Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 525



94 I 525

74. Urteil vom 18. Dezember 1968 i.S. Erny und Mitbeteiligte gegen
Verfassungsrat der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft Regeste

    Wiedervereinigung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft.

    Volksabstimmung in den beiden Halbkantonen über die vom gemeinsamen
Verfassungsrat ausgearbeitete Verfassung für den wiedervereinigten Kanton.
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die vom Verfassungsrat angeordnete
getrennte Abstimmung über die Verfassung und die nach § 57 bis der KV von
Baselland in die Übergangsbestimmungen der neuen Verfassung aufzunehmenden
"Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung".

    1.  Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 7).

    2.  Zuständigkeit des Verfassungsrates zur Festsctzung der
Abstimmungsfrage (Erw. 8).

    3.  Tragweite des § 57 bis der KV von Baselland und Verbindlichkeit
dieser Bestimmung für den Verfassungsrat (Erw. 9).

    4.  Rechtsnatur der "Hauptgrundzüge" (Erw. 10).

    5. Zulässigkeit

    -  der Verweisung der "Hauptgrundzüge" in einen besonderen Erlass
(Erw. 11 a).

    - der getrennten Abstimmung über Verfassung und "Hauptgrundzüge",
sofern das Inkrafttreten der Verfassung von der Annahme der
"Hauptgrundzüge" abhängig gemacht wird. (Erw. 11 b).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Durch Beschluss vom 26. August 1833 hatte die Eidg.  Tagsatzung
der Trennung des Kantons Basel in zwei besondere Gemeinwesen unter dem
Vorbehalt freiwilliger Wiedervereinigung zugestimmt. Gestützt auf diesen
Vorbehalt wurden 100 Jahre später in den beiden Halbkantonen Basel-Stadt
und Basel-Landschaft gleichlautende Initiativen auf Wiedervereinigung
eingeleitet. Entgegen der ablehnenden Haltung des Regierungsrates von
Basel-Landschaft erklärte das Bundesgericht die Initiative in BGE 61
I 166 ff. als zulässig, weil sie nicht direkt die Wiedervereinigung
vorschlage, sondern lediglich die in der Kantonsverfassung zurzeit noch
fehlende Grundlage schaffen wolle, um einen späteren Entscheid über die
Wiedervereinigung herbeizuführen (E. 6 und 7).

    Hierauf wurde in beiden Halbkantonen je eine fast gleichlautende
Verfassungsbestimmung ausgearbeitet, die im wesentlichen dem (im zitierten
Urteil in lit. B wiedergegebenen) Text der Initiativen entspricht: in
Basel-Stadt durch den Grossen Rat ein § 58 KVBS, in Basel-Landschaft
durch einen besonderen Verfassungsrat ein § 57 bis KVBL. Ziff. 1 des
ersteren lautet:

    "Zur Ausarbeitung einer Verfassung für den Kanton Basel, samt den
erforderlichen Einführungs- und Übergangsbestimmungen, wird, in Verbindung
mit dem Kanton Basel-Landschaft, ein Verfassungsrat von 150 Mitgliedern
gewählt. Davon wählt der Kanton Basel-Stadt nach den Vorschriften für
die Grossratswahlen 75 Mitglieder...".

    Entsprechend lautet Ziff. 1 von § 57 bis KVBL; doch fügte hier der
Verfassungsrat nach den Worten "Einführungs- und Übergangsbestimmungen"
noch ein: "welche die Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung zu
enthalten haben". Im Rat bestand die einhellige Auffassung, dass das
keine materielle Änderung, sondern nur eine Verdeutlichung sei, weil
man in beiden Halbkantonen darüber einig sei, dass die Stimmbürger vor
der Abstimmung über die neue Kantonsverfassung nicht nur die formellen
Verfassungsgrundsätze, sondern auch den wesentlichen Inhalt der nun für den
ganzen Kanton zu vereinheitlichenden Gesetze kennen müssten. Im Grossen
Rat von Basel-Stadt herrschte die gleiche Ansicht; doch konnte dort kein
solcher Zusatz aufgenommen werden, weil es sich nach basel-städtischem
Recht um eine formulierte Initiative handelte, die keine Änderungen
zulässt.

    Die neuen Verfassungsbestimmungen wurden in beiden Halbkantonen
in Volksabstimmungen vom 2. Oktober 1938 angenommen. Die Gewährleistung
durch die Bundesversammlung wurde zunächst verweigert, dann aber auf einen
Wiedererwägungsantrag hin durch Bundesbeschluss vom 22. Juni 1960 erteilt.

