Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 43



95 II 43

8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1969 i.S. Hofer gegen
Hautzentrale & Fettschmelze AG. Regeste

    Werkvertrag. Verantwortlichkeit des Bestellers für Mängel wegen
Nichtbeachtung einer Abmahnung des Unternehmers gemäss Art. 369 OR?

    Art. 16 OR ist auf die Abmahnung nach Art. 369 OR nicht
anwendbar. Art. 21 Abs. 2 der SIA-Normen, wonach die Anzeige schriftlich
zu erfolgen hat, ist blosse Ordnungsvorschrift (Erw. 2).

    Anforderungen an den Inhalt und die Anbringung der Abmahnung; Bedeutung
des Verhaltens von Hilfspersonen beider Teile (Erw. 3).

    Ermässigung der Ersatzpflicht des Unternehmers wegen Mitverschuldens
des Bestellers bezw. seiner Hilfspersonen. Verhältnis zu den Regeln der
unechten Solidarität, Art. 51 OR (Erw. 4).

    Abwägung des beidseitigen Verschuldens (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Hautzentrale und Fettschmelze AG., Zürich, die heutige
Klägerin, übertrug mit schriftlichem Werkvertrag vom 25. Juli 1957
dem Beklagten Albin Hofer die Ausführung der Unterlagsböden im Neubau
ihres Geschäftshauses. Der Vertrag, der seitens der Klägerin vom
Architekturbureau Debrunner & Blankart abgeschlossen wurde, erklärte die
Allgemeinen Bedingungen des SIA für Bauarbeiten als anwendbar.

    Die dem Vertrag zugrunde liegenden Eingabebedingungen schrieben für
die Unterlagsböden eine 8 mm starke Isokorkmatte mit einem Zementüberzug
von 3-3,5 cm vor. Diese Konstruktion war, wie heute feststeht, für ein
Geschäftshaus ungenügend und darum verfehlt.

    An den vom Beklagten in der vorgeschriebenen Ausführung erstellten
Böden zeigten sich in der Folge zahlreiche schadhafte Stellen. Der
Beklagte lehnte die Gewährspflicht für diese Schäden ab unter Hinweis
darauf, dass sein Vorarbeiter Müller vor Beginn der Arbeiten gegenüber
dem Bauführer der Architekten, Dick, erfolglos ernsthafte Bedenken gegen
die vorgeschriebene Ausführung geäussert habe.

    B.- Die Klägerin belangte den Beklagten auf Ersatz der mutmasslichen
Instandstellungskosten der schadhaften Böden im Betrage von Fr. 24'860.--
nebst Zins. Sie bestritt die vom Beklagten behauptete Haftungsbefreiung,
weil dieser ihr seine Bedenken entgegen der Vorschrift von Art. 21 Abs. 2
der SIA-Normen nicht schriftlich angezeigt habe.

    Der Beklagte beantragte, die Klage gestützt auf Art. 369 OR abzuweisen.

    C.- Das Bezirksgericht und das Obergericht Zürich bejahten die
Haftpflicht des Beklagten. Sie sprachen der Klägerin jedoch nicht den
vollen, auf Fr. 18'391.70 festgesetzten Schadensbetrag zu, sondern kürzten
den Ersatzanspruch wegen Mitverschuldens der Klägerin, bzw. des für sie
handelnden Architekten und des Bauführers, wobei das Obergericht den vom
Bezirksgericht vorgenommenen Abzug von 30% auf 40% erhöhte.

    Demgemäss verpflichtete das Obergericht mit Urteil vom 11. September
1968 den Beklagten, an die Klägerin Fr. 11'035.-- nebst 5% Zins seit
20. Juli 1962 zu bezahlen.

    D.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Er beantragt, die Klage im vollen Umfang abzuweisen,
eventuell sie nur im Betrage von Fr. 5'400., d.h. zu 30%, nebst Zins,
zu schützen.

