Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 59



95 II 59

10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1969 in
Sachen Schmidlin gegen Kessler. Regeste

    Art. 543 Abs. 2 OR. Gibt ein Gesellschafter ein Versprechen im Namen
der Gesellschaft oder sämtlicher Gesellschafter ab, so wird er durch
dasselbe immer auch persönlich verpflichtet.

Sachverhalt

    A.- Kessler ging am 25. Mai 1966 mit Schmidlin und Hitz schriftlich
eine einfache Gesellschaft ein, die die Parzelle Nr. 1291 am Myrthenweg
in Chur kaufen und nach den Plänen Kesslers überbauen sollte. Unter
Ziffer 7 des Vertrages vereinbarten die Gesellschafter, Kessler führe
die Architekturarbeiten aus, Schmidlin zu Verbandskonkurrenzpreisen
die sanitäre Anlage und die Heizungseinrichtung und Hitz die
Ingenieurarbeiten. Unter Ziffer 12 bestimmten sie: "Zeichnungsberechtigt
für die Gesellschaft sind alle drei Vertragspartner kollektiv, oder gemäss
separat erteilter Vollmacht der übrigen Gesellschafter Einzelunterschrift."

    Über die Arbeit des Architekten schlossen die Gesellschafter am
gleichen Tage einen besonderen Vertrag ab, der in Art. 5 bestimmte,
Streitigkeiten aus demselben seien durch ein Schiedsgericht gemäss
Schiedsordnung des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins
zu entscheiden.

    Am 27. Juni 1966 unterschrieben Schmidlin, Hitz und Benz einen auf der
Ausfertigung des Gesellschaftsvertrages angebrachten "Nachtrag", der wie
folgt lautet: "An Stelle der beiden Gesellschafter Karl Schmidlin und Ernst
Hitz, welche mit heutigem Datum aus der Gesellschaft austreten, tritt Herr
Konrad Benz ... mit allen Rechten und Pflichten in die Gesellschaft ein.
Chur, den 27. Juni 1966."

    Schmidlin will seinen Austritt aus der Gesellschaft davon
abhängig gemacht haben, dass die Verpflichtung aus Ziffer 7 des
Gesellschaftsvertrages ihm gegenüber gleichwohl eingehalten werde. Er
legt eine von Kessler und Hitz unterschriebene "Vereinbarung" vor, die
auf den Gesellschaftsvertrag Bezug nimmt und im übrigen lautet:

    "Karl Schmidlin tritt mit heutigem Datum aus der Gesellschaft aus,
jedoch Art. 7 des Gesellschaftsvertrages bleibt aufrecht erhalten, d.h.

    K. Schmidlin bekommt sämtliche sanitären und Heizungsinstallationen
zu Verbandskonkurrenzpreisen.

    Bei nicht Einhalten des Vertrages bezahlen die Herren Benz und
Kessler eine Entschädigung von Fr. 20'000.-- an K. Schmidlin. Chur,
den 27. Juni 1966."

    Die Parzelle Nr. 1291 wurde in der Folge nicht von Kessler und Benz
erworben und überbaut. Kessler ging am 23. September 1966 mit vier anderen
Firmen eine einfache Gesellschaft ein, die sich wie jene vom 25. Mai 1966
"Baugesellschaft Rheinstrasse/Myrthenweg" nannte und am 4. Oktober 1966
in den Kaufvertrag eintrat, den die frühere Gesellschaft am 25. Mai 1966
mit den Eigentümern der erwähnten Parzelle abgeschlossen hatte.

    Am 18. Oktober 1966 vertrat Schmidlin gegenüber den Mitgliedern der
neuen Gesellschaft erfolglos die Auffassung, er habe Anspruch auf die
Erstellung der Heizung und der sanitären Einrichtungen.

    B.- Schmidlin klagte gegen Kessler auf Zahlung von Fr.  20'000.--
nebst 5% Zins seit 4. April 1967, wobei er sich auf die Vereinbarung vom
27. Juni 1966 berief.

    Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er machte geltend, die
erwähnte Vereinbarung binde weder ihn persönlich noch die in der Folge
gegründete "Baugesellschaft Rheinstrasse/Myrthenweg". Subsidiär stellte
er eine Forderung von Fr. 19'000.-- für seine im Rahmen der früheren
Gesellschaft geleistete Arbeit zur Verrechnung.