    Hierauf wurde der "Verfassungsrat der Kantone Basel-Stadt und
Basel-Landschaft" (nachstehend kurz Verfassungsrat) bestellt. In fast
acht Jahren arbeitete er vier Vorlagen aus: Verfassung des Kantons Basel,
"Hauptgrundzüge der Gesetzgebung" (nachstehend kurz "Hauptgrundzüge"
genannt), Wahlgesetz für den Kanton Basel und Gesetz über die
Geschäftsordnung des Kantonsrates des Kantons Basel. Die "Hauptgrundzüge"
stellen Richtlinien auf für die Gesetzgebung des vereinigten Kantons über
die Gebietseinteilung, die kantonalen Behörden und ihre Funktionen, die
öffentlichen Aufgaben sowie über das Verhältnis von Staat und Kirche. Die
Verfassung enthält in ihrem letzten Abschnitt "Übergangsordnung" u.a.
folgenden Art. 81:

    "Die zusammen mit der vorliegenden Verfassung gutgeheissenen
Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung sind während zehn Jahren nach
Inkrafttreten der vorliegenden Verfassung für den Gesetzgeber verbindlich.

    Ein mit den Hauptgrundzügen nicht übereinstimmendes Ausführungsgesetz
erlangt nur Gültigkeit, wenn es sowohl im Gebiet des Kantons Basel-Stadt
als auch im Gebiet des Kantons Basel-Landschaft eine getrennte Mehrheit
erhalten hat.

    Solche Ausführungsbestimmungen unterliegen in jedem Fall auch dann
der Volksabstimmung, wenn es sich um blosse Änderungen handelt, die in
einzelnen Teilen ein bestehendes Gesetz revidieren."

    Nach der Annahme der vier Vorlagen in der ersten Lesung fasste der
Verfassungsrat folgenden "Vollziehungsbeschluss":

    "Die Verfassung für den Kanton Basel, die Hauptgrundzüge der
Gesetzgebung, das Wahlgesetz für den Kanton Basel und das Gesetz über
die Geschäftsordnung des Kantonsrates des Kantons Basel sind, und zwar
jede Vorlage einzeln, gleichzeitig im Kanton Basel-Stadt und im Kanton
Basel-Landschaft zur Abstimmung zu bringen.

    Nach der Schlussabstimmung im Verfassungsrat sind die vier Vorlagen
beförderlichst in den beiden kantonalen Amtsblättern zu publizieren".

    Nachdem sie in der Schlussabstimmung vom 6. September 1968
angenommen worden waren, wurden dieser Beschluss im Amtsblatt des Kantons
Basel-Landschaft vom 18. September 1968 und die vier Vorlagen in einer
Beilage dazu veröffentlicht. In gleicher Weise wurde im Kanton Basel-Stadt
vorgegangen.

    B.- Am 24. September 1968 erhoben 47 stimmberechtigte Bürger des
Kantons Basel-Landschaft staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von §
57 bis KVBL mit dem Antrag auf:

    1. Aufhebung der vom Verfassungsrat gutgeheissenen Verfassung des
Kantons Basel und der "Hauptgrundzüge" und Rückweisung dieser Erlasse
an den Verfassungsrat mit der Anweisung, die "Hauptgrundzüge" in die
Verfassung aufzunehmen.

    2. Aufhebung des Vollziehungsbeschlusses.

    Zur Begründung wird ausgeführt, der in § 57 bis KVBL eingefügte Zusatz
schreibe vor, dass die "Hauptgrundzüge" in die Übergangsbestimmungen
der neuen Verfassung aufzunehmen seien, damit der Gesetzgeber
daran gebunden sei und den Stimmbürgern bei der Abstimmung über die
Wiedervereinigung deren Tragweite erkennbar sei. Im Verfassungsrat
sei wiederholt über den rechtlichen Charakter der "Hauptgrundzüge" -
Verfassungs- oder Gesetzesrecht oder blosse politische Richtlinien -
diskutiert und schliesslich einem Bericht des Büros zugestimmt worden,
wonach es sich um Gesetzesrecht handle und deshalb darüber getrennt
von der Verfassung abzustimmen sei - in der Meinung, dass bei Annahme
der Verfassung und gleichzeitiger Verwerfung der "Hauptgrundzüge"
das Gesetzesrecht vom Kanton frei (genauer im Rahmen des Bundesrechts
und der Kantonsverfassung) zu schaffen sei. Die auf dieser Ansicht
beruhende formelle Trennung der Vorlagen in die eigentliche Verfassung
inkl. Übergangsordnung einerseits und die "Hauptgrundzüge" anderseits sowie
die Anordnung getrennter Volksabstimmungen darüber im Vollziehungsbeschluss
stünden im Widerspruch zu § 57 bis KVBL. Der Verfassungsrat sei daher
anzuweisen, die "Hauptgrundzüge" als weiteren Abschnitt IX in die
Verfassung aufzunehmen und diese so dem Stimmbürger zur Abstimmung
vorzulegen. Der Vollziehungsbeschluss überschreite zudem die Kompetenz
des Verfassungsrates, da nach den Verfassungen beider Halbkantone die
Anordnung von Abstimmungen dem Regierungsrat zustehe.

    Die Beschwerdeführer legen ein Gutachten von Prof. Hans Marti über die
Frage der getrennten Abstimmung ein und erklären es zum integrierenden
Bestandteil der Beschwerde. Darin wird ebenfalls die Ansicht vertreten,
dass nach § 57 bis KVBL die "Hauptgrundzüge" einen Bestandteil der
Verfassung bilden müssen.

    Die nähere Begründung der Beschwerde ist aus den nachstehenden
Erwägungen ersichtlich.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt, auf die
Beschwerde nicht einzutreten, soweit sie sich gegen diesen Kanton richte.

    E.- Der Verfassungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten sei.

    Er schildert zunächst einlässlich die - oben in lit. A zusammengefasste
- Entstehung von § 57 bis KVBL. Sodann stellt er dar, wie sich in seinen
Beratungen allmählich die Auffassung durchsetzte, die "Hauptgrundzüge"
seien als blosses - freilich qualifiziertes - Gesetzesrecht zu erlassen. Er
vertritt die Ansicht, der pouvoir constituant (Aktivbürgerschaft und
Verfassungsrat) habe seine Aufgabe frei von jeder inhaltlichen Bindung
zu erfüllen. So wenig wie nach BGE 61 I 77 die in der Initiative
enthaltenen "Grundsätze", so wenig sei der Zusatz in § 57 bis KVBL
für den Verfassungsrat verbindlich. Dieser sei daher berechtigt, jene
Klausel zu übergehen; weder seine basellandschaftlichen noch gar seine
baselstädtischen Mitglieder seien daran gebunden. Gerade das Argument,
die Stimmbürger müssten vor der Abstimmung nicht nur die Verfassung
selbst, sondern auch die gestützt darauf zu erwartende Gesetzgebung
kennen, zeige, dass die "Hauptgrundzüge" Gesetzesrecht seien. Der
vom Bundesgericht geübte Verzicht auf die Nachprüfung kantonaler
Verfassungen unter dem Gesichtspunkt der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts verliere seine Berechtigung, wenn ein Kanton dazu übergehe,
in Überschreitung jedes Normalmasses umfangreiche Partien typischer
Gesetzesregeln auf Verfassungsstufe zu heben, wie das hier nach Auffassung
der Beschwerdeführer geschehen solle. Um den kleineren Fusionspartner
zu schützen, bestimme Art. 81 der Verfassung, dass innert 10 Jahren
nach ihrem Inkrafttreten ein von den "Hauptgrundzügen" abweichendes
Gesetz einer Mehrheit im Gebiet jedes früheren Halbkantons bedürfe -
im Unterschied zu der qualifizierten Mehrheit für Verfassungsänderungen
nach Art. 97 (Mehrheit der Stimmberechtigten oder 2/3 der abgegebenen
Stimmen). Damit seien die "Hauptgrundzüge" unzweideutig ausserhalb
des formellen Verfassungsrechtes gestellt, aber auch vom ordentlichen
Gesetzesrecht abgehoben; das Erfordernis der paritätischen Mehrheit sei
wohl für Gesetzesrecht zulässig, wäre dagegen für Verfassungsrecht nicht
mit Art. 6 BV vereinbar. Da die "Hauptgrundzüge" Gesetzesrecht seien,
müssten sie nach der Gewährleistungspraxis des Bundes der Volksabstimmung
getrennt unterbreitet werden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    I. Eintretensfragen

    1./6. - (Zulässigkeit der Beschwerde nur gegen den
Vollziehungsbeschluss, nicht auch gegen die Verfassung und die
"Hauptgrundzüge" selbst; Aktiv- und Passivlegitimation usw.).

    II. Materielle Beurteilung

Erwägung 7

    7.- Die Beschwerdeführer machen geltend, der Vollziehungsbeschluss
verstosse in mehrfacher Hinsicht gegen § 57 bis KVBL. Die Auslegung
kantonaler Verfassungsbestimmungen prüft das Bundesgericht im allgemeinen,
namentlich aber bei Abstimmungsbeschwerden nach Art. 85 lit. a OG,
grundsätzlich frei (BGE 91 I 239 Erw. 3 und 94 I 124 Erw. 2 je mit
Hinweisen auf frühere Urteile). Eine gewisse Zurückhaltung pflegt sich das
Bundesgericht, und zwar auch bei Abstimmungsbeschwerden (BGE 89 I 374 Erw.
2), lediglich insofern aufzuerlegen, als es der Handhabung kantonaler
Verfassungssätze durch das oberste zur Auslegung der Verfassung berufene
kantonale Organ ein besonderes Gewicht beilegt und nicht ohne Not davon
abweicht. Zu solcher Zurückhaltung besteht im vorliegenden Falle schon
deshalb kein Anlass, weil der Verfassungsrat, gegen den sich die Beschwerde
richtet, nicht die oberste, zur Auslegung der Verfassung des Kantons
Basel-Landschaft berufene Behörde, ja überhaupt keine Behörde dieses
Kantons ist, sondern eine gemeinsame Behörde der beiden Halbkantone, die
lediglich den ihm durch die §§ 58 KVBS und 57 bis KVBL erteilten Auftrag
zu erfüllen hat. Ob er dabei die letztere Bestimmung verletzt habe,
ist daher vom Bundesgericht völlig frei zu prüfen.

