Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 669



94 I 669

91. Urteil vom 22. November 1968 i.S. Frigerio gegen das Eidg. Verkehrs-
und Energiewirtschaftsdepartement. Regeste

    Abkommen vom 10. Mai 1879 zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum
Baden betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein; Postverkehrsgesetz vom
2. Oktober 1924; Verhältnis von Staatsvertrag und Landesrecht.

    1.  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 99
Ziff. XI lit. a und b OG (Erw. 1).

    2.  Landesrechtliche Wirkung eines Staatsvertrages (Erw. 2).

    3.  Auslegung von Staatsverträgen (Erw. 4); diesbezügliche Bedeutung
der Präambel (Erw. 4 b) und der Praxis administrativer Behörden (Erw. 5).

    4.  Völkerrechtskonforme Auslegung des Landesrechtes im Falle
abweichender Regelungen (Erw. 6 a); Anwendung dieses Grundsatzes auf das
Postverkehrsgesetz (Erw. 6 b.).

    5.  Bedeutung der in Erw. 2-6 erläuterten Grundsätze für gewerbsmässige
Personentransporte auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel
(Erw. 7).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Am 10. Mai 1879 hat die Schweiz mit dem Grossherzogtum Baden eine
Übereinkunft betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein von Neuhausen
bis unterhalb Basels geschlossen (BS 13 S. 482). Art. 1 und 2 dieser
Übereinkunft lauten:

    "Art. 1:

    Die Schiffahrt und Flossfahrt auf dem Rheine von Neuhausen bis
unterhalb Basels soll jedermann gestattet sein; sie unterliegt nur
denjenigen Beschränkungen, welche durch die Steuer- und Zollvorschriften
sowie durch die polizeilichen Rücksichten auf die Sicherheit und Ordnung
des Verkehrs geboten sind.

    Sämtliche Alleinrechte zur Ausübung der Schiff- und Flossfahrt auf
obiger Rheinstrecke, namentlich die durch Ziff. 4 des Staatsvertrags
zwischen dem Grossherzogtum Baden und dem Kanton Aargau vom
2./17. September 1808 bestätigten ausschliesslichen Schiffahrts-und
Flössereibefugnisse der vereinigten Schiffmeisterschaft zu Gross- und
Kleinlaufenburg und der Rheingenossen zwischen Säckingen und Grenzach
sind aufgehoben.

    Art. 2:

    Die beiden Regierungen werden, jede für ihr Hoheitsgebiet, die
zur Sicherheit und Ordnung der Schiffahrt und Flösserei erforderlichen
polizeilichen Bestimmungen erlassen..."

    Diese Übereinkunft wurde am 19. Dezember 1879 von der Bundesversammlung
genehmigt. Nach Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes (BG) betreffend den
Postverkehr (Postverkehrsgesetz = PVG; BS 7 S. 755) vom 2. Oktober 1924
können für die gewerbsmässige Reisendenbeförderung mit regelmässigen
Fahrten Konzessionen erteilt werden.

    B.- Der Bootsunternehmer Max Frigerio erhielt am 10.  Januar 1962
eine Konzession für die gewerbsmässige Personenbeförderung mit Schiffen
auf dem Rhein zwischen Tössegg (Kanton Zürich) und Rüdlingen (Kanton
Schaffhausen). Später wurde die Konzession auf Fahrten zwischen Eglisau
und Tössegg erweitert.

    Frigerio reichte am 31. Oktober 1967 ein Feststellungsbegehren
ein, wonach die gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen
auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel überhaupt nicht
konzessionspflichtig sei.

    Das EVED wies das Feststellungsgesuch am 13. Mai 1968 ab.  C. -
Diesen Entscheid ficht Frigerio mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht an. Er beantragt, es sei festzustellen, dass für die
regelmässige und gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen auf
der Rheinstrecke zwischen Basel und Neuhausen keine Konzessionspflicht
bestehe; ferner sei die ihm am 17. Dezember 1964 und am 22. März 1968
erteilte Konzession, da sie mit der Übereinkunft zwischen der Schweiz
und dem Grossherzogtum Baden vom 10. Mai 1879 in Widerspruch stehe,
aufzuheben. Zwar anerkennt der Beschwerdeführer, dass grundsätzlich die
gewerbsmässige regelmässige Personenbeförderung auf Schiffen unter das
Postregal fällt. Er macht jedoch geltend, die Übereinkunft von 1879 gehe
dem PVG vor.

