Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 472



94 I 472

65. Auszug aus dem Urteil vom 27. September 1968 i.S.

    Trans-Integral AG gegen Eidg.  Steuerverwaltung.  Regeste

    Verrechnungssteuer:

    1.  Das in Art. 20 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer
vorgesehene Meldeverfahren ist nur in den Fällen zulässig, die Art. 24
Abs. 1 der Vollziehungsverordnung umschreibt (Erw. 2).

    2.  Begriff der Naturaldividende im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. c
der Verordnung (Erw. 4).

Sachverhalt

    Die im Jahre 1964 gegründete Trans-Integral AG in Basel (nachstehend:
AG) bezweckt die Beratung und Vermittlung von Beratungen auf dem
Gebiete der Ingenieurplanung und kann sich auch an andern Unternehmen
beteiligen. Ihr gesamtes Grundkapital gehört der Trans-Integral Holding
GmbH in Basel (nachstehend: Holding). In den Jahren 1964-1966 gewährte
die AG der Holding Darlehen, teils durch Überlassung von Gewinnen
aus Beteiligungen, teils durch Ablösung einer Schuld der Holding. Am
3. November 1967 beschloss sie die Ausschüttung einer Dividende in Form
eines teilweisen Erlasses jener Darlehensforderung, unter der Bedingung,
dass die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) sich damit einverstanden erkläre,
dass anstelle der Einbehaltung der Verrechnungssteuer eine blosse Meldung
der steuerbaren Leistung trete. GleichenTages ersuchte sie die EStV
gestützt auf Art. 20 des BG über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober
1965 (VStG) und Art. 24 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966
(VStV) um diese Genehmigung. Die EStV wies das Gesuch ab, zuletzt durch
Einspracheentscheid vom 7. Juni 1968.

    Die AG erhebt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie
macht geltend, entgegen der Auffassung der EStV sei das Meldeverfahren nach
dem Sinn des Art. 20 VStG nicht nur in den in Art. 24 VStV aufgezählten
Fällen, sondern immer dann zulässig, wenn die Steuerentrichtung zu
unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte führen würde. Diese
Voraussetzungen seien hier erfüllt. Übrigens handle es sich um eine
Naturaldividende im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. c VStV. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ...

Erwägung 2

    2.- Art. 20 VStG lautet:

    "Wo bei Kapitalerträgen die Steuerentrichtung zu unnötigen Umtrieben
oder zu einer offenbaren Härte führen würde, kann dem Steuerpflichtigen
gestattet werden, seine Steuerpflicht durch Meldung der steuerbaren
Leistung zu erfüllen; die Verordnung umschreibt die Fälle, in denen dieses
Verfahren zulässig ist."

    Aus der Formulierung des Vordersatzes als Kann-Vorschrift ist
zu schliessen, dass nicht in allen Fällen, wo die Steuerentrichtung
zu unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte führen würde,
das Meldeverfahren zugelassen werden muss. Vielmehr ist damit die
Abgrenzung in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt, das
freilich pflichtgemäss, namentlich unter Beachtung des Grundsatzes der
Rechtsgleichheit, gehandhabt werden muss. Sodann ergibt sich aus dem
Nachsatz, dass diese Abgrenzung nicht erst von der das Gesetz anwendenden
Behörde im einzelnen Falle, sondern schon in der Verordnung zu treffen
ist, wobei die "Umschreibung der Fälle, in denen dieses Verfahren
zulässig ist", nur generell verstanden sein kann; d.h. die Verordnung
hat die Voraussetzungen, unter denen unnötige Umtriebe oder offenbare
Härten das Meldeverfahren rechtfertigen, grundsätzlich und allgemein zu
umschreiben. Damit ist die Aufgabe der Abgrenzung - mitsamt der oben
erwähnten Einschränkung des Ermessens - der Verordnung überbunden und
(mindestens in dem Masse, als sie darin erfüllt wird) den anwendenden
Behörden abgenommen.

    Dieser Aufgabe ist der Bundesrat durch den Erlass des Art. 24 VStV
nachgekommen, nach dessen Abs. 1 der Gesellschaft oder Genossenschaft auf
Gesuch hin gestattet werden kann, die Steuerpflicht durch blosse Meldung
der steuerbaren Leistung zu erfüllen,

    "a) wenn die anlässlich einer amtlichen Kontrolle oder Buchprüfung
geltend gemachte Steuer eine Leistung betrifft, die in einem Vorjahre
fällig geworden ist;

    b) bei der Ausgabe oder Nennwerterhöhung von Aktien, Gesellschafts-
oder Genossenschaftsanteilen zulasten der Reserven der Gesellschaft oder
Genossenschaft (Gratisaktien und dgl.);

    c) bei der Ausrichtung von Naturaldividenden oder des
Liquidationsüberschusses durch Abtretung von Aktiven;

    d) bei der Verlegung des Sitzes ins Ausland."

    Da auch Art. 24 Abs. 1 VStV als Kann-Vorschrift formuliert ist,
könnte man sich fragen, ob er für die anwendende Behörde noch einen
Ermessensspielraum lässt. Die EStV erachtet sich jedoch daran auch im
positiven Sinne als gebunden und gestattet das Meldeverfahren immer
dann, wenn eine der darin umschriebenen Voraussetzungen erfüllt ist. Die
Beschwerdeführerin beanstandet diese Praxis mit Recht nicht. Dagegen wendet
sie sich gegen die Auffassung der EStV, dass die Aufzählung in Art. 24
Abs. 1 VStV abschliessend und auch negativ verbindlich sei, d.h. dass das
Meldeverfahren in keinen anderen als den dort genannten Fällen anwendbar
sei. Hieran kann aber nach der Formulierung des Nachsatzes des Art. 20
VStG nicht gezweifelt werden; denn wenn die Verordnung die Fälle zu
umschreiben hat, in denen dieses Verfahren zulässig ist, so ist es in
keinen weiteren Fällen zulässig. Weder die EStV noch das Bundesgericht
können jene Aufzählung auf weitere Fälle ausdehnen. In diesem Sinne
bezeichnet die EStV mit Recht den Art. 20 VStG als reine Delegationsnorm.

Erwägung 3

    3.- ...

Erwägung 4

    4.- Für den Fall, dass das Meldeverfahren nur in den vier in
Art. 24 Abs. 1 VStV genannten Fällen zugelassen wird, macht die
Beschwerdeführerin geltend, dass die Dividende, die sie in Form eines
teilweisen Erlasses einer Darlehensschuld der Holding ausrichten will,
eine Naturaldividende im Sinne der lit. c daselbst darstelle. Damit
setzt sie sich jedoch in offenen Widerspruch zum Wortlaut und klaren
Sinn dieser Bestimmung. Darunter fallen nur Dividenden, die in natura
ausgerichtet werden, d.h. in einer Sachleistung bestehen, bei der ein Abzug
der Verrechnungssteuer von vornherein nicht möglich ist. Geldleistungen
sind unter keinen Umständen Naturaldividenden im Sinne der Verordnung,
auch wenn sie nicht in bar, sondern durch Verrechnung oder Schulderlass
erbracht werden; sie lassen sich stets um die Verrechnungssteuer kürzen.