Erwägung 8

    8.- Die Beschwerdeführer machen geltend, der Verfassungsrat sei zum
Erlass des Vollziehungsbeschlusses gar nicht zuständig gewesen, da die
Anordnung von Abstimmungen nach den Verfassungen beider Halbkantone Sache
des Regierungsrates sei. Diese Rüge ist vorweg zu prüfen; denn wenn sie
sich als begründet erweist, ist jener Beschluss schon aus diesem Grunde
aufzuheben und erübrigt sich die Prüfung der weiteren dagegen erhobenen
Rügen.

    Nach § 58 KVBS und § 57 bis KVBL obliegt dem Verfassungsrat die
"Ausarbeitung einer Verfassung des Kantons Basel samt den erforderlichen
Einführungs- und Übergangsbestimmungen". § 57 bis KVBL enthält
überdies den Zusatz, dass diese Bestimmungen "die Hauptgrundzüge der
Gesetzgebung zu enthalten haben". Obwohl dieser Zusatz in § 58 KVBS
fehlt, sind alle Beteiligten darüber einig, dass es zur Aufgabe des
Verfassungsrates gehörte, neben der Verfassung auch die "Hauptgrundzüge"
auszuarbeiten. Die Rüge der Kompetenzüberschreitung wird nur inbezug auf
den Vollziehungsbeschluss erhoben.

    Die Aufgabe des Verfassungsrates kann sich indessen nicht in der
Redaktion der Verfassung und der "Hauptgrundzüge" erschöpfen, sondern
muss sich notwendig auf alles erstrecken, was erforderlich ist, damit sie
in beiden Halbkantonen der Volksabstimmung unterbreitet werden können
und deren Ergebnis nicht trotz äusserer Übereinstimmung an inneren
Widersprüchen leidet. Das ergibt sich, auch wenn es die angeführten
Verfassungsbestimmungen nicht ausdrücklich sagen, aus den gesamten
Umständen, namentlich daraus, dass der Verfassungsrat das einzige
gemeinsame Organ der beiden Halbkantone ist und deshalb allein für die
erforderliche Koordination sorgen kann. Jene Bestimmungen schreiben
selber vor, dass die Abstimmung in beiden Halbkantonen gleichzeitig
durchzuführen ist (Ziff. 6). Noch wichtiger und selbstverständlich ist,
dass die Abstimmungsfragen in beiden gleich lauten müssen, da sonst das
Ergebnis trotz Annahme in beiden unklar oder sogar widersprüchlich sein
könnte. Es war deshalb Pflicht des Verfassungsrates, nicht nur den Text
der Verfassung und der "Hauptgrundzüge" zu redigieren, sondern auch deren
Verhältnis zueinander sowie die Art, wie darüber - in beiden Halbkantonen
gleich - abzustimmen ist, zu ordnen. Der Vollziehungsbeschluss, in dem er
das getan hat, hält sich somit im Rahmen seiner Zuständigkeit. Zu prüfen
bleibt, ob der von ihm gewählte Abstimmungsmodus, die getrennte Abstimmung
über die Verfassung und die "Hauptgrundzüge", seinem Auftrag und den §§
58 KVBS und 57 bis KVBL entspricht.

Erwägung 9

    9.- Der Verfassungsrat hält dem Vorwurf, er habe § 57 bis KVBL
verletzt, in erster Linie entgegen, dass er seine Aufgabe frei von jeder
inhaltlichen Bindung zu erfüllen habe; der nur in § 57 bis KVBL enthaltene
Zusatz "involviere eine unzulässige Bindung des pouvoir constituant"
und sei daher für den gemeinsamen Verfassungsrat unbeachtlich.