    D.- Das Departement beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 99 Ziff. XI lit. a und b OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Entscheide des Eidg. Verkehrs-
und Energiewirtschaftsdepartements über Ansprüche, die sich auf das
Postverkehrsgesetz und die zugehörigen VOIlziehungsverordnungen stützen.

    In dem hier angefochtenen Entscheide hat das Departement festgestellt,
dass für die gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen auf der
Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel eine Konzessionspflicht bestehe.
Der Feststellungsentscheid betrifft den Anspruch der Postverwaltung auf
das Monopol für solche Fahrten und den entgegenstehenden Anspruch des
Beschwerdeführers, die Fahrten ohne Konzession unternehmen zu dürfen. Das
sind Rechtsansprüche, die sich auf das Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober
1924 (BS 7 S. 754) und zugehörige Vollziehungsverordnungen stützen. Auf
die Beschwerde ist somit einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Unbestritten ist, dass die vom Beschwerdeführer vorgesehenen
gewerbsmässigen Personentransporte nach dem internen schweizerischen Recht
(Art. 1 PVG) dem Postregal unterstehen und einer Konzession bedürfen. Der
Streit geht allein darum, ob die vom EVED behauptete Konzessionspflicht
auch nach der schweizerisch-badischen Übereinkunft vom 10. Mai 1879
bestehe. Diese Übereinkunft ist ein vom Bundesrat abgeschlossener und
von der Bundesversammlung genehmigter bilateraler Staatsvertrag.

    Ein von der Bundesversammlung genehmigter Staatsvertrag wird mit dem
Austausch der Ratifikationsurkunden für die Vertragsstaaten völkerrechtlich
verbindlich; er erlangt zusammen mit der völkerrechtlichen auch
landesrechtliche Wirkung, sofern er entsprechende Rechtsregeln zugunsten
oder zu Lasten der Bürger aufstellt. Dies trifft im vorliegenden Falle
zu, da Art. 1 der Übereinkunft grundsätzlich "jedermann" die Schiffahrt
auf dem betreffenden Rheinstück gestattet. Einer Umsetzung von Verträgen
in ein besonderes Bundesgesetz bedarf es nicht (BGE 88 I 90/1). Dann aber
stehen die Normen des von der Bundesversammlung genehmigten Staatsvertrages
von 1879 in ihren Wirkungen grundsätzlich denen des Postverkehrsgesetzes
von 1924 gleich; sie sind wie diese von den schweizerischen Behörden
zu vollziehen. Der Staatsvertrag ist für die ganze Schweiz verbindlich,
auch wenn in erster Linie der Kanton Aargau am Abschluss interessiert war.

Erwägung 3

    3.- Weiter fragt es sich, ob die nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
klare Formulierung von Art. 1 der Übereinkunft von 1879, dass nämlich die
Schiffahrt jedermann gestattet sein und nur polizeilichen Beschränkungen
unterliegen soll, sich auch auf gewerbsmässige Personentransporte
beziehe. Die Übereinkunft erwähnt das Postregal nicht; sie hat es also
weder ausdrücklich vorbehalten noch als ungültig erklärt. Das Departement
macht sinngemäss geltend, der schweizerische Vertragspartner habe das
Postregal trotzdem vorbehalten; dies ergebe sich aus der von der Schweiz
verfolgten Absicht und aus dem Zweck des Staatsvertrages; schliesslich
könne nicht übersehen werden, dass die Bundesverwaltung seit dem
Aufkommen von Motorbooten und von regelmässigen Schiffahrten unangefochten
Konzessionen erteilt habe, was die Konzessionspflicht voraussetze.

