Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 569



94 I 569

79. Urteil vom 6. Dezember 1968 i.S. Rhätische Bahn gegen Emser Werke
AG Regeste

    Eisenbahngesetz: Kosten der Verbesserung der Sicherheitseinrichtungen
auf einer Niveaukreuzung zwischen einer öffentlichen Strasse und einer
Bahn. Begriff der öffentlichen Strasse. Verteilung der Kosten auf die
Bahnunternehmung und den Strasseneigentümer.

Sachverhalt

    A.- Das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EG, in AS 1958 S. 335)
ordnet in Art. 25-29 die Tragung der Kosten von Anlagen auf Kreuzungen
zwischen Bahn und Strasse.

    Es bestimmt in

    Randtitel: "Neue Kreuzungen zwischen öffentlichen Strassen und Bahnen"
ART. 25:

    "1 Muss ein neues, dem öffentlichen Verkehr dienendes Bahngeleise eine
öffentliche Strasse oder eine neue öffentliche Strasse die Bahn kreuzen,
so trägt der Eigentümer des neuen Verkehrsweges die Kosten der ganzen
Anlage an der Kreuzungsstelle.

    2 ..."

    "Änderung bestehender Kreuzungen zwischen öffentlichen Strassen und
Bahnen" ART. 26:

    "1 Muss ein Niveauübergang durch eine Über- oder Unterführung ersetzt
oder infolge Verlegung der Strasse aufgehoben werden, so trägt die Kosten
aller Änderungen an der Bahn- und Strassenanlage:

    die Bahnunternehmung, wenn die Änderung vorwiegend durch die
Bedürfnisse des Bahnverkehrs,

    der Strasseneigentümer, wenn die Änderung vorwiegend durch die
Bedürfnisse des Strassenverkehrs bedingt ist.

    2 Bei allen andern Änderungen einer Kreuzung einschliesslich
der Anpassung und Verbesserung von Sicherheitseinrichtungen haben
Bahnunternehmung und Strasseneigentümer die Kosten aller Änderungen der
Bahn- und Strassenanlage in dem Verhältnis zu tragen, als die Entwicklung
des Verkehrs auf ihren Anlagen sie bedingt.

    3 ..."

    "Kreuzung durch neue private Strassen" ART. 28:

    "Art. 25 findet entsprechende Anwendung auf die Kreuzung einer Bahn
durch eine neue private Strasse..."

    "Gemeinsame Bestimmung" ART.29:

    "Art. 25 bis 28 finden sinngemäss Anwendung auf die Kosten für
Unterhalt und Erneuerung sowie für alle vorübergehenden und dauernden
Massnahmen zur Verhütung von Unfällen an der Kreuzungsstelle mit Einschluss
der Bedienung der dazu bestimmten Anlagen."

    B.- Das Geleise der Rhätischen Bahn folgt westlich von Ems
unmittelbar südlich der Kantonsstrasse Chur-Reichenau. Früher führten
dort mehrere wenig benützte Wege von der Strasse in die Felder im Süden;
sie kreuzten die Bahnlinie mit unbewachten Niveauübergängen. Seit 1941
erstellten die Holzverzuckerungs-AG und ihre Rechtsnachfolgerin, die
Emser Werke AG, südlich der dortigen Bahnstrecke ihre umfangreichen
Fabrikanlagen. Einer der alten Niveauübergänge wurde etwas nach Osten
verlegt und ist heute der Hauptzugang zum Werk. Der starke Verkehr auf
diesem unbewachten, nur mit einem Andreaskreuz signalisierten Übergang
bildete eine Gefahrenquelle, besonders seit im Jahre 1961 die Bahnlinie
auf Doppelspur ausgebaut wurde. Es wurde deshalb schon vor diesem Ausbau
und namentlich im Hinblick auf ihn eine bessere Lösung gesucht. Der Bau
einer Strassenunterführung scheiterte daran, dass sich die Beteiligten über
die Verteilung der hohen Kosten nicht einigen konnten. Ähnlich erging es
zunächst dem Projekt für eine automatische Barrierenanlage. Schliesslich
erstellte die Rhätische Bahn, nachdem sich auf dem Übergang einige, zum
Teil tödliche Unfälle ereignet hatten, eine solche Anlage, wobei sie die
Frage der Kostentragung zurückstellte. Die Anlage wurde am 29. Januar
1963 dem Betrieb übergeben. Die Verhandlungen zwischen der Rhätischen
Bahn und der Emser Werke AG über die Tragung der Erstellungskosten,
die rund Fr. 78'000.-- betrugen, sowie der Betriebs-, Unterhalts- und
Erneuerungskosten gingen weiter, führten aber zu keiner Einigung.

