Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 III 1



95 III 1

1. Entscheid vom 18. März 1969 i.S. X. Regeste

    1.  Inwiefern unterliegen die Eintragungen der vom Betreibungsamte
zu führenden Register (Art. 8 SchKG und Art. 28 ff. der Verordnung
Nr. 1 zum SchKG, vom 18. Dezember 1891) der Beschwerde nach Art. 17
ff. SchKG? (Erw. 1 Abs. 1).

    2.  Die eingehenden Betreibungsbegehren sind in der Regel im Eingangs-
und im Betreibungsregister (Art. 29 und 30 der VO I) einzutragen, und
es bleibt alsdann dieser Eintrag bestehen, auch wenn das betreffende
Amt die Betreibung wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht durchführen
kann. Erkennt das Amt aber seine örtliche Unzuständigkeit sogleich nach
Eingang des Begehrens, so hat es lediglich einen Tagebuchvermerk (Art. 33
der Verordnung) vorzunehmen und ein Rückweisungsschreiben an den Gläubiger
zu richten. (Erw. 1 Abs. 2).

    3.  Ob und in welchem Masse einem Interessenten Auskunft über
Registereintragungen zu erteilen sei, muss von Fall zu Fall auf Grund des
Interessennachweises entschieden werden. Es ist nicht zulässig, dem Amte
hierüber zum vornherein allgemeine Weisungen zu erteilen. (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 21. Juni 1960 ging beim Betreibungsamt Zürich 11 ein
Betreibungsbegehren für eine Forderung im Hauptbetrag von Fr. 8000.--
gegen den Rekurrenten, Rechtsanwalt, ein. Das Amt registrierte diese
Betreibung, fertigte den Zahlungsbefehl aus und lud den Betriebenen
telephonisch ein, ihn abzuholen. Dabei ergab sich, wie dem Amtsberichte
des weitern zu entnehmen ist, dass der Rekurrent aus dem Stadtkreis 11 in
den Kreis 10 weggezogen war. Hierauf teilte das Amt dem Gläubiger mit,
der Zahlungsbefehl habe wegen des Wohnungswechsels des Schuldners nicht
zugestellt werden können.

    Der Rekurrent setzte sich seinerseits mit dem Betreibenden in
Verbindung; dieser sah hieraufvon der Einleitung einer neuen Betreibung ab.

    B.- Im Herbst 1968 sah sich der Rekurrent veranlasst, von den
Betreibungsämtern Zürich 10 und 11 ihn betreffende Auszüge aus den
Betreibungsregistern zu verlangen. Er erhielt am 12. November 1968 vom
Betreibungsamt Zürich 11 die Bescheinigung,

    "dass bei uns auf Ihren Namen eine Betreibung registriert ist:
Betreibung Nr. 71473 vom 21. Juni 1960

    Gläubiger:...

    Forderung:...

    Den Zahlungsbefehl konnten wir nicht zustellen, weil Sie zu jenem
Zeitpunkt Ihren Wohnsitz von der ... strasse ... Zürich 11 an die
... strasse ... Zürich 10 verlegt hatten."

    C.- Am 22. November 1968 führte der Rekurrent gegen das Betreibungsamt
Zürich 11 Beschwerde mit dem Antrag, dieses Amt sei anzuweisen, die
erwähnte Betreibung vom 21. Juni 1960 "im Eingangs- bzw. überhaupt
im Betreibungsregister zu streichen bzw. zu löschen". Zur Begründung
wies er auf die ihm aus dem Fortbestehen solcher Einträge erwachsenden
Unannehmlichkeiten hin. Für einen mit Aufträgen in Finanzgeschäften
zum Teil internationaler Art beschäftigten Anwalt sei jede Betreibung
kreditschädigend. Er übe den Anwaltsberuf in mehreren Kantonen aus und
müsse jeweilen beim Einholen einer Zulassungsbewilligung einen Auszug
aus dem Betreibungsregister vorlegen. Seien Betreibungen verzeichnet, so
müsse er nachweisen, dass sie ungerechtfertigt waren. Das sei unzumutbar;
die vorliegende (vom Betreibenden gänzlich fallen gelassene, nicht etwa
im Kreis 10 erneuerte) Betreibung sei übrigens als nichtig zu betrachten;
für deren Registrierung fehle es "an jeder sachlichen und rechtlichen
Grundlage".

    D.- Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde ab, ebenso
die obere Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich den vom Beschwerdeführer
eingereichten Rekurs, mit Entscheid vom 20. Februar 1969. In der Begründung
wird erklärt, die vorliegenden Registereinträge seien nach Vorschrift
erfolgt, und es sei nicht zulässig, sie während der vorgeschriebenen Dauer
der Aufbewahrung der Register zu löschen oder zu streichen. Auch der im
Rekurs enthaltene Eventualantrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, die
erwähnte Betreibung "auf Auskunftsbegehren hin nicht bekannt zu geben",
könne nicht geschützt werden. Beim Nachweis eines Interesses dürfe die
Einsichtnahme in die Register und die Abgabe von Auszügen nach Art. 8
SchKG nicht verweigert werden. Dem Rekurrenten sei auch nicht zuzugeben,
dass über das vorliegende, vom Betreibenden selbst nicht weiter verfolgte
Betreibungsbegehren jedenfalls nur beim Nachweis eines besonderen
Interesses Auskunft erteilt werden dürfe. Denn das Gesetz unterscheide
nicht zwischen einfachem und qualifiziertem Interesse.

    E.- Diesen Entscheid zieht der Rekurrent an das Bundesgericht weiter,
indem er an Haupt- und Eventualantrag festhält.

Auszug aus den Erwägungen:

      Die Schuldbetr.- u. Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 17 Abs. 1 SchKG unterstellt der Beschwerde jede "Verfügung"
eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes. Die in Art. 8 Abs. 1 SchKG
vorgeschriebene Protokollführung, insbesondere die Eintragungen in die von
Art. 28 ff. der Verordnung Nr. 1 vom 18. Dezember 1891 des Bundesrates
zum SchKG vorgeschriebenen Register, betreffen die innere Organisation
der Ämter und stellen keine nach aussen wirkenden Verfügungen wie etwa
die Eintragungen des Eigentumsvorbehaltsregisters dar. Freilich dienen
jene Protokolle auch zur Orientierung irgendwelcher Personen, die ein
Interesse nachweisen, und geniessen eine erhöhte Beweiskraft, auf welche
sich diejenigen, zu deren Gunsten sie lauten, berufen können (Art. 8 Abs. 2
und 3 SchKG). Daher kann sowohl das Unterbleiben wie auch die Unklarheit
oder Unrichtigkeit emer Eintragung einen Grund zur Beschwerde bilden,
und ebenso die ungerechtfertigte Erteilung oder Verweigerung einer auf
diese amtlichen Aufzeichnungen gestützten Auskunft. Darum geht es jedoch
beim Hauptbegehren der vorliegenden Beschwerde, womit der Rekurrent die
"Löschung" eines Registereintrages verlangt, nicht. Dieses Begehren
richtet sich auch nicht gegen die Erhebung einer Gebühr für eine
Amtsverrichtung, die aus diesem Grund auf ihre gesetzliche Grundlage
zu überprüfen wäre. Vielmehr will der Rekurrent die Eintragung eines
gegen ihn eingegangenen Betreibungsbegehrens nun acht Jahre später
löschen lassen, weil er befürchtet, die Kenntnis dieses Eintrages durch
Drittpersonen könnte ihm nachteilig sein. Allerdings ist er der Ansicht,
das Betreibungsamt hätte, als es seiner örtlichen Unzuständigkeit gewahr
wurde, den bereits erfolgten Eintrag sogleich annullieren sollen,
um jeglicher Kundgabe desselben an Drittpersonen vorzubeugen. Es mag
dahingestellt bleiben, ob der Rekurrent aus diesem Gesichtspunkt ein
Recht zur Beschwerde über den Registereintrag vom 21. Juni 1960 herleiten
kann. Denn jedenfalls erweist sich die in diesem Punkt erhobene Rüge
als unbegründet.