Erwägung 4

    4.- Ist der Wortlaut nicht eindeutig oder erscheint die durch
den klaren Wortlaut vermittelte Bedeutung sinnwidrig, so ist der
Staatsvertrag auszulegen (SCHULTZ, Das schweiz. Auslieferungsrecht,
S. 110/11). Verhandlungen, die zum Abschluss des Vertrages geführt haben,
sind als Quelle zur Auslegung des Staatsvertrages heranzuziehen, soweit
sie den Willen der vertragschliessenden Staaten klar erkennen lassen (BGE
90 II 125; CARRY, SJZ 1960 S. 354, linke Spalte). Staatsverträge sind so
auszulegen, dass der von beiden Parteien angestrebte Vertragszweck erreicht
wird (SCHULTZ, aaO, S. 111). Eine über den Wortlaut hinausgehende,
ausdehnende Auslegung einer Bestimmung des Staatsvertrages kommt nur
in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit
Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende, darin versehentlich ungenau
zum Ausdruck gebrachte Willensmeinung zu schliessen ist (BGE 77 I 47,
90 I 47). Die Staatsverträge sind ihrer Natur nach "bonae fidei negotia"
(BGE 38 I 585); für die Auslegung gilt allgemein die Vertrauenstheorie
(vgl. FAVRE, L'interprétation objective des traités internationaux,
in Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht 1960 S. 86).

    a) Das Departement erblickt einen Hinweis für einen vom Wortlaut
abweichenden Vorbehalt des schweizerischen Postregals darin, dass die
bundesrätliche Botschaft festhalte, die Übereinkunft widerspreche keinen
Bundesvorschriften. Die Absicht, das Postregal vorzubehalten, ergebe
sich auch aus der Aufzählung der in Art. 6 der Übereinkunft aufgehobenen
Vorschriften.

    Die Ausweitung des Postregals auf gewerbsmässige Personentransporte
ist eine schweizerische Eigentümlichkeit (vgl. Botschaft des Bundesrates
vom 13. März 1849 zu dem Vorschlage eines BG über das Postregale, in BBl
1849 I - Beilage nach S. 174 - S. 2-5; F. MEILI, Die Rechtsstellung der
Dampfschiffunternehmungen in der Schweiz, Bern 1888, S. 6). Badischerseits
bestand keine Konzessionspflicht auf Grund eines Postregals. Somit wird
vermutlich nur der Wille des schweizerischen Vertragspartners auf einen
Vorbehalt des Postregals gerichtet gewesen sein. In der Lehre wird die
Meinung vertreten, ein unvollständiger Wortlaut sei nach dem beiden
Vertragspartnern gemeinsamen Willen auszulegen (SCHULTZ, aaO, S. 110/11;
GUGGENHEIM, Traité de Droit international public, Bd. I, 2. Aufl. 1967,
S. 252). Trifft diese Ansicht zu, wäre der Einwand des Departementes schon
aus diesem Grunde nicht zu beachten. Die Frage kann aber offen bleiben.

    Weder in der Botschaft des Bundesrates noch während der Verhandlungen
der eidgenössischen Räte ist die Anwendung des Postregals ausdrücklich
vorbehalten worden (vgl. BBl 1879 III S. 1116). Die gleiche Feststellung
gilt hinsichtlich Art. 6 der Übereinkunft. Das Departement kann seinen
Einwand nur auf eine Wendung in der Botschaft stützen, wonach der
Vertrag "keinen Bundesvorschriften widerspreche". Darin liegt jedoch kein
klar ausgedrückter, vom Wortlaut abweichender Wille des schweizerischen
Vertragspartners. Es gebricht somit an einer entscheidenden Voraussetzung,
um nach der erwähnten Rechtsprechung eine über den Wortlaut hinausgehende
Auslegung zu rechtfertigen.

    Das Departement macht in diesem Zusammenhang noch geltend, der
schweizerische "ordre public" verlange diesen Vorbehalt; die Aufhebung der
Alleinrechte der Schiffahrtsinnungen könne unmöglich "die Aufhebung von
verfassungsmässigen Grundrechten" eines der vertragschliessenden Länder
gewollt haben. Die schweizerische öffentliche Ordnung verlangt jedoch
höchstens eine polizeiliche Aufsicht über die (regelmässige und nicht
regelmässige) Personenbeförderung, aber kein Bundesmonopol. Art. 36
BV besagt lediglich, dass das Post- und Telegraphenwesen im ganzen
Umfang der Eidgenossenschaft Bundessache sei: Wie weit die regelmässige
Personenbeförderung auf Schiffen darunter falle, hat ausschliesslich
der Bundesgesetzgeber zu bestimmen. Wenn aber der Bundesgesetzgeber den
gewerblichen regelmässigen Personenverkehr auf dem Rhein zwischen Neuhausen
und Basel vom Postregal ausnehmen wollte, konnte er dies ohne weiteres
tun. Eine solche Ordnung schränkt zwar den Bereich des Postregals ein,
widerspricht aber keinen fundamentalen Verfassungsvorschriften des Bundes.

    b) Nach FAVRE (L'interprétation objective des traités internationaux,
in Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht 1960 S. 98) und nach
GUGGENHEIM (Traité de Droit international public, Bd. I, 2. Aufl.,
S. 253) ist zur Auslegung besonders auf den Zweck abzustellen, den ein
zwischenstaatlicher Vertrag verfolgt. Zur Ermittlung des Zwecks eignet
sich zuweilen die Präambel (vgl. BGE 62 I 227), die dem Vertragstext
richtungsweisend vorangestellt ist (SCHULTZ, aaO, S. 111).

    Die Präambel bezeichnet als Zweck des Staatsvertrages die Herbeiführung
einer Ordnung, welche der gegenwärtigen Gesetzgebung, namentlich im
Gewerbewesen, und den Bedürfnissen des Verkehrs entspreche. Unzweifelhaft
ging es den Vertragsparteien in erster Linie um die Aufhebung der vorher
gültigen "Neuen Ordnung" von 1808, die mit ihren Sondervorschriften als
mit der Handels- und Gewerbefreiheit unvereinbar betrachtet wurde. Zu
dieser Deutung führt auch die Bemerkung des Bundesrates, die Regierung
des Kantons Aargau habe anlässlich der Beschwerde eines Privaten über
Beschränkung des freien Verkehrs durch die Rheinschiffahrtsordnung
angeregt, die bezüglichen Verhältnisse umzugestalten (BBl 1875
II S. 553). Die Übereinkunft sichert nun gerade die Handels- und
Gewerbefreiheit auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel; der
Wortlaut entspricht diesem angestrebten Zweck. Freilich existierten im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine Motorboote und fanden keine
Schiffahrten mit regelmässiger Personenbeförderung statt. Der Bundesrat
anerkannte jedoch auch am 25. April 1949 - als längst Schiffahrten mit
regelmässiger Personenbeförderung auf dem Rhein oberhalb Basels möglich
waren - in einem Schreiben an die französische Regierung die freie
Schiffahrt, ohne einen Vorbehalt hinsichtlich des Postregals anzubringen.

    Das Departement schliesst überdies aus dem Zusammenhang, dass die
Übereinkunft von 1879 den Ausschluss des Postregals auf dem Rhein
nicht bezweckte. Es beruft sich insbesondere auf die zur Zeit des
Vertragsschlusses geltende Bundesgesetzgebung. In der Tat deckt sich
der Inhalt von Art. 1 und 2 des BG vom 30. Mai 1849 betreffend den freien
Verkehr an der Wasserstrasse von Luzern nach Flüelen (OS 1848-1849, S. 178)
weitgehend mit dem von Art. 1 des Übereinkommens von 1879. Nach diesem 30
Jahre älteren Bundesgesetz war es "jedermann erlaubt, Personentransporte
zwischen Flüelen und Luzern durchzuführen", und es blieben lediglich
Vorschriften der Sicherheitspolizei vorbehalten. Trotz dieses Wortlautes
war indes nicht beabsichtigt, das Postregal, welches erst kurz vorher (am
4. Brachmonat 1849 durch das BG über das Postregale für den regelmässigen
Schiffsverkehr) eingeführt worden war, auf dem Vierwaldstättersee
auszuschliessen (vgl. Art. 2 c und 4). Das Regulativ über die Erteilung
von Postkonzessionen vom 28. Wintermonat 1851 (OS 1850-1851 S. 601)
sieht in Art. 11 für Dampfschiffe eine Konzessionsgebühr vor, ohne dass
für den Vierwaldstättersee ein Vorbehalt angebracht worden wäre. Bei
dieser Ordnung ist es im folgenden geblieben (vgl. die Verordnung vom
27. März 1874, OS 1872-1874 S. 549; vom 24. November 1882, AS 1882 S. 593;
vom 19. Dezember 1910, BS 7 S. 347 und den jetzt gültigen BRB über die
regelmässige Beförderung von Personen mit Schiffen vom 27. April 1959
Art. 1, AS 1959 S. 378).

