Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 107



95 IV 107

27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Mai 1969
i.S. Bundesanwaltschaft gegen Rey. Regeste

    Art. 74 Ziff. 11 und 100 Abs. 1 ZG.

    Der auf einer Ware entstandene Zollrückerstattungsanspruch hebt die
mit einer andern Ware begangene Zollhinterziehung nicht auf.

Sachverhalt

    A.- Für Mineralöl (Heizöl, Dieselöl) sieht der Zolltarif je nach der
Verwendung verschiedene Ansätze vor:

    - zu motorischen Zwecken      Fr. 16.- je q.

    (nebst Zuschlägen von Fr. 7.35 bzw.

    Fr. 12.65)

    - zu Feuerungszwecken Fr. -.30 je q.

    Gemäss Art. 18 ZG und Art. 40 ZV können Waren, die je nach
Verwendungszweck verschiedenen Zollansätzen unterliegen, auf Ansuchen und
gegen Verwendungsnachweis oder Verwendungsverpflichtung (sog. Revers) zum
niedrigern Ansatz verzollt werden. Sie dürfen nachträglich aber nicht ohne
Bewilligung und Nachentrichtung der Zoll- bzw. Warenumsatzsteuerdifferenz
für den andern, zum höheren Ansatz zu verzollenden Zweck verwendet werden.

    Vinzenz Rey, Prokurist der Firma Voegtlin-Meyer AG, Brennmaterialien,
Brugg, lieferte in der Zeit vom 12. Juni 1964 bis 27. Januar 1966 im
Einverständnis mit der Geschäftsleitung, die für die Verwendung des Heizöls
einen Revers unterzeichnet hatte, an verschiedene Kunden insgesamt 249'586
kg Öl für motorische Zwecke, das zum vergünstigten Zollansatz eingeführt
worden war. Die dadurch entstandene Zoll- bzw. Warenumsatzsteuerdifferenz
betrug Fr. 29'228.70 bzw. Fr. 4'320.21. Umgekehrt setzte Rey in derselben
Zeit gleiche Mengen Öles, das als Dieselöl verzollt worden war, zu
Feuerungszwecken ab.

    B.- Durch Strafverfügung vom 4. Oktober 1966 fällte das Eidgenössische
Finanz- und Zolldepartement gegen Rey gestützt auf Art. 74 Ziff. 11, 75,
82 Ziff. 2 und 91 ZG sowie Art. 52/53 WUB eine Busse von Fr. 5'281.90
(was 1/15 des umgangenen Zolles entspricht) aus und überband ihm die
Verfahrenskosten. Für beide Beträge wurde die Firma Voegtlin-Meyer AG
solidarisch haftbar erklärt.

    Nachdem Rey gerichtliche Beurteilung verlangt hatte, wurde er
am 12. Januar 1968 vom Bezirksgericht Brugg von der Anschuldigung der
Zollübertretung bzw. Steuerhinterziehung freigesprochen.

    Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 11. Juli 1968 die
von der Bundesanwaltschaft eingereichte Berufung ab. Es ging mit dem
Bezirksgericht davon aus, dass nach Art. 74 Ziff. 11 ZG nur bestraft
werden könne, wer Waren, für die eine Zollermässigung zugestanden
worden sei, nachträglich ohne Bewilligung und ohne Nachentrichtung des
Zollbetreffnisses zu einem der Zollermässigung nicht entsprechenden Zwecke
verwende. Die beiden Voraussetzungen müssten kumulativ gegeben sein. Der
Angeklagte habe die Bewilligung nicht eingeholt. Die geschuldeten
Zolldifferenzen aber habe er dadurch, dass er zum höheren Ansatz von
Dieselöl verzolltes Öl zu Feuerungszwecken verkaufte, jeweils laufend
und kurzfristig ausgeglichen. Von einer Hinterziehung oder auch nur
Gefährdung eines Zollbetreffnisses könne infolgedessen nicht die Rede
sein. Wohl habe der Angeklagte durch seine Machenschaften den von der
Oberzolldirektion am 1. April 1961 erlassenen Vorschriften für den Handel
mit Heizöl und Dieselöl zuwidergehandelt. Der in Art. 74 Ziff. 11 ZG
umschriebene Tatbestand könne jedoch nicht durch Verfahrensvorschriften der
Oberzolldirektion dahin verschärft werden, dass die im Gesetz vorgesehene
Befreiung von einer Kriminalstrafe einfach gestrichen werde. Über die
Ahndung der begangenen Ordnungsverletzung sei im vorliegenden Verfahren
nicht zu entscheiden.

    C.- Gegen dieses Urteil führt die Bundesanwaltschaft
Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, die Sache sei an das Obergericht
zurückzuweisen, damit es den Angeklagten der Widerhandlung gegen das
Zollgesetz und den Bundesratsbeschluss über die Warenumsatzsteuer schuldig
erkläre, angemessen bestrafe und die Firma Voegtlin-Meyer AG für Busse
und Verfahrenskosten haftbar erkläre.