    Bei der Untersuchung der Frage, ob die verfassunggebende Gewalt bei
der Verfassungsrevision inhaltliche Schranken zu beachten habe, wird u.a.
zwischen heteronomen und autonomen Schranken unterschieden (vgl. AUBERT,
Traité de droit constitutionnel suisse S. 130 ff. und dort angeführte
Literatur). Als heteronom bezeichnet man die von einem fremden Willen
gesetzten Schranken wie z.B. die den kantonalen Verfassunggeber bindenden
Normen des Bundesrechts. Als autonom gelten Schranken, die in der zu
revidierenden Verfassung ausdrücklich vorgesehen sind oder sich durch
Auslegung derselben ergeben. Ob es im eidgenössischen und kantonalen Recht
autonome Schranken der Verfassungsrevision gebe, ist in der Rechtslehre
umstritten. Während neuere Autoren (NEF, GIACOMETTI, KÄGI u.a.) solche
Schranken nachzuweisen suchen, lehnt AUBERT sie in Übereinstimmung mit
der älteren Lehre (BURCKHARDT, FLEINER, MAX HUBER) und dem Bundesrat (BBl
1948 III 917 ff., 1954 I 704 ff.) ab (vgl. AUBERT aaO, insb. Nr. 332). Wie
es sich damit verhält, braucht hier nicht geprüft zu werden. Wollte man
annehmen, dass § 57 bis KVBL die verfassunggebende Gewalt nicht binde,
so würde das (abgesehen von der Möglichkeit der Abänderung oder Aufhebung
dieser Bestimmung) nur bedeuten, dass die Gesamtheit der Stimmberechtigten
des Kantons Basel-Landschaft dem wiedervereinigten Kanton eine Verfassung
geben könnte, die in Missachtung des dort vorgeschriebenen Weges
ausgearbeitet worden ist oder inhaltlich gegen diese Bestimmung verstösst.
Davon ist hier nicht die Rede. Angefochten ist nicht die Verfassung,
sondern ausschliesslich der Vollziehungsbeschluss des Verfassungsrates, und
es kann sich daher nur fragen, ob der Verfassungsrat, d.h. eine Behörde,
jene Bestimmung zu beachten hatte. Das ist zu bejahen, Um die Grundlage
und das Verfahren für einen späteren Entscheid über die Wiedervereinigung
herbeizuführen (vgl. BGE 61 I 175), haben die beiden Halbkantone am 2.
Oktober 1936 gleichlautende Initiativen angenommen und daraufhin die
§§ 58 KVBS bzw. 57 bis KVBL in ihre Verfassungen aufgenommen, aufgrund
deren der Verfassungsrat bestellt wurde und die neue Kantonsverfassung
auszuarbeiten hatte. Bei dieser Sachlage kann es nicht zweifelhaft sein,
dass der Verfassungsrat an diese Bestimmungen und den ihm darin erteilten
Auftrag gebunden war.

    Der Verfassungsrat beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf BGE
61 I 176/7, wo die in Ziff. I der Initiative enthaltenen Grundsätze
als "blosse, den Verfassungsrat nicht bindende Direktiven" bezeichnet
worden sind. Selbst wenn diese nicht näher begründete Bemerkung in den
Urteilserwägungen richtig sein sollte, wäre sie für die hier streitige
Frage nicht entscheidend. Sie besagt nur, dass ein Teil des Inhalts der (im
Kanton Basel-Landschaft in der Form der allgemeinen Anregung eingereichten)
Initiative den Verfassungsrat nicht bindet. Dagegen lässt sich daraus
nicht ableiten, dass die in der Folge in Kraft getretenen und vom Bunde
gewährleisteten Verfassungsbestimmungen unverbindlich seien, durch die der
Verfassungsrat als gemeinsames Organ der beiden Halbkantone geschaffen
und der ihm erteilte Auftrag umschrieben wurde. Diese Vorschriften
binden den Verfassungsrat als Behörde, weshalb seine Ausführungen über
"Instruktionen" und darüber, dass weder seine basellandschaftlichen noch
gar seine baselstädtischen Mitglieder durch § 57 bis KVBL verpflichtet
seien, fehl gehen.

    Unbehelflich ist auch sein Hinweis darauf, dass der Zusatz, wonach
die Einführungs- und Übergangsbestimmungen der neuen Verfassung "die
Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung zu enthalten haben", sich nur
in § 57 bis KVBL findet und in § 58 KVBS fehlt. Es war durchaus möglich
und zulässig, dass der eine Halbkanton seine Zustimmung zur Einleitung
des Wiedervereinigungsverfahrens von einer Bedingung abhängig machte,
von welcher der andere aus irgendwelchen Gründen absah. Angesichts
des nur in § 57 bis KVBL enthaltenen Zusatzes besteht freilich, was im
Gewährleistungsverfahren seinerzeit zu wenig beachtet worden sein mag,
ein nicht unerheblicher Unterschied zwischen den Aufträgen welche die
beiden Halbkantone dem Verfassungsrat erteilt haben. Dieser Unterschied
wäre jedoch für die Frage der Verbindlichkeit des Zusatzes nur von
Bedeutung, wenn die beiden Aufträge infolgedessen im Widerspruch zueinander
stünden. Gerade das ist aber nicht der Fall. Schon der Grosse Rat des
Kantons Basel-Stadt war bei der Beratung über § 58 KVBS der Auffassung,
dass der im andern Halbkanton angenommene Zusatz mit dieser Bestimmung
vereinbar sei und nur eine Verdeutlichung darstelle, und der Verfassungsrat
ist derselben Meinung.

Erwägung 10

    10.- Nach Auffassung der Beschwerdeführer verstösst die im
Vollziehungsbeschluss angeordnete getrennte Abstimmung über die
Verfassung und die "Hauptgrundzüge" deshalb gegen § 57 bis KVBL, weil die
Hauptgrundzüge nach dieser Bestimmung ein wesentlicher Bestandteil der
Verfassung seien und daher mit dieser zusammen Gegenstand einer einzigen
Abstimmungsvorlage sein müssten. Hiegegen wendet der Verfassungsrat
ein, die getrennte Abstimmung sei nicht nur zulässig, sondern sogar
notwendig, weil es sich bei den "Hauptgrundzügen" um blosses, wenn auch im
Hinblick auf ihre in Art. 81 der neuen Verfassung umschriebene Bedeutung
"qualifiziertes" Gesetzesrecht handle und nach der Gewährleistungspraxis
des Bundes über Verfassung und Gesetze getrennt abgestimmt werden
müsse. Beide Parteien begründen demnach ihren Standpunkt mit der
Rechtsnatur der "Hauptgrundzüge". Diese ist daher zunächst zu prüfen.

