Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 397



95 II 397

56. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1969
i.S. Schnarwiler gegen FLUBAG. Regeste

    Verletzung des Eigentums. Abwehr ungerechtfertigter Einwirkungen.

    1.  Art. 641 Abs. 2 ZGB. Unmittelbare, einer Besitzesstörung im Sinne
des Art. 928 ZGB gleichkommende Einwirkung auf ein Weggrundstück durch
Flugverkehr (Erw. 2 a).

    2.  Art. 646 und 648 ZGB. Jeder Miteigentümer des von der Störung
betroffenen Grundstückes kann die Eigentumsfreiheitsklage erheben,
selbst wenn die andern Miteigentümer mit der Störung einverstanden sind
(Erw. 2 b).

    Im Miteigentum der Nachbarn stehende Weggrundstücke. Grösse der Anteile
(Erw. 2 Anfang).

    3.  Der Einbezug zweier Weggrundstücke, die bisher rein
landwirtschaftlichen Zwecken dienten, in einen Flugplatzbetrieb bedeutet
eine Änderung ihrer Zweckbestimmung. Hiezu bedarf es bei einem im
Miteigentum stehenden Grundstück - sofern nicht einstimmig eine andere
Ordnung vereinbart ist - nach Art. 648 Abs. 2 ZGB der Zustimmung aller
Miteigentümer (Erw. 2 c).

    4.  Klage auf Verbot des Überrollens zweier Weggrundstücke und des
Überfliegens dieser Wege in so geringer Höhe, dass Menschen und Sachen
gefährdet werden (Erw. 4 a). Interesse des Klägers an diesem Verbot (Erw. 4
b). Die Mindestflughöhe braucht nicht im Urteil festgelegt zu werden.
Aufgaben des Eidgenössischen Luftamtes (Art. 44 Abs. 3 Luftfahrtgesetz
und Art. 47, 63 und 81 der dazugehörigen VV) (Erw. 4 c).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Josef Schnarwiler ist Eigentümer einiger westlich des Winakanals
gelegener Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 72'000 m2. Die Flugplatz
Luzern-Beromünster Genossenschaft, deren Vizepräsident er war, betrieb auf
dieser Landfläche einen Flugplatz. Die Zufahrt führt von der Kantonsstrasse
Neudorf-Beromünster über die Weggrundstücke Nr. 690 und 693 GB Neudorf. An
beiden Parzellen ist Schnarwiler als Miteigentümer beteiligt, und zwar am
Grundstück Nr. 690 zur Hälfte und an der Parzelle Nr. 693 zu einem Viertel.

    Am 1. Januar 1966 übernahm die FLUBAG, Flugbetriebs-AG Beromünster,
den Betrieb des Flugplatzes. In der folgenden Zeit erstellte sie einen
neuen Flugplatz östlich des Winakanals und gestaltete die im neuen
Flugfeld gelegenen Weggrundstücke Nr. 690 und 693 für den Flugbetrieb
aus, nachdem sie von den Miteigentümern - ausser Josef Schnarwiler -
die schriftliche Zustimmung zum Überrollen und Überfliegen der beiden
Grundstücke eingeholt hatte. Am 1. Oktober 1967 wurde der Flugbetrieb
auf dem neuen Flugfeld aufgenommen.

    B.- Am 7. September 1967 erhob Josef Schnarwiler beim Amtsgericht
Sursee gegen die FLUBAG Klage mit den im Verfahren wie folgt formulierten
Rechtsbegehren: Der Beklagten seien Flug- und Flugplatzverkehr auf Piste,
Rollfeld, Rollweg und Landebereich ihres Flugplatzes als ungerechtfertigte
Einwirkungen auf die Wegparzellen Nr. 690 und 693 GB Neudorf richterlich
zu untersagen. Ferner sei der Beklagten unter Androhung von Haft oder
Busse richterlich zu verbieten, dass Verkehr und Sicherheit von Personen
und Sachen auf den Wegparzellen Nr. 690 und 693 GB Neudorf durch Flug-
und Flugplatzverkehr auf Piste, Rollfeld, Rollweg und Landebereich des
Flugplatzes oder auf andere Weise beeinträchtigt oder gefährdet werden.

    Das Amtsgericht von Sursee wies die Klage ab.