    C.- Am 23. Januar 1968 hat die Rhätische Bahn beim Bundesgericht eine
verwaltungsrechtliche Klage gegen die Emser Werke AG eingereicht. Sie
stellt folgende Rechtsbegehren:

    "1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin an die Kosten der
Barrierenanlage beim Bahnübergang Ems-Werk (km 21.954) folgende Beträge
zu bezahlen:

    a) Fr. 50'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 18. September 1964 an die
Erstellungskosten,

    b) Fr. 2975.25 nebst 5% Zins seit dem 1. Januar 1968 an die bis zum
31. Dezember 1967 aufgelaufenen Betriebs- und Unterhaltskosten,

    c) 80% der ab 1. Januar 1968 anfallenden Betriebs-, Unterhalts-
und Erneuerungskosten gemäss von der Klägerin jährlich zu erstellenden
Abrechnungen.

    2. Eventuell seien die von der Beklagten an die Erstellungs-,
Betriebs-, Unterhalts- und Erneuerungskosten zu leistenden Beträge nach
richterlichem Ermessen festzusetzen."

    Es wird geltend gemacht, massgebend seien Art. 26 Abs. 2 und Art. 29
EG. Der Bahnübergang Ems-Werk sei eine öffentliche Strasse im Sinne
des Eisenbahngesetzes, da er dem Gemeingebrauch diene. Selbst wenn er als
Privatstrasse betrachtet würde, wären die genannten Bestimmungen anwendbar.
Das Bundesgericht sei daher nach Art. 40 Abs. 2 EG zur Beurteilung der
Streitigkeit zuständig.

    Auf der in Frage stehenden Bahnstrecke verkehrten heute doppelt
so viele Züge wie im Jahre 1941, während der Strassenverkehr auf dem
Übergang von vereinzelten landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf rund 2000
Motorfahrzeuge und Fahrräder im Tag angestiegen sei. Um der Verdoppelung
des Bahnverkehrs Rechnung zu tragen, sei die Klägerin bereit, den durch den
Ausbau auf Doppelspur entstandenen Teil der Kosten der Barrierenanlage
zu übernehmen. Im übrigen gehe die Verkehrszunahme auf Rechnung der
Beklagten, welche daher an die Erstellungskosten Fr. 50'000.-- beizutragen
habe. Ferner habe die Beklagte jenen Teil der Betriebs-, Unterhalts- und
Erneuerungskosten zu übernehmen, den eine Anlage für Einspur verursachen
würde, während die Mehrkosten für Doppelspur zulasten der Klägerin gingen,
so dass 20% auf diese und 80% auf die Beklagte entfielen.

    Die Klägerin habe die Erstellungskosten schon in den Jahren 1962/63
aufgewendet und der Beklagten erstmals am 18. September 1964 einen
Vorschlag für die Verteilung unterbreitet; von da an sei der Anteil der
Beklagten zu verzinsen. Entsprechend sei der Anteil der Beklagten an den
bis Ende 1967 entstandenen Betriebs- und Unterhaltskosten vom 1. Januar
1968 an zu verzinsen.

    D.- Die Beklagte hat zunächst beantragt, auf die Klage nicht
einzutreten, eventuell sie abzuweisen.

    Sie hat dazu ausgeführt, der Bahnübergang Ems-Werk sei keine
öffentliche Strasse, sondern ein Privatweg; daher sei der Streit nicht
nach dem Eisenbahngesetz zu entscheiden, so dass nicht das Bundesgericht
als Verwaltungsgericht, sondern der ordentliche Zivilrichter zuständig sei.

