Betreibungsbegehren mit Forderungen von
über Fr. 40'000.-- ergangen sind.

    Diese Folgen seiner bisherigen Tätigkeit zeigen zur Genüge, dass der
Beschwerdeführer unfähig ist, ein eigenes Geschäft zu führen, und deshalb
stets Gefahr läuft, andere zu schädigen und sich strafbar zu machen. Sein
wiederholtes berufliches Versagen rechtfertigt die Weisung vollauf, zumal
er seine Unfähigkeit zu selbständiger Geschäftsführung immer noch nicht
einsehen will und sich unbekümmert um die schlechten Erfahrungen erneut
dagegen sträubt, seinen Betrieb aufzugeben und bei einem Dienstherrn Arbeit
anzunehmen. Dass er wegen seines leichtfertigen Geschäftsgebarens erst
einmal in Strafuntersuchung gezogen wurde und bestraft werden musste, hilft
ihm auch in diesem Zusammenhang nicht. Es genügt, dass er als selbständiger
Kaufmann nicht taugt und daher ausserstande ist, den Unterhalt seiner
Familie sicherzustellen, ohne neue Schulden zu machen. Übrigens hat
er umsoweniger Grund, sich über die Weisung zu beschweren, als die
Vorinstanz ihm den bedingten Strafvollzug richtigerweise wegen seiner
Einsichtslosigkeit hätte verweigern sollen. Volle Einsicht ist, wie der
Kassationshof schon öfters entschieden hat, erste Voraussetzung dafür,
dass eine bedingt vollziehbare Strafe den Verurteilten dauernd bessere
(BGE 73 IV 79, 87 Erw. 3; 76 IV 170; 79 IV 161; 82 IV 5).

    Der Beschwerdeführer hält die ihm erteilte Weisung mit der
Staatsanwaltschaft für unhaltbar, weil sie zu allgemein und unbestimmt
abgefasst sei. Welches ihr Sinn ist, kann jedoch schon nach dem Verhalten,
das zur Weisung Anlass gegeben hat, nicht zweifelhaft sein. Die Weisung
will besagen, dass der Beschwerdeführer seine bisherige berufliche
Tätigkeit, der er charakterlich nicht gewachsen ist, aufzugeben und den
Unterhalt für sich und seine Familie als Angestellter oder Arbeiter zu
verdienen hat, dass er insbesondere also damit aufhören muss, auf eigene
Rechnung Geschäfte abzuschliessen, mit fremdem Geld zu wirtschaften
und damit auf Kosten seiner Gläubiger zu leben. Es versteht sich zudem
von selbst, dass er eine selbständige Geschäftstätigkeit auch nicht als
Nebenbeschäftigung oder mit Hilfe von Strohmännern ausüben darf, jede
Umgehung der Weisung vielmehr ihrer Missachtung gleichzustellen ist. Kann
mit dem angefochtenen Urteil vernünftigerweise aber nur das gemeint sein,
so erübrigt es sich, die Sache zur Verdeutlichung der Weisung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.