    Die Klägerin hat sich der Berufung angeschlossen. Sie beantragt,
den Beklagten zum Ersatz des vollen Schadens von Fr. 18'391.70 nebst Zins
zu verpflichten.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es steht fest, dass die vom Beklagten erstellten Unterlagsböden
mangelhaft waren. Streitig ist dagegen, ob der Beklagte diese Schäden
zu verantworten habe, wie die Klägerin behauptet, oder ob er sich
gemäss seiner Auffassung dieser Verantwortung gestützt auf Art. 369 OR
entschlagen könne, wonach die dem Besteller bei Mangelhaftigkeit des
Werkes zustehenden Rechte dahinfallen, wenn er durch Weisungen, die
er entgegen den ausdrücklichen Abmahnungen des Unternehmers über die
Ausführung erteilte, die Mängel selbst verschuldet hat.

Erwägung 2

    2.- a) Die Klägerin hält mit der Anschlussberufung daran fest,
dass eine Haftungsbefreiung des Beklagten auf Grund von Art. 369 OR
ausgeschlossen sei, weil er es an der nach Art. 21 Abs. 2 der SIA-Normen
erforderlichen schriftlichen Abmahnung habe fehlen lassen.

    Art. 21 Abs. 2 der erwähnten Normen bestimmt:

    "... Hegt der Unternehmer irgendwelche Bedenken gegen Anordnungen der
Bauleitung oder ihrer Organe, so hat er der Bauleitung hievon schriftlich
Anzeige zu machen."

    Das Obergericht hat diese Vorschrift als blosse Ordnungsvorschrift
betrachtet, die bezwecke, den Beweis für die erfolgte Anzeige zu
erleichtern. Die Klägerin vertritt die Auffassung, es handle sich um
eine vertraglich vereinbarte Formvorschrift, von deren Einhaltung die
Gültigkeit der Anzeige abhange. Sie wirft dem Obergericht vor, sein
gegenteiliger Entscheid verletze Art. 16 OR, der auch auf einseitige
Rechtsgeschäfte, wie Kündigung, Rücktritt, Wahl oder andere einseitige
Erklärungen sinngemäss anwendbar sei, wenn die Vereinbarung der Parteien
für sie die Schriftform vorsehe.

    b) Art. 16 Abs. 1 OR bestimmt, wenn für einen Vertrag, der vom Gesetz
an keine Form gebunden ist, die Anwendung einer solchen vorbehalten worden
sei, werde vermutet, dass die Parteien vor der Erfüllung der Form nicht
verpflichtet sein wollen.

    Art. 16 OR spricht von der für den Abschluss von Verträgen
vorbehaltenen Form. Da der Vertrag durch Angebot und Annahme zustande
kommt, muss bei vereinbarter Schriftlichkeit jede Partei ihre Erklärung
(das Angebot bzw. die Annahme) schriftlich abgeben. Die Bestimmung bezweckt
den Schutz der Partei, die zum Zustandekommen einer rechtlichen Bindung
eine Erklärung abzugeben hat. Es wird zu ihrem Schutz vermutet, sie wolle
an ihre Willensäusserung nur gebunden sein, wenn sie schriftlich erfolgt.

    Dieser Grundsatz gilt nach Lehre und Rechtsprechung auch für die
Fälle, wo jemand ein vertraglich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausübt,
z.B. einen Vertrag kündigt oder von ihm zurücktritt, von einem Kaufsrecht
Gebrauch macht usw. (VON TUHR/SIEGWART, OR I S. 232; BECKER, OR 2. Aufl.,
Art. 16 N. 3; VON BÜREN, OR S. 145; BGE 48 II 116 Erw. 1). Durch die
Gestaltungserklärung formt der Erklärende ein Rechtsverhältnis um. Ist für
sie Schriftlichkeit vereinbart, so ist zu vermuten, dass der Erklärende
die sich daraus ergebenden Verpflichtungen und Verzichte erst auf sich
nehmen will, wenn er seinen Willen in der vorbehaltenen Form geäussert hat.