    D.- Der Angeklagte beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 74 Ziff. 11 ZG begeht eine Zollübertretung, wer Waren,
für die auf Grund richtiger Angaben Zollfreiheit oder Zollermässigung
zugestanden worden ist, nachträglich ohne Bewilligung und ohne
Nachentrichtung des Zollbetreffnisses zu einem der Zollfreiheit oder
Zollermässigung nicht entsprechenden Zweck verwendet.

    Es ist unbestritten, dass bei Zollbehandlung von Waren nach ihrem
Verwendungszweck die in Art. 18 ZG und Art. 40 ZV vorgesehene Abfertigung
zu den niedrigeren Ansätzen eine Zollermässigung im Sinne von Art. 74
Ziff. 11 ZG darstellt. Der Beschwerdegegner hat 249'586 kg Mineralöl,
für das die Zollermässigung erlangt worden war, zweckwidrig und entgegen
der durch Revers eingegangenen Verpflichtung als Dieselöl verkauft. Er
hat sich daher nach Art. 74 Ziff. 11 ZG strafbar gemacht, wenn er es ohne
Bewilligung und ohne Nachentrichtung der Zolldifferenz tat.

    Der Beschwerdegegner bestreitet nicht, eine Bewilligung weder
eingeholt noch erhalten zu haben. Nach Art. 2 Abs. 4 der Zollvorschriften
für den Handel mit Heizöl und Dieselöl vom 1. April 1961 kann eine
Nachverzollung von Heizöl als Dieselöl ohnehin grundsätzlich nicht
bewilligt werden. Ausnahmen davon sollen nur in unverschuldeten Fällen
gemacht werden. Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt
bleiben.

    Werden Waren, die gemäss dem angegebenen Verwendungszweck zu
einem höhern Ansatz verzollt worden sind, nachträglich zu einem Zweck
verwendet, für den im Zolltarif eine niedrigere Position vorgesehen
ist, so kann der Zollpflichtige innert 60 Tagen oder einer von der
Oberzolldirektion festgesetzten längern Frist die Rückerstattung der
Zolldifferenz verlangen (Art. 18 Abs. 3 ZG, Art. 40 Abs. 3 ZV). Wird
umgekehrt eine nach dem angegebenen Verwendungszweck niedriger verzollte
Ware nachträglich ohne Bewilligung einem Zwecke zugeführt, der eine
höhere Verzollung erfordert, hat sich der Zollpflichtige in gleicher
Weise der ZOIlübertretung nach Art. 74 Ziff. 11 ZG schuldig gemacht wie
derjenige, der den Straftatbestand des Art. 74 Ziff. 3 ZG erfüllt, indem
er zollpflichtige Waren beim Grenzübertritt zur Zollbehandlung anzumelden
unterlässt. Dass er aus einem andern Rechtsgrunde umgekehrt eine Forderung
an die Zollverwaltung geltend zu machen hat, hilft weder im einen noch
im andern Fall über die Straffälligkeit hinweg. Untauglich ist auch der
Einwand des Beschwerdegegners, er habe die Zolldifferenz laufend und
vollumfänglich durch den Verkauf von Dieselöl zu Feuerungszwecken intern
"kompensiert". Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf IMBODEN (Schweiz.
Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl., Nr. 124, S. 32 ff., insbesondere
S. 34) zu Recht ausführt, steht dem Pflichtigen im öffentlichen Recht - und
damit auch im Zollrecht - keine Verrechnung einer Forderung mit derjenigen
des Gemeinwesens zu; nur die das Gemeinwesen vertretende Behörde kann
verrechnen. Abgesehen davon, dass der Beschwerdegegner die Verrechnung
jeweils gar nicht erklärte, sondern nur intern "kompensierte", hebt der auf
einer Ware entstandene Zollrückerstattungsanspruch die mit einer andern
Ware begangene Zollhinterziehung nicht auf. Durch "Kompensationen", wie
sie Rey vornahm, würde zudem die Kontrolle über die Sicherungen, welche
die Oberzolldirektion mit ihren Vorschriften vom 1. April 1961 für die
bestimmungsgemässe Verwendung des zollbegünstigten Heizöls aufgestellt
hat, insbesondere über die getrennte Lagerung von Heizöl und Dieselöl,
weitgehend gefährdet, wenn nicht verunmöglicht.

Erwägung 2

    2.- ...

Erwägung 3

    3.- ...

Erwägung 4

    4.- Die Firma Voegtlin-Meyer AG, deren Leitung mit dem Vorgehen des
Beschwerdegegners einverstanden war, haftet gemäss Art. 100 Abs. 1 ZG in
Verbindung mit Art. 9 Abs. 1, 2 und 4 ZG für die auszusprechende Busse
sowie für die Kosten solidarisch.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 11. Juli 1968 aufgehoben und die Sache
zur Bestrafung des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückgewiesen.