Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 417



94 I 417

57. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung als staatsrechtlicher
Kammer vom 9. Juli 1968 i.S. Hottinger gegen Husy und Basel,
Appellationsgericht. Regeste

    Art. 4 BV, Kantonales Prozessrecht.

    Beteiligung an der Sache gemäss § 151 der ZPO des Kantons Basel-Stadt
begründet nicht nur die Ablehnbarkeit eines Experten, sondern ist ein
Unfähigkeitsgrund. Einem Zeugen, der aus diesem Grunde nicht Experte sein
könnte, dürfen auch keine Expertenfragen gestellt werden.

Sachverhalt

    A.- Das am 4. September 1952 geborene Kind Monika Husy erkrankte
am 13. März 1953. Die von den Eltern zugezogene Spezialärztin für
Kinderkrankheiten Frl. Dr. Esser stellte eine Entzündung des Rachens und
der Gaumenmandeln (Tonsillitis), eine Entzündung im Bereich der ableitenden
Harnwege (Pyurie), sowie Nackensteifigkeit (Meningismus) fest. Auf
Wunsch der Eltern des Kindes wurde am 17. März 1953 Dr. A. Hottinger,
Spezialarzt für Kinderkrankheiten und damals a.o. Professor mit Lehrauftrag
für dieses Gebiet, als Konsiliar beigezogen. Er diagnostizierte eine
Nierenbeckenentzündung (Pyelitis), sowie Nackensteifigkeit, und nahm
eine septische Gehirnhautentzündung (Meningitis) auf Grund einer
septischen Allgemeininfektion an. Er schlug eine Behandlung mit dem
Antibiotikum Chloromycetin vor. Einem behaarten Muttermal (Naevus) über
dem Kreuzbein schenkte er keine Beachtung, da ein Dermoid (Missbildung
der Haut) äusserlich nicht sichtbar war. Am 19. März war das Kind nach der
Auffassung der behandelnden Ärztin schwerer krank als am 17. März. Wegen
der immer noch vorhandenen Nackensteifigkeit wollte sie eine Lumbalpunktion
vornehmen. Prof. Hottinger, der erneut als Konsiliar beigezogen wurde,
riet jedoch davon ab, weil wegen der bereits am 18. März begonnenen
Behandlung mit Chloromycetin eine Untersuchung des Liquors nach seiner
Ansicht mit Sicherheit bakteriologisch negativ verlaufen wäre. Der Zustand
des Kindes besserte sich in der Folge rasch. Die Anzeichen für Meningitis
verschwanden. Am 21. März lag jedenfalls keine Nackensteifigkeit mehr vor.

    Im April und Mai 1953 litt das Kind erneut unter Pyurie und
Rachenentzündung. Am 1. Mai trat ein Rückfall der Pyelitis ein. Prof.
Hottinger wurde deshalb am 4. Mai erneut zugezogen und bestätigte die
Diagnose Pyelitis. Er veranlasste die Einweisung der Patientin in das
Kinderspital zur Abklärung der Ursache der Pyurie. Die Krankengeschichte
über diesen Spitalaufenthalt, der 4 Tage dauerte, erwähnt keine
Auffälligkeiten bezüglich des zentralen Nervensystems; auch von der
angeborenen Fehlbildung über dem Kreuzbein (Dermoid) ist darin nichts
gesagt.

    Nach einem erneuten Rückfall der Pyelitis anfangs Juni 1953 wurde Prof.
Hottinger am 3. Juni wiederum beigezogen. Da sich der Zustand des Kindes
in der Folge nicht besserte, wünschten die Eltern anfangs Juli, dass Prof.
Hottinger an Stelle von Frl. Dr. Esser die Behandlung voll übernehme. Das
Kind hatte seit dem 30. Juni mehrmals erbrochen. Prof. Hottinger stellte
gemäss seinen Eintragungen vom 4. Juli 1953 fest: "Nackensteifigkeit (?),
Opisthotonus (?) [d.h. Zwangshaltung des Kopfes nach hinten], Haltung (?)".
In der Folge trat eine Besserung des Allgemeinzustandes des Kindes ein.

    Vom 15. Juli bis 7. August 1953 war Prof. Hottinger ferienhalber
abwesend. Während dieser Zeit vertrat ihn der Kinderarzt Dr. Hatz. Dieser
erhob, abgesehen von einem grippalen Infekt, keine pathologischen Befunde;
dagegen stellte er wegen der Behaarung des Kindes in der Sakralgegend
die Verdachtsdiagnose "Sakraldermoid?", erachtete aber mangels akuter
Zeichen eine sofortige Abklärung nicht für nötig.