    Die Abmahnung im Sinne des Art. 369 OR ist aber ganz anderer Art als
die Willensäusserung beim Vertragsschluss oder bei der Ausübung eines
Gestaltungsrechtes. Der Unternehmer nimmt mit ihr keine Pflichten auf
sich und verzichtet auch nicht auf irgendwelche Rechte. Die Abmahnung
belastet ihn überhaupt in keiner Weise, sondern sie bezweckt nur,
ihn seiner Verantwortung für allfällige Mängel des Werks zu entheben,
die durch Weisungen des Bestellers verursacht werden könnten. Für die
Vermutung, der Erklärende wolle erst mit der Erfüllung der vereinbarten
Form gebunden sein, ist hier kein Raum. Gegenteils ist zu vermuten,
der Abmahnende wolle seiner Verantwortung unter möglichst leichten
Voraussetzungen enthoben sein, also schon vor der Erfüllung der
vereinbarten Form. Diese kann nie in seinem Interesse, sondern immer nur
in jenem des Bestellers vereinbart worden sein. Die Form dient also einem
andern Zweck als bei Vertragsschlüssen und Gestaltungserklärungen. Sie
will im Interesse des Empfängers der Abmahnung Klarheit über die
Auffassung und den Willen des Unternehmers schaffen, der Deutlichkeit
und der Beweiserleichterung dienen. Die vereinbarte Form ist hier nicht
vermutetes Gültigkeitserfordernis, sondern es ist zu vermuten, dass sie
nur um der Deutlichkeit und des Beweises willen vereinbart wurde. Eine
mündliche Abmahnung kann daher trotz der Vereinbarung der Schriftlichkeit
wirksam sein. Daraus folgt, dass Art. 16 OR auf Abmahnungen im Sinne des
Art. 369 OR überhaupt nicht, auch nicht sinngemäss, anwendbar sein kann.

    Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch durch die Handhabung des
Art. 21 Abs. 2 der SIA-Normen in der Praxis bestätigt. Wie die Vorinstanz
gestützt auf ein Gutachten und auf die Zeugenaussage eines Architekten
festgestellt hat, wird die durch die erwähnte Bestimmung vorgeschriebene
Anzeige in der Regel mündlich gemacht und als gültig entgegenommen; eine
schriftliche Anzeige erfolgt nur in besonders wichtigen Fällen. Nach
den weiteren Feststellungen der Vorinstanz scheuen sich die Unternehmer
jedoch, solche Anzeigen schriftlich zu machen und vor allem, dafür die
Form des eingeschriebenen Briefes zu wählen (was für den Nachweis der
Erfüllung eines Gültigkeitserfordernisses praktisch unerlässlich wäre);
dies deshalb, weil viele Architekten ein solches Vorgehen als anmassend
empfinden und der Unternehmer befürchtet, deswegen bei späteren Aufträgen
nicht mehr berücksichtigt zu werden. Mit Recht hat die Vorinstanz es
daher abgelehnt, der Einhaltung einer Verfahrensvorschrift, die in der
Praxis von der Wichtigkeit der in Frage stehenden Angelegenheit abhängig
gemacht wird, die Bedeutung eines Gültigkeitserfordernisses beizumessen.

