Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 157



95 II 157

21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Februar 1969
i.S. Genossenschaft zum Schutze der privaten Aktionäre der BLS gegen
Berner Alpenbahngesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon. Regeste

    Art. 697 OR. Das Recht auf Auskunfterteilung ist ein selbständiges
Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs (Erw. 4).

    Der Grundsatz der Gleichbehandlung gewährleistet keine absolute
Gleichbehandlung aller Aktionäre. Er ist nicht verletzt, wenn die
unterschiedliche Behandlung von Aktionären nicht unsachlich, sondern ein
angemessenes Mittel zur Erreichung eines gerechtfertigten Zweckes ist
(Bestätigung der Rechtsprechung). Kognitionsbefugnis des Richters bei
der Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen (Erw. 9).

    Veranschaulichung des Grundsatzes (Erw. 10-19).

Sachverhalt

    A.- Die im Jahre 1906 gegründete "Berner Alpenbahngesellschaft
Bern-Lötschberg-Simplon" (BLS) ist eine Aktiengesellschaft zur Verwaltung
und zum Betrieb der Eisenbahnlinien Scherligen-Spiez-Frutigen-Brig,
Spiez-Interlaken-Bönigen und Münster-Grenchen-Lengnau, sowie des
Schiffbetriebes auf dem Thuner- und Brienzersee, nach Massgabe der
zugehörigen Konzessionen und der einschlägigen eidg. und kantonalen
Gesetzgebung (Art. 1 der Statuten).

    Bund und Kanton Bern sind Hauptaktionäre der BLS.

    Die BLS bildet zusammen mit der Bern-Neuenburg-Bahn (BN),
der Gürbetal-Schwarzenburg-Bahn (GBS) und der Simmentalbahn
Spiez-Erlenbach-Zweisimmen (SEZ) eine Betriebsgemeinschaft. Die
verschiedenen Bahnen sind rechtlich selbständig, in personeller und
technischer Hinsicht dagegen sehr eng miteinander verbunden. Nach
Verhandlungen, die sich über Jahre erstreckten, erklärte sich der Bund
im Jahre 1966 bereit, die Bahnen der "BLS-Betriebsgemeinschaft" mit
Aktiven und Passiven zu übernehmen. Der Übergang der einzelnen Bahnen
bildete Gegenstand besonderer Verträge. Der Bund offerierte für die von
der BLS mitbetriebenen defizitären Nebenbahnen eine Entschädigung von 5%
des Prioritätsaktienkapitals.

    Am 2. September 1966 schlossen der Bundesrat und der Verwaltungsrat der
BLS betreffend die Übernahme der BLS durch den Bund folgenden Vertrag ab:

    "Art. 1 1. Die BLS tritt ihre gesamten Aktiven and Passiven gemäss
Bilanz per 31. Dezember 1965 und den bis zum Zeitpunkt der Übergabe aus
der normalen Unternehmungsführung eintretenden Veränderungen dem Bund ab.

    2. Zu den übernommenen Aktiven und Passiven gehören namentlich die
Eisenbahnlinien Scherzligen-Spiez-Frutigen-Brig, Spiez-Interlaken-Bönigen
und Münster-Grenchen-Lengnau sowie der Schiffsbetrieb auf dem Thuner-
und Brienzersee mit sämtlichen Anlagen, Einrichtungen, Fahrzeugen und
Schiffen, die Liegenschaften, Beteiligungen und Nebengeschäfte, das
Betriebsvermögen, das Vermögen der Pensions- und Hilfskasse sowie der
Personal-Krankenkasse, die offenen und stillen Reserven sowie die festen
und laufenden Verbindlichkeiten.

    3. Der Bund übernimmt diese Aktiven und Passiven mit allen Rechten
und Pflichten gemäss Art. 751 des Schweizerischen Obligationenrechts,
ohne dass eine Liquidation der BLS durchgeführt wird.

    4. Die Aktiven und Passiven der BLS sollen auf das Ende des
Jahres, in dem dieser Vertrag gemäss Art. 6 hiernach rechtsgültig wird
(Übergabetermin), auf den Bund übergehen. Auf diesen Zeitpunkt hat
daher die BLS den Beschluss ihrer Generalversammlung auf Auflösung der
Gesellschaft im Handelsregister eintragen zu lassen.

    Art. 2

    1. Als Gegenleistung vergütet der Bund den Aktionären und
Genusscheininhabern der BLS den derzeitigen Nennwert ihrer Aktien
und Genussscheine spesenfrei in bar gegen Übergabe der Titel bei der
Schweizerischen Nationalbank oder einer Kantonalbank.

    2. Die Gegenleistung des Bundes wird auf den Übergabetermin fällig.

    3. Die BLS hat folgende Titel ausstehend:

    30'138 Prioritätsaktien I. Ranges     zu Fr. 500.--

    76'640 Prioritätsaktien II. Ranges    zu Fr. 400.--

    54'560 Stammaktien    zu Fr. 250.--

    4'185 Genussscheine  zu Fr. 100.--

    Art. 3

    1. Der Bund wird die Bahnlinien der BLS, inbegriffen die Werkstätten
und Depots, in die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) eingliedern.

    2. Vom Übergabetermin an werden auf den Bahnlinien der BLS die Tarife
der SBB angewendet.

    3. Der Schiffsbetrieb auf dem Thuner- und Brienzersee wird durch den
Bund weitergeführt.

    Art. 4

    Der Bund wird im Rahmen der für die SBB geltenden Bestimmungen dafür
besorgt sein, dass die Bahnlinien der BLS unter billiger Berücksichtigung
der regionalen Verkehrsbedürfnisse betrieben und die Lötschberglinie
mit ihren Zufahrtswegen durch den Jura sowie der Bahnhof Brig im Rahmen
der gesamten Verkehrspolitik des Landes ausgebaut werden; er wird sich
weiterhin bei den Italienischen Staatsbahnen dafür einsetzen, dass die
Leistungsfähigkeit der Bahnanlagen in Domodossola gesteigert wird.

    Art. 5

    1. Der Bund verpflichtet sich, das gesamte Personal der BLS in
den Bundesdienst (in die SBB oder die allgemeine Bundesverwaltung inkl.
PTT-Betriebe) zu übernehmen. Dem übertretenden Personal wird eine Stellung
mit gleicher oder zumutbarer ähnlicher Beschäftigung zugewiesen.

    2. Das Dienstverhältnis des in den Bundesdienst übertretenden
Personals der BLS richtet sich nach dem Beamtengesetz und seinen
Vollziehungserlassen. Dem übertretenden Beamten wird der Aufstieg bis
zum Höchstbetrag der Besoldungsklasse, in die er gemäss BLSDienst-,
Besoldungs-und Lohnordnung vor dem Übertritt eingereiht war, zuzüglich
künftige Teuerungszulagen und Reallohnverbesserungen nach Bundesrecht,
garantiert.

    3. Das Versicherungsverhältnis des in den Bundesdienst übertretenden
Personals der BLS sowie der im Zeitpunkt des Übertrittes vorhandenen
Rentenbezüger der Pensions-und Hilfskasse der BLS richtet sich weiterhin
nach dem Reglement dieser Kasse vom 1. Januar 1951 in der am Übergabetermin
geltenden Fassung; zu den reglementarischen Leistungen kommen die
Teurungszulagen entsprechend dem Teuerungsausgleich beim pensionierten
Bundespersonal hinzu. Die Mitglieder der Kasse und die Bezüger von
Kassenleistungen haben das Recht, je auf Jahresende den Übertritt in die
Pensions- und Hilfskasse der SBB bzw. in die Eidg. Versicherungskasse unter
Abgeltung des Mehranspruches gemäss Skala I des Reglementes vom 1. Januar
1951 zu verlangen; der Übertritt ist endgültig. Ein Anspruch auf den
Zuschlag nach Art. 18, Abs. 1, der Versicherungskassen-Statuten des Bundes
besteht jedoch erst, wenn der Übertritt in diese Kassen mindestens ein
Jahr vor der Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Bund erfolgt ist.

    4. Der Bund wird dafür besorgt sein, dass das bisherige aktive und
pensionierte Personal der BLS, das im Zeitpunkt des Übergabetermins bei der
Krankenkasse für das Personal der BLS versichert war, zu vergleichbaren
Bedingungen weiterhin gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit
versichert bleibt.

    Art. 6

    1. Dieser Vertrag bedarf der Genehmigung der Generalversammlung
der BLS sowie derjenigen der Bundesversammlung in der Form eines
allgemeinverbindlichen, dem Referendum unterstellten Bundesbeschlusses.

    2. Die Zustimmung der Generalversammlung der BLS hat bis spätestens 30.
September 1966 zu erfolgen.

    Bern, den 2. September 1966."

    In der ausserordentlichen Generalversammlung vom 12. September 1966
genehmigte die Gesellschaft den Vertrag mit einem über die statutarische
Zweidrittelsmehrheit hinausgehenden Mehr von 111'780 gegen 35'518 Stimmen.

    Die Genossenschaft zum Schutze der privaten Aktionäre der BLS ist
Eigentümerin von 100 Aktien, die sie am 31. August 1966 von der Bank Rüegg
& Cie. AG. in Zürich erworben hatte. Sie stimmte gegen die Genehmigung
des Übernahmevertrages. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,
dass Dr. Ulrich Wehrli, Direktor der Bank Rüegg & Cie. AG., Mitglied der
Verwaltung der genannten Genossenschaft ist. Jean Fuchs, Vizedirektor der
Bank Rüegg & Cie., war bis 1960 Aktionär der BLS und gehört seither auch
dem Verwaltungsrat dieser Gesellschaft an.

    B.- Am 13. Februar 1967 reichte die Genossenschaft zum Schutze
der privaten Aktionäre der BLS gegen die Berner Alpenbahngesellschaft
Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) beim Appellationshof des Kantons Bern Klage
ein mit folgendem Rechtsbegehren:

    "Der Beschluss der ausserordentlichen Generalversammlung der Beklagten
vom 12. September 1966, mit welchem der Vertrag zwischen der Beklagten
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend Übernahme der BLS
durch den Bund vom 2. September 1966 gutgeheissen wurde, sei gerichtlich
als nichtig, eventuell als ungültig zu erklären und aufzuheben, unter
Kostenfolge."

    Die III. Zivilkammer des Appellationshofes beschränkte das
Beweisverfahren auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin und wies
am 11. März 1968 die Klage ab.

    C.- Die Klägerin beantragt mit der Berufung, das vorinstanzliche Urteil
aufzuheben, den Beschluss der ausserordentlichen Generalversammlung der
Beklagten vom 12. September 1960 als nichtig, eventuell als ungültig zu
erklären; eventuell sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache
zur Durchführung des Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt, das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen und
die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Klägerin hat
das Urteil des Appellationshofes auch mit staatsrechtlicher Beschwerde
angefochten.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz stellt fest, dass in der ausserordentlichen
Generalversammlung vom 12. September 1966 der Antrag eines Aktionärs
auf Verschiebung der Abstimmung wegen angeblich ungenügender Aufschlüsse
über die Grundlagen des Übernahmevertrages verworfen wurde. Die Klägerin
bestreitet nicht, dass sie diesen Beschluss weder veranlasst noch innert
der gesetzlichen Frist von zwei Monaten beim Richter angefochten hat. Sie
hält aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - dafür, dieser
Beschluss könne nicht selbständig angefochten werden, weil die Aufklärung
der Aktionäre Voraussetzung für die Beurteilung des zu genehmigenden
Vertrages gewesen sei.

    Die Vorinstanz habe Art. 697 OR verletzt, weil sie die angetragenen
Beweise über die Verletzung des Auskunftsrechts nicht abgenommen habe.

    Diese Auffassung wird durch BGE 53 II 75/76 gestützt. Das Bundesgericht
hat dort erklärt, das Begehren auf Einsichtnahme in die Geschäftsbücher
einer Gesellschaft sei nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zur
Verfolgung materiellrechtlicher Ansprüche; Entscheide über solche
Begehren seien daher bloss "präparatorischer Natur". In BGE 82 II
217 f. hat es dagegen den selbständigen Charakter des Auskunftsrechtes
anerkannt. Diese Auslegung wird durch die Systematik des Gesetzes gestützt
(vgl. Randtitel zu Art. 689 OR: H. Persönliche Mitgliedschaftsrechte,
und zu Art. 696 OR: IV. Kontrollrechte). Auf dem gleichen Boden steht
auch die neuere Lehre (BÜRGI, N. 23 zu Art. 697 OR; WYSS, Das Recht
des Aktionärs auf Auskunfterteilung. [Art. 697 OR] unter besonderer
Berücksichtigung des Rechts der Unternehmenzusammenfassung, Diss. Zürich
1953, S. 47 f.; SCHLUEP, Die wohlerworbenen Rechte des Aktionärs und ihr
Schutz nach schweiz. Recht, Diss. St. Gallen 1955 S. 183; VISCHER/RAPP,
Zur Neugestaltung des schweizerischen Aktienrechts, Bern 1968, S. 206
f.). Ist somit das Recht auf Auskunfterteilung als selbständiges
Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs zu verstehen, so war der Beschluss
der Generalversammlung über den Verschiebungsantrag der Anfechtung
zugänglich. Die Klägerin hat nach dem Wortlaut ihres Rechtsbegehrens
nur den Generalversammlungsbeschluss über die Genehmigung des Vertrages
angefochten. Der erste Beschluss blieb somit bestehen und wurde auch für
die Klägerin verbindlich (BGE 86 II 86 Erw. 6).