    Nach seiner Rückkehr aus den Ferien wurde Prof. Hottinger am 17. August
wieder zugezogen, da sich der Zustand des Kindes verschlechtert hatte. Nach
Angaben der Eltern schrie es schrill auf, wurde apathisch, erbrach sich,
litt an Verstopfung und wechselnder Bauchverhärtung. In der Folge trat
hohes Fieber auf. Am 22. August wurde eine linksseitige Ptosis (Herabsinken
des oberen Augenlides infolge Lähmung) festgestellt; Nackensteifigkeit
bestand dagegen nicht. Wegen akuter Verschlechterung des Zustandes
des Kindes ordnete Prof. Hottinger am 23. August 1953 die sofortige
Einweisung in das Kinderspital an mit der Diagnose "Tumor in abdomine
(Volvulus? Invagination? Peritonitis adhaesiva?), d.h. "Geschwulst im
Unterbauch, Darmverschlingung, Einstülpung eines Darmteils in das Gebiet
eines benachbarten Darmabschnittes, zu Verwachsungen mit benachbarten
Organen führende Bauchfellentzündung".

    Die Aufnahmeuntersuchung in der chirurgischen Abteilung ergab einen
Tumor im Unterbauch, eine geringe Nackensteifigkeit und eine verengte
Lidspalte links. Nach Katheterisierung der Blase verschwand die Geschwulst
im Unterbauch, womit feststand, dass es sich um eine Urinretention
gehandelt hatte. Am nächsten Tage, dem 24. August 1953, wurden eine
Lähmung des linken Armes, eine Hypotonie und Areflexie der Beine,
sowie ein starker Meningismus und eine Ptosis links festgestellt. Das
Kind wurde deshalb auf die medizinische Abteilung überwiesen, wo es von
Prof. Freudenberg unter Mitwirkung des Oberarztes Dr. Hauser behandelt
wurde. Lumbalpunktionen, die in dieser Zeit vorgenommen wurden, führten zu
keinen schlüssigen Ergebnissen. Am 29. August wurde zunehmende, auf eine
linksseitige Lähmung der Rückenmuskulatur zurückzuführende Verkrümmung der
Wirbelsäule festgestellt. Am 1. September 1953 wurde das Krankheitsbild
gemäss der Krankengeschichte als verschleppte, in verschiedenen Herden
abgekapselte Meningitis mit chronischer Pyurie gedeutet. Das Muttermal über
dem Kreuzbein war an diesem Tage verhärtet und vorgewölbt. Am 6. November
1953 bildete sich an dieser Stelle ein Abszess. Dessen am 7. November
durchgeführte Öffnung ergab dicken Eiter. Ein weiteres Konsilium mit dem
bereits früher wiederholt zugezogenen Neurologen Prof. Georgi führte zu
keinen neuen Gesichtspunkten hinsichtlich der Ursache der Lähmungen; der
für die Meningitis verantwortliche Herd blieb unbekannt. Erst bei einer
erneuten Lumbalpunktion am 16. November fiel auf, dass die eingeführte
Flüssigkeit aus der Abszesswunde über dem Kreuzbein herausfloss. Damit
entstand, nach fast drei Monaten ständiger Pflege und Untersuchung im
Kinderspital, die Vermutung, dass zwischen dem sakralen Dermoid und der
Meningitis ein Zusammenhang bestehen könnte.

    Im Mai 1954 wurde das Dermoid durch Prof. Krayenbühl, Zürich, operativ
entfernt. Gestützt auf die Anamnese, den Verlauf der Erkrankung und die bei
der Operation in Zürich gemachten Feststellungen ergab sich schliesslich
die folgende Deutung:

    "Wahrscheinlich hat sich im Rahmen einer Sepsis mit Pyurie im März
1953 bei dem Mädchen ein sakrales Dermoid metastatisch infiziert. Dieser
Herd kam nicht zur Ausheilung, sondern hat zu einem Epiduralabszess
geführt. Dadurch kam es zu einer Begleitmeningitis, die wahrscheinlich
bis zur akuten Verschlimmerung im August 1953 steril blieb. Bei
der Lumbalpunktion in Basel wurde wahrscheinlich jeweils nur der
Epiduralabszess punktiert."