    Nach § 57 bis KVBL wie auch nach § 58 KVBS obliegt dem Verfassungsrat
die Ausarbeitung einer Verfassung "samt" den erforderlichen Einführungs-
und Übergangsbestimmungen. Es ist klar und wird von keiner Seite
bestritten, dass diese Einführungs- und Übergangsbestimmungen Bestandteil
der Verfassung bilden. Der Verfassungsrat hat denn auch in diese als
Abschnitt VIII eine "Übergangsordnung" aufgenommen, die u.a. den oben in
lit. A wiedergegebenen Art. 81 über die Bedeutung der "Hauptgrundzüge" und
einen Art. 97 über Verfassungsänderungen in der Übergangszeit enthält. Nach
§ 57 bis KVBL haben die Einführungs- und Übergangsbestimmungen jedoch
auch die "Hauptgrundzüge" zu enthalten. Hievon ist der Verfassungsrat
abgewichen, indem er sie in einen besondern Erlass verwiesen hat und diesem
die Bedeutung von Gesetzesrecht beimisst. Er hat wiederholt und lange
darüber beraten, ob die "Hauptgrundzüge" Verfassungs- oder Gesetzesrecht
oder blosse unverbindliche Richtlinien sein sollen. Er hat sich
schliesslich für die mittlere Lösung entschieden, indem er in der Sitzung
vom 20. Februar 1967 "in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen" hat von
einem Bericht seines Büros vom 13. Dezember 1966, der die "Hauptgrundzüge"
als Gesetzesrecht bezeichnete, daraus die Notwendigkeit der getrennten
Abstimmung über Verfassung und "Hauptgrundzüge" ableitete und zum
Schlusse kam, "ihre Verwerfung bei gleichzeitiger Annahme der Verfassung
würde bedeuten, dass das Gesetzesrecht vom Kanton frei zu schaffen
ist, genauer im Rahmen des Bundesrechts und der Kantonsverfassung".
Das widerspricht offensichtlich dem klaren Wortlaut und Sinn von § 57
bis KVBL. Denn damit, dass die Einführungs- und Übergangsbestimmungen
die "Hauptgrundzüge" zu enthalten haben, ist unzweideutig gesagt, dass
diese einen Bestandteil derselben und damit der Verfassung zu bilden,
also ebenfalls Verfassungsrecht zu sein haben. Nach dem ihm in den §§ 58
KVBS und 57 bis KVBL erteilten Auftrag kann der Verfassungsrat überhaupt
kein Gesetzesrecht, auch kein "qualifiziertes" schaffen, sondern nur
Verfassungsrecht. Der Erlass von Gesetzen für den wiedervereinigten Kanton
wird Aufgabe der gesetzgebenden Organe desselben sein.

    Bei der Ausarbeitung der "Hauptgrundzüge" ist der Verfassungsrat
freilich immer mehr in Einzelheiten gegangen, die der Sache nach nicht
in eine Verfassung gehören, sondern besser der Gesetzgebung vorbehalten
blieben, also in diesem Sinne "materielles Gesetzesrecht" enthalten. Das
ändert aber nichts daran, dass sie nach der ausdrücklichen Vorschrift
in § 57 bis KVBL "formelles Verfassungsrecht" sein müssen. Der Grund
hiefür liegt darin, dass sie für den Gesetzgeber, der nach der Annahme
und Gewährleistung der neuen Verfassung zahlreiche Gesetze zu erlassen
hat, verbindlich sein und damit den kleineren Fusionspartner für eine
gewisse Übergangszeit (die in Art. 81 der Verfassung auf zehn Jahre
festgesetzt wurde) vor der Majorisierung durch den grösseren schützen
sollen. Diesen Zweck können die "Hauptgrundzüge" nur erfüllen, wenn sie
als formelles Verfassungsrecht erlassen und gleich wie die Verfassung
von der Mehrheit der Stimmberechtigten in beiden Kantonen angenommen
werden. Die Auffassung des Verfassungsrates, dass die Wiedervereinigung
auch bei Verwerfung der "Hauptgrundzüge" zustandekommen könne und der
Gesetzgeber des wiedervereinigten Kantons in diesem Falle frei bzw. nur
an das Bundesrecht und die Kantonsverfassung gebunden sei, ist unhaltbar,
denn gerade das will die Vorschrift, dass die "Hauptgrundzüge" in den
Einführungs- und Übergangsbestimmungen enthalten sein sollen, vermeiden.

    Was der Verfassungsrat gegen die Auffassung, dass die "Hauptgrundzüge"
formelles Verfassungsrecht sein müssen, vorbringt, ist nicht stichhaltig.