    Zum gleichen Schluss führt auch, dass nach der Lebenserfahrung
Unternehmer und Architekt die Ausführung der Arbeiten im einzelnen meist
an Ort und Stelle, auf dem Bauplatz, besprechen, und dass bei dieser
Gelegenheit auf allfällige, im Lauf der Arbeit auftretende Schwierigkeiten
hingewiesen wird, Mängel gerügt, Änderungen angeordnet werden usw. Die
Zustellung einer eingeschriebenen schriftlichen Bestätigung über Punkte,
die bei der mündlichen Besprechung geregelt worden sind, kann vom Empfänger
mit einigem Recht als Misstrauenskundgebung empfunden werden und der
gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Bauleitung abträglich
sein. Endlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Unternehmer, vor allem
die Inhaber von kleinen und mittleren Betrieben, Handwerker sind, denen die
Gewandtheit im schriftlichen Ausdruck häufig fehlt. Es wäre lebensfremd,
die Gültigkeit der im Laufe der Arbeiten zwischen einem Unternehmer und dem
Bauherrn oder seinem Vertreter getroffenen Abmachungen von Förmlichkeiten
abhängig zu machen, die in der Praxis nur ausnahmsweise befolgt werden,
weil ihre strikte Einhaltung ein reibungsloses Zusammenarbeiten gefährden
würde.

    Es ist daher der Vorinstanz beizupflichten, dass die von Art. 21
Abs. 2 der SIA-Normen geforderte Anzeige nicht schriftlich erfolgen muss,
um gültig zu sein.

Erwägung 3

    3.- a) Nach den Feststellungen des Obergerichts äusserte sich der
Vorarbeiter des Beklagten, Müller, vor dem Beginn der Arbeiten für
die Unterlagsböden gegenüber dem von den Architekten mit der örtlichen
Bauleitung beauftragten Bautechniker Dick, "es sei eine schwache Sache,
auf eine 8 mm-Korkmatte einen nur 3 - 3,5 cm dicken Überzug zu machen,
das sei heikel". Dick erklärte jedoch, das gehe ihn nichts an, es werde
so gemacht, wie er es angeordnet habe. Den Vorschlag Müllers, durch eine
Verstärkung des Überzugs das Niveau des Bodens um 1 - 1,5 cm zu erhöhen,
lehnte Dick mit der Begründung ab, das gehe nicht wegen der Türen, an
denen die Zargen damals schon gesetzt waren.

    Das Obergericht hat diese Äusserungen Müllers als deutliche Warnung
bewertet, die vorgesehene Ausführung könnte zu Schäden führen, die sich
durch die Höherlegung des Bodens abwenden liessen. Es hat also angenommen,
die erforderliche Anzeige sei an sich erfolgt. Anschliessend führt es dann
aber aus, das Verhalten des Bauführers Dick habe Müller gezeigt, dass jener
sich über die Tragweite der Bedenken Müllers nicht Rechenschaft gab und
daher die Warnung nicht an die Architekten weiterleiten werde. Müller
hätte deshalb selber oder durch Vermittlung seines Arbeitgebers, des
Beklagten, dafür sorgen müssen, dass die Bauleitung von der Gefährlichkeit
der Lage Kenntnis erhalte. Dazu sei er insbesondere verpflichtet gewesen,
weil es sich um die Anwendung eines vom Unternehmer selber erprobten und
hergestellten und von ihm entsprechend angepriesenen Sondererzeugnisses
gehandelt habe. In Würdigung der gesamten Umstände ist das Obergericht
zum Schluss gelangt, der Beklagte werde durch die an sich ordnungsgemäss
erfolgte Abmahnung seines Vorarbeiters von der Verantwortung nicht
befreit, weil er eine Benachrichtigung der Architekten unterlassen habe,
die angesichts des uneinsichtigen Verhaltens des örtlichen Bauleiters
geboten gewesen wäre.

    Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, er habe seiner
Abmahnungspflicht genügt und sei damit von jeder Haftung befreit. Für
das fehlerhafte Verhalten des Vertreters des Bestellers habe er nicht
einzustehen.