    Heute leidet das Kind an zahlreichen körperlichen Gebrechen,
insbesondere an einer Wirbelsäulenverkrümmung und einer Verkürzung
des linken Beines; es muss ein Stützkorsett des Körpers mit Kinn-
und Nackenstützen, sowie einen Beinapparat links tragen; es ist auch
psychisch geschädigt.

    B.- Am 19. Januar 1959 reichte Pius Husy als gesetzlicher Vertreter
seiner minderjährigen Tochter beim Zivilgericht von Basel-Stadt gegen
Prof. Hottinger eine Schadenersatz- und Genugtuungsklage für den Betrag von
Fr. 300'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Oktober 1958 ein, unter Vorbehalt
weiterer Forderungen. Er machte den Beklagten für die Gebrechen der
Klägerin verantwortlich und warf ihm vor, er habe durch Stellung einer
falschen Diagnose und unrichtige Behandlung seine Sorgfaltspflichten
verletzt und dadurch die bestehenden Krankheitsfolgen verschuldet.

    Der Beklagte bestritt die Begründetheit dieser Vorwürfe und beantragte,
die Klage abzuweisen.

    C.- Das Zivilgericht von Basel-Stadt zog Prof.  Bamberger, Heidelberg,
als Sachverständigen bei und vernahm zahlreiche Zeugen ein, darunter auch
Dr. Hauser, der die Klägerin als Oberarzt im Kinderspital und später,
nach ihrer Entlassung, in seiner Privatpraxis behandelt hatte. Gestützt
auf das Haupt- und zwei Ergänzungsgutachten Prof. Bambergers, sowie auf
Grund der übrigen Ergebnisse des Beweisverfahrens kam das Zivilgericht
zum Schluss, der Beklagte habe weder als Konsiliar noch als behandelnder
Arzt einen haftungsbegründenden Kunstfehler begangen. Es wies daher die
Klage mit Urteil vom 24. Juli 1964 ab.

    Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ergänzte das
Beweisverfahren durch nochmalige Einvernahme verschiedener Zeugen,
insbesondere auch der Ärzte Dr. Hauser und Dr. Hatz, und schützte
hernach mit Urteil vom 6. September 1967 die Klage für den Betrag von
Fr. 113'000.-- nebst 5% Zins seit 19. Januar 1959; die weitergehenden
Forderungen wies es ab.

    D.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht. Er
macht u.a. geltend, das Appellationsgericht habe grundlegende prozessuale
Regeln verletzt und damit ihm gegenüber eine formelle Rechtsverweigerung
begangen.

    Die Beschwerdebeklagte und das Appellationsgericht Basel-Stadt
beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer begründet die Rüge der Verletzung
grundlegender prozessualer Vorschriften und der formellen
Rechtsverweigerung damit, dass das Appellationsgericht sich bei der
Befragung des Zeugen Dr. med. Hauser nicht auf blosse Zeugenfragen
beschränkt, sondern ihm auch Expertenfragen vorgelegt und auf seine
Antworten in entscheidender Weise abgestellt habe, um sich über Ansichten
des Experten Prof. Bamberger hinwegzusetzen und auch die Unterlassung einer
Lumbalpunktion im März 1953 als Fehler zu bezeichnen, sowie das Vorliegen
meningealer Anzeichen am 4. Juli 1953 zu bejahen. Mit diesem Vorgehen
habe das Appellationsgericht die Vorschriften der §§ 150 und 151 der ZPO
des Kantons Basel-Stadt über die Bestellung von Sachverständigen verletzt.

Erwägung 2

    2.- Gegenstand von Zeugenaussagen können nach § 113 der Basler ZPO
nur eigene Sinneswahrnehmungen des Zeugen sein. Ist dieser auf dem in
Frage stehenden Gebiet zugleich sachkundig, so fallen unter den Begriff
der Zeugenaussage auch diejenigen Wahrnehmungen, die der Zeuge nur kraft
seiner Sachkunde zu machen vermochte; er ist dann ein sachverständiger
Zeuge. Aber auch solche Aussagen können sich nur auf die eigenen
Wahrnehmungen des Zeugen und die daraus zu ziehenden tatsächlichen
Schlussfolgerungen beziehen. Im vorliegenden Falle wurden jedoch
Dr. Hauser auch Fragen vorgelegt, die über den Rahmen der Wahrnehmungen
und Schlussfolgerungen auch eines sachverständigen Zeugen hinausgingen und
den Charakter eigentlicher Expertenfragen hatten. So erklärte Dr. Hauser
in Beantwortung einer ihm vom Vorsitzenden gestellten Frage:

    "Ich hätte am 17./19. März Lumbalpunktion gemacht. Das ist eine
Überzeugungsfrage. Man klärt heute allerdings schneller ab als früher"
(Protokoll des Appellationsgerichts S. 2).