Erwägung 9

    9.- Die Klägerin legt in der Berufung das Hauptgewicht auf den
Einwand, der angefochtene Genehmigungsbeschluss verletze den Grundsatz
der Gleichbehandlung der Aktionäre. Sie macht geltend, der Kanton Bern
sei nur deshalb bereit, die BLS zu einem "miserablen" Preis auf den Bund
zu übertragen, weil er gleichzeitig von den drei defizitären Nebenbahnen
entlastet werde; anderseits würde der Bund diese Bahnen niemals übernehmen
und dafür noch einen Preis auslegen, wenn er "nicht gleichzeitig die
ganze BLS viel zu billig übernehmen könnte". Es könne daher nicht
bestritten werden, dass vor allem der Kanton Bern, aber auch der Bund,
unverhältnismässig besser behandelt werde als die privaten Aktionäre.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes verstösst ein
Generalversammlungsbeschluss nicht nur dann gegen das Gesetz, wenn
er eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift verletzt, sondern auch dann,
wenn er einem allgemeinen ungeschriebenen Grundsatz des Aktienrechts
zuwiderläuft. Zu diesen allgemeinen Grundsätzen gehört auch der
Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre, der in zahlreichen
Gesetzesvorschriften zum Ausdruck kommt (vgl. Art. 696, 697, 689,
706 OR). Dieser Grundsatz will nicht eine absolute Gleichbehandlung
der Aktionäre gewährleisten; er bedeutet vielmehr, dass von der
Gleichbehandlung nur insofern abgewichen werden darf, als diese für
die Verfolgung des Gesellschaftzweckes im Interesse aller Aktionäre
unumgänglich notwendig ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist also
dort zulässig, wo sie nicht unsachlich, sondern ein angemessenes Mittel
zur Erreichung eines gerechtfertigten Zweckes ist (BGE 91 II 301 mit
Hinweisen, 93 II 406). Dieser aktienrechtliche Grundsatz stellt sich
gegenüber dem Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB) als lex specialis
dar, weshalb sich jeweils eine besondere Prüfung nach Art. 2 ZGB erübrigt
(BGE 69 II 249/50; a.M. WEISS, Einleitung zum Aktienrecht, N. 195, der
eine anfechtbare Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt von Art. 2
ZGB geprüft wissen will).

    b) Dieser Auffassung ist BÄR (Aktuelle Fragen des Aktienrechtes, ZSR
1966 [85] II S. 422 f. und 514 f.) entgegengetreten. Der Mehrheitsentscheid
ist nach seinem Dafürhalten ein "organisatorischer Behelf, welcher den
gesellschaftlichen Betrieb in Gang hält" (aaO S. 427). Die Mehrheit
entscheide nur provisorisch, weil die von ihr gefassten Beschlüsse der
Anfechtung unterlägen und als "prinzipiell fraglich" zu gelten hätten; der
Richter habe daher den angefochtenen Beschluss auf "volle Rechtmässigkeit"
hin zu überprüfen (aaO S. 428). Entscheidungskriterium für die richterliche
Beurteilung eines Interessenkonfliktes zwischen Mehrheit und Minderheit sei
nicht der Mehrheitswille und der Unternehmensschutz, sondern grundsätzlich
das Leitbild des typischen, d.h. gewinnstrebigen Aktionärs (aaO S. 514
und 517).

    BÄR verkennt, dass das geltende Aktienrecht grundsätzlich auf dem
Mehrheitsprinzip beruht (Art. 703 OR). Der Aktionär unterwirft sich mit dem
Eintritt in die Gesellschaft bewusst dem Willen der Mehrheit und anerkennt
somit, dass diese auch dann bindend entscheidet, wenn sie nicht die
bestmögliche Lösung trifft. Für diese Auffassung sprechen triftige Gründe:
Jede Anfechtung bringt für alle Beteiligten unangenehme Verzögerungen mit
sich. Es besteht daher ein legitimes Bedürfnis, die Anfechtungsgründe so
stark als möglich einzuschränken (vgl. VISCHER/RAPP, Zur Neugestaltung
des schweiz. Aktienrechts, Bern 1968, S. 183). Das anerkennt auch
BÄR (aaO S. 425), wenn er schreibt, dass die "kontinuierliche
Weiterführung der Geschäftsvorgänge in der rasch ablaufenden Kausalkette
Beschluss-Ausführung-Erfolg-Neuer Beschluss usw. nicht ohne Not" gestört
werden sollte. Mit Recht wurde in der französischen Parlamentsdebatte über
die Reform des Aktienrechts darauf hingewiesen, dass man die gerichtliche
Entscheidung nicht über einen Mehrheitsbeschluss setzen dürfe, weil damit
die Einheit zwischen Entscheidungsgewalt und Verantwortung zerschlagen
werde; die Verantwortung für die getroffenen Entscheide liege bei der
Generalversammlung und dürfe niemals auf den unbeteiligten Richter
abgeschoben werden (vgl. VISCHER/RAPP, aaO S. 183, Fussnote 3). Die
Mehrheitsbeschlüsse sind daher grundsätzlich endgültig, und es darf
der Richter nur einschreiten, wenn die Generalversammlung den Rahmen
vernünftiger Überlegungen willkürlich gesprengt hat (BGE 93 II 403).

    Abzulehnen ist sodann die Auffassung BÄR'S (aaO S. 514), das
Interesse des Unternehmens dürfe bei der Lösung gesellschaftsinterner
Interessengegensätze nicht berücksichtigt werden (vgl. SCHLUEP SAG 33,
S. 137 f.; VISCHER/RAPP, aaO S. 149). Das Gesetz ermächtigt die Mehrheit
ausdrücklich, das Unternehmensinteresse gegen die widerstrebende Minderheit
zu berücksichtigen (vgl. z.B. Art. 663 Abs. 3 und 664 Abs. 2 OR). Hingegen
kennt es keinen typischen Aktionär im Sinne BÄR'S, weil es die Motive
der Kapitalbeteiligung nicht normieren kann (vgl. SCHLUEP, aaO S. 194
und die Zusammenstellung der im geltenden Recht möglichen Aktionärtypen
bei SIEGWART, Einleitung zu Art. 620 - 659 OR, N. 221 f.).