    Der Einwand, dass eine Trennung von Verfassung und "Hauptgrundzügen"
deshalb notwendig sei, weil nach der Gewährleistungspraxis des Bundes
über Verfassung und Gesetze getrennt abgestimmt werden müsse, beruht
auf der falschen Prämisse, dass die "Hauptgrundzüge" nicht Verfassungs-,
sondern Gesetzesrecht seien, und bedarf keiner weiteren Widerlegung.

    Sollten sich einzelne der in den "Hauptgrundzügen" enthaltenen
Grundsätze später infolge der Veränderung der Verhältnisse als
unzweckmässig oder gar undurchführbar erweisen, so ist entgegen der
Auffassung des Verfassungsrates nicht unbedingt eine Verfassungsänderung
mit anschliessendem Gewährleistungsverfahren notwendig. Art. 81 der neuen
Verfassung gestattet vielmehr ausdrücklich den Erlass von Gesetzen, die von
den "Hauptgrundzügen" abweichen, sofern sie im Gebiet beider Halbkantone
eine getrennte Mehrheit erhalten. Insofern können die "Hauptgrundzüge"
als nachgiebiges Verfassungsrecht bezeichnet werden, was aber nichts
daran ändert, dass sie als formelles Verfassungsrecht zu gelten haben.

    Angesichts dieser Rechtsnatur der "Hauptgrundzüge" stellt sich
allerdings die Frage, ob auch für sie die Gewährleistung des Bundes nach
Art. 6 BV erforderlich ist und ob sie, nach der ständigen, in BGE 89 I
391 ff. bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichts, der Anfechtung
durch staatsrechtliche Beschwerde entzogen sind. Wie es sich damit verhält,
ist hier nicht zu prüfen. Ob sie der Gewährleistung bedürfen und diese zu
erteilen ist (vgl. dazu BURCKHARDT, Komm. der BV S. 64 und BERNHARD SCHAUB,
Die Aufsicht des Bundes über die Kantone, Diss. Zürich 1957 S. 151 ff.),
wird im Falle ihrer Annahme die Bundesversammlung zu entscheiden haben,
und über die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen sie das
Bundesgericht bei der Beurteilung der Beschwerde, die gegen einen in den
"Hauptgrundzügen" enthaltenen Grundsatz eingereicht worden, aber erst
nach der Abstimmung über sie zu behandeln ist. Hier ist nur zu prüfen,
ob der Verfassungsrat anordnen durfte, dass über die Verfassung und die
"Hauptgrundzüge" getrennt abzustimmen sei.

Erwägung 11

    11.- Die Beschwerdeführer ziehen daraus, dass die "Hauptgrundzüge"
Verfassungsrecht sind, den Schluss, dass sie als besonderer Abschnitt in
die Verfassung aufzunehmen seien oder doch mit dieser zusammen Gegenstand
einer einzigen Abstimmungsfrage zu bilden haben.

    a) Wieso es erforderlich sein soll, die "Hauptgrundzüge" in die
Verfassung einzufügen, ist nicht ersichtlich. Nach dem Wortlaut und
Sinn des § 57 bis KVBL genügt es, wenn sie "formelles" Verfassungsrecht
sind und wie der als Verfassung bezeichnete Erlass von der Mehrheit der
Stimmberechtigten beider Halbkantone angenommen werden müssen. Es ist
keineswegs erforderlich, dass das gesamte formelle Verfassungsrecht
eines Staates in einer einzigen Urkunde vereinigt sei. Verschiedene
Kantone haben ihre Verfassungsurkunden mitunter durch den Erlass von
Spezialgesetzen revidiert (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 34
bei Anm. 14 und 15). Insbesondere für Bestimmungen, deren Geltung,
wie die der "Hauptgrundzüge", zeitlich beschränkt ist, erscheint die
Verweisung in einen separaten Erlass als gerechtfertigt, weshalb denn
auch der BV gelegentlich befristete Bestimmungen beigefügt wurden, die
weder in die Verfassung noch in die Übergangsbestimmungen aufgenommen,
sondern als besondere "Zusätze" erlassen wurden (vgl. AS 1915 S. 336,
1939 S. 565, 1950 S. 1463, 1964 S. 1425). Ernstlich fragen kann sich nur,
ob § 57 bis KVBL eine getrennte Abstimmung über die Verfassung und die
"Hauptgrundzüge" ausschliesst.

