Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 200



95 II 200

25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Mai 1969 i.S. H. Frei & Sohn
gegen O. Huber und Mitbeteiligte. Regeste

    Art. 47 Abs. 1 und 2 OG. Berechnung des Streitwertes.  Keine
Zusammenrechnung der Ansprüche bei Haupt-und Interventionsklage.

Sachverhalt

    A.- Fritz Memper verpflichtete sich gegenüber Willi Uhlmann durch
Werkvertrag vom 8. Juni 1960 und verschiedene Nachträge dazu, auf einer
von Uhlmann zu erwerbenden Parzelle in Birmensdorf ein schlüsselfertiges
Einfamilienhaus zu erstellen, das am 15. Mai 1961 bezugsbereit sein
sollte. Uhlmann versprach ihm für das Land und das Haus einen festen Preis.

    Memper sah sich jedoch wegen Zahlungsunfähigkeit und aus anderen
Gründen ausserstande, das erwähnte Werk und weitere Einfamilienhäuser,
die er in Birmensdorf hatte errichten wollen, zu den vereinbarten Preisen
zu beenden. Er stellte die Arbeit ein und forderte von den Bestellern
höhere Preise.

    Uhlmann setzte ihn in Verzug und verlangte Schadenersatz. Memper
anerkannte die bezüglichen Forderungen Uhlmanns in einer Vereinbarung
vom 4. Dezember 1961.

    Anfangs 1962 verhandelte Memper mit Uhlmann und anderen Bestellern
über die Fertigstellung der Häuser. Die Firma H. Frei & Sohn, die als
Hauptgläubigerin Mempers interessiert war, den Konkurs über dessen Vermögen
zu vermeiden, nahm an den Verhandlungen teil und versprach Uhlmann am 31.
Januar 1962 unter anderem, das Haus fertigzustellen.

    B.- Am 13. Oktober 1964 reichte Uhlmann gegen H. Frei & Sohn beim
Bezirksgericht Andelfingen unter Berufung auf diese Vereinbarung eine
Forderungsklage ein, deren Betrag er ilm erstinstanzlichen Verfahren auf
Fr. 10 577.20 nebst Zins herabsetzte. In dieses Guthaben bezog er unter
anderem Fr. 5 359.90 ein, welche die noch nicht befriedigten Handwerker
Oskar Huber, Werner Baur, Werner Bissig, Otto Keller und Ernst Waltenspül
für Arbeiten an seinem Hause geltend machten.

    Mit fünf verschiedenen Klagen vom 13. und 14. April 1965 beantragten
Huber, Baur, Bissig, Keller und Waltenspül dem Bezirksgericht Andelfingen,
die Firma H. Frei & Sohn zu verpflichten, die Beträge ihrer Forderungen
(zusammen Fr. 5 359.90) nebst Zins an sie zu zahlen. Sie beanspruchten im
Prozesse Uhlmann gegen H. Frei & Sohn die Stellung als Hauptintervenienten
im Sinne des § 40 zürch. ZPO.

    Das Bezirksgericht vertrat die Auffassung, durch die Hauptintervention
entstehe ein neuer selbständiger Prozess, in dem die Intervenienten
gegen H. Frei & Sohn auf Leistung und gegen Uhlmann auf Feststellung
klagten. Es vereinigte gemäss § 40 Abs. 2 ZPO die beiden Prozesse und
fällte am 18. Dezember 1967 ein einziges Urteil. Es wies die Klage
Uhlmanns gegen H. Frei & Sohn ab, verpflichtete dagegen H. Frei & Sohn,
den fünf Intervenienten ihre Forderungen von zusammen Fr. 5 359.90 nebst
Zins zu begleichen.

    C.- Uhlmann und H. Frei & Sohn zogen die Sache an das Obergericht
des Kantons Zürich weiter. Uhlmann beantragte, seine Klage insoweit
gutzuheissen, als sie nicht die Forderung der Hauptintervenienten betrifft,
nämlich im Umfang von Fr. 5 217.30 nebst Zins. H. Frei & Sohn stellte
den Antrag, nicht nur die Klage Uhlmanns, sondern auch die Klagen der
Intervenienten abzuweisen.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hiess mit Urteil vom 21. Januar
1969 die Klage Uhlmanns dahin teilweise gut, dass es H. Frei & Sohn
verpflichtete, Uhlmann Fr. 4 353.30 nebst Zins zu zahlen. Hinsichtlich
der Klagen der Intervenienten bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.

    D.- Die Firma H. Frei & Sohn hat gegen das Urteil des Obergerichtes
die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Klage Uhlmanns
und die Klagen der Intervenienten abzuweisen.

    Uhlmann und die Intervenienten beantragen, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    In Zivilstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, soweit
sie nicht unter Art. 45 OG fallen, ist die Berufung nur zulässig, wenn
der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten
kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 8 000.-- beträgt
(Art. 46 OG). Ob dieser Streitwert erreicht ist, hängt im vorliegenden
Falle davon ab, ob die Ansprüche Uhlmanns und der fünf Intervenienten
zusammenzurechnen sind.

    Art. 47 Abs. 1 OG sieht die Zusammenrechnung vor, wenn mehrere sich
nicht gegenseitig ausschliessende Ansprüche in ein und derselben Klage
geltend gemacht werden, sei es von einem Kläger, sei es von Streitgenossen.

    Darnach belief sich im vorliegenden Fall der Streitwert im
erstinstanzlichen Verfahren auf Fr. 10 577.20. Uhlmann hatte mehrere
sich nicht gegenseitig ausschliessende Ansprüche, die zusammen diesen
Betrag erreichten, zum Gegenstand seiner Klage gemacht. Auf die Klage
der Intervenienten kam nichts an. Der Streitwert betrug nicht Fr. 15
937.10, denn der Teilbetrag von Fr. 5 359.90, der den Rechnungen der fünf
intervenierenden Handwerker entsprach, war nicht mit der Begründung,
er werde sowohl von Uhlmann als auch von den Intervenienten gefordert,
doppelt zu zählen. Die Forderungen der Intervenienten schlossen den
Anspruch Uhlmanns aus, was denn auch Voraussetzung der Intervention im
Sinne des § 40 Abs. 1 zürch. ZPO war. Sich gegenseitig ausschliessende
Ansprüche aber sind nach dem Wortlaut des Art. 47 Abs. 1 OG bei der
Bestimmung des Streitwertes nie zusammenzurechnen. Das dürfte der Grund
sein, aus dem Art. 47 OG den Fall der Hauptintervention nicht besonders
erwähnt, im Gegensatz zum Fall der Hauptklage und der Widerklage, deren
Ansprüche einander nicht immer ausschliessen (Art. 47 Abs. 2 und 3 OG).

    Uhlmann hat nun aber für den Betrag von Fr. 5 359.90 der Rechnungen
der Intervenienten vor der oberen kantonalen Instanz keine Forderung
mehr gestellt. Dieser Betrag fällt daher gemäss Art. 46 OG als Forderung
Uhlmanns für die Beurteilung der Berufungsfähigkeit nicht mehr in Betracht.

    Es wurde jedoch um ihn vor dem Obergericht noch als Forderung der
Intervenienten weitergestritten. Unter diesem Geisichtspunkt würde er den
Streitwert weiterhin beeinflussen, wenn Uhlmann einerseits und die fünf
Intervenienten anderseits im Sinne des Art. 47 Abs. 1 OG Streitgenossen
wären. Ob diese Voraussetzung überhaupt erfüllt werden kann, wenn, wie im
vorliegenden Falle, mehrere Personen getrennt klagen und die Verfahren
erst nachträglich, durch Beschluss des Gerichtes, vereinigt werden,
kann wie in BGE 86 II 62 offen bleiben. Die vom Bezirksgericht gemäss §
40 Abs. 2 ZPO nach freiem Ermessen beschlossene Vereinigung der Prozesse
wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 47 Abs. 1 OG jedenfalls nur dann
erheblich, wenn sie Uhlmann oder H. Frei & Sohn im Sinne des kantonalen
Prozessrechtes zu Streitgenossen der Intervenienten gemacht hätte. Das
traf nicht zu. Beide kantonalen Instanzen führen für das Bundesgericht
verbindlich aus, die Klagen der Intervenienten seien sowohl gegen Uhlmann
als auch gegen H. Frei & Sohn gerichtet. Das leuchtet denn auch ein,
denn die Intervenienten machten dem Kläger Uhlmann den Anspruch gegen
H. Frei & Sohn streitig, d.h. sie behaupteten, ein seinen Anspruch
ausschliessendes Recht am Streitgegenstand zu haben. Streitgenossenschaft
hätte höchstens insoweit in Frage kommen können, als Uhlmann einerseits
und die Intervenienten anderseits gegen H. Frei & Sohn Forderungen geltend
machten, die einander nicht ausschlossen, nämlich Uhlmann solche von Fr. 5
217.30 für Verzugsschaden usw. und die Intervenienten Forderungen von
Fr. 5 359.90 für geleistete Handwerkerarbeit. Die Prozesse wurden jedoch
nicht wegen dieser sich gegenseitig nicht ausschliessenden Forderungen
vereinigt, weder auf Antrag der Parteien, wie er Voraussetzung der
Streitgenossenschaft gewesen wäre (STRÄULI/HAUSER Bem. II b vor § 37
ZPO; BIZüR 30 Nr. 62, 31 Nr. 5; BGE 86 II 63), noch von Amtes wegen. Die
Vereinigung fand ausschliesslich wegen des behaupteten besseren Rechtes der
Intervenienten auf die Forderungen von Fr. 5 359.90 statt, und dass auch
die Forderungen Uhlmanns von Fr. 5 217.30 im gleichen Prozess und Urteil
behandelt wurden, war eine bloss zufällige Folge. Streitgenossenschaft
entstand dadurch hinsichtlich der Forderungen der Intervenienten von
Fr. 5 359.90 einerseits und der Forderungen Uhlmanns von Fr. 5 217.30
anderseits nicht.

    Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man, weil der Hauptintervenient
wie der Widerkläger eine selbständige Klage erhebt, Art. 47 Abs. 2
OG sinngemäss anwendet. Der Betrag der Interventionsklage ist darnach
nicht zu dem der Hauptklage hinzuzurechnen, selbst dann nicht, wenn der
Hauptkläger das vom Intervenienten beanspruchte Recht vor der letzten
kantonalen Instanz nicht mehr geltend macht, sondern dort nur noch andere,
von der Intervention nicht betroffene Ansprüche weiterverfolgt.

    Auf die Berufung von H. Frei & Sohn kann daher nicht eingetreten
werden, weder soweit sie die Hauptklage, noch soweit sie die
Interventionsklage betrifft. Der Streitwert der Hauptklage erreichte vor
der letzten kantonalen Instanz nur noch Fr. 5 217.30, und der Streitwert
der Interventionsklage belief sich stets nur auf Fr. 5 359.90.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.