    c) Da die Genehmigung des Übernahmevertrages zur Auflösung
der Beklagten führt (Art. 751 Abs. 2 OR), taugt im vorliegenden
Fall das Unternehmensinteresse als Wertmasstab für die Entscheidung
gesellschaftsinterner Interessengegensätze nicht. Die entscheidende
Frage geht vielmehr dahin, ob die Mehrheit durch den Übernahmevertrag auf
Kosten der Minderheit ungerechtfertigte Vorteile erlangt. Massgebendes
Kriterium ist somit Art. 2 ZGB. Der angefochtene Beschluss beruht dann
auf einem offenbaren Missbrauch im Sinne dieser Vorschrift, wenn er
sich durch vernünftige wirtschaftliche Erwägungen nicht rechtfertigen
lässt, die Interessen der Minderheit offensichtlich beeinträchtigt und
Sonderinteressen der Mehrheit ohne Grund bevorzugt (BGE 82 II 148, 92 II
247, 92 II 402, WEISS, aaO N. 172-176, MERZ, N. 323 f. zu Art. 2 ZGB,
VISCHER/RAPP, aaO S. 184). Die Aufhebung des Beschlusses hängt somit von
einer qualifizierten, d.h. offenbar missbräuchlichen Ungleichbehandlung
der Minderheit ab (vgl. WEISS, aaO N. 195).

Erwägung 10

    10.- a) Die Vorinstanz stellt fest, dass für die Forderung auf
Eingliederung der BLS in das Netz der SBB hauptsächlich das Bestreben
ausschlaggebend sei, die Stellung und den Ruf der Schweiz als klassisches
Transitland auch in Zukunft behaupten zu können. Die Übernahme der BLS
durch den Bund kann daher nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Auf
eine nähere Begründung des Standpunktes kann umso mehr verzichtet werden,
als die Vorinstanz feststellt, die Vertreter der Privataktionäre, mit denen
sich die Klägerin heute identifiziere, hätten sich der Übernahme der BLS
durch den Bund nicht nur nicht widersetzt, sondern seien sogar aktiv dafür
eingetreten. Als im Jahre 1961 das Projekt, die Linie Spiez-Frutigen auf
Doppelspur auszubauen, bekanntgeworden sei - wofür die BLS ein Darlehen
von 10 Millionen Franken hätte aufnehmen müssen - habe Louis Fleury,
einer der Vertreter der Privataktionäre, mit Brief vom 24. April 1961 den
Verwaltungsratspräsidenten der Gesellschaft, Dr. Brawand, ersucht, eine
Generalversammlung einzuberufen, damit diese die Zustimmung zu späteren
Verkaufsverhandlungen mit dem Bund erteile. Dieser Aktionär habe sich dahin
geäussert, dass das Ausbauprojekt selbst mit der finanziellen Hilfe des
Bundes die Möglichkeiten der BLS übersteige und dass der Ausbau der Linie
nur dann wirtschaftlich sei, wenn die Doppelspur bis nach Brig geführt
werde. Die einzige Lösung, die widerstreitenden Interessen zu versöhnen,
bestehe daher darin, dass die BLS - Linie vom Bund übernommen, in die
SBB eingegliedert und von diesen betrieben werde. In der Folge seien -
so fährt die Vorinstanz fort - mit dem Bund Verhandlungen betreffend die
Übernahme der BLS aufgenommen worden, was dem Wunsch von Louis Fleury
und den nach seinen Angaben hinter ihm stehenden 20% der Aktionärstimmen
entsprochen habe. Jean Fuchs habe in der Verwaltungsratssitzung der BLS vom
20. Dezember 1961 erklärt, seines Erachtens werde die durch ihn vertretene
Aktionärgruppe der Verstaatlichung der BLS keine Schwierigkeiten bereiten,
wenn die Kaufsofferte auch für die privaten Aktionäre annehmbar sei. In der
Verwaltungsratssitzung vom 12. April 1962 hätten Verwaltungsratspräsident
Dr. Brawand und Direktor Bratschi darauf aufmerksam gemacht, dass es bei
den Übernahmeverhandlungen nicht nur um die BLS allein gehe - zu welchem
Geschäft der Kanton Bern wohl nicht zustimmen würde - sondern vielmehr
um die ganze BLS-Gruppe, einschliesslich des Schiffbetriebes auf dem
Thuner- und Brienzersee. Der Verwaltungsratsausschuss sei daraufhin
beauftragt worden, im besprochenen Sinne mit den zuständigen Stellen
des Bundes Verhandlungen aufzunehmen, ohne dass Jean Fuchs dagegen etwas
eingewendet hätte. Jean Fuchs habe nach Bekanntwerden der Offerte in der
Verwaltungsratssitzung vom 13. Dezember 1965 erklärt, die Abfindung zum
Nominalwert der Aktien sei vollkommen ungenügend. Von diesem Zeitpunkt an
sei die Opposition von Jean Fuchs und der hinter ihm stehenden Aktionäre
nicht mehr zu beseitigen gewesen. Diese Aktionärgruppe habe bisher gegen
die Übernahme der "Betriebsgruppe" nichts eingewendet. Erst mit der Kritik
am Kaufpreis sei es auch zur Bemängelung des Kaufsobjektes gekommen.

    Diese Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich, es wäre
denn, sie seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften
zustande gekommen oder beruhten offensichtlich auf Versehen (Art. 63
Abs. 2 OG).

    Die Klägerin macht geltend, die Feststellung der Vorinstanz, sie
habe sich mit Louis Fleury identifiziert, sei aktenwidrig. Sie beruft
sich somit sinngemäss auf ein offensichtliches Versehen.

    Die Rüge ist unbegründet. Die Klägerin gibt ausdrücklich zu,
dass "die Vertreter der freien Aktionäre" sich ursprünglich gegen die
Verstaatlichungspläne nicht widersetzten; ferner bezeichnet sie Louis
Fleury als einen der Vertreter der "freien Aktionäre". Gerade die
Interessen dieser Aktionäre will die Klägerin wahrnehmen und muss es
daher auch hinnehmen, was auf Veranlassung oder mit Billigung der privaten
Aktionäre und ihrer Vertreter geschehen ist.

