Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 77



94 I 77

14. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1968 i.S. Interfer
Verwaltungsaktiengesellschaft gegen Eidg. Bankenkommission. Regeste

    Geltungsbereich des Bundesgesetzes über die Anlagefonds.

    Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat, fallen
auch dann unter dieses Gesetz, wenn schon vor seinem Inkrafttreten die
öffentliche Werbung von Anlegern eingestellt und mit der Liquidation des
Fondsvermögens begonnen worden ist.

    Ist die Fondsleitung eine Aktiengesellschaft und verlegt sie
ihren Sitz von der Schweiz ins Ausland, so bleibt der Anlagefonds
dem schweizerischen Gesetz unterstellt, solange die Gesellschaft im
schweizerischen Handelsregister mangels Erfüllung der Bedingungen des
Art. 51 der Handelsregisterverordnung nicht gelöscht ist.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Die Interfer AG mit Sitz in Zürich wurde am 27.  Oktober 1961
im dortigen Handelsregister eingetragen. Sie errichtete und leitete
den Internationalen Ferienhaus-Anlagefonds Interfer mit dem Zweck, den
Anteilhabern eine Kapitalanlage in Immobilien in verschiedenen Ländern
zu verschaffen und ihnen zu ermöglichen, in den Häusern unentgeltlich
Ferien zu verbringen. Das Unternehmen hatte anfänglich Erfolg, geriet
dann aber in finanzielle Schwierigkeiten. Am 19. Januar 1966 beschloss
die Interfer AG, den Fonds zu liquidieren.

    Gestützt auf Art. 55 des BG über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966
(AFG), das am 1. Februar 1967 in Kraft trat, meldete sich die Interfer
AG als Fondsleitung bei der eidg. Bankenkommission an.

    Am 8. November 1967 beschloss eine ausserordentliche Generalversammlung
der Interfer AG, die Firma in Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft
abzuändern und den Sitz der Gesellschaft von Zürich nach Vaduz (Fürstentum
Liechtenstein) zu verlegen. Die Inter fer Verwaltungsaktiengesellschaft
wurde am 14. November 1967 im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums
Liechtenstein eingetragen.

    B.- Mit Verfügung vom 23. November 1967 verpflichtete die
eidg. Bankenkommission in Anwendung des Art. 43 Abs. 2 AFG die Interfer
AG Zürich, bei der Zürcher Kantonalbank zur Sicherstellung der Ansprüche
der Anleger den Betrag von Fr. 50'000.-- in bar oder in Wertpapieren
zu hinterlegen.

    Durch eine am gleichen Tage getroffene weitere Verfügung, die
auf Art. 44 Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 AFG gestützt wird, entzog die
Bankenkommission der Interfer AG Zürich die Bewilligung zur Führung
der Geschäfte eines Anlagefonds und ernannte zwei Sachverwalter für den
Interfer-Anlagefonds in Liquidation.

    C.- Gegen diese Verfügungen richten sich die von der
Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft Vaduz eingereichten
Verwaltungsgerichtsbeschwerden. Die Beschwerdeführerin macht u.a. geltend,
es sei zweifelhaft, ob der Interfer-Anlagefonds überhaupt jemals dem
Anlagefondsgesetz unterstanden habe. Auf jeden Fall sei dieses Gesetz
nach seinem Art. 1 nur solange anwendbar gewesen, als die Fondsleitung
ihren Sitz in der Schweiz gehabt habe. Sie habe aber den Sitz ins Ausland
verlegt, bevor die Bankenkommission die angefochtenen Verfügungen getroffen
habe. Fondsleitung sei seit dem 14. November 1967 nicht mehr die Interfer
AG Zürich, sondern die Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft Vaduz. Die
Bankenkommission sei somit am 23. November 1967 nicht mehr zuständig
gewesen, Verfügungen zu erlassen, die sich gegen die Interfer AG Zürich
als Fondsleitung richteten.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin spricht der Bankenkommission die
Zuständigkeit zum Erlass der angefochtenen Verfügungen ab mit der
Begründung, der Interfer-Anlagefonds habe dem Anlagefondsgesetz am
23. November 1967 auf jeden Fall nicht mehr unterstanden. Sie bezweifelt
sogar, ob der Fonds jenem Gesetz überhaupt jemals unterworfen gewesen sei.

    a) Dieser Zweifel ist unbegründet. Das Anlagefondsgesetz ist nach
Art. 1 Abs. 1 anwendbar auf alle Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz
in der Schweiz hat. Art. 2 Abs. 1 umschreibt den Anlagefonds als ein
Vermögen, das auf Grund öffentlicher Werbung von den Anlegern zum Zwecke
gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung nach
dem Grundsatz der Risikoverteilung auf Rechnung der Anleger verwaltet wird.
Der Interfer-Anlagefonds fällt offensichtlich unter diesen Begriff. Er
untersteht also dem Gesetz, solange seine Leitung ihren Sitz in der
Schweiz hat. Dass dies zum mindesten bis zur Verlegung des Sitzes der
Fondsleitung ins Ausland der Fall war, lässt sich nicht bestreiten und
wird auch nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin weist vergeblich darauf
hin, dass schon vor dem Inkrafttreten des Anlagefondsgesetzes mit der
Liquidation des Interfer-Fonds begonnen und die Ausgabe von Anteilscheinen
eingestellt worden sei. Der Fonds ist (noch) nicht aufgelöst worden. Er
besteht heute noch als Anlagefonds im Sinne des Gesetzes. Es ist nicht
bestritten und steht fest, dass das Fondsvermögen auf Grund öffentlicher
Werbung aufgebracht worden ist. Zwar mag zutreffen, dass die öffentliche
Werbung längst, schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, aufgehört hat,
doch folgt daraus nicht, dass das Fondsvermögen den Charakter eines
Anlagefonds verloren hat. Der Interfer-Anlagefonds stellt auch heute
noch ein von den Anlegern auf Grund öffentlicher Werbung aufgebrachtes
Vermögen dar. Die Fondsleitung hat sich denn auch gemäss Art. 55 AFG
bei der Bankenkommission angemeldet und damit die Anwendbarkeit dieses
Gesetzes anerkannt.

    b) Unbegründet ist aber auch die Auffassung der Beschwerdeführerin,
der Interfer-Anlagefonds habe dem Anlagefondsgesetz auf jeden Fall
im Zeitpunkte des Erlasses der angefochtenen Verfügungen nicht mehr
unterstanden, weil die Fondsleitung ihren Sitz schon vorher ins Ausland
verlegt habe.

    Das Anlagefondsgesetz will die Anleger, deren Schuldner die
Fondsleitung ist, dieser gegenüber schützen. Es erfasst deshalb jene
Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat (Botschaft
des Bundesrates, BBl 1965 III 314 unten). Ist die Fondsleitung - wie
im vorliegenden Fall - eine Aktiengesellschaft, so untersteht sie dem
Anlagefondsgesetz, wenn und solange sie in der Schweiz nach Ausweis
des hiesigen Handelsregisters ihren statutarischen Sitz hat, d.h. eine
schweizerische Gesellschaft ist.

    Will diese schweizerische Aktiengesellschaft ihren Sitz ins Ausland
verlegen, so kann sie nach Art. 51 HRegV ohne Liquidation ihre Löschung
im schweizerischen Handelsregister verlangen, jedoch nur, wenn sie
nachweist, dass sie am neuen Sitz zu Recht besteht und in einem dort
allenfalls bestehenden Handelsregister eingetragen ist (Abs. 1), und
wenn sie ausserdem die Erklärung abgibt, dass ihre Gläubiger befriedigt
worden sind oder sich mit der Löschung einverstanden erklärt haben
(Abs. 2). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, so kann die Gesellschaft ihre
Löschung im schweizerischen Handelsregister nur durch die auf Grund eines
Auflösungsbeschlusses der Generalversammlung durchgeführte Liquidation
herbeiführen. Solange sie im schweizerischen Handelsregister nicht
gelöscht ist, untersteht sie dem schweizerischen Recht. Dieses beherrscht
sie auch nach der Verlegung des Sitzes ins Ausland noch weiter, nämlich
solange, bis sie die in Art. 51 HRegV umschriebenen Voraussetzungen
des Auszugs erfüllt. Erst wenn sie nach Erfüllung dieser Bedingungen
im schweizerischen Handelsregister gelöscht worden ist, wird sie aus
der Herrschaft des schweizerischen Rechts entlassen (STAUFFER, Komm. zu
Art. 14 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zu den Titeln 24-34 des OR,
N. 106; NIEDERER, Kollisionsrechtliche Probleme der juristischen Person,
in GUTZWILLER/NIEDERER, Beiträge zum Haager Internationalprivatrecht 1951,
S. 120; WEISS, Komm. des Aktienrechts, Einleitung N. 485; MEIER-HAYOZ,
Sitzverlegungen juristischer Personen von und nach der Schweiz, in den
Schweiz. Beiträgen zum 5. internationalen Kongress für Rechtsvergleichung
1958, S. 73/74).

    Im Sinne dieser Ordnung ist auch Art. 1 Abs. 1 AFG zu verstehen. Eine
Aktiengesellschaft, welche bisher als Fondsleitung mit Sitz im Inland
dem Anlagefondsgesetz unterstellt war, bleibt diesem Gesetz auch
nach der Verlegung ihres Sitzes ins Ausland unterstellt, solange sie
mangels Erfüllung der Bedingungen des Art. 51 HRegV im schweizerischen
Handelsregister nicht gelöscht ist. Der Schutz, den jenes Gesetz den
Anlegern gewährt, muss bis zur Befriedigung der Anleger andauern, es wäre
denn, alle Anleger seien mit der Verlegung des Sitzes der Fondsleitung
ins Ausland einverstanden. Eine andere Auslegung wäre mit dem Sinn und
Zweck des Anlagefondsgesetzes nicht vereinbar; denn sie würde den vom
Gesetz erstrebten Schutz der Anleger vereiteln, weil sie der Fondsleitung
ermöglichen würde, sich zum Nachteil der Anleger ins Ausland zu verziehen,
sobald sie damit rechnen muss, dass gegen sie Massnahmen auf Grund des
Anlagefondsgesetzes ergriffen werden.

    Im vorliegenden Fall sind nicht alle Voraussetzungen des Art. 51
HRegV erfüllt. Zwar ist die Beschwerdeführerin im Öffentlichkeitsregister
des Fürstentums Liechtenstein eingetragen, und sie scheint nach der
dortigen Gesetzgebung am neuen Sitz zu Recht zu bestehen; aber sie hat
die in jener Verordnungsvorschrift weiter geforderte Erklärung, dass die
Gläubiger befriedigt oder zum mindesten mit der Löschung im schweizerischen
Handelsregister einverstanden seien, nicht abgegeben. Sie ist denn auch
noch immer in diesem Register eingetragen. Nach dem schweizerischen Recht
befindet sich also ihr statutarischer Sitz nach wie vor in Zürich; die
Verlegung ihres Sitzes nach Vaduz wird von der Schweiz bis auf weiteres
nicht anerkannt. Daraus folgt, dass der Interfer-Anlagefonds auch jetzt
noch dem Anlagefondsgesetz untersteht. Die Bankenkommission war daher
zuständig, die angefochtenen Verfügungen vom 23. November 1967 zu erlassen.