    b) Nach den Feststellungen des Obergerichts sind die Unterlagsböden
des Beklagten eine von diesem ausgearbeitete und erprobte Konstruktion. In
einem solchen Falle hat der Unternehmer mit ganz besonderer Sorgfalt
darüber zu wachen, dass sein Erzeugnis in zweckentsprechender Weise
verwendet wird. Man kann sich fragen, ob der Beklagte nicht mit Rücksicht
hierauf schon bei der Einreichung seines Angebots hätte prüfen müssen, ob
die Eingabebedingungen eine einwandfreie Ausführung des Werkes überhaupt
gestatteten. Zwar wusste er nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz beim Abschluss des Vertrages noch nicht, welchem Zwecke
die Räumlichkeiten zu dienen hatten, die mit seinen Unterlagsböden
ausgestattet werden sollten. Er konnte aber nicht annehmen, die Klägerin,
ein gewerbliches Unternehmen, wolle an der Badenerstrasse, also in einem
ausgesprochenen Industriequartier, nur ein Wohngebäude erstellen. Auf jeden
Fall war es seine Pflicht, sich vor Beginn der Arbeiten an Ort und Stelle
zu vergewissern, ob die vorgesehenen Unterlagsböden der Zweckbestimmung der
Räumlichkeiten entsprachen. Überliess er dies seinem Vorarbeiter Müller,
so hat er nach den Grundsätzen über die Haftung für Hilfspersonen (Art. 101
OR) für dessen Verhalten einzustehen, als ob es sein eigenes wäre (BGE 53
II 240, 70 II 221, 82 II 534, 85 II 271, 90 II 21 oben, 92 II 18 Erw. 3).

    c) Art. 369 OR verlangt zwar keine schriftliche Anzeige; er schreibt
aber eine ausdrückliche Abmahnung (avis formel, espresso parere) vor. Die
Abmahnung muss mit andern Worten bestimmt, klar und deutlich sein und
dem Besteller unmissverständlich zum Bewusstsein bringen, dass bei der
von ihm angeordneten Ausführung nach der Auffassung des Unternehmers
möglicherweise Schäden auftreten könnten und dass der Besteller daher,
wenn er auf seinen Anordnungen beharre, die damit verbundenen Gefahren
auf sich nehme und den Unternehmer seiner Haftung entbinde.

    Ob die Äusserungen des Vorarbeiters Müller gegenüber dem Bauführer
Dick den Anforderungen an eine rechtswirksame Abmahnung genügten, wie die
Vorinstanz grundsätzlich annimmt, ist fraglich. Müller hat wohl Bedenken
geäussert, ob der vorgesehene Zementüberzug von 3 - 3,5 cm Dicke ausreiche,
und er hat vorgeschlagen, ihn 1 - 1,5 cm dicker zu machen. Auf die
Ablehnung Dicks hin hat er indessen an seinem Einwand nicht festgehalten,
sondern die Arbeit in der vorgeschriebenen Weise ausgeführt. Angesichts
dieses Verhaltens durfte Dick an der Begründetheit der von Müller
geäusserten Auffassung zweifeln, da doch die Dicke des Zementüberzuges
von den Architekten in den Eingabebedingungen vorgeschrieben und vom
Beklagten bei der Einreichung seines Angebots nicht beanstandet worden
war. Unter diesen Umständen ist es fraglich, ob Dick die vom Vorarbeiter
Müller geäusserten Bedenken notwendigerweise als eine vom Unternehmer
ausgehende Willenskundgebung auffassen konnte und musste, dass er die
Verantwortung für die vorgeschriebene Ausführung ablehne. Der Unternehmer
genügt seiner Pflicht nicht, wenn er sich um die Ausführung der Arbeit
nicht kümmert, und sich dann, wenn Schäden auftreten, auf eine Bemerkung
seines Vorarbeiters gegenüber einem Angestellten des Architekten beruft,
selbst wenn sich diese Bemerkung später als begründet herausstellt.