    Wäre doch das Bundesgericht zuständig, so hätte es nicht
Art. 26 Abs. 2, sondern sinngemäss Art. 26 Abs. 1 und Art. 25 EG
anzuwenden. Entscheidend wäre, dass durch den Bau des zweiten Geleises eine
neue und schwere Gefahr geschaffen worden sei. Infolge dieses Ausbaus sei
der Raum zwischen Bahn und Kantonsstrasse noch schmäler geworden, vor allem
aber die Gefahr des Kreuzens von Zügen auf dem Übergang entstanden. Deshalb
habe die Barrierenanlage gebaut werden müssen. Tatsächlich hätten sich auf
der Kreuzung in den letzten 7 Jahren vor der Erstellung der Doppelspur
keine tödlichen Unfälle ereignet, in den anderthalb Jahren zwischen dem
Beginn des doppelspurigen Betriebs und der Inbetriebnahme der Barrieren
aber deren zwei. Wie der Bau des zweiten Geleises, so sei auch die dadurch
notwendig gewordene Erstellung der Barrieren ausschliesslich durch die
Bedürfnisse der Bahn veranlasst worden. Daher hätte nach dem Wortlaut
und Sinn der Art. 25 und 26 EG allein die Bahn die Kosten zu tragen. Sie
sei denn auch im vollen Umfang für die Kosten der ebenfalls durch den
Ausbau auf Doppelspur verursachten Einrichtung einer Barrierenanlage
bei dem weiter westlich gelegenen, sehr wenig benützten Übergang nach
Plong Vaschnaus aufgekommen. Den Emser Werken hätten die Doppelspur und
die Barrierenanlage bei der Fabrik nicht nur keine Vorteile, sondern
empfindliche Nachteile für den Verkehrsfluss auf der Zufahrtsstrasse
gebracht. Sie hätten zudem für die Sicherung des Übergangs seit Jahren
freiwillige Leistungen (Überwachung beim Schichtwechsel, Schneeräumung)
erbracht, deren Kosten bis gegen Fr. 30'000.-- im Jahr erreicht
hätten. Überdies seien sie der beste Kunde der Rhätischen Bahn.

    E.- Der Instruktionsrichter hat zur Abklärung des Charakters der über
die Bahnlinie führenden Wege zwei Zeugen einvernehmen lassen. Darauf
hat die Beklagte den Antrag auf Nichteintreten zurückgezogen und die
Zuständigkeit des Bundesgerichts anerkannt.

    Am 15. November 1968 hat eine Delegation des Bundesgerichts einen
Augenschein beim Werkübergang vorgenommen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klage wird beim Bundesgericht gestützt auf Art. 40 Abs. 2
EG erhoben, wonach es als einzige Instanz im verwaltungsrechtlichen
Verfahren die aus Art. 25-32 erwachsenden Streitigkeiten über Kosten
und deren Verteilung beurteilt. Die Klägerin beruft sich auf Art. 26
Abs. 2 und Art. 29. Nach der Auffassung der Beklagten käme nicht Art. 26
Abs. 2 in Betracht, sondern wären sinngemäss Art. 26 Abs. 1 und Art. 25
(in Verbindung mit Art. 29) anwendbar.

    Die Beklagte hat zunächst die Zuständigkeit des Bundesgerichtes
bestritten mit der Begründung, der Zugang zu ihren Fabrikanlagen, dessen
Kreuzung mit der Rhätischen Bahn verbessert wurde, sei keine öffentliche,
sondern eine private Strasse, und für diesen Fall sei die Kostentragung
im Eisenbahngesetz nicht geordnet. Sie hat dann im Laufe des Verfahrens
diese Einrede fallen lassen und die Zuständigkeit des Bundesgerichts
anerkannt. Es ist zweifelhaft, ob demzufolge angenommen werden könnte,
es sei eine Prorogation im Sinne von Art. 41 lit. c am Ende oder Art. 112
OG zustande gekommen. Diese Frage stellt sich indessen nicht, wenn das
Bundesgericht gemäss Art. 40 Abs. 2 EG zuständig ist.