    Die Feststellung der Vorinstanz beruht daher keineswegs auf einem
offensichtlichen Versehen. Die weiteren Beanstandungen, die die Klägerin in
diesem Zusammenhang noch vorbringt, richten sich gegen die vorinstanzliche
Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren nicht überprüft werden darf
(Art. 63 Abs. 2 OG).

    b) Die Vorinstanz stellt fest, die enge Verbindung zwischen der BLS
und der von ihr mitbetriebenen Nebenbahnen sei nicht unter dem Blickwinkel
einer künftigen Verstaatlichung entstanden, sondern auf die finanzielle
Unterstützung der öffentlichen Hand, sowie das kantonalbernische Gesetz
betreffend Beteiligung des Staates am Bau und Betrieb von Eisenbahnen
vom 21. März 1920 zurückzuführen, welches in Art. 34 den Kanton Bern
ermächtige, alle Massnahmen anzuordnen, die zur Durchführung eines
möglichst rationellen Betriebes notwendig sind. Der Entschluss der beiden
Hauptaktionäre, Bund und Kanton Bern, die ganze BLS-Gruppe zu übernehmen,
kann daher von der Klägerin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

    Sodann stellt die Vorinstanz fest, dass in der Verwaltungsratssitzung
der Beklagten vom 21. Juni 1963 die "Verstaatlichung der
BLS-Betriebsgruppe" behandelt wurde, ohne dass Jean Fuchs, der Vertreter
der Minderheitsaktionäre, etwas dagegen einwendete. Der Einwand der
Klägerin, dieser Aktionär habe nicht gewusst, dass nicht nur der Übergang
der BLS, sondern ein Gesamtgeschäft in Betracht gezogen wurde, ist daher
unbegründet.

    Ferner stellt die Vorinstanz fest, dass der Kanton Bern seine
Zustimmung zur Übernahme der BLS allein weder als Aktionär noch als
Hoheitsträger (vgl. Art. 2 der Statuten der BLS) erteilen würde; das könne
angesichts der wirtschaftlichen und organisatorischen Schwierigkeiten,
welche sich bei der Übernahme der BLS ergeben, mit Sicherheit angenommen
werden.

    Diese Annahme ist für die Berufungsinstanz verbindlich, da sie
gleich wie die Feststellung dessen, was sich tatsächlich ereignet hat,
auf Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten beruht (vgl. BGE 93
II 29 mit Hinweisen).

Erwägung 11

    11.- Nach den geschilderten Umständen braucht nicht geprüft zu werden,
ob eine günstigere Offerte möglich wäre, wenn nur die Übernahme der
BLS allein in Betracht käme. Entscheidend ist vielmehr, ob das Angebot
des Bundes für die Übernahme der BLS und des Schiffbetriebes auf dem
Brienzer- und Thunersee im Rahmen des gesamten Geschäfts - Übergang
der BLS-Betriebsgruppe auf den Bund - mit vernünftigen wirtschaftlichen
Überlegungen unvereinbar ist und zu einer offensichtlichen Benachteiligung
der Minderheitsaktionäre führt (vgl. Erw. 9 c).

Erwägung 12

    12.- Dass die Übernahme der von der BLS betriebenen defizitären
Nebenbahnen durch den Bund zu einer fühlbaren Entlastung des Kantons
Bern führt, ist offenkundig. Dafür spricht allein der symbolische
Charakter der für diese Bahnen angebotenen Entschädigung. Dazu kommt,
dass der Bund in Art. 4 des Vertrages gewisse, wenn auch nicht näher
bestimmte Zusicherungen über den Ausbau der Lötschberg-Linie macht.
Ferner verpflichtet er sich, die Tarife der SBB auf den Bahnlinien der BLS
anzuwenden (Art. 3 des Vertrages). Die Eingliederung der BLS in das Netz
der SBB stellt anderseits wegen der damit verbundenen Rationalisierung
und Vereinheitlichung des Bahnwesens für den Bund einen unbestreitbaren
Vorteil dar.

    Die beiden Mehrheitsaktionäre, insbesondere der Kanton Bern, erlangen
somit einige durch den Übernahmervertrag mittelbar bedingte Vorteile. Wie
dargelegt (Erw. 3 a), ist es jedoch den Aktionären nicht verwehrt, bei
einem von der Gesellschaft abgeschlossenen Vertrag eigene Interessen
zu verfolgen.

Erwägung 13

    13.- Die Klägerin verlangte über den Wert der "BLS-Aktiven
grundsätzlich und generell" die Durchführung einer Expertise. Die
Vorinstanz lehnte diesen Beweisantrag ab, weil nicht die objektive
Wertbestimmung der BLS in Frage stehe. Massgebend sei nur, ob beim Verkauf
der BLS als Teil eines umfassenden Rechtsgeschäftes für die Klägerin
begründete Aussicht bestehe, eine im Vergleich zum Übernahmeangebot des
Bundes günstigere Entschädigung zu erlangen. Diese Frage könne aufgrund
feststehender oder gerichtsnotorischer Tatsachen beantwortet werden, ohne
dass die Durchführung einer je nach Gesichtspunkt ohnehin fragwürdigen
Expertise über den Wert des Unternehmens notwendig sei.

    Die Klägerin macht geltend, die Vorinstanz habe durch die Ablehnung
sämtlicher Beweisanträge zum Wert der BLS (Ertragswert, Substanzwert,
Bilanzwert, kommerzieller Wert, Wiederbeschaffungswert) Art. 8 ZGB
verletzt. Sie erneuert daher ihre Beweisanträge.

    a) Die Vorinstanz stellt fest, dass die Initiative auf Übernahme der
BLS nicht vom Bund, sondern von der Beklagten selber ergriffen wurde.

    Ein Rückkauf im Sinne von Art. 75 f. des Eisenbahngesetzes (EG) vom 20.
Dezember 1956 läge nur dann vor, wenn der Bund die Verstaatlichung der
"BLS-Betriebsgruppe" verlangt und damit das vorzeitige Erlöschen der
am 23. Dezember 1971 ablaufenden Konzession gewünscht hätte (vgl. Art. 6
Abs. 1 lit. c EG). Auf die Behauptung der Klägerin, der Kanton Bern habe
einseitig die Initiative für den Verkauf der BLS ergriffen, kommt daher
nichts an.

    Der Vertrag vom 2. September 1966 hat die privatrechtliche Übernahme
eines Unternehmens mit Aktiven und Passiven zum Gegenstand. Auf diesen
Charakter des Rechtsgeschäfts hat sich die Klägerin selber berufen. Die
Vertragsschliessenden durften daher innerhalb der Schranken des Gesetzes
den Kaufpreis beliebig festlegen (Art. 19 Abs. 1 OR) und brauchten
auf die verschiedenen denkbaren Bewertungsmethoden nicht Rücksicht zu
nehmen. Die Bewertungsvorschriften des Eisenbahngesetzes für den Rückkauf
eines Bahnunternehmens sind somit nicht anwendbar.

    b) Die Vorinstanz stellt ferner fest, angesichts der öffentlichen
Lasten - Betriebs-, Beförderungs-, Fahrplan- und Tarifpflicht (Art. 7, 50
EG) - die ein Bahnunternehmen zu tragen habe, komme ein anderer Erwerber
als der Bund im Ernst nicht in Betracht. Auch sei kaum anzunehmen, dass
der Bund und der Kanton Bern als Hoheitsträger (vgl. Art. 2 der Statuten
der BLS) einen anderen Käufer berücksichtigen würden.