    Es kann jedoch offen bleiben, ob nicht schon aus diesem Grunde die
Haftung des Beklagten grundsätzlich zu bejahen sei. Denn auf jeden Fall
ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass der Unternehmer angesichts
der ablehnenden Haltung des Bauführers Dick dafür sorgen musste, dass seine
Abmahnung an die Stelle gelange, die ihre Tragweite richtig einzuschätzen
vermochte. Nicht nur die Sondervorschrift des Art. 369 OR, sondern schon
die durch Art. 364 dem Unternehmer auferlegte allgemeine Sorgfaltspflicht
gebot dem Beklagten, die Unzulänglichkeit der vorgesehenen Ausführung
dem zuständigen Vertreter des Bestellers, d.h. dem Architekten, zur
Kenntnis zu bringen und sich nicht damit zu begnügen, gegenüber einem
untergeordneten Angestellten desselben Bedenken zu äussern. Da nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz klar ersichtlich war, dass
der Bauführer Dick die Tragweite dieser Bedenken nicht erfasste und sie
daher nicht weiterleiten werde, hatte der Beklagte seinerseits dafür zu
sorgen, dass dies geschehe.

    Die vertraglich vorgesehene Schriftlichkeit der Abmahnung ist zwar
nicht Gültigkeitserfordernis, aber sie beruht offenbar auf dem Gedanken,
dass eine schriftliche Anzeige, die vom Unternehmer selber, nicht nur
von seiner Hilfsperson, ausgeht und an den Architekten gerichtet ist,
diesen auch persönlich erreicht, was bei einer bloss mündlichen Abmahnung
nicht so sicher ist. Wollte sich der Beklagte mit einer bloss mündlichen
Anzeige begnügen, was er an sich durfte, so hatte er dafür zu sorgen,
dass sie gleich wirksam sei wie eine schriftliche Anzeige und dass sie dem
verantwortlichen Architekten zur Kenntnis komme. Unterblieb die gebotene
Benachrichtigung, weil der Vorarbeiter des Beklagten weder selber das
Nötige vorkehrte, noch seinen Arbeitgeber von der uneinsichtigen Haltung
des Bauführers unterrichtete, so hat jener, wie bereits ausgeführt wurde,
auf Grund von Art. 101 OR die Folgen daraus auf sich zu nehmen.

    d) Die vorstehende Betrachtungsweise drängt sich auch deshalb auf,
weil an das von Art. 369 OR aufgestellte Erfordernis einer ausdrücklichen
Abmahnung ein strenger Massstab anzulegen ist. Die Tätigkeit des
Unternehmers im Werkvertrag beschränkt sich nicht auf die Lieferung von
Material und die Leistung von Arbeit; er hat ein Werk zu erstellen, für
dessen tadellose Ausführung er einstehen muss. Er kann sich daher nicht
gleich dem Angestellten im Dienstvertrag zu seiner Entlastung darauf
berufen, er habe sich an die ihm gegebenen Weisungen gehalten. Erteilt
ihm der Besteller Weisungen, die er als verfehlt erachtet, so ergibt sich
für ihn ein Konflikt zwischen seiner wesentlichen Pflicht, ein tadelloses
Werk zu liefern, und der Pflicht, sich an die Weisungen des Bestellers,
bzw. des Architekten, zu halten. Der sorgfältige Unternehmer hat alles
vorzukehren, was zur Lösung dieses Konfliktes erforderlich ist.

    e) Der Hauptantrag des Beklagten auf gänzliche Klageabweisung ist
daher zu verwerfen.

Erwägung 4

    4.- a) Das Obergericht hat die Ersatzpflicht des Unternehmers mit
Rücksicht auf die vom Architekten angeordnete Fehlkonstruktion und auf
das Verhalten des Bauführers Dick um 40% ermässigt.