    In den Randtiteln der Art. 25 und 26 EG wie auch im Text des Art. 25
ist nur von Kreuzungen zwischen Bahnen und öffentlichen Strassen die Rede;
Art. 25 bezieht sich auf neue und Art. 26 auf die Änderung bestehender
Kreuzungen dieser Art. Die privaten Strassen werden in diesen Bestimmungen
nicht erwähnt, wohl aber in Art. 28, doch befasst sich diese Vorschrift nur
mit der Kreuzung einer Bahn durch eine neue solche Strasse; hiefür erklärt
sie Art. 25 als entsprechend anwendbar. Der vorliegende Streit betrifft
aber die Kosten für die Änderung einer bestehenden Kreuzung zwischen
Bahn und Strasse. Das Eisenbahngesetz enthält jedoch keine ausdrückliche
Bestimmung über die Kostentragung bei der Änderung bestehender Kreuzungen
zwischen Bahnen und privaten Strassen. Ob daraus zu schliessen sei, dass
ein solcher Fall nicht nach dem Eisenbahngesetz und daher auch nicht vom
Bundesgericht im verwaltungsrechtlichen Verfahren gemäss Art. 40 Abs. 2
dieses Gesetzes zu beurteilen sei, kann indessen offen gelassen werden,
wenn sich ergibt, dass der Zugang zum Fabrikareal der Beklagten eine
öffentliche Strasse im Sinne desselben Gesetzes ist. Dann unterliegt
keinem Zweifel, dass der Streit nach dem Eisenbahngesetz zu beurteilen
und das Bundesgericht dafür zuständig ist.

Erwägung 2

    2.- Das Eisenbahngesetz sagt in Art. 25 und 26 nicht, was es unter
öffentlichen Strassen versteht. Deutlicher ist in dieser Beziehung
der vorhergehende Art. 24. Nach seinem Abs. 1 bedürfen neue Kreuzungen
sowie die Änderung oder Verlegung bestehender Kreuzungen zwischen Bahnen
und öffentlichen oder privaten Strassen und Wegen der Genehmigung der
Aufsichtsbehörde. Nach Abs. 2 muss die Genehmigung für Kreuzungen mit
"öffentlichen, dem Gemeingebrauch gewidmeten Strassen" unter bestimmten
Voraussetzungen erteilt werden. Mit den Worten "dem Gemeingebrauch
gewidmet" wird der Begriff der öffentlichen Strasse im Sinne des
Eisenbahngesetzes näher gekennzeichnet. An allen Stellen, wo in den
Art. 24-26 von öffentlichen Strassen die Rede ist, hat dieser Begriff
die gleiche Bedeutung, obwohl jene verdeutlichenden Worte nur in Art. 24
Abs. 2 stehen, in den nachfolgenden Bestimmungen nicht wiederholt werden.

    a) Nach der allgemeinen Lehre der Verwaltungsrechtswissenschaft
werden Wege in zwei Fällen als öffentlich betrachtet: Entweder muss
der Weg dem Gemeingebrauch durch einen Verwaltungsakt gewidmet worden
sein, der seinerseits darauf muss gestützt werden können, dass das
Gemeinwesen zu solcher Verfügung über das Wegareal kraft eines privat-
oder öffentlichrechtlichen Rechtstitels befugt ist, insbesondere wenn
der Weg über Grundeigentum Privater führt; oder es wird verlangt, dass
der Weg seit unvordenklicher Zeit im öffentlichen Gebrauch steht und dass
dieser Zustand als rechtmässig angesehen werden kann (vgl. z.B. FLEINER,
Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 367/8;
HAAB, N. 4 zu Art. 694-696 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 109 ff. zu Art. 664 ZGB;
BGE 71 I 440 Erw. 6, 74 I 48/9). Diese Grundsätze sind auch im Kanton
Graubünden anerkannt, wie sich aus einem von der Beklagten angeführten
Urteil des dortigen Kantonsgerichtes vom 11. Juli/18. August 1958 ergibt
(Praxis des Kantonsgerichts 1958 S. 28 ff.). Dort wird insbesondere
ausgeführt, dass eine Strasse auch dann öffentlich sein kann, wenn sie
Eigentum eines Privaten ist; das Kantonsgericht zieht aus Art. 149 des
bündnerischen EG/ZGB, wonach "die nicht nachweislich im Privateigentum
stehenden Strassen zum Gemeingebrauch bestimmte Sachen" sind und als
Eigentum der Territorialgemeinde oder des Staates gelten, nicht etwa
den Schluss, dass Strassen, die nachweisbar Eigentum Privater sind,
nicht zum Gemeingebrauch bestimmt sein können.