    Über die Bedeutung der Symptome vom 4. Juli 1953 befragt, erklärte
der Zeuge:

    "Die Anzeichen vom 4. Juli waren entschieden meningeale Anzeichen. Das
gibt in der Regel Anlass für eine Lumbalpunktion..."

    Auf die weitere Frage, ob aus den vom Beschwerdeführer am 4. Juli
festgestellten Symptomen auf einen Restzustand einer im März vorhanden
gewesenen Meningitis oder auf einen neuen Schub zu schliessen gewesen sei,
antwortete der Zeuge, er würde eher eine Restmeningitis annehmen, die Frage
sei jedoch schwierig zu beantworten, da er das Kind damals nicht behandelt
habe. Ein gänzliches Verschwinden der Meningitis zwischen dem ersten und
dem zweiten Mal bezeichnete er als sehr unwahrscheinlich; es könne sich
um ein Wiederaufflackern der früheren Meningitis gehandelt haben. Ein
solches Aufflackern sei ein ernster Zustand. Wörtlich führte er sodann aus:

    "Es wäre einfacher gewesen durch Abklärung mit Lumbalpunktion,
weil dann eine differenziertere Diagnose möglich gewesen wäre... Hätte
man am 17./19. März Lumbalpunktion gemacht, ohne Resultat, so hätte
man das Kind Krayenbühl schicken müssen, zur Abklärung. In der zweiten
Phase hätte ich Lumbalpunktion gemacht. Es geht immer darum, ob man
Indikation dafür sieht. Aber Lumbalpunktion hätte zur Klärung der
Diagnose beigetragen. Struma ist irrelevant, ist keine Erklärung für
Nackensteifigkeit, Opisthotonus und Haltung, meiner Meinung nach."
Auf die Frage, ob eine Lumbalpunktion im März aussichtsreicher gewesen
wäre als im August, antwortete der Zeuge:

    "Ich kann nicht sagen, ob im März kein Liquor gekommen wäre; wenn
keiner gekommen wäre, hätte man es abklären müssen."

    Alle diese Antworten betrafen nicht eigene Sinneswahrnehmungen des
Zeugen im oben umschriebenen Sinne, sondern sie waren Äusserungen darüber,
welche Schlussfolgerungen aus den seinerzeit vorhandenen Symptomen
zu ziehen waren und was bei der Behandlung der Beschwerdebeklagten
richtigerweise hätte vorgekehrt werden müssen. Solche Erörterungen
gehörten unzweifelhaft zum Aufgabenbereich eines Sachverständigen. Das
Appellationsgericht hat somit dem Zeugen Dr. Hauser die Funktionen eines
Oberexperten übertragen und bei der Fällung seines Urteils wesentlich
auf seine Aussagen abgestellt. Es bezeichnete die Unterlassung einer
Lumbalpunktion am 17./19. März 1953, die der Experte Bamberger als "noch
vertretbar" bewertet hatte, unter mehrfacher Bezugnahme auf die Aussagen
von Dr. Hauser als fehlerhaft, wenn es auch einen Kausalzusammenhang
zwischen dieser Unterlassung und der Schädigung der Beschwerdebeklagten
nicht als erwiesen erachtete. Hinsichtlich der am 4. Juli 1953
vorhandenen Symptome nahm es sodann, gestützt auf die Aussagen von Dr.
Hauser im Gegensatz zum Gutachten Bamberger an, es sei "doch sicher,
dass sie insgesamt meningeale Anzeichen sind, die auf eine Meningitis
hinweisen". Aus diesem Grunde hätte der Beschwerdeführer jedenfalls damals
eine Lumbalpunktion vornehmen müssen wie dies auch Dr. Hauser nach seinen
Aussagen getan hätte. Zwar wäre mit aller Wahrscheinlichkeit in diesem
Zeitpunkt kein Liquor mehr zu gewinnen gewesen; aber gerade dies hätte
die Beschäftigung mit der Dermatoidzyste unausweichlich gemacht.

    Angesichts dieser Ausführungen des angefochtenen Urteils steht ausser
Zweifel, dass das Appellationsgericht den Äusserungen von Dr. Hauser
entscheidende Bedeutung beimass. In seiner Vernehmlassung auf die
Beschwerde erklärt es freilich, es habe "im übrigen massgebend auf
die Lehrbücher Bamberger und Fanconi abgestellt". Die in Lehrbüchern
dargelegten allgemeinen theoretischen Ansichten genügten ihm aber
offensichtlich nicht, um dem Experten Bamberger nicht zu folgen; es
bedurfte hiefür der Stütze durch die Aussagen von Dr. Hauser; denn hätte
das Appellationsgericht schon allein das aus den Lehrbüchern geschöpfte
Wissen als ausreichend betrachtet, um sich seine Meinung zu bilden,
so hätte es keinen Anlass gehabt, auch noch Dr. Hauser in der oben
umschriebenen Weise zu befragen.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer erblickt darin, dass das
Appellationsgericht Dr. Hauser als Sachverständigen befragte, eine
formelle Rechtsverweigerung, weil er keine Gelegenheit gehabt habe, sich
die Frage der Ablehnung von Dr. Hauser als Sachverständigen zu überlegen
und sich auf die Stellung von Expertenfragen vorzubereiten.

    § 150 der Basler ZPO bestimmt, der bezeichnete Experte sei den
Parteien mitzuteilen, damit diese innert einer Frist von 1 - 3 Tagen
gegen ihn Einwendungen erheben können; des weiteren sind sie befugt, vor
der Instruktion des Sachverständigen dem Präsidenten bestimmte Fragen
vorzuschlagen. Über diese zur Sicherung der Parteirechte aufgestellten
Vorschriften hat sich das Appellationsgericht bei der Stellung seiner
Expertenfragen an Dr. Hauser hinweggesetzt. Der Beschwerdeführer hat
jedoch gegen die Fragestellung an den Zeugen nicht unverzüglich Einspruch
erhoben, sondern gegenteils selber an ihn Ergänzungsfragen stellen lassen,
die ebenfalls Expertenfragen waren, wie er dies schon im erstinstanzlichen
Verfahren bei der Befragung des Zeugen Prof. Freudenberg getan hatte. Ob
unter diesen Umständen gleichwohl von einer formellen Gehörsverweigerung
gesprochen werden könne, ist zweifelhaft. Die Frage braucht jedoch nicht
entschieden zu werden, da das angefochtene Urteil auf jeden Fall wegen
willkürlicher Anwendung von § 151 Basler ZPO aufgehoben werden muss.

Erwägung 4

    4.- Gemäss § 151 ZPO ist bei der Ernennung von Sachverständigen
"darauf zu sehen, dass diese bei der betreffenden Sache nicht irgendwie
beteiligt seien".

    Im vorliegenden Fall war Dr. Hauser zweifellos im Sinne dieser
Vorschrift "an der Sache beteiligt". Er hatte in seiner Eigenschaft
als Oberarzt am Kinderspital zeitweise an der Behandlung der
Beschwerdebeklagten mitgewirkt, wenn auch Prof. Freudenberg eigentlicher
behandelnder Arzt war; überdies behandelte er sie nach ihrer Entlassung
aus dem Spital, ab 1954, in seiner Privatpraxis; im Zeitpunkt seiner
Einvernahme durch das Appellationsgericht befasste er sich noch
konsiliarisch mit ihr.

    Diese Beteiligung an der Sache hatte nicht nur seine Ablehnbarkeit zur
Folge, sondern sie bedeutete nach der Systematik des Gesetzes wie auch nach
dem Wortlaut des § 151 einen Unfähigkeitsgrund, der es ausschloss, ihn als
Sachverständigen beizuziehen. Würde es sich um eine blosse Ablehnbarkeit
handeln, so hätte es der Aufnahme des ersten Satzes von § 151 in das
Gesetz nicht bedurft, da ja das Recht der Parteien, Einwendungen gegen
den vom Präsidenten bezeichneten Sachverständigen geltend zu machen,
bereits in § 150 ZPO geregelt ist. Zum mindesten enthält § 151 die
Verpflichtung des Richters, von der Bezeichnung eines Sachverständigen
abzusehen, von dem er weiss, dass er an der Sache beteiligt ist. Um
eine blosse Ordnungsvorschrift kann es sich dabei nicht handeln, und
zwar auch nicht etwa in dem Sinn, dass der Richter über eine Beteiligung
des Sachverständigen hinwegsehen und es den Parteien überlassen dürfte,
Einwendungen vorzubringen, worauf er dann erst verpflichtet wäre, einen
andern Sachverständigen zu bezeichnen. Das zur Richterpflicht hinzutretende
Recht der Parteien, Einwendungen gegen den Experten zu erheben, dient
lediglich der Aufklärung des Richters, der im Zeitpunkt der Ernennung
keine Kenntnis vom Ausstands- bezw. Ablehnungsgrund hatte.