    Indessen handelt es sich beim Vierwaldstättersee um ein Gewässer im
Landesinnern mit einer darauf zugeschnittenen schweizerischen Ordnung, beim
Rhein zwischen Neuhausen und Basel dagegen um einen Grenzfluss mit einer
staatsvertraglichen Regelung. Die Schweiz hat für den Reisendenverkehr auf
dem Rhein von Basel bis zur Mündung auch für schweizerische Unternehmen nie
das Postregal beansprucht (FAVRE/WICK, Das schweizerische Transportrecht
für Eisenbahnen und Schiffe, Komm. zum Transportreglement vom 24. Juni
1949, Art. 1 N. 7); für den unter die Mannheimer Rheinschiffahrts- Akte
vom 17. Oktober 1868/20. November 1963 (BS 13 S. 489; AS 1967 S. 1591)
fallenden Teil des Rheins anerkennt also die Schweiz die Verkehrsfreiheit
auch für die schweizerischen Unternehmen (vgl. zur Schiffahrtsfreiheit
auf Grund der Mannheimer Akte: KRAUS und SCHEUNER, Rechtsfragen der
Rheinschiffahrt, zwei Rechtsgutachten, Frankurt 1956).

    Beim Abschluss der Übereinkunft von 1879 bestand zudem bereits eine
staatsvertragliche Ordnung sowohl für die Rheinschiffahrt unterhalb
Basels als auch für diejenige oberhalb von Neuhausen: die Mannheimer Akte
von 1868 einerseits, der Vertrag von 1867 zwischen der Schweiz und dem
Grossherzogtum Baden betreffend die Schiffahrts- und Hafenordnung für den
Untersee und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen (BS 13 S. 442)
anderseits. Die Übereinkunft von 1879 stellt gleich wie die beiden früher
abgeschlossenen Staatsverträge den Grundsatz der freien Schiffahrt an die
Spitze, unterscheidet sich dann aber vom Vertrag von 1867 betreffend den
Untersee und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen dadurch, dass
sie dessen Art. 6 Abs. 1 und 2, welche die Schiffahrtsfreiheit wieder
einschränken, nicht übernimmt; diese Art. 6 Abs. 1 und 2 des Vertrages
von 1867 erlauben dem Uferstaat nicht nur, die Ausübung der Schiffahrt
vom Besitz eines Schifferpatentes abhängig zu machen; der Wortlaut
gestattet auch, eine echte Konzessionspflicht vorzusehen. Die deutschen
Behörden haben diese Konzessionspflicht anerkannt und der Verlängerung
der schweizerischen Konzessionen jeweils zugestimmt. Die Übereinkunft
von 1879 betreffend den Schifffahrtsverkehr zwischen Neuhausen und Basel
enthält dagegen keine entsprechenden Bestimmungen.

Erwägung 5

    5.- Das Departement beruft sich überdies auf die Tatsache,
dass die Bundesverwaltung spätestens seit 1910 unangefochten
an deutsche Schiffahrtsunternehmungen mit Sitz in Deutschland
und an schweizerische Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz
Konzessionen erteilt hat (vgl. Konzession vom 22. August 1910 an
die Müllheimer Dampfschiffahrtsgesellschaft in Müllheim am Rhein für
die Strecke Basel-Augst; Konzession vom 23. September 1912 an die
Köln-Müllheimer-Dampfschiffahrtsgesellschaft in Müllheim am Rhein für die
Strecke Basel-Rheinfelden; Konzession vom 16. April 1952 an die Basler
Rheinschifffahrt AG für die Strecke Basel-Rheinfelden).