    Die (unbestrittene) Tatsache, dass die das Geleise der Rhätischen
Bahn kreuzende Zufahrtsstrasse zu den Fabrikanlagen der Emser Werke teils
Eigentum der Bahn, teils der Fabrik ist, würde also nicht ausschliessen,
dass es sich um eine öffentliche Strasse im Sinne der allgemeinen Lehre
des Verwaltungsrechts handelt. Diese - auch im Kanton Graubünden befolgte
- Lehre wäre aber für die Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit
massgebend, wenn den folgenden Ausführungen der Botschaft des Bundesrates
zum Eisenbahngesetz (BBl 1956 I S. 245/6), denen sich in den Beratungen
des Ständerates Berichterstatter Haefelin angeschlossen hat (StenBull
1957 StR S. 154), zuzustimmen wäre: "Was unter öffentlichen Strassen
zu verstehen ist, richtet sich nach kantonalem Recht, welches darüber
bestimmt, ob eine Strasse dem Gemeingebrauch gewidmet und damit öffentlich
ist." Ob die Voraussetzungen, welche nach jener Lehre erfüllt sein müssten,
hier gegeben seien, ist indessen fraglich; doch kann dies offen bleiben,
wenn anzunehmen ist, dass die streitige Zufahrtsstrasse auf jeden Fall
eine öffentliche Strasse im Sinne des Eisenbahngesetzes darstellt.

    b) Das Eisenbahngesetz will in den Bestimmungen über Kreuzungen
zwischen Bahnen und öffentlichen Strassen der Tatsache Rechnung tragen,
dass sich auf solchen Kreuzungen zwei Träger des öffentlichen Verkehrs
begegnen und dass dadurch besondere Unfallgefahren entstehen können.
Diese Bestimmungen gehen davon aus, dass die den Schienenweg kreuzende
Strasse tatsächlich dem öffentlichen Verkehr dient, der Allgemeinheit
offensteht. Sie lassen diese Tatsache genügen, weil sie an der
Kreuzungsstelle zu häufigen und schweren Unfällen führen kann, die das
Eisenbahngesetz just verhüten will. Auch die Bundesgesetzgebung über den
Strassenverkehr, die ebenfalls die Sicherheit des Verkehrs auf öffentlichen
Strassen gewährleisten soll, versteht unter solchen Strassen diejenigen,
die tatsächlich dem allgemeinen Verkehr dienen (Art. 1 SVG, Art. 1 Abs. 2
VRV; BGE 92 IV 11). Es entspricht dem Sinn und Zweck der Art. 24 ff. EG,
dem dort verwendeten Begriff der öffentlichen Strasse die gleiche Bedeutung
beizumessen. Die in Art. 24 Abs. 2 EG gebrauchten Worte "dem Gemeingebrauch
gewidmet" zwingen nicht zu einer anderen Auslegung; sie besagen hier
nicht, dass ein Verwaltungsakt, durch den die Strasse dem Gemeingebrauch
gewidmet ist, oder ein den Widmungsakt ersetzender öffentlicher Gebrauch
seit unvordenklicher Zeit erforderlich ist, sondern eben nur, dass die
Strasse tatsächlich der Allgemeinheit dienen, ihr zugänglich sein muss.

    Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Der Zeuge
Anton Jörger, der in den Jahren 1937-1952 Präsident der Gemeinde Ems war
und daher mit den dortigen Wegverhältnissen vertraut ist, hat erklärt,
der "hartbekieste" Weg, der beim Bau der Fabrik durch die streitige
Zufahrtsstrasse ersetzt worden ist, habe von jedermann benützt werden
können und insbesondere der Zufahrt zum Gute Vogelsang gedient, dessen
Besitzer als Fuhrmann tätig gewesen sei; beim Landverkauf für den Fabrikbau
habe sich die Gemeinde ausbedungen, dass die Einfahrt zu den Werken als
Durchgang zum Gute Vogelsang und zum Viehtrieb auf die oberhalb der Werke
gelegenen Weiden benützt werden dürfe; über diesen Weg werde auch Holz
aus dem Gemeindewald mit Lastwagen abtransportiert. Die Aussagen des
Zeugen Fridolin Bargetzi sind zwar etwas weniger bestimmt, stimmen aber
im wesentlichen mit denjenigen des Zeugen Jörger überein. Die in Frage
stehende Zufahrtsstrasse ist demnach eine "öffentliche, dem Gemeingebrauch
gewidmete Strasse" im Sinne des Eisenbahngesetzes.

Erwägung 3

    3.- Durch die Erstellung der automatischen Barrierenanlage
bei der Fabrik ist ein bestehender Bahnübergang mit einer neuen
Sicherheitsvorrichtung versehen worden. Die Tragung der Kosten hiefür
ist in Art. 26 Abs. 2 EG geordnet. Die Auffassung der Beklagten, durch
den Ausbau der Bahnlinie auf Doppelspur sei eine neue Anlage geschaffen
worden, weshalb nicht jene Bestimmung, sondern Art. 26 Abs. 1 und Art. 25
EG anzuwenden seien, lässt sich nicht halten. Wohl ist in Art. 25 Abs. 1
von einem "neuen dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahngeleise" die Rede;
doch ergibt sich aus dem ganzen Zusammenhang klar, dass darunter eine
neue Bahnlinie, nicht aber die Verdoppelung eines bereits bestehenden
Geleises zu verstehen ist; das zeigt namentlich der Randtitel: "Neue
Kreuzungen zwischen öffentlichen Strassen und Bahnen". Hier entstand weder
durch den Bau der Doppelspur im Jahre 1961 noch durch die Erstellung der
Barrierenanlage im Jahre 1962 eine neue Kreuzung; vielmehr wurde eine
bestehende Kreuzung geändert, was in Art. 26 geordnet ist. Dieser enthält
in seinen beiden ersten Absätzen zwei verschiedene Regeln: Abs. 1 sieht
für bestimmte Fälle die ausschliessliche Kostentragung durch denjenigen
Verkehrsträger vor, durch dessen Bedürfnisse die Änderung vorwiegend
bedingt ist. Hier liegt jedoch keiner dieser Fälle vor; weder ist ein
Niveauübergang durch eine Über- oder Unterführung ersetzt noch ein
solcher infolge Verlegung der Strasse aufgehoben worden. Der Tatbestand
fällt vielmehr unter Abs. 2, wonach bei allen anderen Änderungen einer
Kreuzung Bahnunternehmung und Strasseneigentümer die Kosten in dem
Verhältnis zu tragen haben, als die Entwicklung des Verkehrs auf ihren
Anlagen sie bedingt. Und zwar ist der dort noch besonders genannte Fall
der Verbesserung von Sicherheitseinrichtungen gegeben, da an Stelle
der vorherigen ganz ungenügenden Sicherung durch ein Andreaskreuz eine
Barrierenanlage erstellt wurde.

Erwägung 4

    4.- Damit erweist sich anderseits der Standpunkt der Klägerin
als unbegründet, sie habe nur für die Mehrkosten aufzukommen, welche
dadurch verursacht wurden, dass die automatische Barrierenanlage bei
einer zweigleisigen statt bei einer eingleisigen Bahnlinie erstellt
wurde; denn die Formulierung des Art. 26 Abs. 2 EG - "in dem Verhältnis,
als die Entwicklung des Verkehrs auf ihren Anlagen sie bedingt" - sagt
unzweideutig, dass es darauf ankommt, wie die beiden Verkehrsträger zu
der Notwendigkeit der Änderung beigetragen haben, nicht aber darauf,
ob die Kosten infolge von Änderungen an der Strasse oder an der Bahn
entstanden sind. Es ist deshalb zu untersuchen, in welchem Verhältnis
die Notwendigkeit der automatischen Barrierenanlage durch die Entwicklung
des Verkehrs auf der Bahnlinie einerseits und auf der sie überquerenden
Strasse anderseits verursacht wurde.