    Die Klägerin rügt, das sei eine für das Bundesgericht unverbindliche
Annahme.

    Ob die Vorinstanz eine verbindliche Feststellung getroffen oder eine
auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Schlussfolgerung gezogen hat,
die im Berufungsverfahren frei überprüft werden darf (vgl. BGE 88 II 469
Erw. 5), kann dahingestellt bleiben; denn es ist offenkundig, dass der Bund
kraft seiner Monopolstellung als ausschliesslicher Erwerber in Frage kommt.
Bezeichnenderweise macht die Klägerin keine anderen Interessenten namhaft
und behauptet auch nicht, sie habe verlangt, dass nach andern Bewerbern
Ausschau gehalten werde. Für die vorgebrachte Behauptung ist die Klägerin
beweispflichtig, und es ist nicht Sache der Beklagten, darzutun, dass
der Bund der einzige mögliche Käufer sei (Art. 8 ZGB).

    Demnach hat es bei der Feststellung der Vorinstanz sein Bewenden,
dass nur ein Erwerber in Betracht kommt. Es liegt daher nahe, dass der
Bund den Wert des Kaufsobjektes nach den ihm gut scheinenden Kriterien
bestimmt, und er ist angesichts des privatrechtlichen Charakters des
Rechtsgeschäftes an sich nicht verpflichtet, der Gegenpartei über die
Preisbildungsmotive Aufschluss zu erteilen.

    Die Vorinstanz hat somit durch die Ablehnung der Beweisanträge Art. 8
ZGB nicht verletzt.

Erwägung 14

    14.- Gestützt auf die angestellten Erwägungen könnte von einem objektiv
ungerechtfertigten Übernahmepreis nur dann die Rede sein, wenn auf Seiten
des Bundes Aussicht auf ein besseres Angebot bestanden hätte oder wenn
angesichts der konkreten Offerte die Weiterführung des Bahnbetriebes
unter den bisherigen Bedingungen für die Gesellschaft vorteilhafter wäre.

Erwägung 15

    15.- Die Vorinstanz stellt fest, dass die Offerte des Bundes, lautend
auf spesenfreie Vergütung des derzeitigen Nennwertes der Aktien und
Genusscheine in bar gegen Vorweisung der Titel, endgültig sei. Dr. Martin,
der Vertreter des Bundes im Verwaltungsrat der Beklagten, gab in der
Verwaltungsratssitzung vom 22. August 1966 folgende Erklärung ab:

    "Ich kann Ihnen auch sagen, dass das Angebot des Bundesrates, lautend
auf 100 % des heutigen Nennwertes der Aktien bei Übernahme mit Aktiven
und Passiven das letzte Wort des Bundesrates ist. Wir haben, glaube ich,
wiederholt klar zum Ausdruck gebracht: wenn der Vertrag nicht zustande
kommt, dann wird im Geschäftsbericht das eidgenössische Parlament in zwei
oder drei Sätzen orientiert, dieses Geschäft sei abgesetzt."

    Die Vorinstanz erklärt, sie habe keinen Anlass, diese Äusserungen
in Zweifel zu ziehen; es sei daher mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der
Bund kein günstigeres Angebot unterbreiten werde.

    Diese Feststellungen über den inneren Parteiwillen dürfen vom
Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft werden (Art. 63 Abs. 2
OG; BGE 94 II 99 und dort erwähnte Entscheide).

    16 - Der vom Bund angebotene Erwerbspreis erweist sich im Lichte
der vorinstanzlichen Erwägungen objektiv als gerechtfertigt. Wie
der Appellationshof feststellt, legte das Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement in Pressemitteilungen vom 16. September
und 25. Oktober 1965 Wert auf die Feststellung, dass eine Vergütung der
Aktien über den Nominalwert, wie dies bei der Entstehung der SBB der Fall
gewesen sei, nicht in Betracht gezogen werden könne. Zu berücksichtigen
ist sodann die Erwägung, dass die BLS nach dem Erwerb durch den Bund der
Rechnung der Bundesbahnen nicht über den kommerziellen Wert hinaus belastet
werden darf (Art. 19 des BG über die SBB vom 23. Juni 1944). Ebensowenig
ist zu beanstanden, dass der Bund die öffentlichen Subventionen, die
er im Laufe der Zeit der BLS gewährt hatte, berücksichtigte. Freilich
ist der Klägerin darin beizupflichten, dass das Bundesgesetz über die
Hilfeleistung an private Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmungen vom
6. April 1939 durch Art. 96 Ziff. 14 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember
1957 ausser Kraft gesetzt wurde. Das aufgehobene Gesetz sieht jedoch vor,
dass im Falle eines RÜCKKAUFS die Leistungen zu berücksichtigen seien,
welche öffentliche Gemeinwesen zugunsten der finanziellen Wiederaufrichtung
einer notleidenden Unternehmung erbracht haben (vgl. Art.11). Da jedoch
kein Rückkauf der BLS im Sinne des EG, sondern ein vom OR beherrschter
Kaufvertrag vorliegt, war es dem Bund nicht verwehrt, im Rahmen seines
Angebotes den seinerzeit geleisteten Subventionen Rechnung zu tragen. Auch
ist es durchaus begreiflich, wenn der Bund den Börsenkurs der BLS-Aktien
mitberücksichtigte. Wie die Vorinstanz feststellt, stieg der Kurswert der
BLS- Aktien nur dann an, wenn Gespräche auf Übernahme des Bahnunternehmens
im Gange waren. Die zahlreichen Beanstandungen, die die Klägerin gegen die
vorinstanzlichen Erwägungen vorbringt, sind nicht zu hören. Sie richten
sich im wesentlichen gegen die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse,
die von der Berufungsinstanz nicht überprüft werden dürfen.

Erwägung 17

    17.- Zu prüfen ist sodann, ob die Aktionäre der Beklagten bei der
Weiterführung des Unternehmens offensichtlich besser gestellt wären,
als bei dessen Übernahme durch den Bund. Massstab für die Beurteilung
dieser Frage ist ein Vergleich der gegebenen Verhältnisse mit den
Zukunftserwartungen des Unternehmens.

    a) Es steht fest, dass die Beklagte nie Dividenden ausgeschüttet
hat. Ob die Ertragslage des Unternehmens die Auszahlung von Dividenden
erlaubt hätte, wie die Klägerin behauptet, ändert an dieser Feststellung
nichts. Entscheidend ist, dass die Generalversammlungsbeschlüsse über
die Verteilung eines allfälligen Reingewinns nicht angefochten worden sind.

    b) Sodann stellt die Vorinstanz fest, dass der Börsenkurs der Aktien
jeweils dann anstieg, wenn Aussicht auf Übernahme des Unternehmens
durch den Bund bestand. Diese Entwicklung habe sich seit 1952 besonders
deutlich abgezeichnet. Der Kurs der Prioritätsaktien II. Ranges, bisher
auf Fr. 90. -stehend, sei anfangs 1952 auf Fr. 130. - angestiegen, weil zu
diesem Zeitpunkt die sog. Kommission Amstalden die Übernahme der BLS und
der BN befürwortet habe. Diese Kurse seien jedoch wieder auf Fr. 90.-
zurückgefallen, und zwar offenbar deshalb, weil die erhoffte Übernahme
der BLS durch den Bund sich nicht verwirklicht habe. Mit dem Erscheinen
der bundesrätlichen Botschaft zum neuen Eisenbahngesetz vom 20. Dezember
1957 sei der Kurs bis auf Fr. 250.-- gestiegen, in der Folge aber wieder
zurückgefallen, als die Übernahme des Unternehmens weniger aktuell gewesen
sei. Mit der Aufnahme neuer Verhandlungen im Jahre 1961/62 sei der Kurs
von Fr. 125.-- sukzessive bis auf Fr. 850.-- angestiegen, bis der Bund
im Jahre 1965 durch Pressemitteilungen deutlich gemacht habe, dass eine
Vergütung der Aktien über den Nominalwert hinaus nicht in Frage komme. Nach
Bekanntgabe derÜbernahmeofferte durch den Bund sei der Kurs rasch gesunken
und habe sich im Jahre 1966 zwischen Fr. 400.-- und Fr. 470.-- bewegt.

    In diesemZusammenhang macht die Klägerin geltend, die Kantonalbank von
Bern habe im Jahre 1966 von den französischen Staatsbahnen 21'000 Aktien
zu einem den Nominalwert erheblich übersteigenden Betrag erworben. Sie
wirft der Vorinstanz vor, sie habe nicht abgeklärt, welcher Preis für
diese Aktien entrichtet worden sei, obwohl sie, die Klägerin, zu dieser
Behauptung Beweise angeboten habe.

    Die Rüge ist unbegründet. Es steht fest, dass der Kanton Bern diesen
Kauf tätigen liess, um zu vermeiden, dass den französischen Staatsbahnen in
der massgebenden Abstimmung die Rolle eines Schiedsrichters zufalle. Dieses
Geschäft kam unter ausserordentlichen Umständen zustande und bildete daher
keinen gültigen Wertmasstab für den vom Bund zu leistenden Übernahmepreis.
Die Vorinstanz brauchte daher nicht zu prüfen, zu welchem Preis die
erwähnten Aktien erworben wurden.

Erwägung 18

    18.- Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass im Falle der Weiterführung
des Bahnunternehmens auf Grund der bisherigen Erfahrungen der Börsenkurs
der BLS-Aktien in kürzester Zeit wieder unter den Nennwert fallen werde;
ebenso könne nach den bisherigen Erfahrungen im Ernst nicht angenommen
werden, die Ertragslage der BLS werde sich inskünftig so entwickeln,
dass den Inhabern der Prioritätsaktien II. Ranges dauernd und regelmässig
Dividenden ausbezahlt werden könnten. Es sei in diesem Zusammenhang daran
zu erinnern, dass die BLS immer wieder mit erheblichen finanziellen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, zu umfangreichen Sanierungen
schreiten musste - die letzte erfolgte im Jahre 1942 - und auf die
Hilfe der öffentlichen Hand in beträchtlichem Umfange angewiesen war.
Trotz der erfreulichen Betriebsergebnisse sei für die Zukunft keine
grundlegende Änderung zu erwarten. Zu berücksichtigen sei, dass die BLS als
internationale Gütertransitbahn den ausserordentlichen wirtschaftlichen
Schwankungen stark unterliege, was sich auch bei verhältnismässig
unveränderlichen Aufwendungen auf die Ertragslage auswirke; ferner
erwachse dem Unternehmen durch die vorgesehene Rohrleitung von Italien
über die Westschweiz nach Süddeutschland eine erheblichere Gefahr, da
der Rohöltransport einen massgeblichen Anteil am Gesamtgüterverkehr der
BLS ausmache; schliesslich sei seit der Gründung der EWG ernsthaft damit
zu rechnen, dass ausländische Transitlinien bevorzugt würden, was die BLS
empfindlich treffen werde, falls sie nicht in absehbarer Zeit ihre Linien
den erhöhten Anforderungen anpassen könne. Eine solche Anpassung sei
der Ausbau der Stammlinie Spiez-Brig, der die finanziellen Möglichkeiten
der BLS und des Kantons Bern übersteige. Ausser diesen Zukunftsaussichten
müssten ferner die durch Gesetz (Art. 63 f. EG; VO über das Rechnungswesen
der Eisenbahnen vom 19. Dezember 1958; Abschreibungsordnung für
die Schweizerischen konzessionierten Eisenbahn-, Trolleybus- und
Schifffahrtsunternehmungen vom 22. Dezember 1958) und die Statuten
(Art. 41) vorgeschriebenen Abschreibungen in Betracht gezogen werden. Zu
erwähnen sei schliesslich, dass die BLS auch einen Abschreibungsrückstand
aufzuholen habe, der "in die Millionen Franken gehe". Auch dürfe nicht
ausser acht gelassen werden, dass die Abschreibungssätze umso höher sein
müssen, je rascher die technische Entwicklung voranschreite.

    Angesichts dieser Verhältnisse gelangt die Vorinstanz zum Schluss,
dass die Ausschüttung von Dividenden praktisch ausgeschlossen werden müsse.

    a) Die Ausführungen der Vorinstanz beruhen zum Teil auf Feststellungen
über konkrete Verhältnisse, zum Teil auf gerichtsnotorischen Tatsachen und
sodann auf der Würdigung wirtschaftlicher Zusammenhänge. Sie sind somit im
wesentlichen tatsächlicher Natur und als solche für das Bundesgericht
verbindlich, wenn sie nicht unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen sind oder offensichtlich auf Versehen
beruhen (Art. 63 Abs. 2 OG).