    Dass die Beteiligung an der Sache einen von Amtes wegen zu beachtenden
Ausstandsgrund bildet, nimmt offenbar auch HABERTHÜR in der "Praxis
zur Basler ZPO, mit Erläuterungen" an, wenn er (S. 641) ausführt,
der Experte werde vom Richter unter Beachtung von § 151 ZPO bestimmt.
Ebenso vertritt GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 366,
die Auffassung, zum Sachverständigen dürfe nur eine Person ernannt werden,
die als Richter nicht abgelehnt werden könnte, und er missbilligt (FN 6)
die Ansicht, geschäftliche Beziehungen zu der einen Partei stünden der
Ernennung zum Sachverständigen nicht entgegen. Auch er stellt somit nicht
auf eine allfällige Ablehnung ab, sondern betrachtet die Bezeichnung
eines Sachverständigen, der als Richter abgelehnt werden könnte, als
schlechthin unzulässig. Im gleichen Sinne erklären auch verschiedene
andere kantonale Prozessordnungen der deutschen Schweiz die Ernennung eines
Sachverständigen, der als Richter abgelehnt werden könnte, als unstatthaft
(so Baselland, § 150 ZPO; Bern, Art. 267 ZPO; Zürich, § 214 ZPO, dem
die Kommentatoren STRÄULI/HAUSER das Marginale "Untaugliche Personen"
beigefügt haben).

    Eine andere Regelung haben verschiedene französischsprachige Kantone
getroffen: Sie sehen lediglich die Ablehnbarkeit eines vom Richter
ernannten Sachverständigen vor, ohne den Richter zu verpflichten, einen
Ausstands- oder Ablehnungsgrund vom Amtes wegen zu berücksichtigen
(so Waadt, Art. 215 CPC; Neuenburg, Art. 248 ff. CPC; Genf, Art. 261
f. CPC). Das ändert indessen nichts daran, dass nach dem hier in
Frage stehenden Prozessrecht von Basel-Stadt die Beteiligung eines
Sachverständigen an der Sache einen von Amtes wegen zu beachtenden
Unfähigkeitsgrund darstellt.

    Dr. Hauser hätte somit nicht als Sachverständiger bezeichnet werden
dürfen, und es hatten daher auch alle Fragen zu unterbleiben, die
inhaltlich Expertenfragen waren. Da die Beteiligung an der Sache einen
Unfähigkeitsgrund bildet, ist auch unerheblich, dass der Beschwerdeführer
nicht sofort Einspruch erhob und sogar selber Expertenfragen stellen
liess. Indem das Appellationsgericht anstelle einer Oberexpertise die
Aussagen des als Sachverständigen unzulässigen Dr. Hauser einholte
und wesentlich auf sie abstellte, hat es § 151 der Basler ZPO durch
willkürliche Auslegung und Anwendung verletzt.

    Das Gerichtsorganisationsgesetz von Basel-Stadt (GOG) bestimmt
allerdings in § 42, vorletzter Absatz: "Die Parteien sind indessen befugt,
im gegenseitigen Einvernehmen auf den Austritt eines Gerichtspräsidenten,
Richters oder Beamten des Zivilgerichts zu verzichten." Ob diese Vorschrift
auch auf Sachverständige analog anwendbar sei, kann offen bleiben; denn
auf jeden Fall fehlt es hier am gegenseitigen Einvernehmen; ein solches
muss nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ausdrücklich erklärt werden,
weshalb blosses Unterbleiben eines Einspruchs gegen die Befragung eines
unzulässigen Experten seitens beider Parteien für die Annahme eines
gegenseitigen Einvernehmens nicht ausreicht.

    Die Beschwerdebeklagte wendet ein, die staatsrechtliche Beschwerde
sei in diesem Punkte verspätet, da die Frist für ihre Erhebung mit der
Einvernahme des Dr. Hauser zu laufen begonnen habe. Diese Auffassung geht
fehl. Im Zeitpunkt der Einvernahme war dem Beschwerdeführer noch nicht
bekannt, ob und wie das Appellationsgericht die Aussagen dieses Zeugen
verwerten würde. Dies stand erst mit der Zustellung des Urteils fest,
und erst sie setzte daher die Frist für die staatsrechtliche Beschwerde
in Lauf.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. September 1967 wird
aufgehoben.