    Das Bezirksgericht Plessur wies am 20. Februar 1968 die Klage ab. Es
erachtete den Beweis, "dass der Kläger seinen vorbehaltlosen Austritt
erst dann unterschriftlich bekräftigte, als er im Besitz der zu den
Akten gegebenen Vereinbarung war", als gescheitert. Dagegen nahm es an,
Hitz habe den Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag und die Vereinbarung vom
27. Juni 1966 "praktisch gleichzeitig" unterschrieben. Daraus folgerte
es, Hitz sei nicht mehr in der Lage gewesen, im Sinne der Ziff. 12 des
Gesellschaftsvertrages zusammen mit dem Beklagten Verbindlichkeiten
zu Lasten der Gesellschaft zu begründen, weshalb der Kläger sich
Art. 543 Abs. 2 OR selbst dann entgegenhalten lassen müsste, wenn man
davon ausginge, der Beklagte habe die einfache Gesellschaft mit Benz
fortgesetzt. Das Bezirksgericht fügte bei, persönlich sei der Beklagte
nicht haftbar, weil die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 OR nicht
erfüllt seien, denn der Kläger als Gesellschafter habe sich bewusst
sein müssen, dass die Gesellschaft in Ermangelung einer Sondervollmacht
nur durch Kollektivunterschrift habe verpflichtet werden können. Zur
Frage, ob die Konventionalstrafe allenfalls herabzusetzen wäre, nahm
das Bezirksgericht nicht abschliessend Stellung. Zur Gegenforderung
des Beklagten führte es aus, sie brauche nicht näher geprüft zu
werden; auf Grund der Aktenlage stehe indessen fest, "dass das Gericht
seine Zuständigkeit diesbezüglich hätte verneinen müssen (Art. 5 des
Architekturvertrages vom 25. Mai 1966 auf SIA-Formular)".

    Das Kantonsgericht von Graubünden wies die Berufung des Klägers,
der am Klagebegehren festhielt, am 28. Mai 1968 ab. Es beschränkte sich
darauf, "sowohl im Hinblick auf die klägerische Beweisführung als auch
hinsichtlich der materiellrechtlichen Würdigung des Falles die Erwägungen
im angefochtenen Urteil zu bestätigen".

    C.- Das Bundesgericht weist auf Berufung des Klägers hin die Sache
an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die kantonalen Instanzen gehen davon aus, Hitz habe im Zeitpunkt, da
der Kläger die in der "Vereinbarung" enthaltene Erklärung des Beklagten und
des Hitz erhielt, der Gesellschaft nicht mehr angehört und folglich diese
nicht mehr - durch Kollektivunterschrift mit dem Beklagten - verpflichten
können, und die Unterschrift des Beklagten allein habe gemäss Ziffer 12 des
Gesellschaftsvertrages die Gesellschaft nicht gebunden. Die Vorinstanzen
haben daher offen gelassen, ob der Beklagte die einfache Gesellschaft,
die zwischen ihm, dem Kläger und Hitz bis am 27. Juni 1966 bestanden hatte,
mit Benz fortgesetzt habe.

    Damit wird der Sinn des Art. 543 Abs. 2 OR verkannt. Diese
Norm bestimmt nicht, ein im Namen der Gesellschaft oder sämtlicher
Gesellschafter ohne Vollmacht abgegebenes Versprechen eines Gesellschafters
sei ungültig. Sie sagt nur, wenn ein Gesellschafter im Namen der
Gesellschaft oder sämtlicher Gesellschafter mit einem Dritten Geschäfte
abschliesse, würden die übrigen Gesellschafter dem Dritten gegenüber nur
insoweit verpflichtet, als die Bestimmungen über die Stellvertretung
es mit sich brächten ("... les autres associés ne deviennent ...
débiteurs de ce tiers qu'en conformité des règles relatives à la
représentation". Jener Gesellschafter, der das Versprechen abgibt, wird
durch dasselbe verpflichtet, unbekümmert darum, ob er ermächtigt ist,
auch die anderen zu vertreten. Der Umstand, dass er das Versprechen
im Namen der Gesellschaft oder sämtlicher Gesellschafter abgibt,
ändert nichts. Da er der Gesellschaft angehört und diese nicht eigene
juristische Persönlichkeit hat, ist das im Namen der Gesellschaft oder
sämtlicher Gesellschafter abgegebene Versprechen immer auch im eigenen
Namen abgegeben. Der Beklagte hat also das in der "Vereinbarung" zusammen
mit Hitz abgegebene Versprechen persönlich zu erfüllen, gleichgültig,
ob Hitz berechtigt war, die Gesellschaft zwischen dem Beklagten und Benz
(zusammen mit dem Beklagten) zu vertreten und ob der Beklagte in dieser
Gesellschaft nur Kollektiv- oder vielmehr Einzelunterschrift hatte. Diese
Fragen würden sich nur stellen, wenn der Kläger aus der "Vereinbarung"
den Benz belangen würde. Das trifft nicht zu; die Klage richtet sich
ausschliesslich gegen Kessler.

    Art. 39 Abs. 1 OR führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese
Bestimmung sagt nur, unter welchen Voraussetzungen derjenige, der ohne
Vollmacht als Stellvertreter eines andern handelt, dem Vertragsgegner im
Falle der Nichtgenehmigung seitens des Vertretenen den aus dem Dahinfallen
des Vertrages erwachsenden Schaden zu ersetzen hat. Der Beklagte wird nicht
auf Ersatz eines Schadens belangt, der dem Kläger dadurch erwachsen wäre,
dass der Beklagte ohne Vollmacht den Benz vertreten hätte. Die Klage ist
auf Erfüllung des Versprechens gerichtet, das der Beklagte im eigenen Namen
- und (mit oder ohne Vollmacht) zugleich im Namen des Benz - abgegeben hat.