    Die Klägerin wendet mit der Anschlussberufung ein, diese Herabsetzung
verletze die Art. 51, 144 und 44 OR. Sie stellt das Verschulden ihres
Architekten und seines Bauführers nicht in Abrede, macht aber geltend,
der Unternehmer und der Architekt seien ihr gegenüber nach den Grundsätzen
über die unechte Solidarität (Anspruchskonkurrenz) jeder für den ganzen
Schaden haftbar.

    b) Die Klägerin hat diesen Standpunkt im kantonalen Verfahren nicht
eingenommen. Sie ist dazu erst durch die Ausführungen im Urteil des
Obergerichts veranlasst worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten
handelt es sich dabei jedoch nicht um ein unzulässiges neues Vorbringen,
sondern um eine zusätzliche rechtliche Begründung der von der Klägerin
von Anfang an verfochtenen Auffassung, dass eine Ermässigung der Haftung
des Beklagten nicht vorzunehmen sei.

    c) Gemäss Art. 44 OR, der nach Art. 99 Abs. 3 OR auch auf die
vertragliche Haftung sinngemäss anwendbar ist, kann der Richter die
Ersatzpflicht ermässigen, wenn Umstände, für die der Geschädigte einstehen
muss, auf die Entstehung des Schadens eingewirkt haben. Es fragt sich
somit, ob die Klägerin als Bestellerin für das Verhalten ihres Architekten
einzustehen habe.

    Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat Architekt Grunder vom Bureau
Debrunner & Blankart gemäss dem Vertrag und den darin anwendbar erklärten
SIA-Normen "den Bauherrn", d.h. die Klägerin, von der Offerteinholung an
gegenüber den Unternehmern vertreten.

    Der Architekt trat somit nach dem klar ausgedrückten Willen
der Klägerin an deren Stelle für alle mit der Erstellung des Werks
zusammenhängenden Fragen, insbesondere auch in bezug auf die Erfüllung
der Verpflichtungen und Obliegenheiten, die das Gesetz oder der Vertrag
dem Besteller auferlegen.

    Zu den Umständen im Sinne von Art. 44 OR gehört aber nicht nur das
eigene Verhalten des Geschädigten, sondern auch das Verhalten jeder
Hilfsperson, der er die Erfüllung einer Vertragspflicht übertragen
hat (Art. 101 OR). Auf die Natur des Rechtsverhältnisses zwischen dem
Geschädigten und seiner Hilfsperson kommt dabei nichts an. Dieses kann
z.B. ein Auftrag, ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag sein. Der Begriff
der Hilfsperson ist nach der Rechtsprechung sodann weit auszulegen. So
wurde in BGE 82 II 533 Erw. 5 der Käufer einer vermieteten Liegenschaft als
Hilfsperson des Verkäufers für die Erfüllung des von diesem abgeschlossenen
und dem Käufer überbundenen Mietvertrages betrachtet. Im vorliegenden
Falle war der Architekt mit der Ausarbeitung der Pläne, der Vergebung der
Arbeiten an die einzelnen Unternehmer und der Überwachung der Bauausführung
beauftragt; er war somit den Unternehmern gegenüber der allein zuständige
Vertreter des Bauherrn. Es steht daher ausser Zweifel, dass er diesen
den Unternehmern gegenüber durch sein Verhalten verpflichtete. Hätte
der Unternehmer Hofer dem Architekten eine ausdrückliche schriftliche
Anzeige zugestellt, er lehne die Verantwortung für die Ausführung der
ihm vorgeschriebenen Konstruktion ab, so wären die Schadensfolgen der ihm
durch den Architekten erteilten Weisungen unzweifelhaft von der Klägerin
zu tragen und der Beklagte seiner Verantwortung enthoben gewesen. Nichts
anderes kann gelten für ein Verhalten des Architekten, das zwar den
Unternehmer von seiner Haftung nicht völlig zu entlasten vermag, aber
doch zur Entstehung des Schadens beigetragen hat. Die Klägerin muss sich
daher Art. 44 OR entgegenhalten lassen.