Erwägung 5

    5.- Das ist keine Rechtsfrage, aber auch keine technische Frage, die
sich für eine Begutachtung eignen würde, weshalb dem Antrag der Klägerin,
es sei ein Gutachten darüber einzuholen, nicht stattzugeben ist. Es geht
um die Feststellung und Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, nämlich des
Bahn- und Strassenverkehrs auf dem Übergang - und zwar zu den Zeitpunkten,
da er am stärksten ist; denn danach bestimmt sich die Notwendigkeit
von Sicherheitsvorrichtungen. Aufschluss darüber gab der durchgeführte
Augenschein, der mit einem Schichtwechsel in den Emser Werken zusammenfiel,
also zu einer Zeit höchster Beanspruchung des Bahnübergangs stattfand. Er
zeigte einen starken Verkehr von Motorfahrzeugen und Fahrrädern vom Werk
zur Kantonsstrasse und umgekehrt über die Bahnlinie. (Die Benützer der
Bahn, welche auf der unmittelbar neben dem Übergang gelegenen, mit einer
Unterführung für Fussgänger verbundenen Haltestelle ein- und aussteigen,
haben nur das parallele Werkgeleise der Beklagten, nicht aber die Linie
der Rhätischen Bahn zu überqueren.) Gleichzeitig war auch der Bahnverkehr
rege: Während drei Viertelstunden verkehrten in jeder Richtung drei
fahrplanmässige Züge, von denen drei nach Reichenau und zwei nach Chur
fahrende anhielten, so insbesondere kurz nach Beginn des Augenscheins ein
Zug in jeder Richtung in einem Abstand von wenigen Minuten, um Arbeiter
der beginnenden Schicht aussteigen zu lassen. (Nach übereinstimmender
Angabe beider Parteien verkehren in beiden Richtungen zusammen täglich
rund 80 Züge.)

    Der Augenschein vermittelte den bestimmten Eindruck, dass einerseits
der starke Strassenverkehr auf dem Übergang unabhängig von der Häufigkeit
der Züge und auch schon vor der Erstellung des zweiten Geleises die
Sicherung der Kreuzung durch Barrieren erfordert hätte. Daran vermag der
glückliche Umstand nichts zu ändern, dass es an der Kreuzungsstelle vor
dem Ausbau der Bahnlinie auf Doppelspur jahrelang zu keinen schweren
Unfällen kam, während sich in den anderthalb Jahren zwischen dem
Beginn des doppelspurigen Bahnverkehrs und der Inbetriebsetzung der
Barrierenanlage zwei tödliche Unfälle ereigneten. Anderseits zeigte
der Augenschein nicht minder überzeugend, dass die Zugsdichte und
namentlich der Ausbau auf Doppelspur - der die mit erhöhten Gefahren
verbundene Möglichkeit des Kreuzens zweier Züge auf dem Bahnübergang
mit sich brachte - die Erstellung der Barrierenanlage auch notwendig
gemacht hätte, wenn der Strassenverkehr nur einen kleinen Bruchteil des
bei der Besichtigung festgestellten betrüge. Das wird bestätigt durch
die Tatsache, dass die Klägerin an dem 800 m weiter westlich gelegenen
Übergang nach Plong Vaschnaus, der unbestrittenermassen nur einen ganz
geringen Strassenverkehr aufweist, eine ähnliche Barrierenanlage erstellt
hat. Der einzige Unterschied besteht darin, dass man hier auf jeder
Seite der Bahnlinie eine einfache Barriere, auf dem wesentlich breiteren
Werkübergang dagegen je zwei Halbbarrieren angebracht hat. (Die Kosten der
Anlage bei Plong Vaschnaus trug die Klägerin allein; eine Heranziehung der
Gemeinde Ems als Strasseneigentümerin kam offensichtlich nicht in Frage,
weil keine Rede davon sein kann, dass die Erstellung der Anlage durch
die Entwicklung des Verkehrs auf der Strasse bedingt sei; hier wurde die
Sicherheitseinrichtung eindeutig ausschliesslich wegen des Bahnverkehrs,
insbesondere wegen des Baus des zweiten Geleises, notwendig.)

    Da die Entwicklung des Verkehrs auf der Zufahrtstrasse zum Werk
wie auch auf der Bahnlinie je schon für sich allein die - zu spät
erstellte - Barrierenanlage erfordert hätte, ist diesen beiden Gründen
das gleiche Gewicht beizumessen. Infolgedessen haben nach Art. 26 Abs. 2
EG Bahnunternehmung und Strasseneigentümer die Kosten der Erstellung der
Barrierenanlage zu gleichen Teilen, also je zur Hälfte, zu tragen. Als
Strasseneigentümer im Sinne dieser Bestimmung ist einzig die Beklagte zu
betrachten, welche Eigentümerin des grössten Teils der Strasse ist. Der
Umstand, dass der von der Bahnlinie überquerte Strassenabschnitt im
Eigentum der Klägerin steht, vermag eine andere Verteilung der Kosten nicht
zu rechtfertigen; denn die Klägerin ist Eigentümerin dieses Abschnitts nur
deshalb, weil sie eine Bahnunternehmung ist, und nur in dieser Eigenschaft
kann sie nach der gesetzlichen Ordnung mit Kosten belastet werden.

