Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 III 43



95 III 43

9. Entscheid vom 18. September 1969 i.S. Knobel Regeste

    Löschung eines Verlustscheins

    Wird die Forderung aus einem Verlustschein in einem neuen
Betreibungsverfahren durch Zahlung an das Betreibungsamt oder durch
Betreibungsmassnahmen vollständig gedeckt, so hat der Schuldner Anspruch
auf Herausgabe des im Besitz des Gläubigers befindlichen Verlustscheins.
Durchsetzung dieses Anspruchs (Art. 150 SchKG).

    Bei Tilgung der Forderung aus einem Verlustschein innerhalb
oder ausserhalb eines Betreibungsverfahrens hat der Schuldner einen
unmittelbaren Anspruch auf sofortige Feststellung dieser Tatsache im
Betreibungsbuch (vgl. Art. 30 der Verordnung Nr. 1 zum SchKG). Er braucht
im Falle der Tilgung ausserhalb eines Betreibungsverfahrens nicht vorerst
auf Herausgabe oder Entkräftung des Verlustscheins zu klagen. Nachweis
einer durch Verrechnung erfolgten Tilgung.

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 7409/62 gegen Edgar Knobel stellte
das Betreibungsamt Zürich 4 der Gläubigerin Therese Knill am 14.
Februar 1963 einen Verlustschein für Fr. 5070.55 aus. Am 21. Juli 1967
leitete Andreas Sommer, dem Therese Knill diese Forderung am 19. Juli
1967 abgetreten hatte, für diese Forderung gegen Knobel eine neue
Betreibung ein (Betr. Nr. 6279 des Betreibungsamtes Zürich 4). Am
29. August 1967 erteilte ihm der zuständige Richter auf Grund des
Verlustscheins die provisorische Rechtsöffnung. Hierauf erhob Knobel am
18. September 1967 gegen Sommer Aberkennungsklage. Er erklärte gestützt
auf Abtretungen, die er am 28. August bzw. 2. Oktober 1967 erhalten
hatte, die Verrechnung mit Forderungen gegen die am 7. September 1967
in Konkurs gefallene Kollektivgesellschaft A. Sommer & Co., der Andreas
Sommer als Gesellschafter angehörte. Sommer machte geltend, er habe die
Verlustscheinsforderung schon am Tage der Rechtsöffnungsverhandlung an
Therese Knill zurückzediert; die Verrechnung mit Forderungen, die sich
Knobel erst später abtreten liess, sei daher wirkungslos. Mit Urteil vom
12. Januar 1968, das rechtskräftig wurde, schützte das Bezirksgericht
Zürich die Aberkennungsklage. Es betrachtete die Verrechnung als
wirksam, weil Sommer nicht dargelegt habe, dass Knobel vor seiner
Verrechnungserklärung von der Rückzession Kenntnis erhielt.

    B.- Gestützt auf dieses Urteil ersuchte Knobel das Betreibungsamt,
den bei ihm registrierten Verlustschein vom 14. Februar 1963 zu
löschen. Das Betreibungsamt lehnte dieses Gesuch am 20. November 1968
ab, im wesentlichen mit der Begründung, das Aberkennungsurteil ordne
die Löschung des Verlustscheins nicht an und ein dahingehender Antrag
von Therese Knill liege nicht vor. Die Beschwerde, mit welcher Knobel die
Anordnung der Löschung des Verlustscheins beantragte, wurde am 26. Februar
1969 von der unteren und am 25. August 1969 auch von der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde abgewiesen, weil die Tilgung der Schuld gegenüber der
derzeitigen Inhaberin des Verlustscheins nicht rechtskräftig festgestellt
sei und Knobel weder den Verlustschein selbst noch die Zustimmung der
Inhaberin zur Löschung beigebracht habe.

    C.- Den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat Knobel
an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, es sei die Löschung
des Verlustscheines anzuordnen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 150 SchKG hat der Gläubiger, dessen Forderung
vollständig gedeckt wird, die Forderungsurkunde zu quittieren und dem
Betreibungsbeamten zuhanden des Schuldners herauszugeben. Gemeint ist damit
jede Beweisurkunde, auch ein allfälliger Verlustschein (JAEGER, N. 2 zu
Art. 150 SchKG; über den Grad der Beweiskraft des Pfändungsverlustscheines
vgl. BGE 69 III 89). Das Betreibungsamt hat dem Gläubiger die Ablieferung
des Geldes zu verweigern, solange dieser den Forderungstitel nicht
herausgibt (JAEGER, N. 3 zu Art. 150 SchKG). So vorzugehen, ist jedoch
nur möglich, wenn die Forderung durch Zahlung an das Betreibungsamt
(Art. 12 SchKG) oder durch Betreibungsmassnahmen gedeckt wird, was im
vorliegenden Falle nicht geschehen ist.

    Ob der Schuldner, wenn der Gläubiger die Herausgabe der
Forderungsurkunde verweigert, vom Betreibungsamt die Ausstellung einer
dem Art. 90 OR entsprechenden Mortifikationsurkunde verlangen könne, wie
JAEGER annimmt (N. 3 zu Art. 150), kann dahingestellt bleiben, da der
Rekurrent kein solches Gesuch gestellt hat. JAEGER fasst die Ausstellung
einer derartigen Urkunde durch das Betreibungsamt im übrigen nur für den
hier nicht gegebenen Fall ins Auge, dass das Betreibungsamt die Forderung
einkassiert hat.