    Das steht entgegen der Meinung der Klägerin keineswegs im Widerspruch
mit den Grundsätzen über die Solidarhaftung mehrerer Schuldner bei
sogenannter unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz. Bei dieser
wird zwar die Haftung eines Schädigers gegenüber dem Geschädigten
grundsätzlich nicht dadurch vermindert, dass für den gleichen Schaden noch
ein Dritter einzustehen hat (BGE 93 II 322). Diese Regel gilt jedoch nicht
ausnahmslos. Ist der Dritte gleichzeitig Hilfsperson des Geschädigten in
dessen Vertragsverhältnis zum belangten Schädiger, und muss sich daher der
Geschädigte das Verhalten dieses Dritten gemäss Art. 101 OR als eigenes
Verhalten anrechnen lassen, so kann dem belangten Schädiger nicht verwehrt
sein, sich zu seiner teilweisen Entlastung auf einen Umstand zu berufen,
der als Selbstverschulden des Geschädigten zu werten ist.

    Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Haftung des Beklagten
nicht auch deswegen einzuschränken wäre, weil sein Verschulden durch das
mitwirkende Verschulden des Dritten, also des Architekten, gemindert werde.

    Art. 144 OR, den die Vorinstanz nach der Ansicht der Klägerin ebenfalls
verletzt haben soll, fällt schon deswegen ausser Betracht, weil er echte
Solidarität voraussetzt.

Erwägung 5

    5.- Der Beklagte beantragt mit seinem Eventualbegehren zur
Hauptberufung, den Mitverschuldensabzug zu Lasten der Klägerin von 40%
auf 70% zu erhöhen.

    Auf welchen Betrag dieser Abzug festzusetzen sei, ist eine Frage des
richterlichen Ermessens. In dieses darf das Bundesgericht nur eingreifen,
wenn der kantonale Richter den Ermessensbegriff verkannt hat, indem er
sich von Gesichtspunkten hat leiten lassen, die richtigerweise ausser
Betracht zu bleiben hatten, oder wenn er den Rahmen des zulässigen
Ermessens offensichtlich überschritten hat (BGE 89 II 62).

    Ein Mangel dieser Art haftet dem angefochtenen Entscheid nicht
an. Dem Unternehmer und seiner Hilfsperson, dem Vorarbeiter Müller,
gereicht zum Verschulden, dass sie es an einer ausreichenden Abmahnung
gegenüber der Klägerin bzw. dem sie vertretenden Architekten fehlen
liessen, obwohl sie die Unzulänglichkeit der vorgeschriebenen Ausführung
der Unterlagsböden erkannten. Dem Architekten der Klägerin und damit
dieser selbst fällt ausser dem uneinsichtigen Verhalten des Bauführers
die Wahl einer ungeeigneten Konstruktion zur Last, die er vorschrieb,
ohne sich bei dem mit der Arbeit betrauten Fachunternehmer zu erkundigen,
ob sie den bei einem Geschäftshaus zu erwartenden Ansprüchen genüge.

    Es ist somit beim Architekten und beim Unternehmer der gleiche
Mangel an Sorgfalt bei der Festsetzung der Dicke des Zementüberzuges
festzustellen, und überdies liegt bei beiden ein Verschulden ihrer
Angestellten vor, die, obwohl sie den unterlaufenen Fehler erkannten
bzw. erkennen mussten, die zur Abwendung des Schadens gebotenen Massnahmen
versäumten.

    Das beiderseitige Verschulden ist ungefähr gleichwertig, wobei aber
immerhin dasjenige des Unternehmers als etwas ausgeprägter erscheint:
Seine Hauptverpflichtung ging auf die Lieferung eines Werkes, das der
vorgesehenen Zweckbestimmung genügte; es war daher in erster Linie seine
Sache, für eine einwandfreie Ausführung der Unterlagsböden zu sorgen,
zumal es sich dabei um eine von ihm selber ausgearbeitete Konstruktion
handelte, für deren Ausführung er sich als Spezialist anpries.

    Die vom Obergericht vorgenommene Haftungsaufteilung lässt sich daher
objektiv rechtfertigen, weshalb das Bundesgericht keinen Anlass hat,
an ihr etwas zu ändern.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Haupt- und Anschlussberufung werden abgewiesen und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) vom 11. September 1968
wird bestätigt.