    Die von der Klägerin eingereichten "Richtlinien für die
Kostenverteilung bei der Sanierung von Niveauübergängen", welche das
Eidg. Amt für Verkehr im Einvernehmen mit den SBB und dem Eidg. Amt für
Strassen- und Flussbau ausgearbeitet hat, sehen allerdings für den Fall der
Ersetzung von Andreaskreuzen durch automatische Sicherheitseinrichtungen
eine Verteilung der Kosten auf Bahn und Strasse im Verhältnis von 25:75%
vor, doch sind sie lediglich als Grundlage für Verhandlungen gedacht und
könnten hier auch bei solchen nicht ohne weiteres angewendet werden, weil
darin der Ausbau der Bahnlinie auf Doppelspur nicht berücksichtigt ist;
würde diesem bei ihrer Anwendung Rechnung getragen, so würde sich ebenfalls
die hälftige Verteilung der Kosten auf die Parteien rechtfertigen.

    Da nach Art. 29 EG die Art. 25 bis 28 sinngemäss auf die Kosten für
Unterhalt und Erneuerung sowie für alle vorübergehenden und dauernden
Massnahmen zur Verhütung von Unfällen an der Kreuzungsstelle mit
Einschluss der Bedienung der dazu bestimmten Anlagen anzuwenden sind,
gelten die vorstehenden Ausführungen auch mit Bezug auf die Kosten
für den Unterhalt, die Erneuerung und den Betrieb der automatischen
Barrierenanlage. Zu den Betriebskosten im Sinne des Art. 29 gehören aber
nicht auch die Beträge, welche die Emser Werke nach ihrer Darstellung
"freiwillig" für die Überwachung des Werkeingangs bei Schichtwechsel
und für Schneeräumung daselbst aufwenden. Das sind nicht Verrichtungen,
welche eigentlich von der Bahnunternehmung zu besorgen wären und ihr von
den Emser Werken abgenommen werden.

Erwägung 6

    6.- Es ist unbestritten, dass die Klägerin für die Erstellung
der Barrierenanlage Fr. 78'000.-- und für deren Betrieb und Unterhalt
bis zum 31. Dezember 1967 Fr. 3'719.05 aufgewendet hat. Die Beklagte
bestreitet auch nicht, dass sie den von ihr zu tragenden Anteil an den
Erstellungskosten seit dem 18. September 1964 und ihren Beitrag an jene
Betriebs- und Unterhaltskosten seit dem 1. Januar 1968 mit 5% zu verzinsen
hat. Dieser Zinssatz erscheint angesichts der heutigen Verhältnisse auf
dem Geldmarkt als angemessen (vgl. BGE 93 I 666 Erw. 6). Die Beklagte
hat daher der Klägerin Fr. 39'000.-- nebst 5% Zins seit dem 18. September
1964 und Fr. 1'859.50 nebst 5% Zins seit dem 1. Januar 1968 zu bezahlen.

    Ferner ist festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin die Hälfte
der vom 1. Januar 1968 an entstehenden Kosten für Betrieb, Unterhalt und
Erneuerung der Barrierenanlage zu vergüten hat; darüber wird die Klägerin
jährlich abzurechnen haben.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird teilweise gutgeheissen und die Beklagte verpflichtet,
der Klägerin zu bezahlen:

    a) Fr. 39'000.-- nebst 5% Zins seit dem 18. September 1964;

    b) Fr. 1'859.50 nebst 5% Zins seit dem 1. Januar 1968;

    c) die Hälfte der ab 1. Januar 1968 entstehenden Kosten für Betrieb,
Unterhalt und Erneuerung der Barrierenanlage gemäss jährlich von der
Klägerin zu erstellenden Abrechnungen.