    Die Vorinstanz war von Bundesrechts wegen nicht verpflichtet, mit Hilfe
eines Sachverständigen die Frage abzuklären, ob die Beklagte inskünftig in
der Lage sein werde, Dividenden auszuschütten. Ob sie in dieser Beziehung
das Urteil auf eigene Sachkenntnisse abstützen durfte, ist eine Frage
des kantonalen Prozessrechtes, dessen Anwendung mit der Berufung nicht
gerügt werden darf (BGE 83 II 393; DESCHENAUX, Schweiz. Privatrecht II,
S. 238 N. 15; KUMMER, N. 98 und 99 zu Art. 8 ZGB).

    b) Die Klägerin macht geltend, sie habe behauptet und dafür Beweise
anerboten, dass die BLS 40% mehr als den gegenwärtigen Verkehr mit ihren
heutigen Anlagen bewältigen könne. Auch habe sie dargelegt, dass der
Ausbau der Stammlinie auf Doppelspur unvernünftig wäre, solange nicht die
Zubringerlinien und die Randbahnhöfe (Brig, Domodossola) ausgebaut seien.

    In den kantonalen Prozessakten finden sich indessen die behaupteten
Beweisanträge der Klägerin nicht. Die Klägerin unterlässt es denn auch,
auf die einschlägigen Aktenstellen hinzuweisen.

    Die Vorinstanz stellt fest, dass die Gesellschaft im Jahre 1961
den Ausbau der Stammlinie ins Auge fasste und dass die Verwirklichung
dieses Projektes auch von den privaten Aktionären als notwendig erachtet
wurde. Die Vorinstanz stützt ferner ihre Meinung auf die Abhandlung
von FERBER (Die Verstaatlichung der Berner Alpenbahngesellschaft-BLS,
Diss. Neuenburg 1965, S. 63). Ob sie damit zu Recht von der Durchführung
einer Expertise absah, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die dem
kantonalen Prozessrecht vorbehalten ist. Art. 8 ZGB wäre nur verletzt, wenn
die Vorinstanz die behaupteten Beweisanträge ohne Prüfung und Begründung
verworfen hätte (BGE 84 II 143, 90 II 224 Erw. 4 lit. b und 310).

    Der Einwand der Klägerin, die Vorinstanz habe bei der Beurteilung der
Zukunftsaussichten des Unternehmens eine Reihe von Fakten ausser acht
gelassen, läuft aufeine unzulässige Kritik der Beweiswürdigung hinaus,
die im Berufungsverfahren nicht zu hören ist.

    c) Als aktenwidrig rügt die Klägerin die Feststellung der Vorinstanz,
Rechtsanwalt Dr. Wehrli habe an der Generalversammlung vom 25. Juni 1966
die Darstellung von Dr. Martin, wonach ein Abschreibungsrückstand von 16
Millionen Franken bestehe, nicht bestritten.

    Dr. Martin, der Vertreter des Bundes im Verwaltungsrat der Beklagten,
bezifferte den Abschreibungsrückstand mit 16 Millionen Franken, wogegen Dr.
Wehrli nichts einwendete. In der Generalversammlung vom 12. September 1966
erklärte Dr. Wehrli, der auf 62 Millionen bezifferte Abschreibungsrückstand
sei praktisch behoben; es seien "nur noch ungefähr 10 Millionen zusätzliche
Abschreibungen zu machen; dann ist der Abschreibungsrückstand vollständig
abgetragen". Zudem fügte er bei, wenn die "wiederholt erwähnten 11
Millionen Franken nicht verbuchter Investitionen dazu gerechnet werden,
kann der angeblich noch vorhandene Abschreibungsrest als praktisch nicht
mehr existent bezeichnet werden".

    Von einem offensichtlichen Versehen, wie es die Klägerin offenbar
dartun will, kann indessen nicht die Rede sein, wenn die Vorinstanz
die umstrittenen Investitionen nicht in gewünschtem Mass in Rechnung
stellte und daher von einem "in die Millionen von Franken" gehenden
Abschreibungsrückstand spricht.

    Die im Berufungsverfahren erneut vorgetragene Argumentation der
Klägerin, die Beklagte sei rechtlich nicht verpflichtet gewesen, die
behaupteten Abschreibungen vorzunehmen, geht an der Sache vorbei. Ob und
in welchem Umfang die zum Unternehmen der Beklagten gehörenden Anlagen
erneuerungsbedürftig sind, ist ein für die Preisbestimmung wesentlicher
Faktor, den der Bund im Rahmen seiner Übernahmeofferte berücksichtigen
durfte.

Erwägung 19

    19.- Auf Grund des von der Vorinstanz verbindlich festgestellten
Sachverhaltes kann von einem offenbaren Missbrauch der Mehrheit nicht
die Rede sein. Gewiss erlangen die beiden Hauptaktionäre, Bund und
Kanton Bern, im Zusammenhang mit derÜbernahme der BLS gewisse Vorteile
(vgl. Erw. 12). Diese unterschiedliche Behandlung beruht jedoch auf
sachlichen Gründen: Die BLS ist keine gewöhnliche Aktiengesellschaft,
sondern ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen im Sinne von Art. 762
OR (vgl. Art. 2 und 22 der Statuten). Damit war von Anfang an eine
unterschiedliche Stellung der Aktionäre verbunden. Während die privaten
Aktionäre nur zur Leistung der gezeichneten Kapitaleinlage verpflichtet
waren und auf die Interessen der Gesellschaft keine Rücksicht zu nehmen
brauchten (Art. 680 Abs. 1 OR; BGE 91 II 305 Erw. 6 a), mussten Bund und
Kanton Bern verschiedentlich der in Not geratenen Beklagten finanziell
beistehen. Die Sonderleistungen dieser beiden öffentlich-rechtlichen
Körperschaften beliefen sich nach Feststellung der Vorinstanz auf ungefähr
80 Millionen Franken. Ferner wurde zur Tilgung des seinerzeitigen
Bilanzdefizites das vorwiegend in der öffentlichen Hand vereinigte
Stammaktienkapital auf 50% des Nennwertes herabgesetzt; der Nennwert der
Prioritätsaktien II. Ranges wurde dagegen nur um 20% abgeschrieben. Der
Appellationshof zieht daraus den für die Berufungsinstanz verbindlichen
Schluss, dem Bund und dem Kanton Bern sei es zu verdanken, dass das
Unternehmen der Beklagten überhaupt noch bestehe. Es ist daher durchaus
gerechtfertigt, dass die beiden Hauptaktionäre für die in der Vergangenheit
im Interesse des Unternehmens erbrachten Leistungen durch gewisse Vorteile
aus dem Übernahmevertrag entschädigt werden. Die ungleiche Behandlung der
Minderheitsaktionäre beruht daher nicht auf einem offenbaren Missbrauch,
sondern wird durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
(III. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 11. März 1968 bestätigt.