    Bei der Auslegung staatsvertraglicher Abmachungen ist die Praxis
der politischen und administrativen Behörden für die Gerichte nicht
verbindlich. Sie ist aber für die eigene Meinungsbildung des Richters
nicht unbeachtlich. Das gilt besonders dann, wenn es sich wie hier um ein
internationales Abkommen handelt, dessen Anwendung zum weitaus grössten
Teil in den Händen der genannten Behörden liegt. In einem solchen Falle
lässt sich ein Abweichen von der Praxis dieser Behörden nur rechtfertigen,
wenn zwingende Gründe ihre Übernahme verbieten (BGE 81 II 330, 93 II
361/2). Im vorliegenden Fall wurde durch Bundesratsbeschluss vom 29. April
1960 die regelmässige gewerbsmässige Beförderung von Reisenden auf der
Rheinstrecke zwischen Basel und Rheinfelden mit Schiffen bis auf weiteres
vom Postregal ausgenommen (AS 1960 S. 437). Damit hat der Bundesrat selbst
die bisherige Verwaltungspraxis durchlöchert.

Erwägung 6

    6.- Gewährleistet die Übereinkunft von 1879 - im Gegensatz zum
schweizerischen Postverkehrsgesetz aus dem Jahre 1924 - die freie
Schiffahrt auf dem Rhein zwischen Neuhausen und Basel, so ist weiter
zu untersuchen, ob das später erlassene Postverkehrsgesetz dem älteren
Staatsvertrag vorgehe oder umgekehrt.

    a) Ob späteres Landesrecht dem früheren Staatsvertragsrecht vorgehe,
ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum streitig. In Sachen
Steenworden (BGE 59 II 337/8) entschied das Bundesgericht am 17. Juli
1933, dass in einem Konflikt zwischen der älteren internationalen
Urheberrechts-Konvention und einem neueren schweizerischen Urhebergesetz
das interne Recht vorgehe. In BGE 93 II 197 Erw. 4 wird dagegen ausgeführt,
dass dem Art. 1 des Gerichtsstandsabkommens mit Frankreich vom 15. Juni
1869 in bezug auf das aus dem Jahre 1962 stammende Kartellgesetz der
Vorrang zukomme. GIACOMETTI (Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen
Verwaltungsrechts, 1960, S. 168 Anm. Nr. 107), FAVRE (Cours de droit des
gens, S. 154) und AUBERT (Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. 2,
1967, Nr. 1326) vertreten die Ansicht, ein neues Bundesgesetz könne einem
bestehenden Staatsvertrag derogieren; auch ein völkerrechtswidriges Gesetz
sei dementsprechend anzuwenden. GUGGENHEIM (Völkerrechtliche Schranken
im Landesrecht, Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 16, 1955,
S. 10/11) lehnt diese Meinung dagegen ab.