    C.- Das Obergericht des Kantons Luzern hiess dagegen am 4. November
1968 die Appellation des Klägers teilweise gut und verbot der Beklagten
unter Androhung von Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB im Falle
der Widerhandlung, die Grundstücke Nr. 690 und 693 mit Flugzeugen zu
überrollen. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

    Das Obergericht stellte fest, dass die Beklagte seit geraumer Zeit
Flugzeuge über die beiden Wege rollen lasse, was eine ungerechtfertigte
Einwirkung auf das Eigentum des Klägers darstelle. Sie berufe sich
zu Unrecht auf den Umstand, dass die andern Miteigentümer mit der
Inanspruchnahme der Wegparzellen einverstanden seien. Es handle sich um
eine Veränderung der Zweckbestimmung dieser Grundstücke, die von den
Miteigentümern gemäss Art. 648 Abs. 2 ZGB nur einstimmig beschlossen
werden könne. Indem der Kläger sich gegen den Eingriff der Beklagten zur
Wehr setze, habe er sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Soweit der
Kläger indessen der Beklagten verbieten lassen wolle, den Verkehr und
die Sicherheit von Personen und Sachen auf den Wegparzellen auf andere
Weise als durch den Flug- und Flugplatzverkehr auf Piste, Rollfeld,
Rollweg und Landebereich des Flugplatzes zu beeinträchtigen, könne ein
Zuspruch nicht erfolgen, weil ein solches Urteil wegen seines unbestimmten
Inhaltes gar nicht vollstreckbar wäre. Der Kläger habe deshalb kein
schutzwürdiges Interesse an der Gutheissung dieses Begehrens. Das Gleiche
gelte auch hinsichtlich des Klagebegehrens auf Untersagung des Flug- und
Flugplatzverkehrs, insofern es sich um das Überfliegen der Wegparzellen
handle. Vollstreckbar wäre nur ein Verbot, die beiden Weggrundstücke
unterhalb einer bestimmten Höhe zu überfliegen. Der Kläger habe es jedoch
unterlassen, sein Begehren in diesem Sinne zu präzisieren. Übrigens fehle
es insoweit auch an genügenden Sachbehauptungen.

    D.- Der Kläger führt gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Luzern vom 4. November 1968 Berufung an das Bundesgericht mit den
folgenden Anträgen:

    "1. Der Beklagten seien Flug- und Flugplatzverkehr auf Piste,
Rollfeld, Rollweg und Landebereich ihres Flugplatzes als ungerechtfertigte
Einwirkungen auf die Wegparzellen Nr. 690 und 693 GB Neudorf richterlich
zu verbieten.

    2. Der Beklagten sei unter Androhung von Haft oder Busse richterlich
zu verbieten, Verkehr und Sicherheit von Personen und Sachen auf den
Wegparzellen Nr. 690 und 693 GB Neudorf durch Flug- und Flugplatzverkehr
auf Piste, Rollfeld, Rollweg und Landebereich des Flugplatzes zu
beeinträchtigen und durch eine Flughöhe startender und landender Flugzeuge
von unter 60 m zu gefährden. 3. Evtl. sei die Sache zur Durchführung einer
flug- und sicherheitstechnischen Expertise und neuerlichen Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen."

    E.- Die Beklagte hat ihrerseits eine Berufung beim Bundesgericht
eingelegt und beantragt sinngemäss die Abweisung der Klage.

    F.- Beide Parteien beantragen in der Berufungsantwort die Abweisung
der wechselseitigen Berufungen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- ...

Erwägung 2

    2.- Im Grundbuch sind keine Quoten der einzelnen Miteigentümer an den
beiden Wegparzellen eingetragen. Es handelt sich jedoch um sog. Realrechte,
weil das Miteigentum dem jeweiligen Eigentümer der den Wegparzellen
benachbarten Grundstücke zusteht. Die Grösse der Anteile richtet sich
somit nach diesem Besitz (vgl. MEIER-HAYOZ, Kommentar, N. 9 und 36 und
HAAB, Kommentar, N. 2 zu Art. 646 ZGB).

    Beim gegebenen Sachverhalt stellt sich in erster Linie die Frage,
ob sich der Kläger den Eingriff der Beklagten in sein Eigentum gefallen
lassen muss oder nicht.

    a) Gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB hat der Eigentümer einer Sache das Recht,
jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren. Ungerechtfertigt ist eine
Einwirkung immer dann, wenn sie eine unmittelbare ist und somit einer
Besitzesstörung im Sinne von Art. 928 ZGB gleichkommt, es sei denn, der
Störer könne sich zu seiner Rechtfertigung auf eine gesetzliche Vorschrift
oder auf ein dingliches oder vertragliches Recht berufen (BGE 88 II 267
mit Verweisungen; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom
23. Februar 1967 i.S. Erni und Cie c. Galetti; MEIER-HAYOZ, aaO, N. 63
Abs. 2, HAAB, a.a.o., N. 42 und LEEMANN, N. 38 zu Art. 641 ZGB). Indem
Flugzeuge über die beiden Wege rollen und sie in niedriger Höhe
überfliegen, wird zweifellos eine Besitzesstörung bewirkt. Die Beklagte
kann sich zur Rechtfertigung weder auf eine gesetzliche Vorschrift noch auf
ein dingliches oder vertragliches Recht gegenüber dem Kläger, welcher dem
Überrollen und Überfliegen der Wegparzellen nie zugestimmt hat, stützen.

    Entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes von Sursee ist die Häufigkeit
der Störung oder der Umstand, dass beim Start und bei der Landung der
Flugzeuge auf die Wegbenützer Rücksicht genommen wird, unerheblich. Trotz
der nötigen Rücksichtnahme kann nicht verhindert werden, dass die
Wegberechtigten den Weg nicht benützen können, solange ein Flugzeug startet
oder landet. Aus diesem Grunde ist auch die Berechnung, welche die Beklagte
in ihrer Berufungsschrift über die zeitliche Inanspruchnahme der Wege durch
landende oder startende Flugzeuge vorgenommen hat, bedeutungslos. Zudem
dürfte man einer solchen Berechnung nicht nur die Zeit, die ein Flugzeug
zum Überrollen oder Überfliegen eines Weges braucht, zugrunde legen,
wie es die Beklagte getan hat, sondern es wäre auch die Zeitspanne zu
berücksichtigen, die bei jeder Flugbewegung aus Sicherheitsgründen vor
dem Begehen oder Befahren des Weges abgewartet werden muss.

    Die Beklagte beruft sich auf MEIER-HAYOZ, aaO, N. 63 Abs. 1 zu
Art. 641 ZGB, wonach sich die Kriterien für die Bestimmung, ob ein
Eingriff ungerechtfertigt sei, nicht dem Art. 641 Abs. 2 ZGB entnehmen
lassen, sondern zum Teil vom Gesetzgeber in den Bestimmungen des
Nachbarrechts gegeben worden sind und zum Teil vom Richter auf dem Wege der
Rechtsfindung festgelegt werden müssen. Auf den vorliegenden Fall findet
diese Kommentarstelle jedoch keine Anwendung, weil es sich eben nicht um
eine Verletzung der Bestimmungen über das Nachbarrecht handelt. Es liegt
vielmehr eine Besitzesstörung und damit eine unmittelbare Verletzung des
Eigentums des Klägers vor.

    b) Die Tatsache, dass der Kläger nur Miteigentümer und nicht
Alleineigentümer der Wegparzellen Nr. 690 und 693 ist, vermag an sich
seinen Anspruch aus Art. 641 Abs. 2 ZGB nicht in Frage zu stellen. Jeder
Miteigentümer ist befugt, sich gegen ungerechtfertigte Einwirkungen auf
sein Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage zu wehren und zwar nicht
bloss gegen Störungen Dritter, sondern auch gegen solche von Miteigentümern
(MEIER-HAYOZ, aaO, N. 60 zu Art. 641 und N. 64 und 71 zu Art. 646 ZGB;
HAAB, aaO, N. 2 zu Art. 648 ZGB). Es spielt deshalb keine Rolle, dass
sich im vorliegenden Fall andere Miteigentümer mit der Störung ausdrücklich
einverstanden erklärt haben oder dagegen nicht eingeschritten sind.

    Art. 648 Abs. 1 ZGB steht dem Vorgehen des Klägers ebenfalls nicht
im Wege. Nach dieser Vorschrift ist jeder Miteigentümer befugt, die
Sache insoweit zu vertreten, zu gebrauchen und zu nutzen, als es mit den
Rechten der andern verträglich ist. Das Überrollen und Überfliegen der
Wege verträgt sich nicht mit dem Recht des Klägers auf ihre ungehinderte
Benützung. Ebensowenig wie die Errichtung einer entsprechenden
Dienstbarkeit zulasten einzelner Miteigentumsanteile zulässig wäre
(LIVER, Kommentar, N. 18 der Einleitung und N. 22 zu Art. 730 ZGB),
kann eine inhaltlich ähnliche vertragliche Abmachung zwischen den andern
Miteigentümern und der Beklagten den Kläger binden.

    c) Nachdem die Beklagte ihren Anspruch nicht auf Art. 641 ZGB stützen
kann, bleibt zu prüfen, ob der Kläger auf Grund anderer Vorschriften über
das Miteigentum gehalten ist, den Eingriff der Beklagten zu dulden.

    Gemäss Art. 647 b ZGB können wichtigere Verwaltungshandlungen mit
Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer, die zugleich den grössern
Teil der Sache vertritt, durchgeführt werden. Darunter fallen u.a. nach
der gesetzlichen Aufzählung, die nicht abschliessend ist, die Änderung der
Kulturart oder Benutzungsweise und der Abschluss und die Auflösung von
Miet- oder Pachtverträgen. Im vorliegenden Fall ist jedoch kein solcher
Beschluss der Mehrheit der Miteigentümer nachgewiesen worden. Hinsichtlich
der Wegparzelle Nr. 690 wäre ein solcher Beschluss gar nicht möglich,
da der Kläger zur Hälfte Miteigentümer dieser Parzelle ist. Entscheidend
ist jedoch, dass hier nicht bloss eine wichtigere Verwaltungshandlung,
sondern eine Veränderung der Zweckbestimmung der Grundstücke in Frage
steht, die nach Art. 648 Abs. 2 ZGB der Zustimmung aller Miteigentümer
bedarf, sofern diese nicht - was im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen
ist - einstimmig eine andere Ordnung vereinbart haben.

    Die beiden Weggrundstücke dienten früher rein landwirtschaftlichen
Zwecken, nämlich als Zugang zu den landwirtschaftlich beworbenen
Grundstücken, an die sie östlich und westlich des Winakanals
grenzen. Später wurden sie freilich auch als Zufahrtswege zum Flugplatz
westlich der Wina, den die Luzern-Beromünster-Genossenschaft bis
zum 31. Dezember 1965 und nachher die Beklagte auf den Grundstücken
Nr. 280 (GB Beromünster), 696 und 698 (GB Neudorf) betrieben haben,
benützt. In beiden Fällen wurden die Wege aber im wesentlichen nur in ihrer
Längsrichtung befahren. In der Berufungsschrift der Beklagten ist auch von
Querüberrollungen die Rede, die bei der Wegparzelle Nr. 693 gelegentlich
vorkommen konnten, wenn Kaspar Erni, dem die Grundstücke Nr. 714 und
692 beidseits dieser Parzelle gehören, bei landwirtschaftlichen Arbeiten
vom einen auf das andere Grundstück fuhr. Das lässt sich jedoch mit dem
Überrollen und Überfliegen durch Flugzeuge nicht vergleichen.

    Demgegenüber bewirkt die Tatsache, dass die beiden Wege in den
Flugplatz der Beklagten einbezogen und demzufolge sehr häufig überrollt
und überflogen werden, zweifellos eine Änderung in der Zweckbestimmung
der Wegparzellen. Zwar müssen sie nach wie vor als Zufahrtswege zu den
Grundstücken des Klägers und Fritz Hüslers westlich der Wina, die keine
andere Verbindung zur Kantonsstrasse haben, dienen. Diese Benützungsart
der beiden Wegparzellen tritt aber gegenüber der Tatsache, dass sie
zum Bestandteil eines Flugplatzes geworden sind, in den Hintergrund. Es
handelt sich daher nicht um eine blosse Änderung in der Benutzungsweise
im Sinne von Art. 647 b ZGB, sondern um eine einschneidende Änderung der
wirtschaftlichen Art der beiden Parzellen, wobei der bisherige Zweck zu
einem nebensächlichen geworden ist (MEIER- HAYOZ, aaO, N. 33 zu Art. 648
ZGB und HAAB, aaO, N. 10 zu Art. 647 ZGB).

    Es nützt der Beklagten auch nichts, dass sie sich darauf beruft,
sie habe die Grundstücke Nr. 691, 692 und 714 gepachtet und dürfe somit
auch die Rechte ausüben, die den Eigentümern dieser Grundstücke an den
Miteigentumsanteilen der Wegparzellen Nr. 690 und 693 zustehen. Das ist an
sich zutreffend; doch können dem Pächter eines Miteigentumsanteils nicht
mehr Rechte gegenüber den andern Miteigentümern zustehen als dem Verpächter
selber. Wenn dieser nicht zu einer Veränderung der Zweckbestimmung der
Sache befugt ist, kann es auch der Pächter nicht sein.

    Es ist aus den gleichen Gründen belanglos, dass die Beklagte
angeblich durch Erwerb einer vom Grundstück Nr. 689 abgetrennten Parzelle
Miteigentümerin der Wegparzelle Nr. 690 geworden ist. Dass diese neue
Tatsache gestützt auf Art. 55 Abs. 1 lit. c OG im Berufungsverfahren
nicht berücksichtigt werden kann, benachteiligt sie deshalb nicht.

    3 ...

Erwägung 4

    4.- Es bleibt zu prüfen, ob die Berufung des Klägers begründet
ist. Dabei stellt sich die Frage, ob das Obergericht des Kantons Luzern
mit Recht nur das Überrollen und nicht auch das Überfliegen der beiden
Wegparzellen verboten hat.

    a) Der Kläger hatte vor dem kantonalen Obergericht zwei Rechtsbegehren
gestellt, mit denen er dem Wortlaut nach der Beklagten verbieten lassen
wollte, mit dem Flugplatzbetrieb einerseits ungerechtfertigt auf die
Wegparzellen Nr. 690 und 693 "einzuwirken" und anderseits Verkehr und
Sicherheit von Personen und Sachen auf diesen Parzellen "auf andere
Weise" zu beeinträchtigen und zu gefährden. Wie die Vorinstanz zutreffend
ausgeführt hat, richten sich diese Begehren dem Sinne nach gegen das
Überrollen und Überfliegen der beiden Parzellen im Zusammenhang mit dem
Flugplatzbetrieb der Beklagten. Aus der Klagebegründung konnte zudem
ersehen werden, dass sich der Kläger nur insoweit gegen das Überfliegen
der Wegparzellen zur Wehr setzt, als es in so niedriger Höhe erfolgt,
dass Menschen und Sachen gefährdet werden. Daraus ergibt sich weiter,
dass der Kläger seinen Abwehranspruch entgegen dem Wortlaut seines ersten
Rechtsbegehrens nicht auf die Vorschriften des Nachbarrechts stützt, also
nicht klagt, weil die Beklagte ihr Eigentumsrecht dadurch überschreitet,
dass sie in übermässiger Weise auf die beiden Wegparzellen einwirkt
(Art. 679 und 684 ZGB). Er wendet sich vielmehr nur gegen die unmittelbare
Verletzung seines Eigentums, also gegen eine Besitzesstörung, die nach
Art. 641 ZGB zu beurteilen ist, wie bereits in Erw. 2 a dargetan wurde.

    b) Gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund
und Boden nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit
für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. Dieses Interesse
ist hinsichtlich des Luftraumes über einem Grundstück mindestens
soweit gegeben, als Menschen und Sachen, die sich darauf befinden,
durch den Luftverkehr konkret gefährdet sind. Der Kläger hat mit seinen
Rechtsbegehren und Vorbringen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den
Luftraum über seinem Grundstück nur innerhalb dieses Mindestanspruches
geschützt haben will. Das kantonale Obergericht hat dem Kläger daher
zu Unrecht ein Interesse am Verbot des Überfliegens der Wegparzellen in
niedriger Höhe abgesprochen und erklärt, er hätte in seinem Rechtsbegehren
Nr. 1 präzisieren müssen, unterhalb welcher Flughöhe das Überfliegen
verboten werden solle. Ebensowenig trifft die Bemerkung des Obergerichtes
zu, es fehle in dieser Beziehung an genügenden Sachbehauptungen. Indem
es das Begehren, der Beklagten sei das Überfliegen der Wegparzellen in
niedriger Höhe zu verbieten, aus prozessualen Gründen abgewiesen hat, ist
das Bundeszivilrecht verletzt worden. Das Begehren wurde - wenn auch mit
unklarem Wortlaut - ordnungsgemäss angebracht und war daher materiell zu
behandeln (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im
schweizerischen Recht, S. 60; GULDENER, Bundesprivatrecht und kantonales
Zivilprozessrecht, ZSR 1961 II S. 23 ff.; VOYAME, Droit privé fédéral et
procédure civile cantonale, ebendort S. 70 ff.).

    c) Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Rechtsbegehren Nr. 2 dahin
ergänzt, dass der Beklagten zu verbieten sei, beim Starten und Landen
eine Flughöhe unter 60 m einzuhalten. Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. b
OG sind jedoch neue Begehren im Berufungsverfahren vor Bundesgericht
ausgeschlossen. Dieses Verbot gilt auch für Ergänzungen, die gegenüber den
vor der letzten kantonalen Instanz gestellten Begehren materiellrechtlich
abweichen, hingegen nicht für blosse Verdeutlichungen.

    Ob der Kläger eine Verdeutlichung oder eine materielle Ergänzung
angebracht hat, kann indessen offen bleiben, weil sein ursprüngliches
Rechtsbegehren, richtig aufgefasst, gar keiner Ergänzung bedarf. Es braucht
nicht festgelegt zu werden, welche Mindestflughöhe in Metern eingehalten
werden muss, damit Menschen oder Sachen beim Überfliegen der Wegparzellen
nicht gefährdet werden. Vielmehr wird das Eidgenössische Luftamt, das die
Bewilligung zum Betrieb des Flugplatzes erteilt hat, zu prüfen haben, ob
der Flugbetrieb trotz der Beschränkungen, die sich aus dem Eigentumsrecht
des Klägers an den beiden Wegparzellen ergeben, weiterhin aufrecht
erhalten werden kann oder ob die Sicherheit der Luftfahrt erfordert, die
Bewilligung zu entziehen, bis sich der Kläger und die Beklagte über den
Einbezug der beiden Wegparzellen in den Flugbetrieb geeinigt haben werden
(vgl. Art. 44 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember
1948 sowie Art. 47, 63 und 81 der dazugehörigen Vollziehungsverordnung vom
5. Juni 1950, AS 1950 I S. 471 ff.). Bei Start und Landung von Flugzeugen
besitzen die üblichen Höhenvorschriften gemäss Art. 18 Abs. 3 der Verfügung
des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes über
die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge vom 20. Mai 1967 (AS 1967 S. 923
ff. und 1968 S. 157 ff.) ohnehin keine Geltung. Noch weniger könnte es
Aufgabe des Zivilrichters sein, bestimmte Flughöhen vorzuschreiben. Seine
Zuständigkeit beschränkt sich auf den privatrechtlichen Schutz des
Eigentums gegen Besitzesstörungen und übermässige Immissionen (vgl. A. BAI,
Luftrecht und Grundeigentum, Zürcher Diss. 1955, S. 92 f., 198 f. und 255
f.). Soweit der Flug- und Flugplatzverkehr auf Piste, Rollfeld, Rollweg
und Landebereich des Flugplatzes eine Besitzesstörung an den Parzellen
Nr. 690 und 693 darstellt, ist die Berufung des Klägers begründet, und
seine Rechtsbegehren sind in diesem Sinne gutzuheissen. Hingegen kann der
Flugbetrieb im genannten Umfange nicht schlechthin verboten werden, wie es
das Rechtsbegehren Nr. 1 entsprechend seinem Wortlaut verlangt. Ein solches
Verbot liesse sich nur rechtfertigen, wenn vom Flugplatzbetrieb übermässig
auf die fraglichen Wegparzellen eingewirkt würde (Art. 684 ZGB), ohne dass
eine unmittelbare Verletzung des Eigentumsrechts stattfände. Dergleichen
wird vom Kläger aber nicht einmal behauptet.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Berufung der Berufungsbeklagten wird abgewiesen.

    2.- Die Berufung des Berufungsklägers wird im Sinne der Erwägungen
gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern (I. Kammer)
vom 4. November 1968 aufgehoben und der Berufungsbeklagten verboten,
die Wegparzellen Nr. 690 und 693 GB Neudorf mit Flugzeugen zu überrollen
und in so niedriger Höhe zu überfliegen, dass die Sicherheit von Menschen
und Sachen auf diesen Parzellen gefährdet wird. Widerhandlungen werden
auf Antrag des Berechtigten gemäss Art. 292 StGB mit Haft oder mit Busse
bestraft.