    Zu prüfen ist also nur, ob der streitige Verlustschein im
Betreibungsbuch, das Angaben über die Art der Erledigung der Betreibung und
gegebenenfalls über den Verlustschein zu enthalten hat (vgl. Art. 30 der
Verordnung Nr. 1 zum SchKG vom 18. Dezember 1891 und den entsprechenden,
von der Eidg. Drucksachen- und Materialzentrale verlegten Vordruck), zu
löschen bzw. als gelöscht zu bezeichnen sei. Diese Frage kann vom Schuldner
zum Gegenstand einer Beschwerde gemacht werden, obwohl die Eintragungen
im Betreibungsbuch keine nach aussen wirkenden Verfügungen darstellen
(BGE 95 III 3 f.). Der Fortbestand des Eintrags eines Verlustscheins für
eine inzwischen getilgte Forderung kann, da Dritte vom Eintrag Kenntnis
erhalten können (Art. 8 Abs. 2 SchKG) und der seinerzeitige Gläubiger auf
Grund des Eintrags unter Umständen die Ausstellung eines Doppels erwirken
kann, dem Schuldner erhebliche Nachteile verursachen, namentlich seinen
Kredit schädigen und ihn der Gefahr aussetzen, dass die Folgen eintreten
oder fortdauern, die das Zivilrecht und das öffentliche Recht an das
Bestehen von Verlustscheinen knüpfen. Ist die Verlustscheinsforderung
inner- oder ausserhalb eines Betreibungsverfahrens untergegangen, muss
also dem Schuldner ein unmittelbarer Anspruch auf sofortige Feststellung
dieser Tatsache im Betreibungsbuch eingeräumt werden. Dem Schuldner, der
die Forderung nachgewiesenermassen ausserhalb eines Betreibungsverfahrens
getilgt, den Verlustschein aber nicht zurückerhalten hat, ist nicht
zuzumuten, vorerst gegen den Inhaber auf Herausgabe oder Entkräftung
dieser Urkunde zu klagen, doch ist ihm eine solche Klage unbenommen, wenn
er eine unbefugte weitere Verwendung des Verlustscheins verhindern will.

    Ob in den Kantonen, welche die Veröffentlichung der Verlustscheine
vorsehen (vgl. Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die
öffentlich-rechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses
vom 29. April 1920 und BGE 67 III 131), die Tatsache der Löschung
einzelner Verlustscheine zu veröffentlichen sei, ist eine Frage des
kantonalen Rechts, die der Beurteilung durch die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts entzogen ist. Die Aufhebung der nach
kantonalem Recht eingetretenen Folgen des Konkurses oder der fruchtlosen
Pfändung ist in Art. 2 Abs. 2 des genannten Bundesgesetzes nur für den
Fall vorgeschrieben, dass der Konkurs widerrufen wird oder dass sämtliche
zu Verlust gekommenen Gläubiger befriedigt sind oder der Rehabilitation
beistimmen. Die erwähnte Frage stellt sich übrigens im vorliegenden Falle
nicht, weil der Kanton Zürich die Veröffentlichung der Verlustscheine
nicht vorgeschrieben hat.

Erwägung 2

    2.- Das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom
12. Januar 1968, auf das der Rekurrent sein Löschungsbegehren stützt,
bezieht sich unzweideutig auf die Forderung aus dem in der Betreibung
Nr. 7409 des Betreibungsamtes Zürich 4 am 14. Februar 1963 ausgestellten
Verlustschein. In den Erwägungen wird festgestellt, der Rekurrent habe
diese Forderung gegenüber dem Zessionar Sommer, der durch die Rückzession
an Fräulein Knill die Prozessführungsbefugnis nicht verloren habe, durch
Verrechnung getilgt, bevor ihm die Rückzession angezeigt wurde. Demgemäss
wurde die genannte Forderung aberkannt. Mit diesem Urteil hat der Rekurrent
die Tilgung der Forderung in einer für die Löschung des Verlustscheins
im Betreibungsbuch genügenden Weise nachgewiesen. Auf eine Untersuchung
der Frage, ob das Gericht dem Zessionar Sommer mit Recht die Befugnis
zugestanden habe, trotz der Rückzession der Forderung als Beklagter
am Aberkennungsprozess teilzunehmen, und welche Rechtsbehelfe der in
den Prozess nicht einbezogenen Rückzessionarin (die dem Rekurrenten die
Rückzession ohne Wissen Sommers angezeigt haben könnte) allenfalls trotz
dem Urteil vom 12. Januar 1968 noch zur Verfügung stehen mögen, haben sich
die Betreibungsbehörden nicht einzulassen. Sollten der Rückzessionarin
entgegen allem Anschein noch irgendwelche Rechte gegenüber dem Rekurrenten
zustehen, so würde die Löschung des Eintrags im Betreibungsbuch sie nicht
hindern, diese Rechte geltend zu machen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und das Betreibungsamt Zürich 4 angewiesen, den in der Betreibung
Nr. 7409 dieses Amtes am 14. Februar 1963 ausgestellten Verlustschein
über Fr. 5070.55 im Betreibungsbuch zu löschen.