    b) Diese Bestimmung (wie auch § 58 KVBS) schreibt in Ziff. 6
lediglich vor, dass über die vom gemeinsamen Verfassungsrat beschlossene
Verfassung in den beiden Halbkantonen "gesondert, aber gleichzeitig"
abgestimmt werde, wobei der Begriff der "Verfassung" nach dem Gesagten
neben der eigentlichen Verfassung samt den erforderlichen Einführungs-
und Übergangsbestimmungen auch die "Hauptgrundzüge" umfasst. Dass das
in diesem Sinne verstandene Verfassungsrecht Gegenstand einer einzigen
Abstimmungsvorlage sein müsste, ist dagegen nirgends gesagt. Eine solche
Vereinigung mag angesichts des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen
Verfassung, Einführungs- und Übergangsbestimmungen und "Hauptgrundzügen"
als wünschbar erscheinen. Aus den §§ 58 KVBS und 57 bis KVBL folgt
jedoch nur, dass alles, was danach formelles Verfassungsrecht sein muss,
also auch die "Hauptgrundzüge", in beiden Halbkantonen zur Abstimmung zu
bringen ist und die Wiedervereinigung nur zustande kommt, wenn das gesamte
Verfassungsrecht in beiden Halbkantonen angenommen wird. Dagegen schliessen
es jene Bestimmungen nicht aus, einen Teil des Verfassungsrechts wie die
"Hauptgrundzüge" zum Gegenstand einer besondern Abstimmungsfrage zu machen.
Eine solche Zweiteilung lässt den Willen der Stimmberechtigten besser
zum Ausdruck kommen (vgl. BGE 80 I 168 ff.) und im Falle der Verwerfung
einer oder beider Vorlagen erkennen, welche von ihnen auf mehr Widerstand
gestossen ist. Ferner hat sie den weiteren Vorteil, dass der dann neu
zu wählende Verfassungsrat, sofern nur eine Vorlage verworfen werden
sollte, sich unter Umständen darauf beschränken kann, auf die in den §§
58 KVBS und 57 bis KVBL vorgeschriebene zweite Abstimmung hin nur diese
Vorlage neu auszuarbeiten. Es wird gegen die Trennung der Vorlagen zu
Unrecht eingewendet, dass nach den Verfassungen beider Halbkantone bei
einer Totalrevision die neue Verfassung als Ganzes zur Abstimmung zu
bringen und dass eine kapitelweise Annahme oder Verwerfung auch nach
"gemeinschweizerischem Recht" ausgeschlossen sei. Einmal handelt es
sich nicht um die Totalrevision der Verfassungen der beiden Halbkantone,
sondern um die Schaffung einer Verfassung für den wiedervereinigten Kanton,
wofür die getrennte Abstimmung nach Sinn und Zweck der massgebenden
Bestimmungen nicht ausgeschlossen ist. Sodann erwähnt GIACOMETTI
(aaO S. 460) ausdrücklich die Möglichkeit, den Verfassungsentwurf
gruppenweise zur Abstimmung zu bringen, und verweist dafür auf die §§
82/83 der Zuger KV, die dies ausdrücklich vorsehen mit der Wirkung, dass
bei Verwerfung einzelner Teile der Entwurf als Ganzes dahinfällt. Ferner
halten BURCKHARDT (Komm. der BV S. 820) und ihm folgend BORN (Das
Verfahren der Verfassungsrevision, Diss. Bern 1947 S. 72/3) für die
Totalrevision der BV eine Abstimmung nach Abschnitten für zulässig, wenn
dabei der Volkswille besser zum Ausdruck kommt (a.A. FLEINER-GIACOMETTI,
Bundesstaatsrecht S. 714/5 und wohl auch AUBERT aaO Nr. 406).

Erwägung 12

    12.- Obwohl die getrennte Abstimmung über Verfassung und
"Hauptgrundzüge", die im angefochtenen Vollziehungsbeschluss
angeordnet wird, nach dem Gesagten nicht gegen § 57 bis KVBL (und §
58 KVBS) verstösst, ist dieser Beschluss in teilweiser Gutheissung der
staatsrechtlichen Beschwerde aufzuheben, weil er auf der unhaltbaren
Annahme beruht, dass die Wiedervereinigung auch bei Verwerfung der
"Hauptgrundzüge" zustandekomme und der Gesetzgeber des wiedervereinigten
Kantons in diesem Falle innerhalb der Schranken des Bundesrechts und der
neuen Kantonsverfassung frei sei.

    Der Verfassungsrat wird einen neuen Vollziehungsbeschluss zu erlassen
haben. Darin hat er das Inkrafttreten der neuen Verfassung von der Annahme
der "Hauptgrundzüge" abhängig zu machen, sofern er an der getrennten
Abstimmung festhalten und nicht die beiden Vorlagen, wozu er ebenfalls
befugt ist, zum Gegenstand einer einzigen Abstimmungsfrage machen will. Im
einen wie im andern Falle hat er die Möglichkeit, die "Hauptgrundzüge" im
Hinblick darauf, dass sie entgegen seiner bisherigen Auffassung formelles
Verfassungsrecht sind, anders zu fassen und allenfalls den sich auf sie
beziehenden Art. 81 des Verfassungsentwurfs zu ändern, sofern er dies
für angezeigt erachten sollte.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde gegen den Vollziehungsbeschluss des Verfassungsrates
der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft vom 28. Juni 1968 wird im
Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Der Vollziehungsbeschluss
wird insoweit aufgehoben, als er eine getrennte Abstimmung über die
Verfassung und über die Hauptgrundzüge der Gesetzgebung anordnet, ohne
das Inkrafttreten der Verfassung von der Annahme der Hauptgrundzüge der
Gesetzgebung abhängig zu machen.