Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 III 92



95 III 92

15. Auszug aus dem Entscheid vom 18. April 1969 i.S. Huber. Regeste

    Betreibung gegen Gemeinden. Vorübergehende Einstellung einer solchen
Betreibung durch die kantonale Aufsichtsbehörde gemäss Art. 6 Abs. 1
des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere
Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts vom 4. Dezember
1947. Der Gläubiger kann gegen eine solche Anordnung nach Art. 6 Abs. 2
des genannten Bundesgesetzes jederzeit an das Bundesgericht rekurrieren,
um geltend zu machen, sie sei den Verhältnissen nicht (oder nicht mehr)
angemessen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 "kann"
die Aufsichtsbehörde die Betreibung vorübergehend einstellen, "wenn die
Kantonsregierung dafür sorgt, dass sich durch die Einstellung die Lage der
Gläubiger nicht verschlechtert". Die hier vorgesehene Massnahme ist also
weitgehend dem Ermessen der Aufsichtsbehörde anheimgestellt. Sie gleicht in
dieser Hinsicht der Gewährung aufschiebender Wirkung nach Art. 36 SchKG,
die als Ermessensfrage der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen
ist (BGE 59 III 208/209, 82 III 18/19; JAEGER, N. 3 zu Art. 36 SchKG;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs I, 1967, S. 47). Nach den für
das gewöhnliche Betreibungsverfahren geltenden Regeln könnte also ein
kantonaler Entscheid, der die vorübergehende Einstellung einer Betreibung
verfügt, mindestens in der Regel nicht an das Bundesgericht weitergezogen
werden (Art. 19 im Gegensatz zu Art. 17/18 SchKG).

    Das Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 sieht jedoch in
Art. 6 Abs. 2 vor, der betreibende Gläubiger könne jederzeit beim
Bundesgericht die Fortsetzung der Betreibung verlangen, wenn die von
der Kantonsregierung getroffenen Massnahmen nicht oder nicht mehr
genügen. Diese Sonderbestimmung erlaubt dem betreibenden Gläubiger
ausdrücklich, dem Bundesgericht die Ermessensfrage vorzulegen,
ob die von der Kantonsregierung nach Art. 6 Abs. 1 getroffenen
Massnahmen ausreichen bezw. noch ausreichen, um zu verhindern, das
die Einstellung der Betreibung die Lage der Gläubiger verschlechtert,
oder ob die Betreibung wegen einer solchen Verschlechterung fortzusetzen
ist. Dabei handelt es sich der Sache nach um ein unbefristetes Rekursrecht
(vgl. Art. 4 Abs. 2 der bundesrätlichen Entwürfe von 1939 und 1945,
BBl 1939 II 27 und 1945 I 20, wo von einer "Beschwerde" die Rede ist,
und den zum Gesetz gewordenen Antrag der ständerätlichen Kommission,
die nach dem Votum des Berichterstatters Fricker die Festsetzung einer
Frist für die Anrufung des Bundesgerichts ablehnte; Sten. Bull 1946, StR,
S. 211). Auf den vorliegenden Rekurs, mit dem der Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde wegen Ungenügens der Massnahmen der Kantonsregierung
und damit wegen Unangemessenheit angefochten wird, ist daher einzutreten.