    Zwar ist dem Rekurrenten darin beizustimmen, dass das Betreibungsamt
schon vor Zustellung des bereits ausgefertigten Zahlungsbefehls von
seinem Wegzug in einen anderen Betreibungskreis erfuhr. Die Zustellung
unterblieb daher; es kam somit nicht zu der von der kantonalen
Aufsichtsbehörde an und für sich richtig als "bloss anfechtbar, nicht
nichtig" bezeichneten Betreibungshandlung (BGE 88 III 11). Allein das
Amt hatte sich beim Eingang des Betreibungsbegehrens gemäss der darin
angegebenen Wohnadresse des Rekurrenten, wie dem Amtsbericht zu entnehmen
ist, als örtlich zuständig betrachtet (und betrachten dürfen), weshalb
die Eintragung im Eingangsregister (nach Art. 29 Abs. 1 der VO I) und im
Betreibungsbuch bzw. in der Betreibungskarte (nach Art. 30 Abs. 1 der VO
I) in Ordnung ging. Dass diese Einträge nachträglich zu "löschen" seien,
weil das Betreibungsamt in Wahrheit örtlich nicht zuständig war, trifft
nicht zu. Nur wenn das Amt schon beim Empfang des Betreibungsbegehrens
seine Unzuständigkeit mit Sicherheit erkannt hätte, wäre es nicht am
Platz gewesen, die Betreibung in der angegebenen Weise einzutragen. In
diesem Falle hätte ein Tagebuchvermerk nach Art. 33 der VO I genügt
(vgl. BGE 85 III 1 ff., wonach es auch für die Gebührenerhebung darauf
ankommt, ob das Betreibungsamt seine Unzuständigkeit sogleich beim
Empfang des Begehrens erkennt und es daher bei einem Tagebuchvermerk
und einem Rückweisungsschreiben an den Gläubiger bewenden lässt,
oder ob sich die Unzuständigkeit erst nach Ausführung der verlangten
Betreibungshandlung ergibt: alsdann ist keine besondere Gebühr für die -
natürlich erfolgte (und fortbestehende) - Einschreibung im Eingangs-
und im Betreibungsregister zu erheben). Im vorliegenden Fall ist es
nicht zu beanstanden, dass das Betreibungsamt die vermeintlich in seinen
Kreis gehörende Betreibung in diese beiden Register eintrug, und dieser
Eintrag muss nun auch während der vorgeschriebenen Dauer der Aufbewahrung
des Betreibungsregisters bestehen bleiben. Mit Recht bemerkt die untere
Aufsichtsbehörde: "Jede Tilgung in den Registern eines Amtes würde die
Kontrolle der Geschäftsführung verunmöglichen, denn damit wäre jeder
Beweis für das Tätigwerden des Amtes beseitigt."

Erwägung 2

    2.- Dem Rekurrenten liegt es vor allem daran, eine Bekanntgabe
des erwähnten Einganges an Drittpersonen zu verhindern. Mit seinem
Eventualbegehren will er daher das Betreibungsamt anweisen lassen, bei
einer ihn betreffenden Auskunft jene Betreibung "nicht zu berücksichtigen
bzw. nicht bekannt zu geben". Eine allgemeine Anweisung solcher Art ist
jedoch unzulässig und würde dem Art. 8 Abs. 2 SchKG widersprechen. Sollte
sich jemand beim Betreibungsamt Zürich 11 als dem Amt seines früheren
Wohnsitzes danach erkundigen, ob und was für Betreibungen gegen
den Rekurrenten angehoben und durchgeführt wurden, so wird es vom
Interessennachweis abhangen, ob und inwieweit die Einsicht in das
Betreibungsregister zu gewähren und welche Auskunft allenfalls in Form
eines Registerauszuges zu erteilen sei: ob sie sich auf die durchgeführten
Verwertungen oder auf die Ausstellung von Verlustscheinen beschränken
oder aber alle angehobenen, wenn auch nicht bis zur Verwertung gelangten
Betreibungen mitumfassen solle. Darüber kann nicht zum voraus, sondern
erst beim Vorliegen des einzelnen Gesuches entschieden werden.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.