    Zu diesen Fragen muss nicht abschliessend Stellung genommen werden. Es
genügt festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber gültig abgeschlossene
Staatsverträge gelten lassen will, sofern er nicht ausdrücklich in
Kauf nimmt, dass völkerrechtswidriges Landesrecht zustande komme. Im
Zweifel muss innerstaatliches Recht völkerrechtskonform ausgelegt
werden; d.h. so, dass ein Widerspruch mit dem Völkerrecht nicht
besteht. Diese Auslegungsregel erlaubt es, Konflikte zwischen den
beiden Rechtsordnungen meistens zu vermeiden; sie entspricht den neuen
Strömungen in Frankreich, in der Bundesrepublik Deutschland und in den
Niederlanden (bezüglich Frankreichs: s. Art. 55 der Verfassung vom
4. Oktober 1958 sowie Encyclopédie Dalloz, Droit international II F-Z,
1969, S. 932 N. 209-211; bezüglich der Bundesrepublik Deutschland: s.
MAUNZ-DÜRING, Komm. zum Grundgesetz, 2. Aufl., N. 2 und 30 zu Art. 25
sowie WENGLER, Völkerrecht I, 1964, S. 95; bezüglich der Niederlande: s.
CONSTANTINESCO, Droit communautaire et droit constitutionnel néerlandais,
in Revue générale de droit international public 1969 S. 405). Zum
gleichen Ergebnis kommt grundsätzlich auch der Bundesrat, wenn er
ausführt, dass im Falle von Widersprüchen der völkerrechtliche Vertrag
in der Regel der landesrechtlichen Gesetzgebung vorgehe (vgl. Botschaft
an die Bundesversammlung vom 1. März 1965 über die Genehmigung von acht
Übereinkommen des Europarates, BBl 1965 I S. 439; Bericht vom 15. Mai 1968
an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regierungspolitik
in der Legislaturperiode 1968-1971, BBl 1968 I S. 1218).

    b) Das Postverkehrsgesetz hat abweichendes Staatsvertragsrecht nicht
ausdrücklich vorbehalten. Weder der Wortlaut noch die Vorarbeiten deuten
darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber eine Ordnung schaffen wollte, die
nicht im Einklang mit dem vorher von der Eidgenossenschaft abgeschlossenen
Staatsvertrag stehen sollte. Der Bundesratsbeschluss vom 27. April 1959
über die regelmässige Beförderung von Personen mit Schiffen (AS 1959
S. 378) führt in Art. 1 Abs. 2 aus:

    "Vorbehalten bleiben (hinsichtlich der Konzessionspflicht) die
Bestimmungen internationaler Vereinbarungen über die Schiffahrt auf
Grenzgewässern."

    Zum Erlass von Art. 1 Abs. 2 dieses Beschlusses war der Bundesrat
ermächtigt. Art. 2 Abs. 2 PVG ordnet die Ausnahmen vom Postregal nicht
abschliessend, sondern überlässt es dem Bundesrat, weitere Ausnahmen zu
gestatten (Botschaft des Bundesrates vom 28. Oktober 1921, BBl 1921 IV S.
698; Sten.Bull. StR 1922 S. 267, Votum Baumann; Sten.Bull. NR 1923 S. 6,
Votum Obrecht). Damit ermächtigt das Postverkehrsgesetz den Bundesrat
insbesondere, die staatsvertraglich vereinbarten Befreiungen vom Postregal
vorzubehalten.

    c) Schon nach dem gesetzten (innerstaatlichen) Recht ist demzufolge
Staatsvertragsrecht auf den vorliegenden Streitfall anzuwenden. Zum
gleichen Ergebnis führt auch die Annahme, dass der Bundesgesetzgeber durch
den Erlass des Postverkehrsgesetzes die völkerrechtlichen Verpflichtungen,
die ihm aus dem Vertrag von 1879 erwachsen sind, nicht verletzen und die
freie Schiffahrt auf dem Rhein zwischen Neuhausen und Basel stillschweigend
vorbehalten wollte.

Erwägung 7

    7.- Art. 1 der Übereinkunft von 1879 gewährleistet jedermann die freie
Schiffahrt auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel. Demnach
sind die deutschen Schiffer der Konzessionspflicht nicht unterworfen;
es besteht aber auch kein Hinweis dafür, dass die Eidgenossenschaft mit
dem Vertragsabschluss ihre Einwohner habe schlechter behandeln wollen. Das
Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers ist deshalb begründet und seine
Beschwerde gutzuheissen. Der Beschwerdeführer wird damit von verschiedenen
Auflagen (wie Fahrplan- und Tarifpflicht) befreit. Doch ist er nicht
davon entbunden, die polizeilichen Vorschriften zu beachten, welche das
eidgenössische und kantonale Recht für die nicht konzessionspflichtige
Schiffahrt aufgestellt haben (z.B. über den Gewässerschutz, die Sicherheit
der Passagiere und die Verminderung des durch seinen Betrieb bedingten
Lärms).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen.